Urteil des BVerwG vom 18.05.2010

Rechtshilfe in Strafsachen, Zulässigkeit der Auslieferung, Überprüfung, Justizbehörde

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 1.10
OVG 5 So 194/09
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2010
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Dezember
2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die von der
Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: Justizbe-
hörde) ausgesprochene Bewilligung seiner Auslieferung nach Polen zum Zwe-
cke der Strafvollstreckung.
Das Bezirksgericht W. in Polen ersuchte im April 2008 auf der Grundlage eines
Europäischen Haftbefehls die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg um Auslie-
ferung des Klägers. Nachdem die Justizbehörde mit Schreiben vom 10. Juli
2008 erklärt hatte, es sei nicht beabsichtigt, Bewilligungshindernisse nach § 83b
des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) geltend
zu machen, erklärte das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom
10. Oktober 2008 die Auslieferung für zulässig. Daraufhin teilte die
Justizbehörde mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 dem Bezirksgericht W. in
Polen mit, dass sie die Auslieferung des Klägers bewilligt habe. Hiervon unter-
richtete sie zugleich auch den Bevollmächtigten des Klägers. Nach Einlegung
eines „Widerspruchs“ gegen die Auslieferungsbewilligung und - erfolglos ge-
bliebenem - Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat der Kläger im Septem-
ber 2009 Klage gegen die Auslieferungsbewilligung der Justizbehörde beim
Verwaltungsgericht Hamburg erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom
29. Oktober 2009 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das
Verfahren an das Hanseatische Oberlandesgericht verwiesen. Zur Begründung
hat es ausgeführt, innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit
der Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den §§ 78
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ff. IRG habe der Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 2 Satz 3 i.V.m.
§§ 29, 79 Abs. 3 i.V.m. § 33 IRG umfassend und eindeutig den zuständigen
Oberlandesgerichten zugewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des
Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Dezember
2009 zurückgewiesen und die (weitere) Beschwerde an das Bundesverwal-
tungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtswegfrage zuge-
lassen. Zur Begründung hat es sich auf seine Ausführungen in einem zuvor
ergangenen Beschluss im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens
zwischen den Beteiligten bezogen (OVG Hamburg, Beschluss vom 23. Januar
2009 - 5 Bs 240/08 - juris).
Mit seiner (weiteren) Beschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend,
§ 13 Abs. 1 Satz 1 IRG enthalte keine ausdrückliche und klare Rechtswegzu-
weisung der Streitigkeiten um die Bewilligung der Auslieferung an die ordentli-
che Gerichtsbarkeit. Er genüge damit nicht den Anforderungen des § 40 Abs. 1
Satz 1 Halbs. 2 VwGO an eine abdrängende Sonderrechtszuweisung. § 13
Abs. 1 Satz 1 IRG regele - auch ausweislich der Überschrift - nur die sachliche
Zuständigkeit, nicht aber den Rechtsweg. Er betreffe zudem nur „gerichtliche
Entscheidungen“ auf der Grundlage des Gesetzes über die internationale
Rechtshilfe in Strafsachen, nicht aber Verwaltungsentscheidungen wie die Be-
willigung der Auslieferung. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts
spreche auch der Wille des Gesetzgebers, der im Übrigen allein für die An-
nahme einer klaren anderweitigen Rechtswegzuweisung nicht ausreiche, nicht
eindeutig für eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Der Gesetzgeber sei
weder dem Vorschlag der Bundesregierung gefolgt, die Bewilligungsentschei-
dung jeglicher Anfechtbarkeit zu entziehen, noch habe er klar entschieden,
welche Gerichtsbarkeit über eine Anfechtung der Bewilligung entscheiden solle.
Es verbleibe daher bei der allgemeinen Regelung in § 40 Abs. 1 VwGO, nach
der der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
II
1. Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG i.V.m. § 173 VwGO statthafte (weitere)
Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig vor Ablauf der Be-
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schwerdefrist am 30. Dezember 2009 eingelegt worden. Dabei kann dahinste-
hen, ob mit der fälschlicherweise an das Verwaltungsgericht Hamburg adres-
sierten Beschwerdeschrift, die per Fax am 23. Dezember 2009 bei der Ge-
meinsamen Annahmestelle im Haus der Gerichte eingegangen ist, die Frist
gewahrt worden ist, obwohl das Fax - entsprechend der falschen Adressierung -
ausweislich der darauf angebrachten Eingangsstempel am 28. Dezember 2009
zunächst an das Verwaltungsgericht gelangt und erst am 5. Januar 2010 beim
Oberverwaltungsgericht eingetroffen ist. Denn die Urschrift der Be-
schwerdeschrift, die am 29. Dezember 2009 bei der Gemeinsamen Annahme-
stelle im Haus der Gerichte eingegangen ist, ist ausweislich der Eingangsstem-
pel direkt an das Oberverwaltungsgericht weitergeleitet worden und am
5. Januar 2010 dort eingetroffen. Jedenfalls damit ist die Beschwerdefrist ge-
wahrt, da der Eingang bei der Gemeinsamen Annahmestelle zweifellos dann
maßgeblich ist, wenn die versehentlich falsch adressierte Beschwerdeschrift auf
Grund der übrigen, auf den richtigen Adressaten hindeutenden Umstände (hier:
Aktenzeichen des Oberverwaltungsgerichts und Antragsformulierung)
tatsächlich direkt an das zuständige Gericht gelangt ist. Über den vom Kläger
vorsorglich gestellten Wiedereinsetzungsantrag brauchte deshalb nicht ent-
schieden zu werden.
2. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht und
das Oberverwaltungsgericht haben zu Recht angenommen, dass für die Klage
gegen die Bewilligung der Auslieferung nicht der Rechtsweg zu den Verwal-
tungsgerichten eröffnet ist, sondern auf Grund von § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG der
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der mit der Beschwerde
angegriffene Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist daher nicht zu
beanstanden.
Bei der Klage gegen die Bewilligung der Auslieferung eines Verfolgten in einen
Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß § 12 und §§ 78 ff. IRG handelt es
sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher
Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitigkeit ist aber durch Bun-
desgesetz, nämlich durch § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die internatio-
nale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG - in der Fassung der Bekanntmachung
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vom 27. Juni 1994 (BGBl I S. 1537), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Juni
2008 (BGBl I S. 995), ausdrücklich den ordentlichen Gerichten in Gestalt der
Oberlandesgerichte zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO).
Im Rahmen des Zweiten Teils des Gesetzes mit der Überschrift „Auslieferung
an das Ausland“ bestimmt § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG, dass „die gerichtlichen Ent-
scheidungen vorbehaltlich der §§ 21, 22 und 39 Abs. 2 das Oberlandesgericht“
erlässt. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die Entscheidungen des Oberlandesge-
richts unanfechtbar. Diese Bestimmung regelt nicht nur, wie die Beschwerde
meint, die sachliche Zuständigkeit in Auslieferungssachen innerhalb der ordent-
lichen Gerichtsbarkeit, die - vorbehaltlich der den Amtsgerichten obliegenden
Entscheidungen in den dort genannten Spezialvorschriften - bei den Oberlan-
desgerichten konzentriert ist, sondern enthält zugleich auch eine abdrängende
Rechtswegzuweisung an die ordentlichen Gerichte im Sinne von § 40 Abs. 1
Satz 1 Halbs. 2 VwGO. Diese beschränkt sich nicht auf die gerichtliche Ent-
scheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung im engeren Sinne, wie sie die
nach § 12 IRG grundsätzliche Voraussetzung für die Bewilligung der Ausliefe-
rung durch die nach § 74 IRG zuständige Behörde ist. Schon dem Wortlaut
nach erfasst § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG „die gerichtlichen Entscheidungen“ in Aus-
lieferungssachen mit Ausnahme der den Amtsgerichten zugewiesenen Ent-
scheidungen. Dies spricht dafür, dass - bis auf diese Ausnahmen - alle in Aus-
lieferungssachen anfallenden gerichtlichen Entscheidungen gemeint sind.
Dementsprechend begründet diese Rechtswegzuweisung im klassischen Aus-
lieferungsrecht nach allgemeiner Auffassung die ausschließliche Zuständigkeit
der Oberlandesgerichte (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2005 - 2 BvR
2236/04 - BVerfGE 113, 273 <317>; Ehlers, in: Schoch u.a., VwGO, Stand No-
vember 2009, § 40 VwGO Rn. 633; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl.
2006, § 40 Rn. 129; a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 26. März 2001 - 2 S
2/01 -, OVGE BE 23, 232 = NVwZ 2002, 114; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO,
3. Aufl. 2010, § 40 Rn. 664 f.; offen Lagodny, in: Schomburg u.a., Internationale
Rechtshilfe in Strafsachen, IRG-Kommentar, 4. Aufl. 2006, § 12 Rn. 31 f.).
An der ausschließlichen Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Ausliefe-
rungssachen hat sich auch durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbe-
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schlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwi-
schen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehls-
gesetz - EuHbG - vom 20. Juli 2006, BGBl I S. 1721) nichts geändert. Nach
Aufhebung des ersten Umsetzungsgesetzes vom 21. Juli 2004 durch das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 (a.a.O.) hat der Gesetzgeber
in dem neuen Umsetzungsgesetz u.a. den Rechtsschutz gegen die Auslie-
ferung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls neu geregelt. Im Achten Teil
des IRG mit der Überschrift „Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehr mit
Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ ist nunmehr in § 79 Abs. 2 IRG vorge-
sehen, dass die Bewilligungsstelle vor der Zulässigkeitsentscheidung des Ober-
landesgerichts entscheidet, ob sie beabsichtigt, Bewilligungshindernisse nach
§ 83b IRG geltend zu machen. Die Vorabentscheidung, keine Bewilligungshin-
dernisse geltend zu machen, unterliegt der Überprüfung durch das Oberlan-
desgericht im Rahmen des Verfahrens nach § 29 IRG bzw. bei späteren Ver-
änderungen im Rahmen des Verfahrens nach § 33 IRG (§ 79 Abs. 2 Satz 3 und
Abs. 3 IRG). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber - abweichend vom ursprüng-
lichen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung (BTDrucks 16/1024 S. 6, § 74b
IRG-E) - davon abgesehen, die abschließende Bewilligungsentscheidung für
unanfechtbar zu erklären. Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass Fragen,
die die subjektiven Rechte des Betroffenen tangieren, im Auslieferungsverfah-
ren zwar im Rahmen der gerichtlichen Zulässigkeitsentscheidung im Verfahren
nach § 29 und § 33 IRG geprüft würden, dass aber dennoch nicht ausge-
schlossen erscheine, dass im Einzelfall die Entscheidung der Bewilligungsbe-
hörde in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen könne (BTDrucks
16/2015 S. 12 zu Buchst. f).
Daraus folgt entgegen der Ansicht der Beschwerde allerdings nicht, dass es
hinsichtlich der nunmehr für möglich gehaltenen gerichtlichen Überprüfung der
abschließenden Bewilligung der Auslieferung an einer ausdrücklichen und hin-
reichend eindeutigen Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte fehlen
würde und insoweit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40
Abs. 1 VwGO eröffnet wäre. Zwar trifft es zu, dass das Gesetz mit den speziel-
len Regelungen in § 79 Abs. 2 und 3 IRG, die die gerichtliche Überprüfung der
neu eingeführten Vorabentscheidung der Bewilligungsstelle betreffen, keine
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Regelung über die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte auch für die gerichtli-
che Überprüfung der endgültigen Bewilligungsentscheidung getroffen hat. Die
Zuständigkeit der Oberlandesgerichte ergibt sich insoweit aber aus § 78 Abs. 1
IRG, der die übrigen Bestimmungen des Gesetzes für anwendbar erklärt, so-
weit der Achte Teil keine besonderen Regelungen enthält. Da nichts dafür
spricht, dass § 79 Abs. 2 und 3 IRG eine abschließende Regelung hinsichtlich
der Zuständigkeit der Oberlandesgerichte enthält, ist hinsichtlich der gerichtli-
chen Überprüfung der abschließenden Bewilligungsentscheidung in Ausliefe-
rungssachen auf die Rechtswegzuweisung zu den ordentlichen Gerichten in
§ 13 Abs. 1 Satz 1 IRG zurückzugreifen.
Die Konzentration der gerichtlichen Überprüfung in Auslieferungssachen auf die
Oberlandesgerichte entspricht erkennbar dem Willen des Gesetzgebers und
dem mit der Gesamtregelung des Europäischen Haftbefehlsgesetzes verfolgten
Zweck, die Auslieferungsverfahren innerhalb der Europäischen Union zu be-
schleunigen und die mit einem gespaltenen Rechtsweg verbundenen Nachteile
zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/1024 S. 13). Nachdem der Gesetzgeber sich
nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2005 für die Bei-
behaltung der Zweistufigkeit des Auslieferungsverfahrens und des vorgelager-
ten Rechtsschutzes durch Einführung einer Vorabentscheidung der Bewilli-
gungsstelle entschieden hat, besteht kein Grund zu der Annahme, dass er hin-
sichtlich der in Einzelfällen denkbaren Anfechtung der abschließenden Bewilli-
gungsentscheidung nicht den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, son-
dern den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnen wollte. Die aus-
drückliche Überantwortung der Überprüfung derjenigen Elemente der Bewilli-
gungsentscheidung, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
18. Juli 2005 (a.a.O. S. 312 ff.) für die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes für
den Verfolgten ausschlaggebend waren, an die ordentlichen Gerichte (§ 79
Abs. 2 und 3 IRG) spricht vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber den etwa noch
erforderlichen Rechtsschutz gegen die abschließende Bewilligung - ent-
sprechend der allgemeinen Regel in § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG - ebenfalls den
ordentlichen Gerichten zuweisen wollte.
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Die Beschwerde kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg
darauf berufen, dass im Rechtsausschuss des Bundestages ein Änderungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt wurde, nach dem in einem
neuen § 83d IRG geregelt werden sollte, dass gegen die Bewilligungsentschei-
dung die Beschwerde vor dem Oberlandesgericht zulässig ist (BTDrucks
16/2015 S. 8 ff.). Diesem Antrag lag ein völlig anderes Konzept, nämlich das
einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung der gesamten Bewilligungsent-
scheidung, zu Grunde. Demgegenüber sah der Gesetzentwurf der Bundesre-
gierung mit der Einführung einer Vorabentscheidung der Bewilligungsbehörde
zu den Bewilligungshindernissen nach § 83b IRG in erster Linie eine präventive
gerichtliche Überprüfung im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung des Ober-
landesgerichts vor. Die Ablehnung der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vorgeschlagenen Regelung im Rechtsausschuss beruhte daher nicht auf einer
Meinungsverschiedenheit in Bezug auf den Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten, sondern auf einer grundsätzlich anderen Konzeption der Neugestal-
tung des Auslieferungsverfahrens und des gerichtlichen Rechtsschutzes in
Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Aus der Ablehnung
des Antrags können deshalb auch keine Schlüsse auf einen fehlenden Willen
des Gesetzgebers zur Zuweisung der gerichtlichen Kontrolle der Bewilligungs-
entscheidung an die ordentlichen Gerichte oder auch nur auf eine unentschlos-
sene Haltung zu dieser Frage gezogen werden.
Liegt damit eine eindeutige und ausreichend klare anderweitige Rechtswegzu-
weisung im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 VwGO an die ordentlichen
Gerichte vor, ist das Verfahren zu Recht an das zuständige Hanseatische Ober-
landesgericht verwiesen worden. Über die Frage, ob der Kläger durch die von
ihm angefochtene Bewilligungsentscheidung tatsächlich in subjektiven Rechten
verletzt ist, ist allein von diesem Gericht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Sie ist nicht wegen der
Regelung in § 17b Abs. 2 GVG entbehrlich. Die Anfechtung der Entscheidung
über die Verweisung löst ein selbständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem
nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (Beschlüsse
vom 17. September 2009 - BVerwG 2 B 70.09 - juris und vom 28. September
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1994 - BVerwG 1 B 163.94 - Buchholz 300 § 13 GVG Nr. 4). Der Festsetzung
eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für Be-
schwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine
Festgebühr von 50 € erhoben wird.
Eckertz-Höfer
Beck
Prof. Dr. Kraft
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Ausländerrecht
Fachpresse: ja
Prozessrecht
Gerichtsverfassungsrecht
Rechtsquellen:
VwGO
§ 40 Abs. 1 Satz 1
IRG
§ 13 Abs. 1 Satz 1, §§ 29, 33, 78, 79 Abs. 2
und 3
GVG
§ 17a Abs. 4 Satz 4, § 17b Abs. 2
Stichworte:
Auslieferung; Bewilligung der Auslieferung; Auslieferungsverfahren; Europäi-
scher Haftbefehl; öffentlich-rechtliche Streitigkeit; Rechtsweg zu den ordentli-
chen Gerichten; Rechtswegzuweisung; Unzulässigkeit des Verwaltungsrechts-
wegs; Verweisung des Rechtsstreits; Zuständigkeit der Oberlandesgerichte;
Beschwerdefrist; gemeinsame Briefannahmestelle.
Leitsatz:
Für Rechtsstreitigkeiten um die Bewilligung der Auslieferung eines Verfolgten
im Sinne des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (hier:
an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Zwecke der Strafvollstre-
ckung) ist nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den or-
dentlichen Gerichten gegeben (§ 13 Abs. 1 Satz 1 IRG).
Beschluss des 1. Senats vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 B 1.10
I. VG Hamburg vom 29.10.2009 - Az.: VG 19 K 2462/09 -
II. OVG Hamburg vom 11.12.2009 - Az.: OVG 5 So 194/09 -