Urteil des BVerwG vom 19.10.2005

Politische Verfolgung, Behandlung, Wahrscheinlichkeit, Zeitungsartikel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 104.05
OVG 8 A 780/04.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Oktober 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Juli 2005 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den
Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen, (erstens) "ob der Klä-
ger aufgrund seiner Aktivitäten hier in Deutschland mit einem Strafverfahren in der
Türkei rechnen muss bzw. auch mit menschenrechtswidriger Behandlung, gerade
weil er wegen seiner geringen 'Popularität' nicht durch die Aufmerksamkeit der Öf-
fentlichkeit geschützt" sei und - sollte die erste Frage so zu beantworten sein, dass
der Kläger mit Folter bzw. Strafe zu rechnen habe - (zweitens) "inwieweit (dann) un-
ter Berücksichtigung des § 28 Abs. 2 AsylVfG im Fall des Klägers die Feststellung
eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG ausgeschlossen wäre"
(Beschwerdebegründung S. 1). Zusätzlich stelle sich (drittens) die grundsätzliche
Frage, "ob der Kläger, wenn er zumindest von Seiten der türkischen Regierung tat-
sächlich der Kaplan-Bewegung zugeordnet" werde, nunmehr nach Änderung der
türkischen Strafgesetze "tatsächlich nicht mehr mit Strafen zu rechnen" habe (Be-
schwerdebegründung S. 2).
Die erste und die dritte Frage beziehen sich darauf, ob der Kläger wegen seiner Akti-
vitäten für die Kaplan-Bewegung in Deutschland bei einer Rückkehr in die Türkei mit
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Bestrafung und menschenrechtswidriger Behandlung rechnen muss. Ob dies der Fall
ist, hängt - auch was die Feststellung und Auslegung des türkischen Straf-
rechts betrifft - von der dem Berufungsgericht als Tatsachengericht vorbehaltenen
Feststellung und Würdigung des entscheidungserheblichen Sachverhalts ab, an die
das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage von allgemeiner Be-
deutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird damit nicht bezeichnet.
Hinsichtlich der zweiten Frage zu § 28 Abs. 2 AsylVfG - und der in diesem Zusam-
menhang noch geltend gemachten Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift (Be-
schwerdebegründung S. 4) - ist nicht dargelegt und erkennbar, dass sie in dem an-
gestrebten Revisionsverfahren zu beantworten wäre. Das Berufungsgericht hat näm-
lich die angegriffene Entscheidung, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Fest-
stellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG habe, ausdrücklich
"auch unabhängig von § 28 Abs. 2 AsylVfG" (UA S. 16) darauf gestützt, dass ihm
aufgrund des im Asylfolgeverfahren allein beachtlichen Verfolgungsvorbringens (Zei-
tungsartikel) zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
politische Verfolgung drohe (UA S. 18 ff.). Gegen diese das Berufungsurteil selb-
ständig tragende Begründung sind keine durchgreifenden Zulassungsrügen erhoben.
Ist ein Urteil aber auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann
die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur Erfolg haben, wenn ge-
gen sämtliche dieser tragenden Gründe zulässige und begründete Revisionszulas-
sungsgründe geltend gemacht werden. Daran fehlt es hier.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
RVG.
Eckertz-Höfer Hund Richter
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