Urteil des BVerwG vom 20.01.2010

Asylbewerber, Unterbringung, Asylverfahren, Duldung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 1.09
OVG 11 LC 314/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Januar 2010
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 18. September 2008 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf
6,25 Mio. € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger, der Landkreis H., erstrebt von dem beklagten Land Kostenerstat-
tung für die Unterbringung von Ausländern im Zeitraum von 1993 bis 2003, de-
ren Asylverfahren bestandskräftig abgeschlossen waren, die aber aus „asylver-
fahrensabhängigen Gründen“ geduldet wurden. Er hat mit seiner Klage die
Feststellung begehrt, dass der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet sei, ihm
für diesen Personenkreis von Ausländern eine Kostenerstattung gemäß der
jeweils maßgeblichen Fassung des niedersächsischen Gesetzes über die Auf-
nahme von Flüchtlingen (Aufnahmegesetz - AufnG) zu leisten, hilfsweise ihm
die Aufwendungen für diesen Personenkreis - aufgrund der Vorschriften über
die Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. eines öffentlichrechtlichen Erstat-
tungsanspruchs - zu ersetzen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht
hat - unter Zurückstellung von Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststel-
lungsklage - in der Sache eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten für den
genannten Personenkreis aufgrund der seinerzeit geltenden Aufnahmegesetze
verneint, weil die Erstattungsregelung für Asylbewerber in § 3 i.V.m. § 1 Abs. 1
Nr. 1 AufnG 1982/1997 sich nicht auf Ausländer beziehe, deren Asylverfahren
bereits bestandskräftig negativ abgeschlossen sei. Mit der Unterbringung dieser
Ausländer habe der Kläger auch kein fremdes Geschäft, sondern eine eigene
Aufgabe wahrgenommen, so dass auch der Hilfsantrag jedenfalls unbegründet
sei. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzu-
lassung der Revision.
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II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulas-
sungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen, soweit sie
überhaupt im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt sind, jedenfalls
nicht vor.
1. Hinsichtlich der Behandlung des Hauptantrags (betreffend die Kostenerstat-
tung nach dem Aufnahmegesetz 1982/1997) rügt die Beschwerde zunächst,
dass das Berufungsurteil von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. Februar 1993 - BVerwG 7 B 155.92 - (Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 89
S. 27) i.V.m. dem Beschluss vom 30. Mai 1990 - BVerwG 9 B 223.89 - (Buch-
holz 310 § 43 VwGO Nr. 108 S. 16) und dem Urteil vom 31. März 1992
- BVerwG 9 C 155.90 - (Buchholz 402.25 § 22 AsylVfG Nr. 4 S. 4) abweiche
(§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Nach der erstgenannten Entscheidung ende die
staatliche Unterbringungsverpflichtung aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG (a.F.)
i.V.m. Art. 83, 84 GG gerade nicht mit dem Abschluss des förmlichen Asylver-
fahrens, sondern erst dann, wenn die aufenthaltsrechtliche Abwicklung erfolgt
sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe darin unter Bezugnahme auf seinen
Beschluss vom 30. Mai 1990 (a.a.O.) ausgeführt, dass die Unterbringung von
Asylbewerbern wegen ihres unmittelbaren Bezugs zum Asylgrundrecht aus
Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG (a.F.) nicht zu den von den Gemeinden zu erledigen-
den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2
GG gehöre, sondern dem Bund und den Ländern obliege. Die mit dem vorläufi-
gen Bleiberecht der Asylbewerber korrespondierende staatliche Unterbrin-
gungsverpflichtung bestehe danach nur während des Laufs eines Asylverfah-
rens. Das Asylverfahren ende nach der Rechtsprechung zu § 22 AsylVfG (Urteil
vom 31. März 1992 a.a.O.), wenn der Asylbewerber im Anschluss an die end-
gültige Ablehnung seines Asylbegehrens aus dem Bundesgebiet ausreise oder
wenn ihm ungeachtet der Ablehnung seines Asylantrags der Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland ermöglicht werde. Demgegenüber vertrete das
Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil die Auffassung, dass die staatli-
che Unterbringungsverpflichtung des Landes gegenüber dem Bund aus Art. 16a
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GG i.V.m. Art. 83, 84 GG mit dem Abschluss des förmlichen Asylverfahrens
ende.
Ob die behauptete Divergenz ausreichend dargelegt ist, kann dahinstehen; sie
liegt jedenfalls nicht vor. Voraussetzung dafür wäre, dass dem angefochtenen
Urteil ein entscheidungstragender abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der von
einem ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz der angegebenen
höchstrichterlichen Entscheidung in Anwendung derselben Vorschrift des revi-
siblen Rechts abweicht. Das ist hier nicht der Fall:
Den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich ein
entscheidungstragender Rechtssatz mit dem von der Beschwerde behaupteten
Inhalt nicht entnehmen. Das von ihr angeführte Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 31. März 1992 betrifft die Geltungsdauer der gemäß § 22 Abs. 1
und 5 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) vom 16. Juli 1982 (BGBl I S. 946)
für die „Dauer des Asylverfahrens“ ergehenden Zuweisungsentscheidung. Es ist
damit zu einer Rechtsnorm ergangen, die für das Berufungsurteil keine Rolle
spielte und die überdies mit dem Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens
vom 26. Juni 1992 (BGBl I 1126) außer Kraft getreten ist. Der von der Be-
schwerde ferner angeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
24. Februar 1993 betrifft zwar die Dauer der - aus dem Asylgrundrecht fließen-
den - staatlichen Unterbringungsverpflichtung und nimmt zu deren Bestimmung
auf das zu § 22 AsylVfG a.F. ergangene Urteil Bezug. Ob sich diesem Be-
schluss tatsächlich der Rechtssatz entnehmen lässt, dass die mit dem vorläufi-
gen Bleiberecht korrespondierende staatliche Unterbringungsverpflichtung in
bestimmten Fällen über die bestandskräftige Ablehnung des Asylantrags hinaus
fortdauern kann, kann indes offen bleiben. Ein solcher Rechtssatz wäre
entgegen der Annahme der Beschwerde jedenfalls für die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts nicht tragend. Denn den dort in Rede stehenden
Personen war der weitere Aufenthalt durch Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis
oder Duldung seitens der Ausländerbehörde ermöglicht worden, wodurch ihnen
nach der dort vertretenen Auffassung die Eigenschaft als Asylbewerber ge-
nommen wurde. Die Ausführungen zur Dauer der mit dem Asylgrundrecht ver-
bundenen staatlichen Unterbringungsverpflichtung waren daher nur insoweit
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entscheidungstragend, als sie die Aussage enthalten, dass diese Verpflichtung
(jedenfalls) mit der Billigung des weiteren Aufenthalts durch die Ausländerbe-
hörde endet. Darüber, ob die Unterbringungsverpflichtung auch bei Fehlen ei-
ner solchen ausländerbehördlichen Entscheidung über die bestandskräftige
Ablehnung des Asylantrags hinaus fortdauert, war in dem Beschluss vom
24. Februar 1993 nicht zu befinden. Nur ergänzend sei bemerkt, dass sich die-
sem Beschluss Anhaltspunkte für eine Differenzierung nach den Gründen, aus
denen die Ausländerbehörde den weiteren Aufenthalt etwa durch Erteilung ei-
ner Duldung billigt, nicht entnehmen lassen.
Auf die - ebenfalls zweifelhafte - Frage, ob das Berufungsurteil seinerseits mit
seiner Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen des Aufnahmegesetzes
überhaupt einen entscheidungstragenden widersprechenden Rechtssatz in
Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts aufgestellt hat, kommt
es danach nicht mehr an.
2. Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrags auch nicht wegen grundsätzli-
cher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssa-
che ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine
für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts
im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher
Klärung bedarf. Eine solche Rechtsfrage legt die Beschwerde nicht dar.
a) Grundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde zunächst in Bezug auf
die Dauer der staatlichen Unterbringungsverpflichtung. In diesem Zusam-
menhang stelle sich die Frage, ob die staatliche, aus Art. 16a GG i.V.m. Art. 83,
84 GG abgeleitete Unterbringungsverpflichtung zeitlich an die Geltungsdauer
der Zuweisungsentscheidung gebunden sei mit der Folge, dass diese erst be-
endet sei, wenn nach negativ bestandskräftigem Abschluss des Verfahrens
auch die aufenthaltsrechtliche Abwicklung des Asylverfahrens erfolgt sei. Diese
Frage sei entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht bei seiner an Sinn
und Zweck der gesetzlichen Regelung der § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 AufnG orientier-
ten Auslegung zutreffend darauf abgestellt habe, dass der Landesgesetzgeber
die Pflicht zur Erstattung der Unterbringungskosten gegenüber den Gemeinden
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- bzw. zunächst die entsprechende Aufgabenübertragung - an die dem Land
gegenüber dem Bund obliegende Verpflichtung zur Aufnahme von Asylbewer-
bern geknüpft habe.
Mit diesem Vortrag wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aus mehreren Gründen nicht aufgezeigt.
Es ist bereits nicht erkennbar, dass die von der Beschwerde aufgeworfene
Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren entscheidungserheblich wäre. Die im
Mittelpunkt des Verfahrens stehende Frage, ob der Kläger vom Beklagten für
die Zeit von 1993 bis zum 31. Dezember 2003 gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3
AufnG 1982 bzw. 1997 eine Kostenerstattung für die Unterbringung von Aus-
ländern verlangen kann, die nach bestandskräftig negativem Abschluss ihres
Asylverfahrens aus bestimmten Gründen geduldet werden, ist eine solche des
irrevisiblen Landesrechts. Das Bundesrecht enthält dafür keine verbindlichen
Vorgaben. Hiervon ist das Berufungsgericht auch nicht ausgegangen. Es hat
vielmehr die maßgeblichen landesrechtlichen Normen zunächst anhand von
Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik ausgelegt und ist dabei zu
dem Ergebnis gelangt, dass der Begriff „Asylbewerber“ in § 1 Abs. 1 Nr. 1
AufnG 1982 bzw. 1997 den vom Kläger näher umrissenen Personenkreis unan-
fechtbar abgelehnter Asylbewerber nicht erfasst. Die dabei angestellten Erwä-
gungen sind ausnahmslos dem nicht revisiblen Landesrecht zuzuordnen. Bei
der Auslegung nach Sinn und Zweck der aufnahmerechtlichen Regelungen hat
das Berufungsgericht sodann ergänzend den vom Kläger betonten Bezug zum
Asylgrundrecht und dem damit verbundenen vorläufigen Bleiberecht hergestellt.
Zieht das Berufungsgericht indes eine Norm des Bundesrechts - wie hier - le-
diglich als Auslegungshilfe oder zur Bekräftigung heran, um den maßgeblichen
Inhalt der allein einschlägigen irrevisiblen Norm zu ermitteln, wendet es damit
kein Bundesrecht an (vgl. Urteile vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 C 9.93 -
Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 1 <3 f.> und vom 20. März 1996
- BVerwG 6 C 4.95 - BVerwGE 100, 346 <349>).
Die Auslegung der genannten Normen des niedersächsischen Aufnahmegeset-
zes durch das Berufungsgericht wäre daher in einem Revisionsverfahren nicht
zu überprüfen, sondern vom Revisionsgericht bis zur Grenze der Willkür (vgl.
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Beschluss vom 7. Januar 2008 - BVerwG 9 B 81.07 - Buchholz 401.0 § 171 AO
Nr. 1 Rn. 8) hinzunehmen. Für eine Überschreitung dieser Grenze zeigt der
Kläger durchgreifende Anhaltspunkte nicht auf.
Bundesrechtlicher Klärungsbedarf besteht insoweit im Übrigen auch deshalb
nicht, weil das Aufnahmegesetz 1997 mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch
das gänzlich anders gefasste „Gesetz zur Aufnahme von ausländischen Flücht-
lingen und zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes“ vom
11. März 2004 (Nds. GVBl 2004, 100) abgelöst worden ist und es sich deshalb
um die Auslegung ausgelaufenen Rechts handelt. Nach ständiger Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen, die ausgelaufenes
Recht betreffen, trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeu-
tung mehr, da die Zulassungsvorschrift desnur eine
Klärung für die Zukunft herbeiführen soll (vgl. etwa Beschlüsse vom 30. März
2005 - BVer- juris Rn. 5 f. und vom 13. Juli 2007 - BVerwG
- Buchholz 451.511 § 6 MOG Nr. 9 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Dies gilt auch
bei der Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht im Rahmen der Auslegung
ausgelaufenen Landesrechts (Beschluss vom 26. November 2009 - BVerwG
6 B 33.09 - juris Rn. 11).
Unabhängig davon bedarf die von der Beschwerde aufgeworfene bundesrecht-
liche Frage nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Denn in der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bereits geklärt, dass das Grund-
recht auf Asyl dem Asylbewerber ein vorläufiges Bleiberecht nur bis zum unan-
fechtbaren (negativen) Abschluss seines Asylverfahrens gewährleistet (BVerfG,
Beschlüsse vom 2. Mai 1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 <56> und vom
2. Februar 1988 - 2 BvR 702/84, 2 BvR 1106/84, 2 BvR 702 und 1106/84 -
BVerfGE 78, 7 <18>; Urteile vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94,
166 <190> und - 2 BvR 1507/93, 2 BvR 1508/93 - BVerfGE 94, 115 <142>; vgl.
auch BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1981 - BVerwG 1 C 168.79 - BVerwGE 62,
206 <211 f.>). Entfällt das vorläufige Bleiberecht aber mit der unanfechtbaren
Ablehnung des Asylantrags, gilt Gleiches auch für eine daraus abgeleitete
staatliche Unterbringungsverpflichtung. Die von der Beschwerde angesproche-
nen „sicherheitspolitischen Aspekte“, die die Möglichkeit eines „besonderen
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Zugriffs“ auf abgelehnte Asylbewerber, deren Abschiebung nur vorübergehend
ausgesetzt wird, erfordern sollen, führen zu keinem anderen Ergebnis. Inwie-
weit diese Erwägungen eine Fortdauer des vorläufigen Bleiberechts aus
Art. 16a Abs. 1 GG über die bestandskräftige Ablehnung des Asylantrags hin-
aus gebieten könnten, ist weder dargelegt noch nachvollziehbar. Diesem si-
cherheitspolitischen Anliegen wird vielmehr auf der Ebene des einfachen Ge-
setzes durch die Fortgeltung der Zuweisungsentscheidung für die Zeit der auf-
enthaltsrechtlichen Abwicklung (Urteil vom 31. März 1992 - BVerwG 9 C
155.90 - a.a.O. S. 9 f. zu § 22 AsylVfG a.F., vgl. jetzt § 50 AsylVfG) Rechnung
getragen, welche ersichtlich keine Konkretisierung des Asylgrundrechts dar-
stellt.
b) Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass auch die von der Beschwerde
weiter aufgeworfene Frage, in welchen Fällen eine „asylverfahrensabhängige
Duldung“ im Sinne der Rechtsauffassung der Beschwerde vorliegt (Beschwer-
debegründung S. 15), nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung rechtfertigt. Diese Rechtsfrage knüpft an die Prämisse an, dass
Art. 16a GG eine staatliche Unterbringungspflicht auch für bestimmte unan-
fechtbar abgelehnte Asylbewerber begründet. Das trifft nach den obigen Aus-
führungen aber nicht zu.
3. Das Vorbringen der Beschwerde zur Behandlung des Hilfsantrags (betreffend
einen Aufwendungsersatz wegen Geschäftsführung ohne Auftrag oder einen
öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch) rechtfertigt ebenfalls nicht die
Zulassung der Revision wegen Divergenz oder grundsätzlicher Bedeutung.
a) Nach Auffassung der Beschwerde beruhen auch die Ausführungen des Be-
rufungsurteils zum Hilfsantrag auf einer Abweichung von den Entscheidungen
des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 1990 und vom 24. Februar 1993
(jeweils a.a.O.). Danach gehöre die Unterbringung von Asylbewerbern wegen
ihres unmittelbaren Bezugs zum Asylgrundrecht nämlich nicht zu den von der
Gemeinde zu erledigenden Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von
Art. 28 Abs. 2 GG, sondern obliege dem Bund und den Ländern. Im Beschluss
vom 30. Mai 1990 habe das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die
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Unterbringung Teil der Aufgaben des Staates bleibe, soweit nicht Landesgeset-
ze die Unterbringung den Gemeinden verpflichtend auferlegten. Insoweit habe
es die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, wonach sich die Zuständigkeit zur
Unterbringung von Asylbewerbern auch nicht aus sozialhilferechtlichen Vor-
schriften ableiten lasse. Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspre-
che es, wenn das Berufungsgericht sich durch Bezugnahme auf das erstin-
stanzliche Urteil der dort vertretenen Auffassung anschließe, wonach sich aus
der Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bzw. aus dem Asyl-
bewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ergebe, dass der Kläger eine eigene Auf-
gabe erfüllt habe.
Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO nicht dargetan. Der Rechtssatz im Beschluss des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 30. Mai 1990 a.a.O. S. 20, nach dem die aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2
GG (a.F.) i.V.m. Art. 83 und 84 Abs. 1 GG während des Laufs eines Asylverfah-
rens abzuleitende Unterbringungspflicht dem Staat obliegt, soweit nicht Lan-
desgesetze die Unterbringung den Gemeinden verpflichtend auferlegen, be-
zieht sich nicht auf unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber. Schon deshalb
konnte sich das Berufungsurteil, das sich ausweislich des Klageantrags allein
mit diesem Personenkreis zu befassen hatte, hierzu nicht in Widerspruch set-
zen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Rechtssatz im Beschluss vom
24. Februar 1993 auch nicht in entscheidungstragender Weise auf einen wie
auch immer zu definierenden Teil des Personenkreises bestandskräftig abge-
lehnter Asylbewerber erweitert (s.o. Rn. 5).
b) Die Revision ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage
zuzulassen, ob „die Übertragung der Aufgabe ‚Durchführung des AsylbLG’
durch den Landesgesetzgeber auch zur Aufgabenübertragung in Bezug auf die
staatliche Unterbringungsverpflichtung aus Art. 16a GG“ führt. Sie würde sich in
einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil Art. 16a Abs. 1 GG für die hier nur
in Rede stehenden Fälle unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber eine staatli-
che Unterbringungspflicht nach den obigen Ausführungen offensichtlich nicht
begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Eckertz-Höfer
Beck
Prof. Dr. Kraft
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Ausländerrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 16a Abs.1, Art. 28 Abs. 2
AsylVfG 1992/93
§ 50
AsylVfG 1982
§ 22
VwGO
§ 132 Abs. 1 und 2
Aufnahmegesetz 1997 Nds.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3
Stichworte:
Unterbringungspflicht; bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber; Asylverfahren;
Unterbringungskosten; Kostenerstattung; Aufnahmegesetz; Landesrecht; Er-
stattungsanspruch der Gemeinden.
Leitsatz:
Das aus dem Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG folgende vorläufige Blei-
berecht für Asylsuchende und die daran anknüpfende staatliche Unterbrin-
gungspflicht bestehen nur bis zum unanfechtbaren (negativen) Abschluss des
Asylverfahrens.
Beschluss des 1. Senats vom 20. Januar 2010 - BVerwG 1 B 1.09
I. VG Hannover vom 25.06.2007- Az.: VG 10 A 7238/04 -
II. OVG Lüneburg vom 18.09.2008 - Az.: OVG 11 LC 314/07 -