Urteil des BVerwG vom 22.07.2004

BVerwG (tatsächliche sachherrschaft, anlage, juristische person, anordnung, beseitigung, betrieb, betreiber, verwaltungsgericht, grundstück, person)

Rechtsquellen:
BImSchG
§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 24
KrW-/AbfG § 3 Abs. 5 und 6, §§ 5, 11
Stichworte:
Immissionsschutzrechtliche Anordnung; nicht genehmigungsbedürftige Anlage;
Pflicht zur Abfallbeseitigung; Abfallbesitzer; Abfallerzeuger; revisionsrechtlich bin-
dende Tatsachenfeststellungen; Insolvenzverwalter; Insolvenzforderung; Massever-
bindlichkeit.
Leitsatz:
Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG begründet nur die Pflicht, die
Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung der beim Betrieb der nicht
genehmigungsbedürftigen Anlage entstehenden Abfälle zu schaffen; die Pflicht zur
Abfallbeseitigung selbst richtet sich bei diesen Anlagen nach den Bestimmungen des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.
Urteil des 7. Senats vom 22. Juli 2004 - BVerwG 7 C 17.03
I. VG Hannover vom 14.08.2003 - Az.: VG 12 A 2078/02 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 7 C 17.03
VG 12 A 2078/02
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
- 3 -
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , H e r b e r t , K r a u ß ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g und den
Richter am Bundesverwaltungsgericht N e u m a n n
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das
Verfahren eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 14. August
2003 wird, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewie-
sen hat, und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben.
Ferner wird der Bescheid des Beklagten vom 6. März 2002 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung
Hannover vom 6. Mai 2002 und der Erklärung des Beklagten
vom 14. August 2003 aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Beseitigung von Abfällen von
dem Betriebsgelände der A. GmbH.
Der Kläger wurde mit Beschluss vom 1. Mai 2001 zum Insolvenzverwalter über das
Vermögen dieser GmbH bestellt, die ein Maschinenbauunternehmen auf einem ge-
pachteten Grundstück in A. betrieb. Bei einer Besichtigung dieses Betriebes am
29. Mai 2001 stellte der Beklagte fest, dass sich innerhalb und außerhalb der Be-
triebsräume verschiedene von ihm als Abfall angesehene Stoffe und Behälter befan-
den. Er forderte den Kläger zur Beseitigung auf. Dieser kündigte zunächst die fach-
gerechte Entsorgung der nicht betriebsnotwendigen Stoffe an und teilte mit, dass der
Betrieb zum 1. August 2001 unter der Firma INO A. fortgeführt werde. Am
16. August 2001 zeigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzu-
länglichkeit gemäß § 208 der Insolvenzordnung - InsO - an. Mit Vertrag vom
- 4 -
10. Oktober 2001 verkaufte die Gemeinschuldnerin, vertreten durch den Kläger, ihr
"gesamtes Anlagevermögen" gemäß der dem Vertrag beigefügten Anlage an die
INO P. GmbH ... Dem Beklagten gegenüber erklärte der Kläger nunmehr, dass ihm
die Entsorgung der Abfälle nicht obliege, weil sie vor Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens abgelagert worden seien. Eine weitere Ortsbesichtigung des Beklagten ergab,
dass die Abfälle größtenteils unverändert auf dem Betriebsgelände lagerten, aller-
dings einige Stoffe vom Nachfolgebetrieb verwendet wurden. Daraufhin gab der Be-
klagte dem Kläger gemäß § 24 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Bundesimmissi-
onsschutzgesetzes - BImSchG - unter anderem auf, die in einer Anlage zu dem Be-
scheid aufgelisteten Abfälle zeitnah einer schadlosen Entsorgung zuzuführen und sie
bis dahin durch ordnungsgemäße Lagerung - als Bereitstellung zum Abtransport -
vor Vandalismus, Diebstahl, Auslaufen und Verstreuung zu sichern.
Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Bezirksregierung im
Wesentlichen zurück; sie hob die Anordnung des Beklagten nur insoweit auf, als sie
sich auch auf die Stoffe bezog, die im Nachfolgebetrieb verwendet wurden. Sie wies
darauf hin, dass die Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers nicht dadurch beein-
flusst werde, dass ursprünglich die Gemeinschuldnerin Betreiberin der Anlage gewe-
sen sei und möglicherweise alle Abfälle von ihr schon vor Beginn des Insolvenzver-
fahrens gelagert worden seien; denn mit der Fortführung der Anlage sei nunmehr der
Kläger Betreiber und als solcher verpflichtet, die schon vorhandenen Abfälle ord-
nungsgemäß zu beseitigen. Zwar sei die Anlage inzwischen weiterverkauft worden.
Eine Inanspruchnahme der INO P. GmbH als Zustandsverantwortliche wäre jedoch
nur in Betracht gekommen, sofern diese auch die tatsächliche Gewalt über die Abfäl-
le gehabt hätte. Dies sei bis heute nicht nachgewiesen. Die Auflistung der Vertrags-
gegenstände enthalte die Abfälle nicht. Dem Vollzug der Anordnung stehe nicht ent-
gegen, dass die Abfälle auf dem Betriebsgelände der INO P. GmbH und damit auf
einem adressatenfremden Grundstück lagerten. Dies könne durch die Anordnung an
die Nachfolgefirma, das Betreten zum Abholen der Abfälle zu dulden, ausgeräumt
werden.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Nachdem der Beklagte seine Anordnung
hinsichtlich bestimmter Kleingebinde aufgehoben hat, ist das Verfahren insoweit
nach entsprechenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt worden. Im
- 5 -
Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im
Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Anordnung sei rechtmäßig. Der Betrieb
der Gemeinschuldnerin sei eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage nach § 22
BImSchG, die der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt habe
und die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG so zu betreiben sei, dass die beim
Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden könnten.
Bei den Gegenständen, deren Beseitigung der Beklagte fordere, handele es sich um
bei dem Betrieb der Anlage entstandene Abfälle im Sinne des Abfall- und damit auch
des Immissionsschutzrechts. Der Kläger sei auch richtiger Adressat der Anordnung.
Als Anlagenbetreiber sei der Insolvenzverwalter zur Beseitigung der von der Ge-
meinschuldnerin abgelagerten Abfälle auch dann verpflichtet, wenn sie in der Zeit
vor der Betriebsübernahme angefallen seien. Diese Pflicht gehe, soweit sie durch die
Gemeinschuldnerin nicht erfüllt worden sei, mit der uneingeschränkten Betriebs-
übernahme auf den Kläger über. Die in seiner Person entstandene immissions-
schutzrechtliche Verantwortlichkeit erlösche durch eine spätere Weiterveräußerung
des Betriebes nur dann, wenn nach dem Inhalt des Vertrages der Erwerber den vor-
handenen Abfall mit übernehme. Gehe die Beseitigungspflicht nicht auf den Erwer-
ber über, verbleibe sie beim Insolvenzverwalter, und zwar ungeachtet der zwischen-
zeitlichen Beendigung seiner Betreiberstellung. Für wirksam herausgelöste oder ab-
gespaltene Teile eines Betriebes erlöschten die bis zur Lösung des betrieblichen
Zusammenhangs noch nicht erfüllten immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten
mangels eines Adressaten nicht; vielmehr bestünden sie bis zu ihrer Erfüllung beim
bisherigen Betreiber fort.
Mit seiner durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der
Kläger sein Begehren weiter. Seinen im Revisionsverfahren erstmals gestellten
Hauptantrag, die Nichtigkeit der angegriffenen Anordnung festzustellen, hat er zu-
gunsten des zunächst als Hilfsantrag gestellten Anfechtungsantrages zurückge-
nommen. Er trägt vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die angegriffene An-
ordnung verletzten Bundesrecht, weil er gezwungen werde, für die Abfallbeseiti-
gungspflicht mit der Masse einzustehen, obwohl er nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs aus insolvenzrechtlicher Sicht Aufwendungen für die Beseiti-
gung von bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Be-
triebsgrundstück lagernden Abfällen nur noch als Insolvenzforderung gleichmäßig
- 6 -
und anteilig befriedigen dürfe. Das Verwaltungsgericht verkenne den abschließen-
den Charakter des die Masseverbindlichkeiten regelnden § 55 InsO. Das Urteil ver-
letze aber auch § 24 und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG, weil er als Betreiber der
Anlage in Anspruch genommen werde, obwohl er als Insolvenzverwalter den Betrieb
weder auf eigene Rechnung, sondern für die Masse, noch in eigener Verantwortung,
sondern unter Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie nach den Weisungen der Gläu-
bigerversammlung und des Gläubigerausschusses geführt habe.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er erwidert: Die ordnungs-
rechtliche Pflicht sei nicht von der Gemeinschuldnerin auf den Kläger übergegangen,
sondern sei in seiner Person in seiner Eigenschaft als Betreiber neu entstanden.
Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verweise, be-
stünden Zweifel an der von ihm aufgezeigten Divergenz zu der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts; denn in dem herangezogenen Urteil des Bundesge-
richtshofs gehe es nicht um die Durchsetzung einer ordnungsrechtlichen Pflicht.
Der Vertreter des Bundesinteresses teilt mit, dass es innerhalb der Bundesregierung
keine einheitliche Auffassung zur ordnungsrechtlichen Behandlung von Altlasten in
der Insolvenz gebe. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit sehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts den Insolvenzverwalter als Betreiber im Sinne der §§ 22 und 24 BImSchG
an, wenn er den Betrieb der Anlage fortführe. Er sei deshalb zur Beseitigung der von
der Gemeinschuldnerin abgelagerten Abfälle auch dann verpflichtet, wenn sie in der
Zeit vor der Betriebsübernahme angefallen seien. Demgegenüber lehne sich das
Bundesministerium der Justiz an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an.
Danach sei eine Freistellung des Ordnungsrechts von den insolvenzrechtlichen Bin-
dungen und damit eine Sonderstellung des Ordnungsrechts nicht anzuerkennen.
Zwar seien ordnungsrechtliche Verpflichtungen der Masse nicht ohne weiteres mit
zivilrechtlichen Ansprüchen gleichzusetzen. Gleichwohl handele es sich um Vermö-
gensansprüche, die keine höchstpersönlichen Pflichten begründeten und deshalb in
das System der §§ 38 bis 50 InsO einzufügen seien. Für die Einordnung der Ansprü-
che sei demnach darauf abzustellen, ob der Eintritt der Gefahrenlage bereits vor In-
solvenzeröffnung abgeschlossen gewesen sei oder sich erst nach Verfahrenseröff-
nung realisiert habe.
- 7 -
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten gemäß § 87 Abs. 1
i.V.m. § 125 Abs. 1 und § 141 VwGO erörtert und darauf hingewiesen, dass im Hin-
blick auf die Veräußerung der Anlage Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffe-
nen Anordnung bestünden. Der Beklagte hat daraufhin vorgetragen, dass seines
Wissens nicht die gesamte Anlage, sondern diese mit Ausnahme der Beizanlage
veräußert worden sei. Dies hat der Kläger in Abrede gestellt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzich-
tet.
II.
Im Umfang der Klagerücknahme ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 i.V.m. § 141
Satz 1 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen.
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht; denn der
Kläger durfte auf der Grundlage der durch das Verwaltungsgericht getroffenen tat-
sächlichen Feststellungen weder nach den Vorschriften des Bundesimmissions-
schutzgesetzes noch nach denen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes
- KrW-/AbfG - für die Beseitigung der Abfälle und für deren Sicherung in Anspruch
genommen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts und die angefochtenen Be-
scheide müssen daher aufgehoben werden.
1. Der Beklagte hat seine Anordnung, soweit er vom Kläger die Beseitigung der in
Rede stehenden Abfälle verlangt, zu Unrecht auf § 24 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
BImSchG gestützt. Zwar ermächtigt § 24 BImSchG die zuständige Behörde, im Ein-
zelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des § 22 BImSchG und
damit zur Durchsetzung der dem Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen An-
lage obliegenden Pflichten zu treffen. Die Abfallbeseitigungspflicht, der der Kläger
nach dem Willen des Beklagten nachkommen soll, ergibt sich jedoch nicht aus der in
der Anordnung herangezogenen Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu
- 8 -
errichten und zu betreiben, dass die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle
ordnungsgemäß beseitigt werden k ö n n e n. Geregelt wird demnach keine Pflicht
zur Beseitigung der beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle; gefordert wird
vielmehr lediglich, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung der
Abfälle zu schaffen. Die Pflicht zur Abfallbeseitigung selbst richtet sich nach den
Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (vgl. Jarass, BImSchG,
5. Aufl., § 22, Rn. 46; Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 22
BImSchG, Rn. 28; Roßnagel in: GK-BImSchG, § 22, Rn. 156), deren Anwendung
nach § 22 Abs. 2 BImSchG unberührt bleibt.
2. Soweit die Anordnung des Beklagten auf die Beseitigung der in Rede stehenden
Abfälle gerichtet ist, findet sie jedoch ebenso wenig eine hinreichende Ermächti-
gungsgrundlage in den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.
Der Kläger ist weder Besitzer noch Erzeuger der Abfälle, so dass ihn die Grund-
pflichten nach § 5 und § 11 KrW-/AbfG nicht treffen.
a) Abfallbesitzer ist nach § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Per-
son, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Mit dieser Definition knüpft
der Gesetzgeber an die ständige Rechtsprechung des Senats an, nach der für den
Abfallbesitz ein "Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft" kennzeichnend ist
(zuletzt Urteil vom 8. Mai 2003 - BVerwG 7 C 15.02 - Buchholz 451.221 § 3
KrW-/AbfG Nr. 5 m.w.N.). Ein Besitzbegründungswille ist nicht erforderlich. Die Sach-
herrschaft an einem Grundstück vermittelt die tatsächliche Gewalt über die dort la-
gernden Gegenstände, sofern das Grundstück nicht aufgrund von Betretungsrechten
allgemein zugänglich ist.
Bei Anwendung dieser Grundsätze scheide ein Abfallbesitz des Klägers aus. Er war
spätestens Abfallbesitzer geworden, nachdem er den Betrieb der nicht genehmi-
gungsbedürftigen Anlage von der Gemeinschuldnerin übernommen und die Produk-
tion fortgeführt und sich damit entschieden hatte, die Anlage für die Masse zu nutzen
(vgl. auch BGHZ 150, 305 <311>). Aufgegeben hat er diese tatsächliche Sachherr-
schaft aber mit der Veräußerung des Anlagevermögens der Gemeinschuldnerin und
der Übernahme des Betriebs durch die Erwerberin. Zwar hat der Beklagte im Revisi-
onsverfahren erstmals bestritten, dass die Anlage vollständig von der Erwerberin
- 9 -
übernommen worden sei, und geltend gemacht, die Beizanlage - in der ein Teil der
in der Anordnung aufgeführten Abfälle gelagert werden - sei nicht Gegenstand des
Übernahmegeschäfts gewesen. Dieses Vorbringen steht jedoch im Widerspruch zu
den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat gebun-
den ist, weil der Beklagte insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgrün-
de vorgebracht hat (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) und im Rahmen einer Sprungrevision
auch nicht hätte vorbringen können (§ 134 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht
hat ausgeführt, dass die Gemeinschuldnerin ausweislich des Vertrages vom
10. Oktober 2001 "ihr gesamtes Anlagevermögen gemäß Anlage" verkauft habe.
Dies kann nur so verstanden werden, dass alle Gegenstände, die dazu bestimmt
waren, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB) im Wege
des "asset deal" einen neuen Eigentümer bekommen sollten und damit auch die An-
lage insgesamt den Betreiber wechseln sollte. Dass dies in der Folgezeit auch so
geschehen ist, wird durch die weiteren Feststellungen des Gerichts untermauert,
wenn es auf die Verwendung eines Teils vermeintlicher Abfälle im Nachfolgebetrieb
eingeht und sich vor allem ausdrücklich die Begründung des Widerspruchsbeschei-
des zur Androhung der Ersatzvornahme zu Eigen macht; denn damit macht es sich
auch die Erwägung der Bezirksregierung Hannover zu Eigen, dass "die Lagerung der
Abfälle auf dem Betriebsgrundstück der INO P. GmbH, d.h. auf einem adressa-
tenfremden Grundstück", kein Vollstreckungshindernis sei, weil der Nachfolgefirma
aufgegeben werden könne, das Betreten des Grundstücks zum Abholen der Abfälle
zu dulden. All dies verdeutlicht hinreichend, dass die tatsächliche Sachherrschaft an
den Abfällen nach Feststellungen der Vorinstanz auf den neuen Betreiber der Anla-
ge übergegangen war.
Die Einwände, die der Beklagte gegen dieses Verständnis der Ausführungen des
Verwaltungsgerichts erhebt, sind nicht stichhaltig. Zwar trifft es zu, dass das ange-
griffene Urteil sich mit der Frage der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten für
herausgelöste oder abgespaltene Betriebsteile befasst. Dies geschieht jedoch nicht
etwa deswegen, weil es das Verwaltungsgericht für möglich gehalten hat, dass Teile
der Anlage, wie etwa die Beizanlage, nicht den Besitzer gewechselt hätten. Die Aus-
führungen des Verwaltungsgerichts beziehen sich vielmehr ausschließlich auf die
Abfälle als solche. Das Verwaltungsgericht scheint dem Missverständnis zu unterlie-
gen, allein die Herausnahme dieser nach wie vor im Betrieb lagernden Abfälle aus
- 10 -
dem Veräußerungsgeschäft könne nach der Rechtsprechung des Senats dazu füh-
ren, dass die Verantwortlichkeit für diese Stoffe bei dem bisherigen Betreiber
verbleibe. Diese Rechtsauffassung geht daran vorbei, dass mit der Betriebsüber-
nahme auch die tatsächliche Sachherrschaft über die nach wie vor im Betrieb la-
gernden Abfälle wechselt, und zwar unabhängig davon, ob sie Bestandteil des Über-
nahmegeschäfts waren oder nicht. Anders verhält es sich nur dann - und dies war
Gegenstand der Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 22. Oktober 1998
- BVerwG 7 C 38.97 - (BVerwGE 107, 299 <302 f.>) -, wenn die Abfälle in einem Teil
der Anlage lagern, der von der Betriebsübernahme ausgeschlossen ist.
b) Der Kläger ist auch nicht Erzeuger der betroffenen Abfälle. Abfallerzeuger ist nach
§ 3 Abs. 5 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit
Abfälle angefallen sind, oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder
sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der
Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken. Diese Voraussetzungen erfüllt der Klä-
ger nicht; denn die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Abfälle
aus der Zeit vor der Übernahme des Betriebs durch den Kläger stammen. Abfaller-
zeugerin ist somit die Gemeinschuldnerin. Der Kläger kann insoweit auch nicht als
deren Rechtsnachfolger für die Beseitigung in Anspruch genommen werden. Dabei
kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsnachfolge in eine Verhaltensverantwort-
lichkeit wie die des Abfallerzeugers überhaupt möglich ist. Denn selbst wenn man
das annähme, würde es sich bei dieser Verantwortlichkeit um eine vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens entstandene Verbindlichkeit der Gemeinschuldnerin und damit
um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 der Insolvenzordnung - InsO - han-
deln, auf die eine Beseitigungsanordnung gegenüber dem Kläger nicht gestützt wer-
den kann.
3. Schließlich ist die angegriffene Verfügung auch rechtswidrig, soweit neben der
Beseitigung der Abfälle deren Sicherung angeordnet wird. Zwar dürfte die in diesem
Rahmen aufgegebene ordnungsgemäße Lagerung im Sinne einer Bereitstellung
zum Abtransport noch vom Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG erfasst
sein; insoweit scheitert die Inanspruchnahme des Klägers aber an dem zwischenzeit-
lichen Wechsel der Betreiberstellung.
- 11 -
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar hat der Kläger
seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der angegriffenen Verfügung zurück-
genommen und wäre insoweit nach § 155 Abs. 2 VwGO kostenpflichtig. Da das mit
dem Nichtigkeitsfeststellungsantrag verfolgte Interesse sich aber im Wesentlichen
mit seinem weiterverfolgten Anfechtungsbegehren deckt, ist er nur zu einem gerin-
gen Teil unterlegen, so dass es angemessen ist, dem Beklagten gemäß § 155
Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
Kley Herbert Krauß
Dr. von Heimburg Neumann
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6 500 € fest-
gesetzt.
Kley Herbert Krauß
Dr. von Heimburg Neumann