Urteil des BVerwG vom 22.06.2005

BVerwG: mitbestimmungsrecht, vertreter, vorschlag, analogie, gewissheit, mittelstufe, zustand, leiter, inhaber, schule

Rechtsquelle:
BlnPersVG § 88 Nr. 4
Stichworte:
Mitbestimmung des Personalrats bei der Bestellung von Schulleitern und ihren
ständigen Vertretern.
Leitsatz:
Der spezielle, auf die Bestellung von Schulleitern und Inhabern sonstiger
Funktionsstellen nach §§ 23, 24 BlnSchulVerfG a.F. zugeschnittene
Mitbestimmungstatbestand nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG ist mit Rücksicht auf die
Bestimmungen des Berliner Schulgesetzes vom 26. Januar 2004 nicht mehr
anzuwenden.
Beschluss des 6. Senats vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 7.04
I. VG Berlin vom 25.05.2004 - Az.: VG 62 A 11.04 -
II. OVG Berlin vom 03.08.2004 - Az.: OVG 60 PV 4.04 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 7.04
Verkündet
OVG 60 PV 4.04
am 22. Juni 2005
Thiele
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die Anhörung vom 22. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H a h n , B ü g e , Dr. G r a u l i c h und V o r m e i e r
beschlossen:
Der Beschluss des Fachsenats für Personalvertretungssachen
Berlin des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 3. August 2004
wird aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Berlin, Fachkammer für
Personalvertretungssachen - Berlin - vom 25. Mai 2004 wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e :
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I.
Mit Schreiben vom 26. März 2004 brachte der Antragsteller dem Beteiligten
gegenüber zum Ausdruck, dass sein Mitbestimmungsrecht im Zusammenhang mit
der Besetzung von Schulleitungsstellen unter der Geltung des Schulgesetzes vom
26. Januar 2004 weiterhin gegeben sei. Unter Bezugnahme darauf forderte der
Antragsteller mit Schreiben vom 22. April 2004, ihn an der Auswahlentscheidung der
Dienstbehörde für die Benennung der stellvertretenden Schulleitungen an der
3. O/OG sowie an der 7. und 33. Grundschule gemäß § 88 Nr. 4 BlnPersVG zu
beteiligen. Dem trat der Beteiligte im Schreiben vom gleichen Tage mit der
Begründung entgegen, die Schulleiter und ihre ständigen Vertreter seien aufgrund
der vom Schulgesetz ab 1. Februar 2004 übertragenen Aufgaben jenem
Personenkreis zuzuordnen, bei welchem wegen ihrer Befugnis zu selbständigen
Personalentscheidungen das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen sei. Später
erstreckten die Beteiligten ihren Konflikt auf die Stelle eines stellvertretenden
Schulleiters an der 5. Grundschule.
Das auf Verletzung seines Mitbestimmungsrechts gemäß § 88 Nr. 4 BlnPersVG
gerichtete Feststellungsbegehren des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht
abgelehnt. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht
den erstinstanzlichen Beschluss geändert und festgestellt, dass der Beteiligte bei den
Vorschlägen für die Benennung der ständigen Vertreter der Schulleiter an der
3. O/OG sowie in der 5., 7. und 33. Grundschule das Mitbestimmungsrecht des
Antragstellers gemäß § 88 Nr. 4 BlnPersVG verletzt hat. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Der Beteiligungstatbestand nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG sei nach wie vor
gegeben. Zwar korrespondiere der Wortlaut der Norm, welche die Mitbestimmung
des Personalrats bei Vorschlägen der Dienstbehörde an die Gesamtkonferenz für die
Benennung von Schulleitern und ihren ständigen Vertretern vorsähe, nicht mehr mit
den Bestimmungen des neuen Schulgesetzes, welches die schulinterne Mitwirkung
bei der Bestellung des Schulleiters und seines ständigen Vertreters nunmehr der
Schulkonferenz übertragen habe. Der Mitbestimmungstatbestand meine jedoch der
Sache nach das jeweilige zur schulinternen Mitwirkung vorgesehene Gremium. Sinn
und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes gingen dahin, die Beteiligung des
Personalrats bereits in einem frühen Stadium sicherzustellen, in welchem bereits
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wichtige Weichen für die spätere Ernennung gestellt würden. Diese Zielsetzung des
Mitbestimmungstatbestandes werde durch die Bestimmungen des neuen
Schulgesetzes über Zusammensetzung und Aufgaben der schulischen Gremien nicht
berührt. Der Mitbestimmungstatbestand entfalle nicht wegen der mit der Stelle des
Vertreters in der Schulleitung verknüpften Personalverwaltungsaufgaben.
Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Das Begehren
des Antragstellers, bei den Vorschlägen für die Benennung von ständigen Vertretern
des Schulleiters durch die Schulaufsicht an die Schulkonferenz im Wege der
Mitbestimmung beteiligt zu werden, werde von § 88 Nr. 4 BlnPersVG nach dem
eindeutigen Wortlaut der Regelung nicht erfasst. Denn diese stelle auf die
Vorschläge der Dienstbehörde an die Gesamtkonferenz ab. Angesichts ihres klaren
Wortlauts sei die Vorschrift weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig.
Abweichendes könne aus Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes nicht
hergeleitet werden. Allein der Umstand, dass es möglicherweise nach Sinn und
Zweck sinnvoll sein könnte, außer dem bereits geregelten Tatbestand noch weitere
Tatbestände in derselben Weise zu regeln, berechtige die Gerichte nicht dazu, den
nicht geregelten Tatbestand als bereits geregelt anzusehen. Wegen des
abschließenden Charakters der Regelung in § 88 Nr. 4 BlnPersVG komme eine
Ausdehnung des Normbereichs durch Analogie nicht in Betracht.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerde des
Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist begründet. Der Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen
(§ 91 Abs. 2 BlnPersVG vom 14. Juli 1994, GVBl S. 338, zuletzt geändert durch das
Sechste Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vom 19. November
2004, GVBl S. 462, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Da der Sachverhalt geklärt ist,
entscheidet der Senat in der Sache selbst. Dies führt zur Aufhebung des
angefochtenen und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 96
Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
Das streitige Feststellungsbegehren ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht das
geltend gemachte Mitbestimmungsrecht nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG nicht zu.
Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat in Angelegenheiten der Beamten mit
bei Vorschlägen der Dienstbehörde an die Gesamtkonferenz für die Benennung von
Schulleitern, ihren ständigen Vertretern, von Gesamtschuldirektoren als Leiter einer
Mittelstufe, von pädagogischen Koordinatoren und Ausbildungsbereichsleitern sowie
Vorschlägen der Dienstbehörde an die Abteilungskonferenzen für die Benennung
von Abteilungsleitern und pädagogischen Koordinatoren der Abteilungen von
Oberstufenzentren.
a) Der Mitbestimmungstatbestand knüpft an die Regelungen in §§ 23, 24 des
Schulverfassungsgesetzes (SchulVerfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom
5. Februar 1979, GVBl S. 398, an. Diese Regelungen benannten für das Verfahren
der Bestellung von Schulleitern und ihren ständigen Vertretern sowie für die
Besetzung weiterer in § 24 Abs. 1 Satz 1 SchulVerfG genannter Funktionsstellen als
schulinternes Mitwirkungsgremium die Gesamtkonferenz. Die Bestimmungen des
Schulverfassungsgesetzes sind gemäß § 130 Nr. 2, § 131 Abs. 1 SchulG vom
26. Januar 2004, GVBl S. 26, am 1. Februar 2004 außer Kraft getreten. §§ 72, 73
Abs. 1 SchulG übertragen die schulinterne Mitwirkung bei der Bestellung von
Schulleitern, ihren ständigen Vertretern sowie der Abteilungsleiter an
Oberstufenzentren jetzt der Schulkonferenz. Das in Anspruch genommene
Mitbestimmungsrecht bei Vorschlägen der Schulaufsichtsbehörde an die
Schulkonferenz wird demnach vom Wortlaut des § 88 Nr. 4 BlnPersVG nicht erfasst.
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b) Dass der Berliner Landesgesetzgeber davon abgesehen hat, den Wortlaut des
Mitbestimmungstatbestandes in § 88 Nr. 4 BlnPersVG an die geänderten
schulrechtlichen Bestimmungen anzupassen, kann nicht als bloßes
Redaktionsversehen gewertet werden. Als Redaktionsversehen kommen
offenkundige gesetzestechnische Fehler in Betracht. Solche Fehler können etwa
vorliegen, wenn eine geänderte Paragraphenabfolge in einer Bestimmung
unberücksichtigt bleibt, welche auf die geänderten Paragraphen Bezug nimmt. Auch
die Nichtberücksichtigung veränderter Begriffe kann darunter fallen, wenn mit der
Begriffsveränderung keine Änderung in der Sache verbunden ist. So liegt es hier
jedoch offensichtlich nicht. Die nach §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG zur Mitwirkung
berufene Schulkonferenz ist nicht lediglich eine andere Bezeichnung für die
Gesamtkonferenz, die nach §§ 23, 24 Abs. 1 SchulVerfG zuständig war. Während
dieser gemäß § 13 SchulVerfG als Stimmberechtigte ausschließlich Lehrer
angehörten und das Schulverfassungsgesetz überdies in seinem Abschnitt V auch
eine Schulkonferenz kannte, hat die nunmehr gemäß §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG
zuständige Schulkonferenz neben dem Schulleiter und Lehrkräften auch Schüler,
Erziehungsberechtigte sowie eine weitere Person als stimmberechtigte Mitglieder
(§ 77 Abs. 1 Satz 1 SchulG).
c) Ferner handelt es sich in § 88 Nr. 4 BlnPersVG nicht etwa um eine dynamische
Verweisung. Die Vorschrift nimmt nach ihrem Wortlaut nicht auf eine andere
Bestimmung Bezug, sondern beschreibt den Mitbestimmungstatbestand
eigenständig ohne eine derartige Bezugnahme. Die Anwendung der Vorschrift blieb
demnach von Änderungen des Schulverfassungsgesetzes unberührt, welche die in
§ 88 Nr. 4 BlnPersVG beschriebenen Vorgänge im Kern unverändert ließen. Davon
kann jedoch in Bezug auf ein neues Gesetz, welches den für die Mitbestimmung
maßgeblichen Vorgang unter Beteiligung eines anderen Gremiums mit anderer
Zusammensetzung neu regelt, keine Rede sein.
d) Die Bestimmungen des Schulgesetzes liefern keinen greifbaren Anhaltspunkt
dafür, dass § 88 Nr. 4 BlnPersVG im Rahmen des Bestellungsverfahrens für
Schulleiter und sonstige Funktionsstellen nach §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG weiterhin
Anwendung finden soll.
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aa) § 72 Abs. 7 SchulG besagt, dass im Übrigen die dienst- und
personalvertretungsrechtlichen Vorschriften sowie das Landesgleichstellungsgesetz
in der jeweils geltenden Fassung unberührt bleiben. Die Vorschrift knüpft an die
Regelungen des Bestellungsverfahrens in § 72 Abs. 1 bis 5 SchulG an. Die
Formulierung "im Übrigen" unterstreicht die vorrangige Verbindlichkeit des
Bestellungsverfahrens. Zugleich belässt sie es bei der Geltung der dienst- und
personalvertretungsrechtlichen Vorschriften sowie des
Landesgleichstellungsgesetzes, soweit diese Bestimmungen mit dem
Bestellungsverfahren nach § 72 Abs. 1 bis 5 SchulG nicht kollidieren. Die in § 72
Abs. 7 SchulG getroffene Weitergeltungsanordnung meint die dort bezeichneten
Bestimmungen nach Maßgabe ihres jeweiligen Inhalts. Eine positive Aussage dazu,
dass § 88 Nr. 4 BlnPersVG auch für das neu geregelte Bestellungsverfahren Geltung
beanspruchen soll, ist damit nicht verbunden.
bb) Die Übergangsregelung in § 129 Abs. 2 SchulG sieht vor, dass in den Fällen, in
denen vor In-Kraft-Treten des neuen Schulgesetzes ein Benennungsverfahren nach
§§ 23, 24 SchulVerfG eingeleitet wurde, diese Bestimmungen für die Durchführung
dieses Benennungsverfahrens weiterhin Anwendung finden. Daraus folgt, dass das
auf §§ 23, 24 SchulVerfG zugeschnittene Mitbestimmungsverfahren nach § 88 Nr. 4
BlnPersVG noch durchzuführen war, soweit die genannten
schulverfassungsrechtlichen Bestimmungen übergangsweise noch anzuwenden
waren. Für die Weitergeltung des Mitbestimmungstatbestandes in Bezug auf das
neue Bestellungsverfahren nach §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG ergibt sich daraus keine
Aussage.
cc) Nach § 129 Abs. 3 SchulG findet auf Maßnahmen der Schule nach § 7 Abs. 3
Satz 3 SchulG § 3 a Abs. 3 und 4 des bisherigen Schulgesetzes bis zu einer
Neuregelung der personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen über die Beteiligung
der Personalvertretung weiter Anwendung. § 3 a Abs. 3 SchulG a.F. regelt im
Einzelnen ein abgekürztes Mitbestimmungsverfahren bei Einstellungen in befristete
Arbeitsverhältnisse (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks 15/1842 Anl. 3 S. 7).
Dieses Verfahren gilt nunmehr im Rahmen von § 7 Abs. 3 Satz 3 SchulG, der
- ähnlich wie bisher § 3 a Abs. 1 und 2 SchulG a.F. - vorsieht, dass die Schule
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befristete Verträge zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und zur
Durchführung pädagogischer und sonstiger Aufgaben abschließen kann. Die
Übergangsregelung in § 129 Abs. 3 SchulG betrifft demnach ausschließlich das
Mitbestimmungsverfahren bei der befristeten Einstellung von Lehrkräften. Sie bezieht
sich nicht auf die Mitbestimmung des Personalrats bei der Bestellung von
Schulleitern sowie bei der Besetzung sonstiger Funktionsstellen. Deswegen erlaubt
die in § 129 Abs. 3 SchulG in Aussicht gestellte Neuregelung des
Personalvertretungsrechts keinen Rückschluss darauf, dass § 88 Nr. 4 BlnPersVG
unter der Geltung des neuen Schulgesetzes weiterhin Anwendung beanspruchen
soll.
dd) Schließlich erlaubt § 130 SchulG keinen Rückschluss auf die Weitergeltung des
Mitbestimmungstatbestandes nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG. Die Vorschrift beschränkt
sich darauf, komplette schulrechtliche Regelwerke aufzuheben. Mit der Weitergeltung
einer einzelnen Vorschrift eines anderen Rechtsbereichs befasst sie sich nicht.
e) Die Gesetzesmaterialien zu den vorgenannten schulrechtlichen Bestimmungen
geben für eine abweichende Beurteilung nichts her (vgl. Abgeordnetenhaus von
Berlin, Drucks 15/1842 Anl. 2 S. 69, 98). In der Plenardiskussion kamen
Konsequenzen der Reform für das Personalvertretungsrecht nicht zur Sprache (vgl.
Abgeordnetenhaus von Berlin, Plenarprotokolle der 15. Wahlperiode, 43. Sitzung
vom 15. Januar 2004, S. 3439 bis 3451).
f) Dass § 88 Nr. 4 BlnPersVG auf das neue Bestellungsverfahren für Schulleiter und
die Inhaber sonstiger Funktionsstellen nach §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG weiterhin
Anwendung findet, ist unter dem Gesichtspunkt der teleologischen Extension nicht
geboten.
aa) Der Sinn und Zweck der Mitbestimmung in § 88 Nr. 4 BlnPersVG erschließt sich
ohne weiteres, wenn man die zugrunde liegende Regelung in § 23 SchulVerfG zur
Benennung des Schulleiters in den Blick nimmt. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1
SchulVerfG hatte die Dienstbehörde mindestens die zwei geeignetsten Bewerber der
Gesamtkonferenz vorzuschlagen, welcher nach Maßgabe von § 23 Abs. 3
SchulVerfG das Benennungsrecht zustand. Dieses wandelte sich in ein
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Anhörungsrecht um, wenn sich der Vorschlag der Dienstbehörde ausnahmsweise auf
einen einzigen Bewerber beschränkte (§ 23 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 SchulVerfG). Die
Ernennung des erfolgreichen Bewerbers erfolgte durch die Dienstbehörde (§ 23
Abs. 5 SchulVerfG). Indem § 88 Nr. 4 BlnPersVG an die Vorschläge der
Dienstbehörde anknüpfte, wurde ein spezielles Mitbestimmungsrecht des
Personalrats für die Anfangsphase des Bestellungsverfahrens geschaffen. Damit
wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass bereits die Auswahl der
Dienstbehörde unter mehreren Bewerbern eine wichtige Weichenstellung bedeutete,
für welche der personalvertretungsrechtliche Schutz insbesondere vor
gesetzeswidriger Benachteiligung bereits zum Zuge kommen sollte (vgl.
Germelmann/Binkert, Personalvertretungsgesetz Berlin, 2. Aufl. 2002, § 88 Rn. 26).
bb) Diese Zielsetzung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt.
Bereits § 88 Nr. 4 BlnPersVG vom 26. Juli 1974, GVBl S. 1669, enthielt den
Mitbestimmungstatbestand "Vorschläge der Dienstbehörde an die Gesamtkonferenz
für die Benennung von Schulleitern, ihren ständigen Vertretern und von
Stufenleitern". Die Einführung der Regelung ging zurück auf eine Initiative der SPD-
Fraktion, die der Abgeordnete Gollnick in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom
3. Juli 1974 wie folgt begründete: "Wir wollen, dass der Personalrat bei der
Benennung von Schulleitern das Mitbestimmungsrecht bereits hat, um bei der
Auswahl mitwirken zu können" (Abgeordnetenhaus von Berlin, Plenarprotokolle der
6. Wahlperiode, S. 2802). Seine heutige Fassung erhielt § 88 Nr. 4 BlnPersVG durch
das 2. Gesetz zur Änderung des Schulverfassungsgesetzes vom 16. Januar 1979,
GVBl S. 91. Damit wurde der zugleich erfolgten Änderung der §§ 23, 24 SchulVerfG,
insbesondere der Erweiterung des Benennungsverfahrens auf weitere
Funktionsstellen, Rechnung getragen. Die Intention des
Mitbestimmungstatbestandes blieb davon unberührt.
cc) Allerdings wird der Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes durch den
Umstand, dass anstelle der Bestimmungen in §§ 23, 24 SchulVerfG nunmehr die
Regelung in §§ 72, 73 Abs. 1 SchulG getreten sind, für sich betrachtet nicht berührt.
Der alten wie der neuen Regelung ist gemein, dass die Behörde unter den
eingegangenen Bewerbungen zunächst eine Auswahlentscheidung trifft und einen
auf wenige Bewerber - früher mindestens zwei, heute grundsätzlich zwei -
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beschränkten Vorschlag erstellt. Nur auf diese behördliche Vorauswahl bezieht sich
das Mitbestimmungsrecht nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG. Der weitere Gang des
Bestellungsverfahrens wird davon nicht erfasst. Deswegen kann es für die
Anwendung dieses Mitbestimmungstatbestandes eigentlich gleichgültig sein, dass
zur Entscheidung über den behördlichen Vorschlag nunmehr statt der
Gesamtkonferenz die Schulkonferenz berufen ist und welche weiteren Modifikationen
das neue Verfahren nach § 72 SchulG gegenüber dem alten Rechtszustand gebracht
hat.
dd) Gegen die Weitergeltung des § 88 Nr. 4 BlnPersVG spricht aber entscheidend
das erweiterte Aufgabenfeld, welches dem Schulleiter nach neuem Recht obliegt.
Daraus ergibt sich, dass für Schulleiterstellen die Mitbestimmung des Personalrats
gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89 Abs. 3 BlnPersVG entfällt, wie der Senat in dem
Beschluss vom heutigen Tage - BVerwG 6 P 2.05 - entschieden hat. Dies ist
entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kein Gesichtspunkt, der beim
Streit über die Mitbestimmung in Bezug auf Schulleiter- und sonstige
Funktionsstellen erst an zweiter Stelle zum Tragen kommt. Vielmehr stellt er bereits
die Fortgeltung des Mitbestimmungstatbestandes nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG selbst
in Frage. Denn es macht keinen Sinn, in einem ersten Schritt die Fortgeltung des
Mitbestimmungstatbestandes im Wege teleologischer Extension zu postulieren, um
sodann in einem zweiten Schritt festzustellen, dass er wegen § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89
Abs. 3 BlnPersVG nicht zum Tragen kommt. Ergeben sich aus der Neuregelung des
Schulrechts in Bezug auf die Schulleiterstellen die beschriebenen
personalvertretungsrechtlichen Konsequenzen, so kann widerspruchsfrei nicht
angenommen werden, die Weitergeltung des Mitbestimmungstatbestandes
entspreche dem an Sinn und Zweck der Regelung orientierten Willen des
Gesetzgebers.
ee) Diese Schlussfolgerung ist auch geboten, soweit sich § 88 Nr. 4 BlnPersVG auf
die ständigen Vertreter des Schulleiters bezieht.
Allerdings gehören die ständigen Vertreter der Schulleiter grundsätzlich nicht zum
Personenkreis derjenigen Dienstkräfte, die wegen ihrer Befugnis zur selbständigen
Entscheidung in Personalangelegenheiten von nicht nur untergeordneter Bedeutung
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von der Wählbarkeit zum Personalrat ausgeschlossen sind. Dies trifft vielmehr, wie
sich aus dem Senatsbeschluss vom heutigen Tage - BVerwG 6 P 8.04 - ergibt, nur
dann zu, wenn ihnen gemäß § 69 Abs. 6 Satz 3 SchulG die Kompetenz zur
Erstellung von dienstlichen Beurteilungen übertragen ist. Da dies in dem
Verfahrensstadium, auf welches sich § 88 Nr. 4 BlnPersVG bezieht, noch nicht
absehbar ist, wird die Weitergeltung des Mitbestimmungstatbestandes in Bezug auf
die ständigen Vertreter der Schulleiter durch § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89 Abs. 3
BlnPersVG für sich betrachtet nicht in Frage gestellt.
Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe die Weitergeltung des
Mitbestimmungstatbestandes jedenfalls in Bezug auf die ständigen Vertreter der
Schulleiter gewollt, sprechen jedoch folgende, insbesondere systematische
Überlegungen: § 23 SchulVerfG regelte im Einzelnen das Verfahren für die
Benennung des Schulleiters. Für die weiteren Funktionsstellen erklärte § 24
SchulVerfG die Vorschriften des § 23 SchulVerfG für entsprechend anwendbar. Nach
Wortlaut und Systematik der genannten Bestimmungen war der Schulleiter die
"Hauptperson", für welche das Benennungsverfahren im Einzelnen beschrieben
wurde; die Bestimmungen über die sonstigen Funktionsstellen knüpften daran nach
Art einer Annexregelung lediglich an. Der Mitbestimmungstatbestand in § 88 Nr. 4
BlnPersVG spiegelt dies insoweit wider, als die Schulleiter dort als erste
Personengruppe aufgeführt werden. Er hebt sich aus den übrigen in § 88 BlnPersVG
für Beamte aller Verwaltungen normierten Mitbestimmungstatbeständen als
Spezialregelung hervor, die auf das Bestellungsverfahren für die der Schulleitung
angehörenden Dienstkräfte zugeschnitten und deren Geltung gerade für den
Schulleiter als den an der Spitze der Schulleitung stehenden Beamten wesentlicher
Bestandteil des Gesamtkonzepts ist. Es ist daher kein Zufall, dass in der bereits
zitierten Abgeordnetenäußerung aus der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom
3. Juli 1974 ausschließlich von der Mitbestimmung bei der Benennung "von
Schulleitern" die Rede ist, obgleich schon damals weitere Funktionsstellen in den
Mitbestimmungstatbestand einbezogen waren. Die beschriebene Systematik des
Schulverfassungsgesetzes in Bezug auf Schulleiter und Inhaber sonstiger
Funktionsstellen wird in den neuen schulrechtlichen Bestimmungen beibehalten.
Während § 72 SchulG das Verfahren für die Bestellung von Schulleitern im Detail
regelt, beschränkt sich § 73 Abs. 1 SchulG darauf, diese Regelung für sonstige
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Funktionsstellen für entsprechend anwendbar zu erklären. Hinzu kommt, dass § 24
SchulVerfG das spezielle in § 23 SchulVerfG normierte Benennungsverfahren - von
den ständigen Vertretern des Schulleiters abgesehen - noch auf folgende
Funktionsstellen erstreckt hat: Gesamtschuldirektoren als Leiter einer Mittelstufe,
pädagogische Koordinatoren, Ausbildungsbereichsleiter, Abteilungsleiter sowie
pädagogische Koordinatoren der Abteilungen an Oberstufenzentren. Dieser
Personenkreis findet sich in vollem Umfang in § 88 Nr. 4 BlnPersVG wieder.
Nunmehr ist dagegen die entsprechende Anwendung des Bestellungsverfahrens
nach § 72 SchulG auf die ständigen Vertreter des Schulleiters sowie die
Abteilungsleiter an Oberstufenzentren beschränkt (§ 73 Abs. 1 SchulG).
Wollte man angesichts dessen, dass erstens nunmehr die Schulkonferenz zuständig
ist, dass zweitens die Schulleiter wegen § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89 Abs. 3 BlnPersVG
von der Mitbestimmung nicht mehr erfasst werden und dass drittens für die meisten
in § 88 Nr. 4 BlnPersVG bezeichneten Funktionsstellen ein besonderes
Bestellungsverfahren schulrechtlich nicht mehr vorgesehen ist, § 88 Nr. 4 BlnPersVG
gleichwohl weiterhin für anwendbar halten, so müsste man den
Mitbestimmungstatbestand nunmehr wie folgt lesen: "Vorschläge der
Schulaufsichtsbehörde an die Schulkonferenz für die Bestellung von ständigen
Vertretern der Schulleiter und von Abteilungsleitern an Oberstufenzentren". Dass es
dem Willen des Berliner Landesgesetzgebers entspricht, von dem
Mitbestimmungstatbestand nach § 88 Nr. 4 BlnPersVG einen derartigen "Torso"
beizubehalten, kann nicht mit der nötigen Gewissheit angenommen werden. Eine
derartige Annahme überschreitet die Möglichkeiten richterlicher Rechtsfortbildung. Es
ist vielmehr derjenige Zustand eingetreten, in welchem der Gesetzgeber selbst sich
des Themas bemächtigen muss.
g) Für eine Analogie ist erst Recht kein Raum. Zwar kann von einer planwidrigen
Lücke ausgegangen werden. Bereits die unveränderte Beibehaltung des
Mitbestimmungstatbestandes in § 88 Nr. 4 BlnPersVG ist ein deutlicher Beleg dafür,
dass der Gesetzgeber sich über die personalvertretungsrechtlichen Konsequenzen
seiner Schulrechtsreform keine Gedanken gemacht hat. Der Senat ist jedoch nicht in
der Lage, sich die nötige Gewissheit darüber zu verschaffen, auf welche Weise der
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Gesetzgeber insbesondere mit Blick auf § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89 Abs. 3 BlnPersVG
die Lücke geschlossen hätte.
h) Eine Vernehmung der Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen, wie vom
Antragsteller auf S. 2 f. seiner Beschwerdebegründung vom 11. Juni 2004 angeregt
und auf S. 2 seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung vom 20. Januar 2005 erneut
angesprochen, kommt nicht in Betracht. Es kann unterstellt werden, dass das
Abgeordnetenhaus bei der Verabschiedung der Schulrechtsreform davon
ausgegangen ist, dass sich Veränderungen im Bereich des
Personalvertretungsrechts nicht ergeben. Dies lässt jedoch die Frage unbeantwortet,
wie der Gesetzgeber die aufgezeigte Konsequenz aus § 13 Abs. 3 Nr. 2, § 89 Abs. 3
BlnPersVG bewältigt hätte. Nur Gewissheit in dieser Frage hätte dem Senat
ermöglicht, im Wege der teleologischen Extension oder der Analogie zu dem vom
Antragsteller angestrebten Ergebnis zu gelangen.
Bardenhewer Hahn
Büge
Graulich
Vormeier
B e s c h l u s s
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4 000 €
festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2, § 33 Abs. 1, Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1
RVG).
Büge