Urteil des BVerwG vom 29.01.2015

BVerwG: bundesamt, vergleich, dokumentation, ausbildung, qualifikation, erfahrung, versetzung, kontrolle, soldat, gebärdensprache

BVerwG 1 WB 13.14 [
ECLI:DE:BVerwG:2014:271114B1WB13.14.0
]
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 13.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Hambach und
die ehrenamtliche Richterin Hauptfeldwebel Grund
am 27. November 2014 beschlossen:
Die Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 13. September 2013, den nach
Besoldungsgruppe A 9 mZ bewerteten Dienstposten „...“ (Objekt-ID: ...) in der ... des ... in ... mit dem Beigeladenen zu besetzen,
die Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 26. September 2013, den Antrag des
Antragstellers auf Versetzung auf diesen Dienstposten abzulehnen, und der Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der
Verteidigung vom 11. November 2013 werden aufgehoben.
Das Bundesministerium der Verteidigung wird verpflichtet, über die Besetzung dieses Dienstpostens unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren
erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung betrifft einen Konkurrentenstreit um die Besetzung eines nach Besoldungsgruppe A 9 mZ b
cewerteten Dienstpostens in der Technischen Gruppe, ... in ....
2 Der 1968 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 30. April 2023 enden wird. Er wurde am 2.
Februar 2012 zum Stabsfeldwebel ernannt und mit Wirkung vom 1. Januar 2012 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 eingewiesen. Seit
dem 2. Januar 2009 wird er als Luftfahrzeugavionikfeldwebel Eurofighter, ..., in der ... (ehemals: ...) ... in ... verwendet.
3 Mit Schreiben vom 15. Juni 2013 beantragte der Antragsteller seine Versetzung auf den nach Besoldungsgruppe A 9 mZ bewerteten
Oberstabsfeldwebel-Dienstposten „Luftfahrzeugavionikfeldwebel Eurofighter, ...“ (Objekt-ID: ...) in der ...
4 Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (im Folgenden: Bundesamt) entschied am 13. September 2013, diesen
Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Der mit Namensparaphe und Datum versehenen Auswahlentscheidung des Leiters des
Referates IV 3.2.2 im Bundesamt lag ein „Auswahlbogen (nach Verwendungsentscheidung) für die Besetzung Oberstabsfeldwebel-
/Oberstabsbootsmann-Dienstposten - AK 2011 -)“ zugrunde. Darin wird als Begründung für die Auswahl des Beigeladenen Folgendes
ausgeführt:
„StFw ... wird seit mehreren Jahren als stellvertretender und hauptamtlicher Teileinheitsführer im Bereich ... eingesetzt. Als seit 2008
ausgebildeter ... erlangte er bereits 2009 als „Mann der ersten Stunde“ die Qualifikation zum Freigabeberechtigten im Sachgebiet. Darüber hinaus
besitzt er die erforderliche Ausbildung und Erfahrung an bzw. mit den Luftfahrtgeräten ..., da er seit 2002 in Besitz der erforderlichen Ausbildung
ist. Seine bisherigen Verwendungen sowie die damit verbundenen Erfahrungen lassen ihn in höchstem Maße als für den förderlichen
Dienstposten geeignet erscheinen.“
5 Im Auswahlbogen wird auf eine beigefügte Anlage Bezug genommen, bei der es sich um die Liste der Punktsummenwerte
(„Summenrangplatzwerte“) handelt, die im Rahmen der „Perspektivkonferenz zum Oberstabsfeldwebel/Oberstabsbootsmann 2011“ ermittelt
worden sind. Darin findet sich für den Beigeladenen ein Punktsummenwert von 526,967 Punkten und für den Antragsteller ein
Punktsummenwert von 509,034 Punkten. Die Auswahlentscheidung wurde vom Gruppenleiter IV 3.2 am 19. September 2013 gebilligt.
6 In einem am 26. September 2013 mit dem Antragsteller geführten Personalgespräch erläuterte das Bundesamt - Referat IV 3.2.2 - dem
Antragsteller die Auswahlentscheidung. Er wurde informiert, dass er bei der Entscheidung über die Besetzung des strittigen Dienstpostens
mitbetrachtet worden sei; im Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsvergleich habe sich jedoch ein besser geeigneter Soldat durchgesetzt. Der
Vermerk über dieses Personalgespräch gelte als abschließender Bescheid auf den Antrag vom 15. Juni 2013.
7 Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 29. September 2013 Beschwerde ein. Er machte geltend, dass seine fachliche Qualifikation
und seine Erfahrung für die Wahrnehmung des strittigen Dienstpostens nicht hinreichend in die Auswahlentscheidung einbezogen worden seien.
Auch die Wünsche und Bewertungen der Geschwaderführung habe man nicht ausreichend beachtet. Ihm sei unverständlich, wie eine
Beurteilung von 2010, die in ihrem Inhalt als sehr gut anzusehen sei, seine Qualifikation für den Dienstposten derartig negativ beeinflussen
könne, nur weil ein einzelner Vorgesetzter ihn in der Entwicklungsprognose lediglich „bei Bedarf“ bis in die höchste Verwendung der Laufbahn
fördern wolle. Die planmäßigen Beurteilungen von 2008 und 2012 zeichneten hingegen ein völlig anderes Bild, welches durch
Leistungsprämien, förmliche Anerkennungen sowie durch die Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr bestätigt werde. Grundsätzlich
besitze er offensichtlich die Eignung zum Oberstabsfeldwebel, weil man ihm im Rahmen des Personalgesprächs am 26. September 2013 einen
entsprechend bewerteten Dienstposten beim ... in ... angeboten habe.
8 Die Beschwerde wies das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit Bescheid vom 11. November 2013 zurück. Es führte aus, dass die
Auswahlentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die
Versetzung des Antragstellers auf den strittigen Dienstposten sei mit dienstlichen Belangen nicht in Einklang zu bringen. Sowohl der
Antragsteller als auch der Beigeladene seien grundsätzlich für den strittigen Dienstposten geeignet. Im Eignungs- und Leistungsvergleich habe
sich aber der Beigeladene aufgrund des höheren Punktsummenwertes durchsetzen können. Der Beigeladene habe in der vergleichenden
Betrachtung 526,967 Punkte erlangt, der Antragsteller hingegen 509,034 Punkte. Auch bei ergänzender Betrachtung der aktuellen Beurteilungen
aus dem Jahr 2012 verfüge der Antragsteller lediglich über einen Punktsummenwert von 567,600 Punkten, während der Beigeladene einen
Punktsummenwert von 580,467 Punkten erreicht habe. Der Antragsteller reihe sich somit erheblich hinter seinem Konkurrenten. Infolgedessen
sei die Auswahlentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr rechtmäßig. Soweit der Antragsteller seine
besonderen Qualifikationen für den Dienstposten anführe, seien diese Umstände im Rahmen der Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten
berücksichtigt worden. Da der Beigeladene ebenfalls die erforderliche Eignung aufweise, jedoch über stärkere Leistungswerte verfüge, sei die
Auswahlentscheidung zu dessen Gunsten zu treffen gewesen.
9 Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2013 die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Diesen Antrag hat das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stellungnahme vom 5.
März 2014 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
10 Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens wiederholt der Antragsteller sein Beschwerdevorbringen und trägt ergänzend insbesondere
vor:
Für die strittige Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen fehle es an einer tragfähigen Grundlage. Bei der Priorisierung des
Beigeladenen sei das Bundesministerium der Verteidigung von einem unrichtigen Sachverhalt und von sachfremden Erwägungen ausgegangen.
Er, der Antragsteller, erfülle die Anforderungen für den strittigen Dienstposten in vollem Umfang. Das ergebe sich nicht zuletzt aus dem
Besetzungsvorschlag des Staffelchefs der ... vom 16. Mai 2013. Im Rahmen der notwendigen ganzheitlichen Betrachtung sei es rechtswidrig,
lediglich auf den Punktsummenwert abzustellen, ohne seine besondere fachliche Qualifikation für diesen in der Bundeswehr fast einzigartigen
Dienstposten mit zu berücksichtigen. Aus seiner Sicht sei die strittige Auswahlentscheidung auch nicht hinreichend dokumentiert.
11 Der Antragsteller beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung der Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr
anlässlich des Personalgesprächs vom 26. September 2013 in der Gestalt der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11.
November 2013 - zugestellt am 13. November 2013 - zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, antragsgemäß förderlich auf den nach
Besoldungsgruppe A 9 mZ bewerteten Dienstposten ... in der Teileinheit ... (Objekt-ID: ...) bei der ... zu verwenden,
hilfsweise,
das Bundesministerium der Verteidigung unter Aufhebung der Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement anlässlich des
Personalgesprächs vom 26. September 2013 in der Gestalt der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. November 2013
- zugestellt am 13. November 2013 - zu verpflichten, seinen Antrag auf förderliche Verwendung auf dem nach Besoldungsgruppe A 9 mZ
bewerteten Dienstposten ... in der Teileinheit ... (Objekt-ID: ...) bei der ... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
12 Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
13 Es verteidigt den Inhalt seines Beschwerdebescheids und führt ergänzend aus, dass der vom Antragsteller in Bezug genommene
Verbandsvorschlag nur einen Vorschlag des Bedarfsträgers aus der Truppe an den Bedarfsdecker - hier: an das Bundesamt für das
Personalmanagement der Bundeswehr - darstelle, der keine bindenden oder sonstigen Rechtswirkungen entfalte. Er stelle lediglich eine
innerdienstliche Anregung ohne rechtliche Relevanz für ein Auswahlverfahren dar. Voraussetzung für die Besetzung des Dienstpostens seien die
Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer ... (...) und die Ausbildung und Erfahrung im Bereich der Instandsetzung von ... mit entsprechender
Freigabeberechtigung im Sachgebiet. Diese Voraussetzungen erfüllten sowohl der Antragsteller als auch der Beigeladene. Der Beigeladene sei
ausgewählt worden, weil er von vornherein besser beurteilt sei als der Antragsteller.
14 Der Beigeladene hatte im Verfahren Gelegenheit zur Äußerung. Er hat keinen Antrag gestellt. Er ist zum 1. Oktober 2013 auf den strittigen
Dienstposten versetzt worden.
15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des
Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
II
16 Der Sachantrag des Antragstellers bedarf der Auslegung.
17 Rechtsschutzziel des übergangenen Bewerbers im Konkurrentenstreit um einen militärischen Dienstposten ist die Aufhebung der
Auswahlentscheidung der zuständigen personalbearbeitenden Stelle oder des zuständigen Entscheidungsträgers der Bundeswehr. Diesem
Rechtsschutzziel entspricht es, wenn der übergangene Bewerber in erster Linie diese Auswahlentscheidung angreift und seinen Sachantrag nicht
nur auf den mündlichen oder schriftlichen Bescheid beschränkt, mit dem die personalbearbeitende Stelle ihn über die getroffene
Auswahlentscheidung informiert und seinen Antrag auf Versetzung auf diesen Dienstposten ablehnt. Der im Schriftsatz der Bevollmächtigten des
Antragstellers vom 26. März 2014 enthaltene Sachantrag ist deshalb sach- und interessengerecht zusätzlich auf die Aufhebung der zu Gunsten
des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 13. September 2013
zu erstrecken.
18 Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller in seinem Hauptantrag um die Verpflichtung des Bundesministeriums der
Verteidigung gebeten hat, ihn förderlich auf dem strittigen Dienstposten „zu verwenden“, damit allerdings - ausweislich der Antragsbegründung -
ein konkretes Versetzungsbegehren meint.
19 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat im Hilfsantrag Erfolg.
20 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
21 Der Rechtsstreit hat sich nicht dadurch erledigt, dass der strittige Dienstposten inzwischen mit dem Beigeladenen besetzt worden ist. Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie
begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er müsste es
vielmehr hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber
rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N.
veröffentlicht in BVerwGE 133, 13 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50> und vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - BA Rn. 22
nicht abgedruckt in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60>).
22 2. Das Verpflichtungsbegehren hat Erfolg, soweit es auf eine erneute Entscheidung über die Besetzung des strittigen Dienstpostens gerichtet
ist.
23 Die Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 13. September 2013, den nach Besoldungsgruppe A 9
mZ bewerteten Dienstposten „...“ (Objekt-ID: ...) in der ... in ... mit dem Beigeladenen zu besetzen, sowie die Entscheidung des Bundesamtes
vom 26. September 2013, den Antrag des Antragstellers auf Versetzung auf diesen Dienstposten abzulehnen, und der Beschwerdebescheid des
Bundesministeriums der Verteidigung vom 11. November 2013 sind rechtswidrig und deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit
§ 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Da die Sache nicht spruchreif ist, kann eine Verpflichtung des Bundesministeriums der Verteidigung, den
Antragsteller auf diesen Dienstposten zu versetzen, nicht ausgesprochen werden. Es steht nicht fest, dass der strittige Dienstposten gerade mit
dem Antragsteller besetzt werden muss. Insoweit ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen. Das Bundesministerium der
Verteidigung ist jedoch gemäß dem Hilfsantrag verpflichtet, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der nachfolgenden
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
24 Die angefochtene Auswahlentscheidung ist zwar hinreichend dokumentiert (dazu nachfolgend a), genügt jedoch materiell-rechtlich nicht den
sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG ergebenden Anforderungen an den Eignungs- und Leistungsvergleich (dazu nachfolgend b).
25 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt
aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrunde liegenden wesentlichen
Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch das Gericht zu
ermöglichen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 f.> = NVwZ 2007, 1178 = ZBR
2008, 169). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über
Ernennungen hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation
der wesentlichen Auswahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische
Verwendung betreffen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41,
jeweils Rn. 50 und vom 16. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 35 f.).
26 Zur Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen verpflichtet ist dabei primär die Stelle, die für die zu treffende
Auswahlentscheidung zuständig ist. Im Hinblick auf die in § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WBO verankerte umfassende Kontroll- und
Abänderungskompetenz kann die Dokumentationspflicht aber auch von der gemäß § 9 Abs. 1 WBO zuständigen Beschwerdestelle erfüllt
werden, wenn und soweit sie eine eigene Sachentscheidung trifft (vgl. - auch zum Folgenden - näher Beschluss vom 27. Januar 2010 - BVerwG
1 WB 52.08 - BVerwGE 136, 36 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 54, jeweils Rn. 33). Bestätigt die Beschwerdestelle die Ausgangsentscheidung und
weist sie die Beschwerde zurück (§ 13 Abs. 3 WBO), kann sie, falls eine Dokumentation bis dahin fehlt, in dem Beschwerdebescheid die
wesentlichen Auswahlerwägungen niederlegen oder eine vorhandene Dokumentation der Ausgangsentscheidung ergänzen oder inhaltlich
fortschreiben. Sofern sie auf eine eigene Sachentscheidung verzichtet und den Beschwerdevorgang im Wege der Abhilfe zum Zweck der
Neubescheidung zurückgibt, liegt die Dokumentationspflicht wiederum zunächst bei der für die Auswahlentscheidung zuständigen Stelle
(Beschluss vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - BA Rn. 27 ).
27 Im vorliegenden Fall war ein Eignungs- und Leistungsvergleich gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG mit einer Dokumentation der
wesentlichen Auswahlerwägungen erforderlich, weil es sich bei dem strittigen Dienstposten für den Antragsteller und den Beigeladenen um eine
höherwertige Verwendung handelt.
28 Die Dokumentationspflicht ist erfüllt.
28 Die Dokumentationspflicht ist erfüllt.
29 Nach Nr. 5.2 der „Richtlinie für die Perspektivbestimmung als Grundlage für die langfristige Verwendungsplanung der Berufsunteroffiziere“
vom 3. Februar 2009 (BMVg PSZ I 1 (30) - Az. 16-32-02/10) ist die Stammdienststelle der Bundeswehr für die Verwendungsentscheidungen
bei den Berufsunteroffizieren zuständig. Verwendungsentscheidungen schließen nach § 3 Abs. 1 SG Auswahlentscheidungen am Maßstab der
Eignung, Befähigung und Leistung ein. Diese Auswahl- und Entscheidungskompetenz der (damaligen) Stammdienststelle der Bundeswehr ist
nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten nunmehr auf das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr
übergegangen. In dem vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten „Auswahlbogen (nach Verwendungsentscheidung) für die
Besetzung Oberstabsfeldwebel-/Oberstabsbootsmann-Dienstposten - AK 2011 -“ vom 13. September 2013 ist für die vom Leiter des Referates
IV 3.2.2 zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung eine Begründung fixiert, die die wesentlichen Auswahlerwägungen
beschreibt und eine gerichtliche Kontrolle der Auswahlentscheidung ermöglicht. Danach ist ausschlaggebend für die Auswahl des Beigeladenen
gewesen, dass seine bisherigen Verwendungen sowie die damit verbundenen Erfahrungen ihn in höchstem Maße als für den förderlichen
Dienstposten geeignet erscheinen lassen. In der Zeile unter dieser Begründung wird auf die beigefügte Anlage verwiesen, aus der sich die dem
Antragsteller und dem Beigeladenen in der „Perspektivkonferenz zum Oberstabsfeldwebel/Oberstabsbootsmann 2011“ bescheinigten
Punktsummenwerte ersehen lassen. Im Beschwerdebescheid vom 11. November 2013 hat das Bundesministerium der Verteidigung ausgeführt,
die Auswahlentscheidung des Bundesamtes sei sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden, und sich auf den Vergleich dieser
Punktsummenwerte der Bewerber konzentriert. Damit hat es die Dokumentation der wesentlichen Auswahlerwägungen des Bundesamtes in
zulässiger Form inhaltlich vertieft und fortgeschrieben.
30 b) Die Auswahlentscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 13. September 2013 ist - auch in der
Fassung des Beschwerdebescheids - rechtswidrig, weil die Feststellung, dass der Beigeladene aufgrund seines Verwendungsaufbaus und seiner
Erfahrungen für den Dienstposten besser geeignet sei als der Antragsteller, und der Vergleich der Punktsummenwerte der beiden Bewerber unter
Verstoß gegen die Auswahlgrundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 3 Abs. 1 SG zustande gekommen sind. Damit ist der
Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.
31 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats zu Auswahlentscheidungen zwischen mehreren soldatischen Bewerbern hat der Träger der
Auswahlentscheidung zunächst zu prüfen, ob die oder ggf. welche Bewerber allen Anforderungskriterien für den in Rede stehenden
Dienstposten gerecht werden. Ist diese Voraussetzung erfüllt, ist der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich anhand der durch
dienstliche Beurteilungen ausgewiesenen Abstufungen der Qualifikation vorzunehmen (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 25. April 2007 -
BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41, jeweils Rn. 55; für das Beamtenrecht: Urteile vom 16. August 2001
- BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <60 f.> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54 S. 3 und vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 -
BVerwGE 138, 102, Rn. 46).
32 Zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung
aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur
abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die
Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit
einzubeziehen (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 27.09 - BVerwGE 136, 198 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 55,
jeweils Rn. 25). Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen
auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch
das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 -
BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49, jeweils Rn. 67 m.w.N. und vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB
59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 31 m.w.N.; vgl. für das Beamten- und Richterrecht Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C
16.09 - a.a.O. Rn. 46 m.w.N.). In diesem Rahmen kann - gleichsam in einem dritten Prüfungsschritt des Bewerbervergleichs - der dienstlichen
Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen
ergibt, besondere Bedeutung beigemessen werden (Urteil vom 4. November 2010 a.a.O., Rn. 46).
33 bb) Nach den im Ergebnis auch vom Antragsteller eingeräumten Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung erfüllen sowohl der
Antragsteller als auch der Beigeladene die Anforderungskriterien für den in Rede stehenden Dienstposten. Der Antragsteller hat im Schriftsatz
seiner Bevollmächtigten vom 9. Oktober 2014 erklärt, dass auch der Beigeladene über die erforderliche Ausbildung zum „...“ verfüge und eine
Ausbildung ... im Jahr 2000 absolviert habe. Bei dieser Sachlage war das Bundesamt für das Personalmanagement verpflichtet, unmittelbar in
einen Vergleich der aktuellsten planmäßigen Beurteilungen der Bewerber einzutreten und nicht - unter Außerachtlassung des
Beurteilungsvergleichs - anderen Gesichtspunkten entscheidendes Gewicht für die Auswahl beizumessen, wie etwa der Erfahrung und dem
Verwendungsaufbau des Beigeladenen. Auf einen Vergleich der aktuellsten planmäßigen Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen
zum Stichtag 30. September 2012 hat das Bundesamt innerhalb der Auswahlentscheidung vom 13. September 2013 verzichtet.
34 Die Auswertung des Vergleichs der Punktsummenwerte der Bewerber heilt diesen Mangel nicht.
35 Die für den Antragsteller und den Beigeladenen festgestellten Punktsummenwerte sind für die Perspektivkonferenz 2011 aufgrund der bereits
zitierten „Richtlinie für die Perspektivbestimmung als Grundlage für die langfristige Verwendungsplanung der Berufsunteroffiziere“ vom 3.
Februar 2009 ermittelt worden. Nach Anlage 1 zu dieser Richtlinie wird der die Perspektivbestimmung vorbereitende maßgebliche
Punktsummenwert auf der Basis einer Auswertung der letzten drei planmäßigen Beurteilungen der Bewerber festgelegt, die im Verhältnis 1 zu
2/3 zu 1/3 zu gewichten sind. Das Ergebnis ist eine Punktsumme, die den Rangplatz des einzelnen Berufsunteroffiziers in der Vorsortierliste für
die Perspektivbestimmung - also nicht für einen bestimmten Dienstposten - bestimmt. In diesen Punktsummenwert fließen unmittelbar mit einer
erheblichen Gewichtung auch die zweit- und drittletzten planmäßigen Beurteilungen der zu betrachtenden Berufsunteroffiziere ein. Damit stellt
der Punktsummenwert nicht ausschließlich auf die aktuellste planmäßige Beurteilung ab, sondern bezieht mit einer festgelegten Automatik die
maßgeblichen Werte aus vorangegangenen - älteren - planmäßigen Beurteilungen mit ein.
36 Die im „Auswahlbogen“ des Bundesamtes und im Beschwerdebescheid des Bundesministeriums der Verteidigung gewählte Anknüpfung des
Eignungs- und Leistungsvergleichs an einen Vergleich der Punktsummenwerte, die im Rahmen der Perspektivbestimmung für
Berufsunteroffiziere ermittelt wurden, hat in der Sache zur Folge, dass mit einer feststehenden Automatik mehrere nicht mehr aktuelle planmäßige
Berufsunteroffiziere ermittelt wurden, hat in der Sache zur Folge, dass mit einer feststehenden Automatik mehrere nicht mehr aktuelle planmäßige
Beurteilungen in die Auswahlentscheidung einbezogen werden, hier aus den Jahren 2005 und 2008. Dieses Prozedere trägt nicht dem
Erfordernis Rechnung, bei der hier in Rede stehenden dienstpostenbezogenen Auswahlentscheidung im Jahr 2013 auf die jeweils aktuellsten
planmäßigen Beurteilungen im Eignungs- und Leistungsvergleich abzustellen.
37 Eine Heilung dieses Mangels könnte man nur dann in Erwägung ziehen, wenn sich das Bundesamt oder das Bundesministerium der
Verteidigung primär auf einen konkreten Vergleich der maßgeblichen aktuellsten planmäßigen Beurteilungen des Antragstellers und des
Beigeladenen gestützt hätten. Das ist jedoch unterblieben.
38 Ein Vergleich der aktuellsten planmäßigen Beurteilungen ergibt, dass der Antragsteller zum Beurteilungsstichtag 30. September 2012 mit
einem Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten von 8,10 über einen besseren Durchschnittswert verfügt als der
Beigeladene, der zum 30. September 2012 einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten von 7,80 erlangt hat. Die
planmäßigen Beurteilungen 2012 zeigen mithin einen deutlichen Leistungsvorsprung des Antragstellers. Dieser hat in seiner aktuellsten
Beurteilung zum 30. September 2012 auch die Empfehlung einer „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ erhalten.
39 Abgesehen davon sind die Erwägungen des Bundesamtes zu einem Erfahrungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller - für
sich genommen - nicht nachvollziehbar. Denn die dem Beigeladenen bescheinigten umfassenden langjährigen Erfahrungen, insbesondere auch
als hauptamtlicher Teileinheitsführer im Bereich ..., werden in den planmäßigen Beurteilungen 2002 und 2005 in annähernd gleicher Weise auch
dem Antragsteller zugeschrieben. Der Beigeladene seinerseits hat in seiner Äußerung im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass er zum 2.
Januar 2009 in die Teileinheit ... versetzt worden sei und dort als stellvertretender Teileinheitsführer mit dem Antragsteller zusammengearbeitet
habe, der damals sein Teileinheitsführer gewesen sei. Die umfassenden einschlägigen Erfahrungen, die für den strittigen Dienstposten fruchtbar
sein können, sind im Einzelnen in den letzten planmäßigen Beurteilungen des Antragstellers dokumentiert, sodass sich aus einem
Erfahrungsvergleich nicht ohne Weiteres ein eindeutiger Vorsprung des Beigeladenen nachvollziehen lässt.
40 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO. Da der Antragsteller mit seinem
Rechtsschutzbegehren im Wesentlichen Erfolg hatte, wurden dem Bund die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt (§ 23a Abs. 2 WBO in
Verbindung mit § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer