Urteil des BVerwG vom 17.07.2003

Afghanistan, Aufklärungspflicht, Zeitungsartikel, Freiheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 10.03 (1 PKH 2.03)
OVG 1 Bf 67/98.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom
24. Oktober 2002 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Beschwerde keine
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und eines Verfahrensmangels wegen Verlet-
zung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 i.V.m. § 86 Abs. 1
VwGO) sind nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend darge-
tan.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt
voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage aufgeworfen wird.
Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage,
"ob einem afghanischen Staatsangehörigen, der nach Kabul abgeschoben wird, und
in Afghanistan über keine Wohnung und Angehörige verfügt, die bereit und in der
Lage wären, ihn bei sich aufzunehmen, trotz der humanitären Hilfen für Afghanistan
eine individuell-konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohen würde, die die
Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG recht-
fertigen könnte" (Beschwerdebegründung S. 1),
zielt nicht auf eine Rechtsfrage. Sie betrifft vielmehr die Feststellung und Würdigung der
tatsächlichen Verhältnisse in Afghanistan, die nach der Prozessordnung den Tatsachenge-
richten vorbehalten ist. Dies hat der Senat zu vergleichbaren Rügen des Prozessbevoll-
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mächtigten der Kläger bereits mehrfach ausgeführt (vgl. zuletzt Beschluss vom 4. Juni 2003
- BVerwG 1 B 354.02). In Wahrheit wendet sich die Beschwerde, wie auch ihr Hinweis auf
verschiedene, zum Teil nach Ergehen der Berufungsentscheidung veröffentlichte Erkennt-
nisquellen deutlich macht, mit ihrem Vorbringen gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende
Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Darauf kann eine grundsätzli-
che Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gestützt werden.
Auch die geltend gemachte Verletzung der Aufklärungspflicht ist nicht in einer den Anforde-
rungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan. Die Beschwerde rügt,
das Berufungsgericht habe sich zum Zeitpunkt seiner Entscheidung Ende Oktober 2002
nicht einmal ansatzweise Gedanken darüber gemacht, ob sich die humanitäre Situation in
Afghanistan seit Juli 2002, dem Entstehungszeitpunkt der zuletzt in das Verfahren eingeführ-
ten Stellungnahmen und Zeitungsartikel, nicht zu Ungunsten der afghanischen Rückkehrer
verändert habe (Beschwerdebegründung S. 2 f.). Dieser Vorwurf geht schon deshalb fehl,
weil das Berufungsgericht ausweislich der den Beteiligten übersandten Erkenntnismittelliste
auch jüngere Stellungnahmen und Berichte aus den Monaten August und September 2002
in das Verfahren eingeführt und ausgewertet hat (vgl. auch BA S. 9 ff.). Abgesehen davon ist
mit den Ausführungen der Beschwerde ein Aufklärungsmangel auch sonst nicht hinreichend
bezeichnet. So legt die Beschwerde nicht dar, welche weitergehenden, für die Kläger günsti-
gen tatsächlichen Feststellungen bezüglich der allgemeinen Gefahrenlage in Kabul und
Umgebung bei Durchführung der vermissten Aufklärung voraussichtlich noch getroffen
worden wären. Sie zeigt auch nicht - wie erforderlich - auf, dass die anwaltlich vertretenen
Kläger im berufungsgerichtlichen Verfahren auf eine weitere Aufklärung des Sachverhalts
hingewirkt hätten oder dass und warum sich dem Berufungsgericht auch ohne ein solches
Hinwirken eine weitere Sachaufklärung trotz der bereits herangezogenen zahlreichen Er-
kenntnismittel hätte aufdrängen müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer Beck Prof. Dr. Dörig