Urteil des BVerwG vom 22.07.2008

Familie, Zumutbarkeit, Guinea, Übung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 10.08
OVG 4 Bf 431/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2008
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Richter
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberver-
waltungsgerichts vom 6. März 2008 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht
den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
1. Die Beschwerde hält u.a. die Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
„dass die Verschuldungsfeststellung nach § 25 Abs. 5 AufenthG die Feststel-
lung der Geeignetheit und Zumutbarkeit der Nachfrage nach der Familie bei
den Behörden im Herkunftsland voraussetzt“ (Beschwerdebegründung S. 3).
Sie leitet ein Klärungsbedürfnis daraus ab, dass das Berufungsgericht einen
Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG mit der Begründung abgelehnt habe, er habe keine eigenen
Bemühungen dargetan, um das Verfahren der Erteilung von Heimreisedoku-
menten positiv zu beeinflussen, insbesondere durch Kontaktaufnahme zu sei-
ner Familie in Guinea (UA S. 11). Jedenfalls im konkreten Fall überspanne das
Berufungsgericht hierbei die Anforderungen an den Kläger, wenn es selbst da-
von ausgehe, dass der Kläger keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe.
Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts sei dem Kläger nicht
zumutbar, Erkundigungen bei guineischen Behörden nach seiner Familie ein-
zuholen. Es bestehe Klärungsbedarf, ob generell Erkundigungen bei Behörden
des Herkunftslandes verlangt werden könnten. Dagegen spricht nach Auffas-
sung der Beschwerde, dass eine solche Möglichkeit in vielen Ländern nicht be-
stehe, in Unrechtsstaaten seien die Familien zudem bei Erkundigungen gefähr-
det.
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Die von der Beschwerde damit aufgeworfenen Fragen lassen sich jedoch nicht
- wie für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung erfor-
derlich - verallgemeinerungsfähig beantworten.
Welche Bemühungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses dem Ausländer
zumutbar sind, hat das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Umstände
und Besonderheiten des Einzelfalles entschieden und sich dabei an der
Rechtsprechung des Senats orientiert (insbesondere am Beschluss vom
15. Juni 2006 - BVerwG 1 B 54.06 - Buchholz 402.240 § 25 AufenthG Nr. 4
m.w.N.). Das Berufungsgericht hat insoweit vor allem darauf abgestellt, dass
der Kläger keine eigenen Bemühungen dargelegt habe, Papiere zu beschaffen,
die den Anforderungen der Botschaft Guineas für die Erteilung eines Heimrei-
sedokuments genügen. Da ein Weg, zu einem solchen Dokument zu kommen,
aus Sicht des Berufungsgerichts offensichtlich ein Schreiben der klägerischen
Familie aus Guinea gewesen wäre, hat es die Zumutbarkeit zu identitätsklären-
den Nachfragen im Herkunftsland durch den Kläger - hinsichtlich des Verbleibs
seiner Familie auch bei guineischen Behörden - geprüft und bejaht. Dass es
hierbei auch den individuellen intellektuellen Fähigkeiten des Klägers Rechnung
getragen hat, indem es auf seine Stellung als Präsident einer guineischen
Vereinigung in Hamburg verwiesen hat, die auf Übung im Umgang mit Behör-
den und im Schriftverkehr schließen lasse, entspricht der genannten Entschei-
dung des Senats (vgl. Beschluss vom 15. Juni 2006 - BVerwG 1 B 54.06 -
a.a.O. Rn. 4). Da das Berufungsgericht nicht festgestellt hat - ohne dass dies
die Beschwerde mittels einer Verfahrensrüge angegriffen hätte -, dass etwaige
Erkundigungen des Klägers bei guineischen Behörden seine Familie einer Ge-
fahr ausgesetzt hätten, wäre die hierzu aufgeworfene Frage im Rahmen der
angestrebten Revision nicht klärungsfähig.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern der Fall des Klägers angesichts des-
sen Anlass zu weitergehender rechtsgrundsätzlicher Klärung geben könnte. Die
im Zusammenhang mit den aufgeworfenen Fragen denkbaren Verfahrensrügen
hat sie nicht erhoben, so dass die Zulassung der angestrebten Revision nicht in
Betracht kommt.
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2. Auf die weitere von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene
Frage, ob der Passbesitz des Klägers im Jahr 2004 als allgemeinkundig ange-
sehen werden kann (Beschwerdebegründung S. 2 f.), kommt es nicht mehr ent-
scheidungserheblich an. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung
- selbständig tragend - auf den Passbesitz wie auf die unzureichende Darle-
gung von Bemühungen zur Dokumentenbeschaffung gestützt. Ist eine Ent-
scheidung auf mehrere Gründe gestützt, kann die Revision grundsätzlich nur
zugelassen werden, wenn bezüglich sämtlicher tragender Begründungen ein
Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. Au-
gust 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Eckertz-Höfer Prof. Dr. Dörig Richter
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