Urteil des BVerwG vom 06.11.2012

BVerwG: halle, projekt, gutachter, kommission, eingriff, eugh, staatliches handeln, breite, umwandlung, landschaftsplan

BVerwG 9 A 17.11
Rechtsquellen:
FFH-RL Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, 3 und 4,
Art. 11
GG Art. 72 Abs. 3 Nr. 2
BNatSchG 2010 §§ 13, 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2, 3 und 7, § 32 Abs. 3, §§ 34, 44 Abs. 1, 5 und 6, §
45 Abs. 7
FStrG § 17a Nr. 6 und 7 Satz 2 FStrG
LG NRW §§ 4a, 48c, 48d
VwVfG NRW § 73 Abs. 8
Stichworte:
Planfeststellung; FFH-Gebiet; Gebietsabgrenzung; Gebietsauswahl; Gebietserweiterung;
Verträglichkeitsprüfung; Erhaltungsziel; Erhaltungszustand; Abweichungsprüfung;
Kohärenzsicherung; Trassenalternativen; Bestandserfassung; Bestandsbewertung; Habitat;
Habitatausstattung; Einschätzungsprärogative; Untersuchungsmethoden; Erhebliche
Beeinträchtigung; Artenschutz; Kollisionsrisiko; Störungsverbot; Tötungsverbot;
Beschädigungsverbot; Zerstörungsverbot; Kompensationsmaßnahmen; Ersatzmaßnahmen;
Critical Loads; Stickstoffeinträge; Vorbelastung; Vollkompensation; Projekt; Landwirtschaftliche
Nutzung; Gülledüngung; Präklusion; Einwendung; Naturschutzexterner Grund;
Trinkwassergewinnung.
Leitsatz:
1. Bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung sind diejenigen charakteristischen Arten auszuwählen,
die einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt im jeweiligen Lebensraumtyp aufweisen bzw. die
Erhaltung ihrer Populationen muss unmittelbar an den Erhalt des jeweiligen Lebensraumtyps
gebunden sein. Die Arten müssen für das Erkennen und Bewerten von Beeinträchtigungen
relevant sein, d.h. es sind Arten auszuwählen, die eine Indikatorfunktion für potenzielle
Auswirkungen des Vorhabens auf den Lebensraumtyp besitzen.
2. Ein Naturschutzverband ist mit seinen Einwendungen präkludiert, wenn er erst im
gerichtlichen Verfahren Trassenalternativen geltend macht, die der Vorhabenträger auch unter
naturschutzfachlichen Gesichtspunkten untersucht und mit der als verträglich mit den
Naturschutzbelangen angesehenen Plantrasse abgewogen hat.
3. Bei Stickstoffeinträgen ist eine Irrelevanzschwelle anzuerkennen, wenn schon die
Vorbelastung den sog. Critical Load für den betroffenen Lebensraumtyp so deutlich übersteigt,
dass die vorhabenbedingte Zusatzbelastung demgegenüber nicht ins Gewicht fällt (Anschluss
an Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 93).
4. Tatsachen, die außerhalb des FFH-Gebiets artenschutzrechtlich zu berücksichtigen sind,
wirken sich auf die Rechtmäßigkeit der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht aus.
5. Als den Projektbegriff im Sinne des § 48d Abs. 4 LG NRW, § 34 Abs. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs.
3 FFH-RL erfüllender Eingriff in Natur und Landschaft ist nach § 14 Abs. 2 BNatSchG die
landwirtschaftliche Bodennutzung nicht anzusehen, wenn die Ziele des Naturschutzes
berücksichtigt werden. Die Frage, ob von einer konkreten landwirtschaftlichen Nutzung eine
Beeinträchtigung droht, ist zuvörderst eine naturschutzfachliche Frage, die der für die
Unterschutzstellung zuständige Normgeber im Zusammenhang mit der
Schutzgebietsausweisung und der Schutzgebietspflege zu regeln hat.
6. Solange der Bund von der Verordnungsermächtigung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG
keinen Gebrauch gemacht hat, können die Länder Einzelheiten zu den
Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft bestimmen. Die
Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes der Vollkompensation darf nicht hinter dem durch
die bundesgesetzliche Regelung gewährleisteten Schutzniveau zurückbleiben.
7. Bei der Bewertung der Eingriffswirkungen eines Vorhabens steht der
Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung und Quantifizierung der
Kompensationswirkungen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche
Einschätzungsprärogative zu.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 A 17.11
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. und 18. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
am 6. November 2012 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger, eine in Nordrhein-Westfalen anerkannte Naturschutzvereinigung, wendet sich mit
seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau der Bundesautobahn A 33,
Abschnitt 7.1 Halle (Westfalen) - Borgholzhausen (PFB).
2 Mit dem Bau des hier streitigen Abschnitts 7.1 mit einer Länge von 12,6 km und zwei
Fahrstreifen in jede Richtung soll die noch bestehende Lücke der A 33 geschlossen werden. Der
östlich anschließende Abschnitt 6 befindet sich im Bau. Der sich im Südosten daran
anschließende Abschnitt 5 B ist 2012 für den Verkehr freigegeben. Die A 33 verbindet die A 30
im Norden mit der A 2 im Südosten sowie weiterführend mit der A 44, die in Richtung Osten als
Projekt „Deutsche Einheit“ bis zur A 4 in Thüringen verlängert werden soll. Ziel ist es,
großräumig die Wirtschaftsräume Thüringen und Sachsen mit Nordwestdeutschland bzw. den
Niederlanden zu verbinden. Regional soll zudem eine Autobahnverbindung zwischen den
Oberzentren Bielefeld und Osnabrück mit jeweils über 300 000 Einwohnern geschaffen, und die
Siedlungsbereiche entlang der B 68 sollen vom Durchgangsverkehr entlastet werden.
3 Der planfestgestellte Abschnitt - sog. Konsenstrasse, Variante V 16/K 1 - führt von der
Anschlussstelle Schnatweg des vorhergehenden Abschnitts 6 teilweise parallel zur L 782 am
nördlichen Rand des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ entlang zum Anschluss an die B 476 in
Borgholzhausen. Die Trasse verläuft überwiegend über landwirtschaftlich intensiv genutzte
Flächen. Das FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ wird im nordöstlichen Bereich am Rande an einer
Schmalstelle unweit der L 782 durchschnitten. Die Kosten für den Bau der Trasse sind mit
inzwischen 140 Mio. € veranschlagt.
4 Der Plan lag vom 19. November 2007 bis zum 18. Dezember 2007 zur allgemeinen
Einsichtnahme aus. Die Auslegung war vorher unter Hinweis auf die Möglichkeit, bis zu vier
Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist Einwendungen zu erheben, und die Rechtsfolgen
verspäteter Einwendungen ortsüblich bekannt gemacht worden. Mit dem Deckblatt I wurde die
Trasse u.a. 14 m nach Norden verschoben und der Flächenbedarf für die
Kompensationsmaßnahmen aufgrund des neu eingeführten Erlasses zur Eingriffsregelung
ELES (Einführungserlass zum Landschaftsgesetz für Eingriffe durch Straßenbauvorhaben vom
6. März 2009, MBl NRW S. 138) um ca. 30 % reduziert. Im Hinblick auf die durch den Betrieb der
Autobahn zu erwartenden Schadstoffeinträge - in erster Linie von Stickstoff - wurden mit dem
Deckblatt II Aufforstungen und die Anlage von Grünlandflächen im FFH-Gebiet bzw. unmittelbar
daran anschließend planfestgestellt. Die Planänderungen wurden u.a. dem Landesbüro der
Naturschutzverbände Nordrhein-Westfalen 2010 unter Hinweis auf die Möglichkeit,
Einwendungen zu erheben, zugestellt.
5 Mit fristgerechten Einwendungsschreiben vom 15. Januar 2008, 15. Januar 2010/15. März
2010 und vom 25. Juni 2010 wandte sich das Landesbüro der Naturschutzverbände Nordrhein-
Westfalen, in dem auch der Kläger vertreten ist, gegen das Planvorhaben.
6 Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 stellte die Bezirksregierung Detmold den Plan für das
Vorhaben fest. Im Planfeststellungsbeschluss wird eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-
Gebiets „Tatenhauser Wald“ verneint, weil in hinreichendem Maße Verhinderungs-,
Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen getroffen würden. Für die als Erhaltungsziele
genannten Arten wie auch die charakteristischen Arten würden Beeinträchtigungen durch
Querungshilfen und Schutzwände verhindert. Die künftigen Stickstoffeinträge würden durch
geeignete Maßnahmen ausgeglichen. Gleichwohl sei eine vorsorgliche Abweichungsprüfung
durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass zwingende Gründe des überwiegenden
öffentlichen Interesses die Realisierung des Vorhabens erforderten, es sich unter den strengen
Anforderungen des Gebietsschutzes als alternativlos darstelle und die globale Kohärenz von
Natura 2000 auch bei der Verwirklichung gesichert sei. Artenschutzrechtliche
Verbotstatbestände würden nicht erfüllt, weil durch eine Reihe von Maßnahmen das
Kollisionsrisiko weitgehend ausgeschlossen und Störungen jedenfalls so weit vermieden
würden, dass sie nicht den Erhaltungszustand der Population einer Art beeinträchtigten. Soweit
Fortpflanzungs- und Ruhestätten in Anspruch genommen werden müssten, werde durch
entsprechende Angebote in nächster Umgebung die ökologische Funktion im räumlichen
Zusammenhang weiterhin erfüllt.
7 Der Eingriff in Natur und Landschaft sei zulässig. Die vorgesehenen Kompensations- und
Ausgleichsmaßnahmen entsprächen den naturschutzrechtlichen Vorschriften.
8 Der Kläger hat am 12. Oktober 2011 Klage erhoben.
9 Mit Änderungsbeschluss vom 28. September 2012 hat die Bezirksregierung Detmold das vom
Vorhabenträger vorgelegte Kohärenzmaßnahmenkonzept vom 10. September 2012, das dem
Landesbüro der Naturschutzverbände zuvor zur Stellungnahme zugeleitet worden war,
planfestgestellt. Darin sind zum Ausgleich der durch den Betrieb der Autobahn zu erwartenden
Stickstoffeinträge in das FFH-Gebiet u.a. Aufforstungen und die Optimierung vorhandener
Bestände der Lebensraumtypen 9110 und 9190 sowie die Umwandlung von Ackerflächen in
Grünland und die Anlage von Sukzessionsflächen vorgesehen. Der Erhaltungszustand des
Lebensraumtyps 91E0* soll durch intensives Zurückdrängen des Staudenknöterichs, durch
Wiederherstellung von Auenbereichen und durch Neugründung erheblich verbessert werden.
10 Der Kläger hat seine Einwände gegen das Vorhaben in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
umfangreich begründet: Das FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ sei unzutreffend abgegrenzt, weil
es für die Bechsteinfledermauskolonie erforderliche Habitatflächen nicht erfasse. Die Gebiete
Casum und Clever Bruch hätten wegen der dort 2010 entdeckten beiden
Bechsteinfledermauskolonien mit einbezogen werden müssen. Das FFH-Gebiet werde erheblich
beeinträchtigt. Zum einen bestehe die Gefahr, dass die als Erhaltungsziel bestimmten
Bechsteinfledermäuse erheblich zu Schaden kämen. Zum anderen würden die durch das Gebiet
geschützten Lebensraumtypen durch Flächenverluste und Einwirkungen von Schadstoffen
erheblich geschädigt. Es gebe verschiedene Trassenalternativen. So könne eine innerörtliche
Entlastungsstraße gebaut werden, die die überhöhten Schadstoffwerte in der Ortsdurchfahrt
Halle (Westf.) ebenfalls senken könne. Die Verkehrssicherheit könne auch auf andere Weise als
durch eine Autobahn sichergestellt werden. Ferner gebe es die Möglichkeit einer
Nordumfahrung durch das Wohngebiet Schlammpatt. Außerdem könne die Trasse im FFH-
Gebiet in einem Umfang von 2,6 km und im Casum und im Clever Bruch um einige hundert
Meter abgedeckt werden. Schließlich sei von der Planfeststellungsbehörde die Südvariante nicht
hinreichend geprüft worden. Dort würden geschützte Gebiete weit weniger beeinträchtigt. Die
Behörde habe die charakteristischen Arten der geschützten Lebensraumtypen im FFH-Gebiet
nicht hinreichend untersucht, es fehlten flugfähige und flugunfähige Kleinstlebewesen,
insbesondere Nachtfalter. Vögel würden ebenso wie Fledermäuse auf der gesamten Trasse in
erheblichem Umfang beeinträchtigt. Darüber hinaus sehe der Planfeststellungsbeschluss keine
ausreichende Kompensation für die direkten Flächeninanspruchnahmen und die
Flächenbeeinträchtigungen infolge des Stickstoffeintrags vor. Der vom
Planfeststellungsbeschluss angewandte Einführungserlass zum Landschaftsgesetz verstoße
gegen das Bundesnaturschutzgesetz. Das mit dem Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom
28. September 2012 eingebrachte Kohärenzmaßnahmenkonzept genüge ebenfalls nicht den
gesetzlichen Anforderungen.
11 Der Kläger beantragt,
1. den PIanfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der Bundesautobahn A 33,
Abschnitt 7.1 Halle (Westfalen) - Borgholzhausen, vom 9. Juni 2011 in der Fassung des
Änderungsplanfeststellungsbeschlusses vom 28. September 2012 aufzuheben,
2. hilfsweise,
festzustellen, dass der PIanfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, bis die
Mängel durch ein ergänzendes Verfahren behoben worden sind,
3. weiter hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Eingriffe in Natur
und Landschaft um weitere Kompensationsmaßnahmen bzw. Kohärenzmaßnahmen unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ergänzen.
12 Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13 Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss.
14 Die Berichterstatterin des Senats hat sich am 2. und 3. Juli 2012 in einem Ortstermin einen
unmittelbaren Eindruck von Natur und Landschaft verschafft. Auf das Protokoll dieses
Ortstermins wird Bezug genommen.
II
15 Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des
Änderungsplanfeststellungsbeschlusses leidet an keinem zur Aufhebung des Beschlusses oder
zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führenden Rechtsfehler. Er
verstößt nicht in einer diese Rechtsfolgen rechtfertigenden Weise gegen Vorschriften des
Bundesnaturschutzgesetzes 2010, gegen Vorschriften, die aufgrund oder die im Rahmen dieses
Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, oder gegen andere Rechtsvorschriften, die bei
Erlass der Entscheidung zu beachten waren und zumindest auch den Belangen des
Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind.
16 A. Der Planfeststellungsbeschluss ist nicht mit formellen Mängeln behaftet, welche dem
Klagebegehren ganz oder teilweise zum Erfolg verhelfen würden. Der Beklagte hat den Kläger
in hinreichender Weise am Verwaltungsverfahren beteiligt. Nach § 17a Nr. 6 FStrG i.V.m. § 73
Abs. 8 VwVfG NRW ist nach der Auslegung des Plans eine weitere Beteiligung einer
Naturschutzvereinigung erforderlich, wenn durch eine Planänderung der Aufgabenbereich einer
Behörde oder Belange Dritter erstmalig oder stärker als bisher berührt werden oder, wenn zwar
keine Planänderung vorliegt, es die Planfeststellungsbehörde aber für notwendig erachtet, neue,
den Naturschutz betreffende Untersuchungen anzustellen, die Ergebnisse in das Verfahren
einzuführen und die Planungsentscheidung darauf zu stützen (Urteil vom 12. Dezember 1996 -
BVerwG 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 <362> = Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 12 S.
26).
17 Hiervon ausgehend liegt kein Verfahrensfehler vor. Die ergänzenden Hinweise zur
Untersuchung vom 20. April 2010 (Beeinträchtigungen von Lebensraumtypen im FFH-Gebiet
„Tatenhauser Wald bei Halle“ durch Stickstoffeinträge BAB A 33, Abschnitt 7.1, F. L.), die als
Deckblatt II in das Planänderungsverfahren eingebracht und dem Kläger zur Kenntnis mit
Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt worden ist, haben nicht zu einer erheblich
veränderten Bewertung geführt. Die Ausarbeitung „BAB 33-7.1, AS Halle - AS Borgholzhausen -
Fledermäuse - Aktualisierung der Bestandsdaten/Ergebnisse aus der Untersuchung 2010“ (F. L.,
vom 17. Mai 2011 - künftig: FÖA vom 17. Mai 2011) lag der Planfeststellungsbehörde zum
Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht vor, so dass sie den Kläger auch
nicht beteiligen konnte.
18 Zu weiteren Untersuchungsergebnissen musste der Kläger nicht beteiligt werden. Die
Planfeststellungsbehörde ist weder zu einem ständigen Abstimmungsprozess noch gar zur
Herstellung des Einvernehmens mit den Naturschutzverbänden verpflichtet (Urteil vom 12.
November 1997 - BVerwG 11 A 49.96 - BVerwGE 105, 348 <349> = Buchholz 406.401 § 29
BNatSchG Nr. 16 S. 41). Denn die Naturschutzverbände sind keine allgemeinen „Begleiter“ des
Planfeststellungsverfahrens (Urteil vom 12. Dezember 1996 a.a.O.). Sie haben keinen Anspruch
auf einen „Dialog mit der Planfeststellungsbehörde“ (VGH Kassel, Urteil vom 11. Februar 1992 -
2 UE 969/88 - NuR 1992, 382 <383>). Die Aufgabe der Naturschutzverbände liegt darin, ihren
Sachverstand zu den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in das Verfahren
einzubringen, so dass sie als „Verwaltungshelfer“ bezeichnet werden können (Urteil vom 12.
Dezember 1996 a.a.O. S. 361 bzw. S. 26), womit allerdings weder die Übertragung von
öffentlichen Verwaltungsaufgaben noch von Entscheidungsbefugnissen oder Kontrollrechten
gegenüber der Verwaltung verbunden ist. Das Beteiligungsrecht ist danach verfahrensrechtlich
auf die Vorbereitung des Planfeststellungsbeschlusses und inhaltlich auf die Einbringung des
Sachverstandes der Naturschutzverbände beschränkt. Sie sind nur dann nochmals zu
beteiligen, wenn ihr Sachverstand - erneut - gefragt ist (Urteil vom 12. November 1997 a.a.O. S.
350 bzw. S. 41). Das war hier nicht der Fall. Sowohl die Untersuchung „Neubau der A 33,
Abschnitt 7.1, Deckblatt I, Ergebnisse und Bewertung der Datenaktualisierung 2010 (ohne
Fledermäuse)“ als auch die „Ergebnisse der Kartierung potenzieller Maßnahmenflächen für die
Entwicklung bodensaurer Eichenwälder (Lebensraumtyp 9190) - vom 14. April 2011“ haben nur
geringfügige Änderungen ergeben, die weder zu einer Planänderung noch zu einer anderen
naturschutzrechtlichen Beurteilung im Planfeststellungsbeschluss geführt haben.
19 B. Der Planfeststellungsbeschluss leidet im Ergebnis auch nicht an materiellen
Rechtsfehlern, die zum Erfolg der Klage führen könnten.
20 1. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Vorschriften, die dem Schutz von
FFH-Gebieten dienen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, mit dem Art. 6 Abs. 3 und 4 der
Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume
sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl EG Nr. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie - FFH-RL)
umgesetzt worden ist, sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den
Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen. Sie dürfen nach § 48d Abs. 4 des
Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft
(Landschaftsgesetz - LG NRW) vom 21. Juli 2000 (GV.NRW. S. 568) bzw. § 34 Abs. 2 BNatSchG
grundsätzlich nur zugelassen werden, wenn die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt
nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen eines solchen Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele
oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
21 1.1. Das setzt zunächst voraus, dass die Planfeststellungsbehörde der
Verträglichkeitsprüfung einen zutreffenden Umfang des FFH-Gebiets zugrunde gelegt hat.
22 Das ist hier der Fall. Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1
i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-RL. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-
Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden (Urteile vom 27. Oktober
2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <156>, vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 A 28.01 -
BVerwGE 116, 254 <258> und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 =
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45, jeweils Rn. 38). Maßgebend sind ausschließlich die in
Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien. Für die Anwendung der Kriterien
ist den zuständigen Stellen ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt.
Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der
Habitatrichtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen (Urteile vom 31.
Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 102 und vom 22.
Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 31). Ist die
Phase 2 des Auswahlverfahrens abgeschlossen, ein FFH-Gebiet also wie das hier betroffene
Gebiet „Tatenhauser Wald“ bereits von der Kommission in die Liste der Gebiete von
gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden, verbürgt der Auswahlprozess eine hohe
Richtigkeitsgewähr der Gebietsabgrenzung. Der umfängliche Auswahlprozess wurde nach den
Vorgaben des Anhangs III der FFH-RL durchgeführt und die einschlägigen Fachbehörden des
Bundes und des Landes sowie die in Nr. 2.2.2 und 2.2.3 VV-Habitatschutz
(Verwaltungsvorschrift zur Anwendung der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der
Richtlinien 92/43/EWG und 79/409/EWG vom 26. April 2000, MBl
NRW S. 624) zum Habitatschutz genannten Stellen, zu denen auch die anerkannten
Naturschutzverbände, wie der Kläger, gehören, beteiligt. Nach der Entscheidung der EU-
Kommission über die Gebietslistung spricht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der
Gebietsabgrenzung. Deshalb bedürfen Einwände dagegen einer besonderen Substantiierung
(Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 39; Beschluss vom 13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 -
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 33 Rn. 22); sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu
widerlegen. Das ist dem Kläger nicht gelungen.
23 Nicht gehört werden kann der Kläger mit dem Einwand, von einer besonderen
Richtigkeitsgewähr der Gebietsabgrenzung könne nicht ausgegangen werden, weil die
Gebietsgrenzen von der EU-Kommission nicht überprüft worden seien. Denn auch wenn die EU-
Kommission nicht selbst noch einmal die Abgrenzung eigenständig überprüft hat, beruht die
Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung doch auf einer eigenen
sachlichen Entscheidung der EU-Kommission über das Gebiet und damit auch dessen
Abgrenzung anhand der eingereichten Unterlagen der nationalen Staaten, bei der sie vom
Habitatausschuss und fachlich und technisch vom Büro ETC/NC (European Thematic Center for
Nature Conservation) in Paris unterstützt wurde (Art. 4 Abs. 2, Art. 20 und 21 FFH-RL, Art. 211
EG). Die EU-Kommission hat die Gebietsmeldungen nicht nur entgegengenommen, sondern
diese auch inhaltlich überprüft, wie die im November 2000 von der Bundesregierung
angeforderten Nachmeldungen zeigen.
24 Entgegen der Auffassung des Klägers entspricht die Gebietsabgrenzung auch den
Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 Buchst. B.b FFH-RL. Danach
muss das Gebiet die für die zum Gegenstand von Erhaltungszielen gemachten Arten wichtigen
Habitatelemente einbeziehen. Für Arten, die große Lebensräume beanspruchen, lässt Art. 4
Abs. 1 Satz 2 FFH-RL es demgegenüber genügen, wenn die für ihr Leben und ihre
Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente unter Schutz gestellt
werden. Dazu zählen auch Jagdhabitate in einem Umfang, der die zur Wahrung oder
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der betreffenden Art im Gebiet
notwendige Nahrungsgrundlage sicherstellt (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 42). Auch
insoweit steht der Behörde ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zu.
25 Die der Abgrenzung des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ zugrunde liegende
naturschutzfachliche Einschätzung, diese Voraussetzungen seien für die Bechsteinfledermaus
erfüllt, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei kann offenbleiben, ob Art. 4 Abs. 1
Satz 2 FFH-RL auf die Bechsteinfledermaus wegen ihres Aktionsradius, der wenige 100 m bis 1
500 m beträgt, sich aber auch auf 4 000 m erstrecken kann, anzuwenden ist. Der Beklagte hat
hinreichend dargelegt, dass das FFH-Gebiet für die dort lebende Bechsteinfledermauskolonie
ausreichende Lebensbedingungen aufweist. Das Gebiet ist anhand des Laubwald-/Feld-
Kriteriums abgegrenzt worden, was den Lebensverhältnissen der Bechsteinfledermaus
entspricht, die Wälder bewohnt, alte Laubwaldbestände präferiert und vornehmlich dort auch ihre
Nahrung - Falter, Käfer, Insekten - findet. Daneben werden auch Mischbestände, ebenso
Nadelwälder, Streuobstwiesen, Heckenstrukturen, extensive Wiesen- und Ackerflächen als
Jagdhabitate genutzt, wenn dort geeignete Nahrungsquellen vorhanden sind. Sie haben jedoch
keine vergleichbar hohe Bedeutung für das Überleben der Art. Die Bechsteinfledermauskolonie
findet in der Wochenstubenumgebung im südlichen Teil des Tatenhauser Waldes wie auch im
Bereich Stockkämpen optimale Habitatbedingungen vor, die den Schwerpunkt des
Lebensraums bilden. Über die Jahre liegen die wesentlichen Quartierhabitate in Stockkämpen,
Dockweilers Hof und im Wald am Loddenbach sowie um das Gehöft am Ruthebach (A. B.,
Untersuchung der Bechsteinfledermaus-Wochenstuben, Los 8: Tatenhauser Wald, November
2009, Anlage 1). Die Bechsteinfledermauskolonie ist dort in einem hervorragenden
Erhaltungszustand (Dr. K., Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes
Nordrhein-Westfalen - LANUV - in der mündlichen Verhandlung; A. B. a.a.O. Anhang 4).
Bechsteinfledermäuse sind nach den insoweit nicht bestrittenen Ausführungen des Gutachters
des Vorhabenträgers Dr. L. räumlich an ihre Wochenstuben gebunden und jagen konzentrisch
um diese in einer Entfernung von etwa 1 000 bis 1 500 m; sie suchen auch weiter entfernte
Jagdhabitate auf, wenn diese günstige Bedingungen aufweisen, wie hier der Teutoburger Wald.
Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Jagdaktivitäten über die Jahre in den
altholzreichen Eichen- und Buchenbeständen des FFH-Gebiets mit seinem reichen
Nahrungsangebot.
26 Das wird nicht durch die Behauptungen des Klägers mit Bezug auf das Gutachten der A. B.
(Gutachten zur Eingriffsrelevanz der planfestgestellten Trasse der A 33 - Abschnitt 7.1 auf
Fledermäuse vom 3. November 2011) widerlegt, dass ein Großteil der Jagdhabitate außerhalb
des FFH-Gebiets liege. Zwar sind außerhalb des FFH-Gebiets in beachtlichem Umfang
Aktionsräume der Bechsteinfledermauskolonie festgestellt worden. Aktionsräume sind jedoch
nicht gleichzusetzen mit Kernjagdgebieten oder Nahrungssuchräumen, die für ein Individuum
bzw. die Kolonie erforderlich sind. Nach den vom Gutachter des Vorhabenträgers in der
mündlichen Verhandlung im Einzelnen erläuterten neuesten Untersuchungen kann bei
entsprechender Habitatausstattung von einer weitaus geringeren Fläche für die Kernjagdgebiete
ausgegangen werden, als sie der Kläger für die Kolonie des Tatenhauser Waldes mit mehr als
200 ha reklamiert. Nach den neuesten Erkenntnissen werden pro Tier je nach
Habitatausstattung etwas mehr als 2 ha benötigt, so dass das 177 ha große FFH-Gebiet für eine
Kolonie von ca. 37 Bechsteinfledermäusen hinreichend Raum bietet. Ältere Untersuchungen
und Einschätzungen, auf die sich der Kläger wesentlich stützt, gehen von Werten aus, die primär
die räumliche Ausdehnung eines Aktionsraums (home range) bezeichnen (sog. MCP = Minimum
Convex Polygon), aus dem wiederum die Jagdgebiete der Fledermäuse errechnet wurden; sie
spiegeln jedoch nicht das Kernjagdgebiet eines Individuums bzw. einer Kolonie wider.
Insbesondere die Nutzungsintensität einer Fläche wird nicht berücksichtigt. Die
Nutzungsintensität muss aber für das FFH-Gebiet besonders hoch bewertet werden; im Wald,
aus dem das Kernjagdgebiet im Wesentlichen besteht, herrscht ein regelmäßiges reiches
Nahrungsangebot. Demgegenüber kann die Eignung von Äckern zur Nahrungssuche je nach
ihrer Nutzung jährlich wechseln.
27 Entgegen der Auffassung des Klägers kann aus dem Umstand, dass nördlich der künftigen
Trasse im Bereich der Berieselungsflächen der Firma S. Fledermausrufe geortet wurden, nicht
geschlossen werden, dass es sich hierbei um notwendige Jagdhabitate handelt. Zum Zeitpunkt
der Gebietsausweisung wurden diese Flächen noch aktiv genutzt und mit Prozessabwässern
berieselt, so dass sie keine Nahrungsgrundlage boten (Dr. K., LANUV, in der mündlichen
Verhandlung). Von einer nunmehr qualitativ gleichwertigen Ausprägung des Waldlebensraums
wie im ausgewiesenen FFH-Gebiet kann entgegen der Auffassung des Klägers keine Rede
sein. Die Berieselung wurde 2007 beendet; erst seither kann sich der Wald dort langsam
regenerieren, er bietet allerdings nunmehr günstigere Habitatbedingungen, so dass er
zunehmend an Bedeutung gewinnen kann. Die Untersuchungen lassen den Schluss auf
geringe, aber regelmäßige Jagdaktivitäten zu. Weibliche Tiere wurden dort nicht gefunden, auch
keine Quartiere der Kolonie (FÖA vom 17. Mai 2011 S. 22).
28 In die Gebietskulisse musste auch nicht der östlich der L 782 gelegene Bereich Hachhofe mit
einbezogen werden. Zwar sind dort Fledermausaktivitäten registriert, jedoch ist zu keinem
Zeitpunkt ein weibliches Tier gefunden worden (zuletzt FÖA vom 17. Mai 2011). Auf die Aktivität
der weiblichen Tiere kommt es aber im Hinblick auf die Reproduktion entscheidend an. Allein
aus der Aufzeichnung von Rufen und dem Fund eines männlichen Tieres kann nicht auf eine
intensive Nutzung des Gebiets durch die Fledermäuse geschlossen werden. Die
Lebensraumtypen 9110 und 9190 kommen dort zwar auch vor, weshalb die Bezirksregierung
Detmold das Gebiet für meldewürdig gehalten hat. Das Landesamt für Ökologie, Bodenordnung
und Forsten Nordrhein-Westfalen (LÖBF) hat dieses Gebiet, das von dem vorgesehenen FFH-
Gebiet durch die Theenhausener Straße (L 782) abgetrennt war und ist, demgegenüber nicht für
meldepflichtig gehalten, weil nur kleinflächig Lebensraumtypnachweise vorlagen, die zudem
durch großflächige Nadelholzbestände vom FFH-Gebiet getrennt sind und
Bechsteinfledermäuse zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden konnten. Deshalb
maß das LÖBF diesem Teilbereich keine entscheidende Bedeutung für das Netz „Natura 2000“
bei. Das ist nachvollziehbar.
29 Schließlich mussten die Bereiche Casum und Clever Bruch nicht in die Gebietskulisse
einbezogen werden. Nachdem die Gebietsmeldung eines Mitgliedstaates für alle Arten und
Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse als ausreichend anerkannt wurde, ist der
Mitgliedstaat grundsätzlich nicht verpflichtet, zusätzlich Gebiete auszuweisen. Eine solche
Verpflichtung ist nur dann gegeben, wenn aufgrund von wissenschaftlichen Fehlern oder der
natürlichen Entwicklung, die sich aus der Überwachung nach Art. 11 FFH-RL ergibt, die
Meldung von zusätzlichen Gebieten für die Einhaltung der Verpflichtungen des Art. 4 Abs. 1
FFH-RL erforderlich ist (Schreiben der Europäischen Kommission, Generaldirektion Umwelt,
vom 18. Oktober 2010). Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 FFH-RL schlagen die Mitgliedstaaten
gegebenenfalls die Anpassung der Gebietsliste im Lichte der Ergebnisse der in Art. 11 FFH-RL
genannten Überwachung vor. Daraus folgt, dass eine Gebietserweiterung um die Flächen im
Casum und im Clever Bruch allenfalls dann erforderlich wäre, wenn sich aus den Ergebnissen
der bisherigen Untersuchung schließen ließe, dass der Erhaltungszustand der
Bechsteinfledermaus im FFH-Gebiet ohne die Gebietserweiterung nicht bewahrt werden könnte
(Art. 2 Abs. 1 FFH-RL). Das ist nicht der Fall.
30 Die genannten Gebiete sind nicht deshalb einzubeziehen, weil es sich bei den
Bechsteinfledermauskolonien in diesen Gebieten und im Tatenhauser Wald um einen
gemeinsamen Wochenstubenverband handelte, dessen Erhaltungszustand verschlechtert
werden könnte, wenn nicht alle Teile des Verbandes unter dem besonderen Schutz eines FFH-
Gebiets stehen. Die Untersuchungen des Gutachters des Vorhabenträgers Dr. L. haben keine
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Bechsteinfledermäuse dieser drei Kolonien einen
einheitlichen Verband bilden. Dagegen spricht schon die Entfernung der Wochenstubenkolonien
zueinander. Nach der vom Beklagten unwidersprochen angeführten Literatur suchen
Bechsteinfledermauskolonien Quartiere in einer Entfernung bis maximal 1,3 km auf. Die
Quartiere des Casumer Waldes liegen etwa 3 800 m - 5 500 m von der Kolonie des Tatenhauser
Waldes entfernt, die des Clever Bruchs etwa 1 800 m - 3 000 m. Die Untersuchungen des
Vorhabenträgers haben ergeben, dass die Tiere im Casumer Wald im Wesentlichen westlich
und südlich der geplanten Trasse jagen, weil sich dort eine günstige Habitatausstattung
quartiernah findet, geringere Aktivitäten seien nördlich der Trasse festzustellen. Im Clever Bruch
seien die Tiere im Wesentlichen nördlich der Trasse in Verbindung zum Teutoburger Wald aktiv,
an der Neuen Hessel auch südlich der Trasse. Darüber hinaus hätten die Untersuchungen keine
funktionalen Beziehungen/Austauschbeziehungen mit den Kolonien im FFH-Gebiet ergeben
(FÖA vom 17. Mai 2011 S. 20 f.). Es wäre anderenfalls zu erwarten gewesen, dass sich die Tiere
der drei Kolonien untereinander wenigstens teilweise vermischt hätten, was bei den
Telemetrieuntersuchungen hätte festgestellt werden können. Zudem sei eine Bindung der
einzelnen Weibchen an die Wochenstubengesellschaft gerade bei Bechsteinfledermäusen
generell äußerst stark ausgeprägt; ein Wechsel einer Bechsteinfledermaus aus der
Wochenstubengesellschaft in eine andere sei außergewöhnlich und dementsprechend äußerst
selten. Diese Einschätzung kann der Kläger nicht mit Verweis auf das Gutachten der A. B. vom
3. November 2011, das die Aktionsräume der drei Kolonien schematisch darstellt und auf diese
Weise zu Überschneidungen kommt, widerlegen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, was der
Gutachter des Vorhabenträgers nicht festgestellt hat, dass die Aktionsräume sich an der
Peripherie überschnitten, ließe das noch nicht den Schluss auf einen Kolonieverband zu.
Aktionsräume sind nicht gleichzusetzen mit einem Jagdhabitat und werden nicht exklusiv durch
ein Individuum beansprucht.
31 Der Kläger kann auch nicht mit seinem Einwand durchdringen, die verschiedenen
Vorkommen der Bechsteinfledermaus seien nur unzureichend untersucht bzw. die vorhandenen
Untersuchungen unzulänglich ausgewertet worden. Die Aktionsräume erstreckten sich nördlich
und südlich der Trasse und überschnitten sich. Es seien zum einen zu wenig Tiere und im
Casum nur südlich der Trasse untersucht worden, obwohl sie auch nördlich der Trasse jagten.
Zum anderen hätten weitere Untersuchungsmethoden genutzt werden müssen.
32 Methodik und Umfang der fachgutachterlichen Untersuchungen zur Erfassung des durch das
FFH-Gebiet zu schützenden Bechsteinfledermausvorkommens sind nicht zu beanstanden. Für
die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL hat eine sorgfältige Bestandserfassung
und -bewertung der Bechsteinfledermausvorkommen in einem Umfang zu erfolgen, der es
zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der
Bestandsaufnahme ist nicht normativ festgelegt; die Methodenwahl muss aber die für die
Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der „besten einschlägigen
wissenschaftlichen Erkenntnisse“ einhalten (vgl. Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 -
BVerwGE 130, 299 Rn. 72 f. und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 =
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45, jeweils Rn. 50). In welchem Umfang und mit welchen
Methoden die relevanten Daten erhoben werden, ist in diesem Rahmen eine
naturschutzfachliche Frage, bei der auch zu berücksichtigen ist, dass derartige Untersuchungen
die betroffenen Tiere nicht in einem Maß belasten dürfen, das als nicht mehr verhältnismäßig,
bezogen auf den zu erwartenden Erkenntnisgewinn, zu betrachten wäre (vgl. § 44 Abs. 6 Satz 1
BNatSchG). Das gilt insbesondere für Untersuchungsmethoden, die die Tiere in ihrer
körperlichen Integrität beeinträchtigen können.
33 Soweit der Kläger bemängelt, dass die Bechsteinfledermauskolonie im Tatenhauser Wald
zuletzt 2003 im Zusammenhang mit dem Planvorhaben untersucht worden sei, hat der Gutachter
des Vorhabenträgers Dr. L. überzeugend dargelegt, dass er eine erneute Untersuchung dieser
Kolonie nach der veränderten Planung nicht für erforderlich gehalten habe, weil es keine
Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass hier eine gegenüber der ursprünglichen Planung
veränderte Betrachtung hätte angestellt werden müssen. Diese Einschätzung wird bereits durch
das Ergebnis der im Rahmen eines Monitorings erstellten Überprüfung der Kolonie aus dem
Jahr 2009 gestützt, das wie bereits frühere Untersuchungen von einer sich in einem
hervorragenden Erhaltungszustand befindlichen Bechsteinfledermauskolonie ausgeht, deren
Zentrum sich im Süden des FFH-Gebiets einige hundert Meter abseits der Trasse befindet. Eine
weitere Untersuchung dieser Kolonie war deshalb nicht erforderlich. Der Beklagte hat im
Einzelnen, überzeugend unterstützt durch die Aussagen des Gutachters des Vorhabenträgers
Dr. L. in der mündlichen Verhandlung, die Anwendung der vom Kläger zusätzlich geforderten
Untersuchungsmethoden - Flügelklammern, DNA-Erprobungen, Markierung mittels Transponder
- als zum Teil zu invasiv, zum Teil als nicht erforderlich angesehen. Zu Recht hat der Gutachter
Dr. L. darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Belastung der Tiere, die jeder Fang und das
Versehen mit einem Sender bedeutet, nur etwa 10 % der Tiere einer Kolonie telemetriert werden
sollten (vgl. dazu BTDrucks 16/12274 S. 71). Die Verwendung von Flügelklammern sei von den
Naturschutzbehörden bereits 2001 abgelehnt worden. Jegliche Untersuchungsmethode, bei der
die Tiere gefangen, untersucht und gegebenenfalls behandelt werden müssen, bedeutet für sie
Stress und muss deshalb auf den notwendigen Umfang beschränkt werden (§ 44 Abs. 6 Satz 1
BNatSchG). Der Gutachter Dr. L. hat im Übrigen nachvollziehbar ausgeführt, dass Netzfänge im
Casum und im Clever Bruch nur südlich bzw. nördlich der Trasse erfolgen mussten, weil sich die
Untersuchung am Ausflugsverhalten der Tiere orientiert habe und aufgrund der
Habitatausstattung insbesondere im Casum nicht ergeben habe, dass die Tiere in bedeutendem
Umfang nördlich der Trasse gejagt hätten. Auch wenn nördlich der Trasse von dem Kläger bei
eigenen Untersuchungen in dem unweit gelegenen Nadelwald, der zusammen mit einer aus
Äckern und einem Gewerbegebiet bestehenden Umgebung im Vergleich zum Casumer Wald
nur ein weniger optimales Habitat darstellt, ein Tier gefunden wurde, spricht dies nicht dagegen,
dass nach Norden nur mäßige Flugaktivitäten der Bechsteinfledermäuse aus dem Casum erfolgt
sind. Im Übrigen sind die Fledermausuntersuchungen nicht nur im Hinblick auf die
Bechsteinfledermäuse, sondern auch andere Fledermausarten mittels Detektorbegehungen,
Netzfängen, Telemetrie, Batcorder, Horchboxen und Ausflugszählungen durchgeführt worden.
Es ist nicht erkennbar, dass diese Methoden unzureichend wären, die zur Ausfüllung der
gebiets- und artenschutzrechtlichen Schutztatbestände erforderlichen Tatsachen zu erheben.
34 1.2. Der Beklagte ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Vorhaben in jeder
Hinsicht mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ verträglich ist. Eine
erhebliche Beeinträchtigung ist für die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr (1.2.1.)
sowie für die charakteristischen Arten (1.2.2.) zu verneinen. Ob demgegenüber erhebliche
Beeinträchtigungen der vorhandenen Lebensraumtypen zu besorgen sind, kann offenbleiben
(1.2.3.). Denn es liegen Ausnahmegründe im Sinne des § 48d Abs. 5 und 6 LG NRW vor und der
Planfeststellungsergänzungsbeschluss trifft die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des
Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ gemäß § 48d Abs. 7 LG NRW (1.2.4.).
35 Nach § 48d Abs. 1 LG NRW ist ein Projekt zulässig, wenn im Zusammenhang mit seiner
Durchführung Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorgesehen sind, die
gewährleisten, dass die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG bezeichneten erheblichen
Auswirkungen auf ein Natura 2000-Gebiet ausbleiben. Ob ein Projekt ein FFH-Gebiet in seinen
für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen erheblich beeinträchtigen kann, ist anhand
seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Gebietsbestandteile zu beurteilen.
Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten
Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein
günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein
bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht weiter verschlechtert werden
(Urteile vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 = Buchholz 451.91 Europ.
UmweltR Nr. 26, jeweils Rn. 43, vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 =
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 94 und vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A
5.08 - BVerwGE 136, 291 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45, jeweils Rn. 57; vgl. zum
Artenschutz EuGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - Rs. C-342/05 - Slg. 2007, I-4713 Rn. 29). Das
gemeinschaftsrechtliche Vorsorgeprinzip, das in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL seinen Niederschlag
gefunden hat (Art. 174 Abs. 2 Satz 2 EG, vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-
127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 58), verlangt allerdings nicht, die Verträglichkeitsprüfung auf ein
„Nullrisiko“ auszurichten, weil hierfür ein wissenschaftlicher Nachweis nie geführt werden könnte
(Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 60 unter Verweis auf EuG, Urteil vom 11. September
2002 - T-13/99 - Slg. 2002, II-3305 Rn. 145, 152). Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn
nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger
Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden (Urteil vom 17. Januar
2007 a.a.O. Rn. 60 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 7. September 2004 a.a.O. Rn. 59,
vgl. auch Rn. 67; ebenso EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-239/04 - Slg. 2006, I-10183
Rn. 20). Um zu einer verlässlichen Beurteilung zu gelangen, muss die Verträglichkeitsprüfung
die „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (vgl. EuGH, Urteil vom 7.
September 2004 a.a.O. Rn. 54) berücksichtigen und setzt somit die „Ausschöpfung aller
wissenschaftlichen Mittel und Quellen“ voraus (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott
zu Rs. C-127/02 - Slg. 2004, I-7405 Rn. 97; s. auch BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 a.a.O.
Rn. 62 und vom 12. März 2008 a.a.O.). Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge, die sich
auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel derzeit nicht ausräumen lassen,
müssen freilich kein unüberwindbares Zulassungshindernis darstellen. Insoweit ist es zulässig,
mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und
begründet werden müssen (Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 64). Zugunsten des Projekts
dürfen bei der Verträglichkeitsprüfung die vom Vorhabenträger geplanten oder im Rahmen der
Planfeststellung behördlich angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen
berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert
werden (Urteile vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 53 m.w.N., vom 12. März 2008 a.a.O. und vom
14. April 2010 a.a.O.).
36 1.2.1. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen nach Überzeugung des Senats keine
vernünftigen Zweifel daran, dass sich der Erhaltungszustand der im Tatenhauser Wald lebenden
Bechsteinfledermauskolonie nicht verschlechtern wird. Gleiches gilt für das Große Mausohr, von
dem allerdings eine Kolonie in einem Radius von 25 km nicht gefunden werden konnte. Zwar
wird der Erhaltungszustand der Bechsteinfledermaus in der atlantischen biogeographischen
Region in Nordrhein-Westfalen trotz zunehmender Funde (zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung
fünf Wochenstubenkolonien, nach den jüngsten Erkenntnissen 16 Wochenstubenkolonien)
derzeit als ungünstig eingestuft. Jedoch werden die vom Planfeststellungsbeschluss
vorgesehenen Schutzmaßnahmen verhindern, dass der Erhaltungszustand nachteilig
beeinflusst wird.
37 Der Planfeststellungsbeschluss geht zutreffend davon aus, dass durch die geplante Trasse
für die querenden Bechsteinfledermäuse ohne Schutzmaßnahmen ein erhöhtes Kollisionsrisiko
besteht, das sich nachteilig auf die Population auswirken könnte. Dem begegnet der
Planfeststellungsbeschluss mit einem die negativen Wirkungen der Trasse kompensierenden
Gesamtkonzept von Schutzmaßnahmen sowie Leiteinrichtungen verbunden mit einem
Monitoring, das vernünftige Zweifel am Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen der
Bechsteinfledermauskolonie mit der Folge der Verschlechterung des Erhaltungszustandes der
Population der Bechsteinfledermauskolonie im Tatenhauser Wald ausschließt.
38 1.2.1.1. Nach der „Arbeitshilfe Fledermäuse und Straßenverkehr“ des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - BMVBS - (Entwurf Oktober 2011 - künftig: Arbeitshilfe
Fledermäuse) kommt es für die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen an Straßen für
Fledermäuse nicht auf eine Einzelmaßnahme an; vielmehr ist die Wirksamkeit vieler
Maßnahmen in hohem Maß von ihrer Einbettung in ein Gesamtkonzept abhängig (S. 51).
Deshalb ist es erforderlich, dass die verschiedenen Maßnahmen in ihrer Gesamtwirksamkeit
abgeschätzt werden. Der Arbeitshilfe kommt als Ergebnis sachverständiger Erkenntnisse auf der
Grundlage eines vom BMVBS in Auftrag gegebenen Forschungs- und Entwicklungsvorhabens
(Fledermäuse und Verkehr - Quantifizierung und Bewältigung verkehrsbedingter
Trennwirkungen auf Fledermauspopulationen als Arten des Anhangs der FFH-Richtlinie -
Gutachten Forschungsbericht FE-Nr. 02.0256/2004/LR, März 2010 - künftig: FE-Gutachten)
besondere Bedeutung bei der Bewertung zu.
39 Das vom Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Gesamtkonzept zum Schutz der
Bechsteinfledermaus vor Kollisionen im Straßenverkehr auf der Plantrasse besteht aus
verschiedenen Elementen:
40 Es berücksichtigt, dass sich die Wochenstubenkolonie und damit die
Hauptaufenthaltsbereiche und der Schwerpunkt des Aktionsraums der Bechsteinfledermaus
südlich der Trasse in den Wäldern im Umfeld des Schlosses Tatenhausen und damit einige
hundert Meter von der künftigen Trasse entfernt befindet. Deshalb sind dort auch die
wesentlichen Jagdhabitate zu suchen, die zudem die günstigsten Bedingungen bieten. Der
Lebensraum der Bechsteinfledermäuse ist der Wald. Sie fliegen in der Regel strukturgebunden
und queren eine Autobahn unabhängig von Strukturen eher selten. Zerschneidungswirkungen
entstehen nur in einem begrenzten Umfang, weil der Schwerpunkt der Nahrungshabitate im
Süden der Trasse liegt. Die durchaus vorhandenen, wenn auch mit dem Jagdgebiet im
Tatenhauser Wald qualitativ nicht vergleichbaren Jagdgebiete nördlich der Trasse und die im
Teutoburger Wald befindlichen Winterquartiere sollen die Fledermäuse durch die
Querungshilfen erreichen können, d.h. durch Unterführungen oder Grünbrücken.
Irritationsschutzwände haben die Funktion, die Tiere zur Querungshilfe zu leiten. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass nach den Untersuchungen des Gutachters Dr. L. die Fledermäuse zwar
durchaus auch im Bereich nördlich der Trasse jagen, jedoch ist insoweit von geringen, wenn
auch regelmäßigen Jagdaktivitäten auszugehen. Jedenfalls sind nicht häufig frequentierte
Flugkorridore und Querungsbereiche anzunehmen, die für sich genommen schon ein erhöhtes
Risiko verkehrsbedingter Tötung mit sich bringen können (vgl. Urteil vom 14. Juli 2011 - BVerwG
9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 100). Gleichzeitig wird zugrunde gelegt, dass
Bechsteinfledermäuse Ortsverlagerungen in erster Linie an raumstrukturellen Grenzen entlang
vornehmen und hierbei insbesondere die Bachtäler nutzen. Bechsteinfledermäuse meiden
Schneisen aufgrund von Lärm, Licht und sonstigen Störwirkungen. Sie jagen im Allgemeinen
nicht im Bereich von Straßenfahrbahnen. Die vorgesehenen Querungsbauwerke
berücksichtigen die Flugrouten (FFH-VP Deckblatt I Teil B Unterlage 12.5.2.1 - künftig: FFH-VP
DB I Teil B - S. 31). Die Anordnung geeigneter Überflughilfen bzw. Unterquerungen in
Verbindung mit entsprechenden Leiteinrichtungen greift den Korridor dieser Flugrouten auf, etwa
die Flugroute zwischen dem FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ und dem Teutoburger Wald
(Talbrücke Ruthebach). Damit wird die Querung der Trasse für die Bechsteinfledermäuse
gefahrlos möglich.
41 Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die Querungshilfen würden von den
Bechsteinfledermäusen nicht genutzt werden. Trassenunterführungen werden ohne Probleme
genutzt, wenn sie einen hinreichenden Querschnitt haben. Das FE-Gutachten geht von einer
Mindesthöhe von 1 m und einer (Mindest-)Querschnittsfläche bis 20 m² aus. Alle im FFH-Gebiet
gelegenen Unterführungsbauwerke weisen eine lichte Höhe von mindestens 3 m und eine lichte
Weite von mindestens 10 m auf (FFH-VP DB I Teil B S. 20 Tabelle 2). Nach den bisher
vorliegenden Forschungsergebnissen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die
Fledermäuse die Unterführungen auch zum Queren der Trasse nutzen werden. Insbesondere
hat sich die Annahme der Planfeststellungsbehörde, es komme für die Eignung als
Querungshilfe für Fledermäuse weniger auf die lichte Höhe als auf den zur Verfügung stehenden
Querschnitt an, als zutreffend erwiesen, wie der Gutachter Dr. L. in der mündlichen Verhandlung
überzeugend dargelegt hat (PFB S. 322; FE-Gutachten S. 221 ff., vgl. auch Merkblatt zur Anlage
von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen - MAQ - S. 46).
Die Arbeitshilfe Fledermäuse verweist zur Wirksamkeit der Unterführungen auf das FE-
Gutachten und darauf, dass eine Verbindung mit einem Gewässerlauf besonders günstig ist und
zu geringeren Anforderungen an die Bauwerksdimensionierung führt. Dies hat der
Planfeststellungsbeschluss etwa für die Bauwerke (BW) 15 und 16 angenommen. Zur Erhaltung
von außerhalb des FFH-Gebiets bestehenden Flugrouten ist eine Fledermausbrücke mit einer
Breite von 20 m vorgesehen (BW 23a, FFH-VP DB I Teil B S. 20) sowie eine 50 m breite
Grünbrücke (BW 28).
42 Zu Unrecht bezieht sich der Kläger für seine Behauptung, Bechsteinfledermäuse würden
Grünbrücken nicht als Querungshilfe nutzen, auf die Diplomarbeit von Jörg B.
(„Quartiernutzungs- und Jagdhabitatnutzungsstrategien einer Bechsteinfledermauskolonie
, in einem durch die Autobahn A1 zerschnittenen Waldgebiet in
der Nähe von Wittlich“, 2010). Denn die Untersuchung war bezogen auf eine Grünbrücke, die
über eine schon jahrzehntelang existierende Autobahn hinweg gebaut wurde und zum Zeitpunkt
der Untersuchung noch nicht bewachsen war. Die untersuchten Bechsteinfledermäuse waren
offensichtlich an verschiedene andere Querungsmöglichkeiten gewöhnt und nutzten diese
weiter. B. weist in seiner Arbeit ausdrücklich darauf hin, dass die Ergebnisse nicht auf
Neubauten von Straßen und potenzielle Querungshilfen zu projizieren seien; in diesem Fall
könnten Querungshilfen effektive Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung und Minderung der
Barrierewirkung darstellen (S. 81). Als Vermeidungs- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen
werden die Querungshilfen (Unter- und Überführungen) so früh wie möglich errichtet werden, so
dass sie spätestens bis zur Verkehrsfreigabe ihre jeweilige Funktion erfüllen können
(Landschaftspflegerischer Begleitplan Deckblatt I Erläuterungsbericht Unterlage 12.0 S. 137;
Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag Deckblatt I Teil B Unterlage 12.4.2.1 S. 45).
43 Innerhalb des FFH-Gebiets sind entlang der gesamten Trasse 4 m hohe Schutzanlagen
(Irritationsschutzwände, Wall-Wand-Anlagen) planfestgestellt, die ein Einfliegen der
Fledermäuse in die Trasse verhindern und zugleich auf die bestehenden Querungshilfen
hinleiten sollen. Entlang des Waldes soll eine im Regelfall 20 m breite Waldunterpflanzung
erfolgen (Landschaftspflegerischer Begleitplan Deckblatt I Erläuterungsbericht Unterlage 12.0 S.
141), die die in den Kronen der Bäume jagenden Fledermäuse daran hindern soll, in den
Freiraum über der Trasse abzusinken und auf diese Weise mit den dort fahrenden Fahrzeugen
zu kollidieren. Die von dem Kläger geforderte Schneisenbreite im Umfang von 30 - 50 m lässt
sich nach der überzeugenden Darlegung des Gutachters Dr. L. sowie der Einschätzung des
LANUV (Schreiben vom 26. Januar 2012) naturschutzfachlich nicht begründen. Dr. L. hat zudem
überzeugend dargelegt, dass Bechsteinfledermäuse an den gestuften Strukturen am Waldrand
jagen werden, wo sie Nahrung finden können. Angesichts des vom Betrieb der Autobahn
ausgehenden Lärms und der Lichteinwirkungen oberhalb der Abschirmeinrichtungen werden die
Bechsteinfledermäuse den Trassenraum voraussichtlich meiden oder ihn in einer Höhe queren,
die Kollisionen ausschließt. Die Einschätzung, dass von der Trasse keine Kollisionsgefahr
ausgeht, deckt sich auch gut mit der Einschätzung in der genannten Diplomarbeit von B. Er hat
das Jagdnutzungsverhalten einer Bechsteinfledermauskolonie untersucht, deren Jagdhabitate in
einer von einer stark befahrenen Autobahn zerschnittenen Waldfläche liegen. Die
Zerschneidungswirkung hält er für gering und die dadurch bedingte Mortalitätsrate infolge von
Kollisionen für gegen Null gehend, ohne dies allerdings statistisch abgesichert zu haben (a.a.O.
S. 80 f.).
44 Weder der Habitatflächenverlust durch direkte Flächeninanspruchnahme noch die
Verminderung der Habitatqualität durch den von der Trasse ausgehenden Lärm wird den
Erhaltungszustand der Bechsteinfledermauskolonie erheblich beeinträchtigen, wie die
Planfeststellungsbehörde zur Überzeugung des Senats nachgewiesen hat.
45 Der von der Trasse ausgehende Lärm wird die Bechsteinfledermauskolonie nicht erheblich
beeinträchtigen. Die Leiteinrichtungen verhindern nicht nur ein Einfliegen in die Trasse bei
niedriger Höhe, sondern reduzieren dort auch den Lärm auf ein die Tiere nicht mehr erheblich
beeinträchtigendes Maß, so dass die Fledermäuse an den Leiteinrichtungen entlang in niedriger
Höhe zu den Querungshilfen fliegen können. Oberhalb der Schutzeinrichtungen werden die
Bechsteinfledermäuse ohnedies in einem geringeren Umfang jagen, weil sie nach den
überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. L. strukturfolgend in niedrigerer Höhe auf
Nahrungssuche sind. Die vor allem als Nahrungshabitate in Betracht kommenden eichenreichen
Wälder sind entlang der Ostgrenze des FFH-Gebiets in Kontakt zur L 782 (alt) ausgeprägt. Im
Nordosten reicht das Gebiet nur teilweise bis an die künftige Trasse heran. Der
Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass insoweit eine erhebliche
Beeinträchtigung der Bechsteinfledermauskolonie nicht zu befürchten ist, weil die im nördlichen
und nordwestlichen Bereich gelegenen Flächen nur eine sehr untergeordnete Bedeutung als
Nahrungshabitat haben und die östlich gelegenen Flächen durch den bereits derzeit an der L
782 entstehenden Lärm vorbelastet sind. Durch die vorgesehenen Irritationsschutzwände wird
auch hier der Lärm unterhalb von 4 m wesentlich reduziert werden.
46 Durch den Trassenneubau entfallen im FFH-Gebiet 0,23 ha Fläche des Fledermaushabitats.
Zwar beruft sich der Kläger zutreffend darauf, dass nach dem Fachinformationssystem und den
Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-
Verträglichkeitsprüfung, Endbericht zum Teil Fachkonventionen (von Lambrecht und Trautner,
Schlussstand Juni 2007 - FuE-Konventionen - S. 51) als Orientierungswert für eine erhebliche
Beeinträchtigung durch direkten Flächenentzug für die Bechsteinfledermaus ein Wert von 1 600
m² angegeben ist. Dieser Wert wird hier zweifelsfrei überschritten. Allerdings handelt es sich bei
den angegebenen Werten um Orientierungswerte einer Fachkonvention, die keine normative
Geltung beanspruchen kann, wenn sie auch mangels besserer Erkenntnisse im Regelfall
anzuwenden sein wird. Jedoch können besondere Gründe des Einzelfalles eine Abweichung
rechtfertigen.
47 Solche Gründe liegen hier vor. Die Beantwortung der Frage tolerabler Flächenverluste richtet
sich danach, welche Anteile einer für eine Teilpopulation bzw. eindeutig für eine
Fortpflanzungseinheit benötigte Fläche unter Berücksichtigung der funktionalen Bedeutung
dieser Flächen als obligater und/oder fakultativer Habitatbestandteil bzw. vor dem Hintergrund
des jeweiligen vorhandenen oder zu entwickelnden günstigen Erhaltungszustandes
gegebenenfalls verloren gehen können, ohne dass dies als kritisch eingestuft werden muss
(FuE-Konventionen S. 45 f.). Nach diesem Ansatz überzeugt es, wenn der
Planfeststellungsbeschluss den Wegfall der Flächen als nicht erhebliche Beeinträchtigung
bewertet. Die Verlustfläche liegt am Rande des FFH-Gebiets und besitzt keine besondere
Wertigkeit für die Bechsteinfledermäuse. Die Trasse verläuft in diesem Abschnitt unterhalb der
110 kV-Hochspannungsfreileitung in einem freigehaltenen Schutzstreifen, was den Wert als
Jagdhabitat mindert. Die zentralen Jagdgebiete liegen weiter südlich. Hinzu kommt, dass
bezogen auf das gesamte FFH-Gebiet in einer Größe von 177 ha dem Verlust von 0,23 ha = 0,13
% eine außerordentlich untergeordnete Bedeutung zukommt. Der Gutachter Dr. L. hat darauf
hingewiesen, dass die Verlustfläche von 0,23 ha geringer ist als die Fläche, um die sich das
Jagdgebiet einer Bechsteinfledermaus von Jahreszeit zu Jahreszeit, aber auf jeden Fall von Jahr
zu Jahr ändert.
48 1.2.1.2. Allerdings geht auch der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass in Bezug auf
die Akzeptanz der Querungshilfen und den Grad der kollisionsvermeidenden Wirkung der Leit-
und Sperreinrichtungen eine wissenschaftlich bisher nicht zu beseitigende Unsicherheit besteht.
Das verbleibende prognostische Risiko, ob trotz der getroffenen Maßnahmen ein erhöhtes
Kollisionsrisiko besteht, kann jedoch durch ein geeignetes Risikomanagement aufgefangen
werden (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91
Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 105). Als ein Bestandteil des notwendigen Schutzkonzepts
ist hier ein populations- und maßnahmenbezogenes Monitoring der Bechsteinfledermäuse
angeordnet worden, um weitere Erkenntnisse über die möglichen Beeinträchtigungen zu
gewinnen (zur Zulässigkeit vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128,
1 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26, jeweils Rn. 55, 64 und 66). Es umfasst neben
anderen Gebieten auch den Tatenhauser Wald (PFB S. 369 ff.) und gibt im Einzelnen die
Bedingungen für das Monitoring vor. Für die Folgerungen, die sich aus negativen Abweichungen
von Soll-Ist-Abgleichen ergeben, ist ein Entscheidungsvorbehalt getroffen worden (PFB S. 487,
376), der Korrekturmaßnahmen entsprechend der Zwischenberichte des Vorhabenträgers
vorsieht. Erfüllt ist diese Voraussetzung, wenn entweder die überprüften Einrichtungen die
prognostizierte Funktion nicht ausreichend erfüllen oder wenn das Monitoring der
Bestandsentwicklungen der Kolonien negative Änderungen erkennen lässt, die den
Projektwirkungen zugerechnet werden können. Damit sind die Reaktionsvoraussetzungen
hinreichend umrissen. Die Entscheidung über die zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen und
ihre nähere Konkretisierung erfolgt durch die Planfeststellungsbehörde in Abstimmung mit der
Höheren Landschaftsbehörde der Bezirksregierung Detmold unter Beteiligung der Unteren
Landschaftsbehörde beim Kreis Gütersloh. Das genügt den rechtlichen Anforderungen an
Entscheidungsvorbehalte (vgl. dazu Urteil vom 14. April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - Buchholz
451.91 Europ. UmweltR Nr. 45 Rn. 80 sowie Beschluss vom 30. August 1994 - BVerwG 4 B
105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 S. 9 ff.). Einer Auflistung der denkbaren Maßnahmen
bedurfte es hier nicht, weil sie auf der Hand liegen: Je nach Ursache, die zur Kollisionsmortalität
führt, lässt sich insbesondere an eine Optimierung von Leitstrukturen oder Leiteinrichtungen
denken, ferner etwa an eine Verbreiterung von Grünbrücken, sofern möglich eine Vergrößerung
der Durchlässe, die Überspannung der Trasse mit Netzen, schließlich auch an die Überdeckung
der Trasse an den kritischen Stellen (vgl. dazu VGH München, Urteil vom 24. November 2010 - 8
A 10.40013 - juris Rn. 52).
49 Der Planfeststellungsbeschluss geht auch zu Recht von einer fehlenden Beeinträchtigung
von Fledermäusen der Anhang II-Art Großes Mausohr aus. Eine Kolonie dieser Fledermausart
konnte im Umkreis von 25 km, der maximalen Flugweite um einen Koloniestandort, nicht
gefunden werden. Das FFH-Gebiet hat nur eine untergeordnete Bedeutung als Jagdgebiet.
Innerhalb des FFH-Gebiets sind kaum Tiere gefunden worden, wie die letzte Untersuchung 2010
belegt (FÖA vom 17. Mai 2011 S. 26). Das danach bestehende sehr geringe Kollisionsrisiko und
die Verminderung der Habitatqualität durch Licht und Lärm wird in gleicher Weise wie bei den
Bechsteinfledermäusen, die ähnlich lärmempfindlich sind und ebenfalls in niedriger Höhe jagen,
durch Leiteinrichtungen, Querungshilfen und Irritations- bzw. Kollisionsschutzeinrichtungen
nachhaltig gemindert.
50 1.2.2. Nach § 48d Abs. 1, § 48c Abs. 2 LG NRW, § 34 Abs. 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1
FFH-RL sind für die Verträglichkeitsprüfung maßgeblich auch die in den einschlägigen
Lebensraumtypen vorkommenden charakteristischen Arten (Art. 1 Buchst. e FFH-RL). Auch
diese werden nicht erheblich beeinträchtigt.
51 Die Auswahl der charakteristischen Arten ist nicht zu beanstanden. Der Kläger kann mit
seinem Einwand, es hätte zumindest eine repräsentative Auswahl charakteristischer Arten
flugfähiger und nachtaktiver Insekten sowie bodenlebender, flugunfähiger Tiere (Insekten wie
Laufkäfer, Spinnentiere, sonstige Gliedertiere, Schnecken) erfolgen und die spezifischen
Auswirkungen auf diese hätten untersucht werden müssen, nicht durchdringen.
52 Charakteristische Arten sind solche Pflanzen- und Tierarten, anhand derer die konkrete
Ausprägung eines Lebensraums und dessen günstiger Erhaltungszustand in einem konkreten
Gebiet und nicht nur ein Lebensraumtyp im Allgemeinen gekennzeichnet wird. Charakteristische
Arten können den Umfang der gebotenen Bestandserfassung und -bewertung beeinflussen.
Hierfür sind nicht nur die im Standard-Datenbogen als charakteristische Arten angesprochenen
Arten bedeutsam, sondern auch solche, die nach dem fachwissenschaftlichen Meinungsstand
für einen Lebensraumtyp prägend sind. Deshalb hat die Bestandserfassung und -bewertung
grundsätzlich die nach dem Stand der Fachwissenschaft charakteristischen Arten
einzubeziehen, selbst wenn diese im Standard-Datenbogen nicht gesondert als Erhaltungsziele
benannt sind (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 79). Jedoch können im Rahmen der FFH-
Verträglichkeitsprüfung nicht alle charakteristischen Arten der Lebensgemeinschaft eines
Lebensraums untersucht werden. Es sind diejenigen charakteristischen Arten auszuwählen, die
einen deutlichen Vorkommensschwerpunkt im jeweiligen Lebensraumtyp aufweisen bzw. die
Erhaltung ihrer Populationen muss unmittelbar an den Erhalt des jeweiligen Lebensraumtyps
gebunden sein. Die Arten müssen für das Erkennen und Bewerten von Beeinträchtigungen
relevant sein, d.h. es sind Arten auszuwählen, die eine Indikatorfunktion für potenzielle
Auswirkungen des Vorhabens auf den Lebensraumtyp besitzen (Leitfaden des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im
Bundesfernstraßenbau, Ausgabe 2004 - BMVBW-Leitfaden - S. 32). Deshalb verfängt der
Verweis des Klägers auf die im BfN-Handbuch (Das europäische Schutzgebietssystem Natura
2000, BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-
Richtlinie, 1998, S. 335, 353 f., 360 f.) zu den jeweiligen Lebensraumtypen genannten Tierarten
nicht, weil das Handbuch naturgemäß die konkrete Ausprägung eines Lebensraumtyps in einem
konkreten Gebiet nicht berücksichtigen kann.
53 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung hat die von dem Kläger genannten Schnecken, Käfer und
Falter außer Betracht gelassen und hat dabei für die Auswahl der charakteristischen Arten auf
die - naturschutzfachliche - Beurteilung des LÖBF zurückgegriffen. Der
Planfeststellungsbeschluss stellt zutreffend darauf ab, dass nur diejenigen in einem durch das
Vorhaben betroffenen Lebensraumtyp vorkommenden charakteristischen Arten speziell
untersucht werden müssen, deren Betroffenheit über die Prüfung des Lebensraums als Ganzen
nicht adäquat erfasst wird (vgl. dazu Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 55). Das ist bei den vom
Kläger genannten Tierarten nicht der Fall. Die Planfeststellungsbehörde hat zulässigerweise
Analogieschlüsse von den untersuchten Tierarten auf die genannten Käfer, Schnecken und
Insekten sowie Falter gezogen. Eine höhere Ernährungsstufe lässt Rückschlüsse auf eine
niedrigere Ernährungsstufe und damit auf den Lebensraumtyp zu. So ernähren sich
Fledermäuse von Nachtfaltern, die nicht um ihrer selbst willen geschützt sind, sondern im
Hinblick auf die Erhaltung der Lebensraumtypen und Arten, für die das Schutzgebiet bestimmt
ist. Entgegen der Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sind die Nachtfalter
nicht im Standard-Datenbogen als für das FFH-Gebiet bedeutende Tierart aufgeführt, die
gesondert betrachtet werden müssten.
54 Die Einwände des Klägers greifen ebenfalls nicht durch, soweit der
Planfeststellungsbeschluss die erhebliche Beeinträchtigung der als charakteristische Arten aller
drei einschlägigen Lebensraumtypen untersuchten Fledermäuse verneint. Für die
Kollisionsgefahr sowie die Habitatbeeinträchtigung durch Licht und Lärm gelten die
Ausführungen zu den Bechsteinfledermäusen, weil alle angesprochenen Arten
strukturgebunden fliegen, wovon auch der Kläger selbst ausgeht. Im Übrigen verbietet der
Planfeststellungsbeschluss zum Schutz der Fledermäuse vor Licht und Lärm während der
Bauphase Nachtbauarbeiten in den fledermausbedeutsamen Waldbereichen während der
Aktivitätszeit der Fledermäuse von April bis Oktober und sieht für die zwingend notwendigen
Nachtarbeiten eine Abstimmung mit der ökologischen Baubegleitung vor (PFB S. 44
Nebenbestimmung 7.5.2). Eine zu einer erheblichen Beeinträchtigung führende Zerstörung von
Quartieren erfolgt nicht. Fledermäuse nutzen Höhlenbäume häufig wechselnd als
Tagesquartiere, so dass es dabei nicht auf den Schutz eines einzelnen Baumes ankommt,
sondern darauf, ob die Funktion eines Verbundes gestört wird (vgl. dazu Urteile vom 18. März
2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 69, vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 -
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 91 und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 -
BVerwGE 134, 308 Rn. 68; Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 9 B 19.06 - NVwZ 2007, 708
Rn. 8). Zum Quartierschutz wurde eine Höhlenbaumkartierung durchgeführt, bei der alle
quartierverdächtigen Baumhöhlen, Spalten und Risse aufgenommen wurden. Der
Habitatverbund im Tatenhauser Wald weist hinreichend Höhlenbäume auf, so dass auch bei der
Beseitigung einzelner Höhlenbäume im Trassenbereich eine erhebliche Beeinträchtigung nicht
anzunehmen ist. Höhlen, auf deren Nutzung die Fledermäuse angewiesen wären, wurden in den
in Anspruch zu nehmenden Bereichen nicht gefunden.
55 Eine erhebliche Beeinträchtigung des Schwarzspechtes als charakteristischer Art des
Lebensraumtyps 9110 ist ebenfalls zu verneinen. Eine Beeinträchtigung der besonders
sensiblen Brutreviere ist nicht zu besorgen. Im Jahr 1999 wurde ein zur Brut genutzter
Höhlenbaum 400 m südlich der Trasse festgestellt. Selbst wenn dort noch Brutaktivitäten
erfolgen sollten, werden sie durch die Trasse nicht beeinträchtigt. Eine Konzentration von
Schwarzspechthöhlen wurde im Zentrum des Tatenhauser Waldes kartiert, mehrere hundert
Meter abseits der Trasse nördlich des Schlosses Tatenhausen und damit deutlich außerhalb der
Effektdistanz, innerhalb derer der Bruterfolg beeinträchtigt werden kann (vgl. dazu Arbeitshilfe
Vögel und Straßenverkehr, herausgegeben vom BMVBS, Ausgabe 2010, Ergebnis des
Forschungs- und Entwicklungsvorhabens FE 02.286/2007/LRB, bearbeitet von A. Garniel und
Dr. U. Mierwald - Arbeitshilfe Vögel - S. 14 f.). Da sich das Höhlenbaumzentrum und damit die
am meisten zur Brut, aber auch zum Schlafen geeigneten Höhlenbäume weit ab der Trasse
befinden, wirkt sich die verminderte Habitateignung durch die Trasse insoweit nicht aus. Der von
dem Betrieb der Autobahn ausgehende Lärm kann die Partnerfindung des Schwarzspechtes
beeinträchtigen, was aber angesichts der Lage der besonders geeigneten Flächen von
geeigneten Höhlenbäumen im Zentrum des Tatenhauser Waldes nicht als erheblich anzusehen
ist. Auch die Verringerung der Nahrungshabitate fällt nicht erheblich ins Gewicht. Im Norden
fallen nur 0,23 ha innerhalb des FFH-Gebiets weg, die ohnedies nicht regelmäßig als
Nahrungshabitate genutzt werden. Die außerhalb des FFH-Gebiets in Anspruch genommenen
Flächen in einem Umfang von etwa 10 ha weisen ebenfalls nicht eine von Schwarzspechten
bevorzugte Habitatqualität von Buchen- und Eichenmischwäldern auf, sondern es handelt sich
um Mischwälder und Kiefernbestände geringen bis mittleren Alters. Die Kollisionsgefahr ist nach
der naturschutzfachlich begründeten und nachvollziehbaren Auffassung der
Planfeststellungsbehörde nicht erhöht. Schwarzspechte fliegen in der Regel geradlinig und
hoch, so dass sie die Trasse gefahrlos queren können. Das Einfliegen in die Trasse, etwa bei
der Nahrungssuche, wie vom Kläger behauptet, wird durch die Kollisionsschutzeinrichtungen
weitgehend verhindert. Es ist nicht anzunehmen, wie der Kläger meint, dass Schwarzspechte
nach der Nahrungssuche nach Käfern am Boden unmittelbar an den Schutzeinrichtungen
hochfliegen, um dann die Trasse in niedriger Höhe zu überqueren. Niedrige Trassenquerungen -
bisher ohne jeglichen Schutz - sind ohnedies vor allem im Bereich der L 782 anzunehmen. Das
sich aus dem südlichen Zentrum des Tatenhauser Waldes bis in den Bereich östlich der L 782
erstreckende Brutrevier ist seit vielen Jahren bekannt.
56 Der Kleinspecht wird ebenfalls nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar ist ein Brutvorkommen in
Pappelbeständen südlich der Trasse am Laibach in einem Abstand von weniger als 100 m
nachteilig betroffen und in seiner Eignung als Bruthabitat um ca. 80 % gemindert. Der
Kleinspecht ist jedoch nicht lärmempfindlich, weshalb von einer Effektdistanz von 200 m
auszugehen ist (Arbeitshilfe Vögel S. 21, 109), innerhalb derer die Eignung als Bruthabitat um 30
% gemindert ist. Jenseits dieser Entfernung finden sich sowohl am Laibach wie im
Lebensraumtyp 91E0* des FFH-Gebiets in hinreichender Anzahl Weichholzbestände (Erlen-
Eschen- und Pappelwälder), die für die Anlage von Höhlen geeignet sind. Der Kleinspecht ist
auch nicht auf bestimmte Höhlen angewiesen, da er regelmäßig neue Höhlen anlegt. Ein
erhöhtes Kollisionsrisiko bei Trassenquerungen besteht nicht, weil entlang der Trasse im FFH-
Gebiet und auch im Abschnitt der parallel laufenden L 782 4 m hohe Schutzwände das niedrige
Einfliegen in die Trasse verhindern.
57 1.2.3. Eine Gefährdung der im FFH-Gebiet besonders geschützten Lebensraumtypen ist nicht
mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
58 1.2.3.1. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 9190 („Alte bodensaure
Eichenwälder auf Sandebenen“) folgt allerdings nicht allein daraus, dass 900 m² des
Lebensraumtyps (230 m² ausgeprägte Fläche sowie 670 m² Entwicklungsfläche) durch das
Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden. Zwar überschreitet diese Fläche den von
den FuE-Konventionen zugrunde gelegten regelmäßig nicht zu einer erheblichen
Beeinträchtigung führenden Orientierungswert quantitativ-absoluten Flächenverlusts von 500 m²
(0,23 % von 39,5 ha Gesamtflächengröße) deutlich. Jedoch ist die Frage, ob eine erhebliche
Gebietsbeeinträchtigung vorliegt, stets daran zu messen, wie sie sich auf den Zustand der
Erhaltungsziele auswirkt, insbesondere, ob sie ihn verschlechtert oder eine Verbesserung für die
Zukunft verhindert. Beides ist nicht der Fall. Nach den FuE-Konventionen (S. 40) können im
Einzelfall bei besonderen bzw. außergewöhnlichen Verhältnissen die Orientierungswerte über-
bzw. unterschritten werden. Besondere Verhältnisse sind hier zu bejahen. Die in Anspruch zu
nehmenden Flächen weisen weder für den Lebensraumtyp 9190 noch für die charakteristischen
Arten qualitativ-funktionale Besonderheiten auf. Weder sind auf der betroffenen Fläche spezielle
Ausprägungen des Lebensraumtyps vorhanden, noch ist für charakteristische Arten, hier
insbesondere die Große Bartfledermaus und das Braune Langohr, eine besondere
Lebensraumfunktion zu erkennen. Ein Teil des Gebiets liegt im Bereich eines derzeit schon
ständig freigestellten Waldrandes (Schutzstreifen einer Freileitung) in Form eines
Waldanschnitts. Die Ausprägung des betroffenen Lebensraumtyps ist im Gebiet vorherrschend.
Die Entwicklungsfläche weist neben lebensraumtypischen Arten einen hohen Deckungsgrad der
nicht hierzu zu zählenden Späten Traubenkirsche auf. Eine besondere Bedeutung für die
Fledermäuse kommt den Flächen deshalb nicht zu, weil keine Alt-, Höhlen- oder Habitatbäume
in Anspruch genommen werden, im Übrigen nur eine potenzielle Quartiereignung anzunehmen
ist und sich darüber hinaus innerhalb der Bestände des Lebensraumtyps 9190 Quartierbäume in
ausreichender Zahl befinden. Dem Wegfall der Flächen als Jagdhabitat kommt angesichts der
Größe des Lebensraumtyps nur eine geringe Bedeutung zu.
59 Die Planfeststellungsbehörde durfte bei der Erheblichkeitsbeurteilung berücksichtigen, dass
dem Verlust der Flächen für den Lebensraumtyp 9190 eine erheblich größere Fläche für seine
Neubegründung gegenübersteht.
60 Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass diese Maßnahme weder Vermeidungs-
noch Verminderungsmaßnahme sei und deshalb keinen Einfluss auf die
Erheblichkeitsbeurteilung haben könne. Unter Berücksichtigung des Maßstabs des „günstigen
Erhaltungszustands des Lebensraumtyps“ dürfen die vom Vorhabenträger geplanten oder im
Rahmen der Planfeststellung behördlich angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen
berücksichtigt werden, sofern sie während der Bauarbeiten und nach der Eröffnung des Verkehrs
sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden. Wenn durch Schutz- und
Kompensationsmaßnahmen gewährleistet ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand der
geschützten Lebensraumtypen und Arten stabil bleibt, bewegen sich die nachteiligen Wirkungen
des Vorhabens unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Das Schutzkonzept erlaubt dann die
Zulassung des Vorhabens. Es macht aus der Sicht des Habitatschutzes nämlich keinen
Unterschied, ob durch ein Vorhaben verursachte Beeinträchtigungen von vornherein als
unerheblich einzustufen sind oder ob sie diese Eigenschaft erst dadurch erlangen, dass
Schutzvorkehrungen angeordnet und getroffen werden (vgl. Urteile vom 19. Mai 1998 - BVerwG
4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <27>, vom 27. Februar 2003 - BVerwG 4 A 59.01 - Buchholz 406.400
§ 61 BNatSchG 2002 Nr. 1 S. 13 f. und vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE
128, 1 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26, jeweils Rn. 53). Zwar wird sich für
Kompensationsmaßnahmen die Feststellung, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert
werden, nur ausnahmsweise treffen lassen, da die genannten Maßnahmen in der Regel erst
deutlich verzögert wirken und ihr Erfolg selten mit einer jeden vernünftigen Zweifel
ausschließenden Sicherheit vorhergesagt werden kann (Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A
3.06 - BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 94;
Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-239/04, Slg. 2006, I-10183 Rn. 35; im
Anschluss daran auch Ewer, in: Lütkes/Ewer, BNatSchG, 2011, § 34 Rn. 35). Eine erhebliche
Beeinträchtigung liegt jedoch dann nicht vor, wenn dieser Ausnahmefall angenommen werden
kann. Das ist hier nach der fachlichen Einschätzung des zuständigen Dezernats der
Bezirksregierung Detmold der Fall und nachvollziehbar im Planfeststellungsbeschluss
dargelegt. Danach grenzen die für eine Neubegründung ausgewählten Flächen an bereits
vorhandene Flächen mit dem Lebensraumtyp 9190 an; sie liegen innerhalb des FFH-Gebiets.
Ihre Naturausstattung lässt es zu, durch Entnahme bestimmter Baumarten kurzfristig Bestände
zu schaffen, die ebenfalls den Kriterien des Lebensraumtyps 9190 entsprechen. Durch
entsprechende Pflegemaßnahmen kann sichergestellt werden, dass die dominierende Baumart
Stieleiche erhalten und gefördert wird. Fehlbestockungen sind auf Dauer gezielt zu entnehmen,
und mit den Maßnahmen ist unmittelbar nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses
zu beginnen (PFB S. 445).
61 Weitere negative Effekte durch andere Projekte, wie sie vom Kläger benannt sind und die
insgesamt zu einer Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 9190 führen können, liegen nicht vor.
Die Firma S. hat keine konkreten Planungsabsichten, das Bebauungsplanverfahren wird nicht
weiter betrieben. Im Übrigen sind die Erweiterungsflächen im Süden durch die Trasse
beschränkt, so dass es zu keiner Flächeninanspruchnahme kommen kann (PFB S. 448). Die
Planung der 380 kV-Höchstspannungsleitung Gütersloh-Lüstringen war im Zeitpunkt des
Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in einem konkreten Planungsstadium. Ein
Planfeststellungsverfahren für diese Leitung ist noch nicht einmal eingeleitet. Darüber hinaus ist
der Bau dieser Leitung auf der vorhandenen Trasse der existierenden 220 kV-Leitung
vorgesehen, so dass mit zusätzlicher Inanspruchnahme von Flächen nicht zu rechnen ist.
62 1.2.3.2. Allerdings führt die Belastung mit Stickstoffeinträgen zu einer erheblichen
Beeinträchtigung. Kläger und Beklagter gehen übereinstimmend davon aus, dass schon die
Vorbelastung für die Lebensraumtypen des FFH-Gebiets die Critical Loads um ein Mehrfaches
überschreitet. Der als Irrelevanzschwelle anzusetzende Wert von 3 % der Critical Loads, bei der
die Zunahme der Stickstoffbelastung als nicht signifikant verändernd einzustufen ist, kann für
keinen der drei Lebensraumtypen eingehalten werden. Der Beklagte geht deshalb davon aus,
dass die Stickstoffzusatzeinträge durch die A 33-Trasse zur erheblichen Beeinträchtigung aller
drei Lebensraumtypen führen. Es ist für die Lebensraumtypen 9110 (Zusatzbelastung > 3 % auf
4,82 ha = 12,4 % der Fläche), 9190 (Zusatzbelastung > 3 % auf 3,64 ha = 18 % der Fläche) und
91E0* (Zusatzbelastung > 3 % auf 0,29 ha = 5,6 % der Fläche) nicht anzunehmen, dass trotz der
Vorbelastung und der projektbedingten Zusatzbelastung die aktuell vorhandenen Bestände
langfristig in einem günstigen Erhaltungszustand verbleiben können (Beeinträchtigung von
Lebensraumtypen im FFH-Gebiet durch Stickstoffeinträge Deckblatt II Unterlage 12.5.3.1 S. 28
f.). Zwar wird allein die Zusatzbelastung mit hoher Wahrscheinlichkeit kurzfristig keine
Veränderung bewirken, weil die seit langem bestehende sehr hohe Vorbelastung die heute
vorzufindende Belastungssituation ohnehin prägt. Mittel- bis langfristig ist dagegen nicht
auszuschließen, dass die zusätzlichen Belastungen zum einen die anzunehmende Instabilität
des Systems erhöhen. Zum anderen könnte die Zusatzbelastung den für den langfristigen Erhalt
der Lebensraumtypen notwendigen Rückgang der Hintergrundbelastung teilweise maskieren
(a.a.O. S. 28). Deshalb ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass die infolge der
Schadstoffeinträge entstehende zusätzliche Belastung den Erhaltungszustand der drei
Lebensraumtypen langfristig nachteilig beeinflussen wird.
63 Der Beklagte hat zur Schadensbegrenzung verschiedene Maßnahmen festgelegt, die
Stickstoffeinträge kompensieren sollen. So sollen die Flächen der Lebensraumtypen 9110 und
9190 durch Umwandlung von Acker in Wald vermehrt werden, die strukturelle
Funktionsminderung auf Flächen des Lebensraumtyps 91E0* soll durch Bekämpfung des
japanischen Staudenknöterichs reduziert werden, darüber hinaus soll Acker umgewandelt
werden in im Hinblick auf die Stickstoffbilanz günstigere Flächen-/Nutzungstypen (d.h.
reduzierter Stickstoffeintrag durch fehlende Düngung). Aufforstungen seien als
Schadensbegrenzungsmaßnahmen nicht einzurechnen, weil sie nur langfristig wirkten.
64 Ob diese von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Maßnahmen die Beurteilung
rechtfertigen, das Vorhaben sei mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“
zu vereinbaren, erscheint zweifelhaft. Schwerpunkt des Maßnahmenkonzepts ist es, für die
Lebensraumtypen 9110 und 9190 bisherige Stickstoffeinträge in das Gebiet zu vermindern,
indem die Gülledüngung innerhalb des Gebiets und auf unmittelbar angrenzenden Flächen mit
Wirkung für das FFH-Gebiet unterbleibt und neue Flächen dieser Lebensraumtypen aufgebaut
werden. Zwar wird man davon ausgehen können, dass angesichts des Flächenumfangs
langfristig der Verlust der belasteten Flächen kompensiert werden kann. Denn der Verlust der
Flächen erfolgt nicht sofort mit dem Bau der Autobahn, sondern erst durch eine langsame
Degeneration. Allerdings dürfte der Neuaufbau der Lebensraumtypen kaum geeignet sein, die
Erheblichkeit der Flächenbeeinträchtigung zu kompensieren. Der größere Teil der neu
aufzuforstenden Flächen befindet sich außerhalb des FFH-Gebiets, wenn auch unmittelbar
angrenzend. Die erhebliche Beeinträchtigung der Lebensraumtypen innerhalb des Gebiets wird
durch die Neuaufforstung nicht verhindert. Ob eine Bilanzierung der durch das Vorhaben zu
erwartenden Stickstoffeinträge mit den künftig unterbleibenden Stickstoffeinträgen in das FFH-
Gebiet erfolgen kann, kann im Ergebnis offenbleiben (zur Zulässigkeit einer Bilanzierung vgl.
Beschluss des Senats vom 13. März 2008 - BVerwG 9 VR 9.07 - Buchholz 451.91 Europ.
UmweltR Nr. 33 Rn. 26). Selbst wenn geringere Stickstoffeinträge geeignet sind, den
Erhaltungszustand der Lebensraumtypen zu stabilisieren, erscheint fraglich, ob allein die
Stabilisierung des vorhandenen Bestandes außerhalb des Trasseneinwirkungsbereichs genügt,
weil die Vorbelastung bereits weit über den Critical Loads liegt. Gleiches gilt für die durch die
langfristig angestrebte Beseitigung des Staudenknöterichs zu erzielenden Stickstoffausträge aus
dem Lebensraumtyp 91E0*.
65 1.2.4. Unter der Prämisse, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensraumtypen
9110, 9190 und 91E0* nicht ausgeschlossen werden kann, darf das Vorhaben gemäß § 48d
Abs. 5 und 7 LG NRW (§ 34 Abs. 3 und 5 BNatSchG) nur auf der Grundlage einer
Abweichungsprüfung zugelassen werden, wenn es aus Gründen des überwiegenden
öffentlichen Interesses notwendig ist, keine zumutbaren Alternativen vorhanden sind, den mit
dem Vorhaben verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen
zu erreichen, und wenn dem Vorhabenträger die zur Sicherung des Zusammenhangs des
Europäischen ökologischen Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen auferlegt worden
sind. Da mit dem Lebensraumtyp 91E0* eine prioritäre Art im Gebiet betroffen ist, können als
zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang
mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit oder den maßgeblich günstigen
Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt geltend gemacht werden (§ 48d Abs. 6 LG NRW, §
34 Abs. 4 BNatSchG). Eine solche Prüfung hat der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss
hilfsweise durchgeführt. Diese genügt auch den rechtlichen Anforderungen. Der
Planfeststellungsbeschluss hat die Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets hinreichend genau
identifiziert und die festgelegten Kohärenzmaßnahmen darauf abgestellt (vgl. dazu EuGH,
Urteile vom 20. September 2007 - Rs. C-304/05 - Slg. 2007, I-7495 Rn. 83 und vom 24.
November 2011 - Rs. C-404/09 - NuR 2012, 42 Rn. 109).
66 1.2.4.1. Das umstrittene Vorhaben ist aus zwingenden Gründen der Gesundheit und der
öffentlichen Sicherheit erforderlich. Eine anderweitige Alternative liegt nicht vor. Die
erforderlichen strengen Anforderungen an den Nachweis von Art und Umfang der mit dem
Vorhaben in dieser Hinsicht erzielbaren Wirkungen sind erfüllt (vgl. zu den Anforderungen
Urteile vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 <312 ff.>, vom 12. März
2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30,
jeweils Rn. 160 und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 = Buchholz
406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6, jeweils Rn. 125). Der Schutz der menschlichen Gesundheit
und die Verkehrssicherheit sind von besonderem Gewicht und sollen durch das Vorhaben
erheblich verbessert werden. Erforderlich ist allerdings nicht, dass Sachzwänge vorliegen
müssten, denen niemand ausweichen kann. Vielmehr genügt ein durch Vernunft und
Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln (Urteil vom 9. Juni 2010 - BVerwG 9
A 20.08 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 208 Rn. 55).
67 Durch den Lückenschluss der Autobahn kann die erhebliche Belastung, die durch den die
Ortsdurchfahrt auf der B 68 nutzenden und Stickstoffoxide emittierenden Verkehr verursacht wird,
auf zulässige Grenzwerte reduziert werden. Der Grenzwert gemäß § 21 i.V.m. Anlage 11 der 39.
BImSchV für NO2 beträgt als Jahresmittelwert 40 µg/m³; in der Ortsdurchfahrt Halle betrug er im
Jahre 2008 54 µg/m³, im Jahre 2009 58 µg/m³, die Werte für 2010 lagen im Zeitpunkt des
Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht vor (PFB S. 390). Nach den Ermittlungen
des LANUV beträgt der Anteil des Verkehrs an den NOX-Gesamtemissionen 72 %. Davon sind
schwere Nutzfahrzeuge mit 55 % die Hauptemittenten. Es ist evident, dass der Lückenschluss
der A 33 eine deutliche Entlastung des Stadtgebiets von Halle vom überregionalen Verkehr,
insbesondere auch dem Lkw-Verkehr, und damit eine erhebliche Entlastung von
Luftschadstoffen, aber auch von Lärm, bewirken wird. Das Verkehrsaufkommen auf der
Stadtdurchfahrt der B 68 wird mehr als halbiert. Im Prognosenullfall wird für das Prognosejahr
2025 im Bereich der Ortsdurchfahrt Halle eine Verkehrsbelastung von 20 000 - 25 000 Kfz/24 h
mit Schwerverkehr im Umfang von 3 050 - 3 900 Kfz/24 h erwartet (Verkehrsgutachten für die A
33 November 2009 - künftig: Verkehrsgutachten - S. 13 f.). Im Prognoseplanfall wird bis 2025 die
Ortsdurchfahrt um bis zu 13 000 Kfz/24 h entlastet, das sind 65 %, der Abschnitt zwischen der K
25 und der B 476 sogar um 70 %, mit der Folge, dass noch ca. 7 000 Kfz/24 h auf der
Ortsdurchfahrt verbleiben, im letztgenannten Abschnitt nur noch 6 500 Kfz/24 h (PFB S. 170,
389; Verkehrsgutachten S. 16). Der Schwerlastverkehr, im Prognosenullfall angenommen in
Höhe von 11,8 % bis 18,6 %, sinkt im Prognoseplanfall 2025 auf 4,7 % bis 10,5 % (PFB S. 170,
186 und S. 193 f.). Das bedeutet eine Entlastung in Höhe von 1 250 - 1 600
Schwerverkehrsfahrzeugen täglich (Verkehrsgutachten S. 17) bei einem prognostizierten
Gesamtverkehrsaufkommen in Höhe von 7 000 - 11 000 Kfz/24 h im Bereich von Halle (Westf.).
Nach den Berechnungen des LANUV könnten bei ca. 8 000 Kfz/24 h die Grenzwerte für
Stickstoffdioxid in der Ortsdurchfahrt sicher eingehalten werden (PFB S. 391). Nach dem im
Planfeststellungsverfahren erstellten Luftschadstoffgutachten vom Mai 2010 (Deckblatt II
Unterlage 14.1 S. 56) bleiben die NO2-Immissionen im Jahresmittel im Gegensatz zum
Prognosenullfall deutlich unter dem zulässigen Grenzwert von 40 µg/m³.
68 Zudem ist evident, dass die Verkehrssicherheit durch die Verlagerung von Verkehr auf die
Autobahn erheblich erhöht wird. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 189) hat den
voraussichtlichen Sicherheitsgewinn durch den Autobahnbau hinreichend detailliert
substantiiert: In den Jahren 1997 - 2009 waren insgesamt 1 399 Unfälle mit 35 Toten, 360
Schwerverletzten und 1 075 Leichtverletzten zu verzeichnen. Die Ortsdurchfahrt wird um 65 - 70
% des täglichen Verkehrs entlastet, der Schwerlastanteil erheblich reduziert. Im
Planfeststellungsbeschluss ist darauf hingewiesen, dass sich nach der Statistik der
Bundesanstalt für das Straßenwesen innerorts etwa zehnmal, außerorts abseits der
Bundesautobahnen etwa dreimal so viele Unfälle mit Personenschaden ereignen wie auf
Autobahnen. Danach liegt es auf der Hand, dass das Fernhalten des überregionalen Verkehrs
aus der bisherigen Stadtdurchfahrt auf der B 68 mehr Verkehrssicherheit bewirkt. Das
Verkehrsaufkommen auf der bisherigen Stadtdurchfahrt der B 68 wird einen deutlichen
Rückgang von Verkehrsunfällen zur Folge haben (vgl. dazu auch Urteil vom 9. Juli 2008 -
BVerwG 9 A 14.07 - Buchholz 406.400 § 42 BNatSchG 2002 Nr. 6 Rn. 126
veröffentlicht in BVerwGE 131, 274>, zu den Substantiierungsanforderungen Urteil vom 27.
Januar 2000 a.a.O. S. 316 f.).
69 1.2.4.2. Eine zumutbare Alternative im Sinne des § 48d Abs. 5 Nr. 2 LG NRW (§ 34 Abs. 3 Nr.
2 BNatSchG) besteht nicht. Das Planungsziel lässt sich an einem nach dem Schutzkonzept der
Habitatrichtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität nicht verwirklichen.
70 Lässt sich das Planungsziel an einem günstigeren Standort oder mit geringerer
Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch
machen. Ein Ermessen wird ihm insoweit nicht eingeräumt. Bereits aufgrund seines
Ausnahmecharakters begründet Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL ein strikt zu beachtendes
Vermeidungsgebot. Nur gewichtige „naturschutzexterne“ Gründe können es danach
rechtfertigen, zulasten des Integritätsinteresses des durch Art. 4 FFH-RL festgelegten kohärenten
Systems die Möglichkeit einer Alternativlösung auszuschließen. Der Vorhabenträger darf von
einer ihm technisch an sich möglichen Alternative erst Abstand nehmen, wenn diese ihm
unverhältnismäßige Opfer abverlangt oder andere Gemeinwohlbelange erheblich beeinträchtigt
(vgl. Urteile vom 27. Januar 2000 - BVerwG 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 <310> und vom 17.
Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 142). Demnach können bei der
Trassenwahl auch finanzielle Erwägungen ausschlaggebende Bedeutung erlangen (Urteil vom
17. Januar 2007 a.a.O.). Ob Kosten außer Verhältnis zu dem nach Art. 6 FFH-RL festgelegten
Schutzregime stehen, ist am Gewicht der beeinträchtigten relevanten Schutzgüter zu messen.
Richtschnur hierfür sind die Schwere der Gebietsbeeinträchtigung, Anzahl und Bedeutung etwa
betroffener Lebensraumtypen oder Arten sowie der Grad der Unvereinbarkeit mit den
Erhaltungszielen (Urteil vom 27. Januar 2000 a.a.O. S. 311). Der Vorhabenträger braucht sich
auch nicht auf eine Alternativlösung verweisen zu lassen, wenn sich die naturschutzrechtlichen
Schutzvorschriften am Alternativstandort als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie
an dem von ihm gewählten Standort. Zudem darf die Alternativlösung verworfen werden, wenn
sie sich aus naturschutzexternen Gründen als unverhältnismäßiges Mittel erweist (Urteile vom
12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 240 und vom 14. April 2010 -
BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45, jeweils Rn.
137). Im Übrigen braucht sich ein Vorhabenträger nicht auf eine Planungsvariante verweisen zu
lassen, die auf ein anderes Projekt hinausläuft.
71 Soweit der Kläger darauf abhebt, dass die geplante Entlastungsstraße zur Erschließung des
Gewerbegebiets der Stadt Halle eine Alternative biete, weil nach ihrer Inbetriebnahme die
Stickstoffeinträge auf der B 68 - Ortsdurchfahrt Halle - bereits unter die zulässigen Grenzwerte
gesenkt werden könnten, stellt dies keine Alternative dar, sondern ein anderes Projekt. Ein
Vorhabenträger braucht sich aber nicht darauf verweisen zu lassen, eine Planungsvariante zu
wählen, die auf ein anderes Projekt hinausläuft und deshalb die in zulässiger Weise verfolgten
Ziele nicht mehr verwirklicht werden könnten. Zumutbar ist es nur, Abstriche vom
Zielerfüllungsgrad in Kauf zu nehmen (vgl. Urteile vom 15. Januar 2004 - BVerwG 4 A 11.02 -
BVerwGE 120, 1 <11> und vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 143). Es handelt sich nicht nur um
zum Schutz des FFH-Gebiets gebotene Abstriche vom Planziel. Denn eine innerörtliche
Entlastungsstraße kann naturgemäß weder eine Bündelung des überregionalen Verkehrs - die A
33 ist Teil des „Leitschemas des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (Horizont 2010)“ - noch die
mit einer Autobahn verbundene erhöhte Verkehrssicherheit erreichen noch die Schadstoff- und
Lärmbelastung der Bevölkerung wie die Plantrasse senken.
72 Als Alternativlösung kommt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht eine Nord-
Umfahrung auf einer „modifizierten Nordvariante V 37-Trasse“ in Betracht. In jedem Fall verlangt
diese Trasse eine Querung von Siedlungsgebieten der Stadt Halle durch einen Tunnel oder eine
Querung in Trogbauweise in einem Mindestumfang von 700 m. Schon aus Gründen der Eingriffe
in den unteren, für die Wassergewinnung bedeutsamen Grundwasserleiter und die
Zerschneidung der schützenden Deckschicht scheidet die Tunnel-Variante aus (PFB S. 395).
Der Schutz des unteren Grundwasserleiters ist für die Trinkwasserversorgung der Stadt Halle
unverzichtbar und die Veränderung der Grundwasserströme nicht hinnehmbar (zum Schutz der
Trinkwasserversorgung als Erwägung im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen
vgl. EuGH, Urteil vom 11. September 2012 - Rs. C-43/10 - NuR 2012, 775 Rn. 126 f.). Das vom
Vorhabenträger beauftragte Gutachterbüro hält eine Tunnellage für faktisch nicht umsetzbar
(PFB S. 395, 503, 581 f.; Gutachten Schmidt und Partner, Hydrogeologische
Detailuntersuchungen zur Bewertung der Trassenvariante Nord unter Berücksichtigung der
Variantenbewertung unterschiedlicher Tieflagen, November 2002). Dem ist der Kläger nicht
substantiiert entgegengetreten. Der Verweis darauf, dass das Problem mit technischen
Vorrichtungen bewältigt werden könne, genügt nicht. Die Sicherung der Trinkwasserversorgung
ist als naturschutzexterner Grund von besonders hohem Gewicht (vgl. zu dem ähnlichen
Problem der Bedeutung eines Bäder- und Heilquellenbetriebs bei einer abgesenkten
Troglösung Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 121). Davon
abgesehen würde eine Tunnelvariante bei Gesamtkosten in Höhe von ca. 140 Mio. €
Mehrkosten in Höhe von 35 Mio. € erfordern, die unverhältnismäßig sind und zudem dennoch
Beeinträchtigungen - Stickstoffeinträge in die geschützten Lebensraumtypen, weiterhin
bestehende Zerschneidungswirkungen der Bechsteinfledermaus-Flugverbindungen zum
Teutoburger Wald, die der Kläger gegen die Plantrasse ins Feld führt - verursachen.
73 Bei der vom Kläger alternativ geforderten Trogbauweise würden noch 2 - 3 m hohe
Seitenwände aus der Erde ragen und das Wohngebiet Schlammpatt durchschneiden. Das
örtliche Wegenetz müsste mit aufwändigen Brückenbauwerken überführt werden. Hinzu kämen
Eingriffe in die Bausubstanz durch den Halbtunnel selbst und die Rampen (PFB S. 608 f.). Die
Beeinträchtigungen für die Stadt Halle (Westf.) erschöpften sich nicht nur in einer
städtebaulichen Beeinträchtigung, wie der Kläger meint. Vielmehr entstünden unweigerlich
erhebliche zusätzliche Lärm- und Schadstoffbelastungen für die dort lebenden Menschen. Die
zusätzlichen Lärmbelastungen könnten nur über Lärmschutzanlagen reduziert werden. Die
Sicherung des Grundwassers erforderte auch in diesem Fall aufwändige
Sicherungsmaßnahmen. Darüber hinaus wären naturschutzfachliche Konflikte ebenso wenig
wie bei der Tunnelvariante ausgeräumt.
74 Die vom Kläger geforderte Einhausung der Trasse im FFH-Gebiet auf einer Länge von 2 630
m ist unverhältnismäßig. Sie würde bei einer projektierten Gesamtsumme von nunmehr 140 Mio.
€ Mehrkosten in Höhe von 95 Mio. € verursachen. Dabei sind Einsparungen durch das Entfallen
der seitlichen Schutzwände bereits eingerechnet. Zudem ist zu berücksichtigen, dass für die
Bechsteinfledermäuse nur begrenzte Wechselbeziehungen über die geplante Trasse hinweg
festgestellt worden sind und die vorgesehenen Schutzeinrichtungen Kollisionen verhindern
können.
75 Mit seinem Einwand, alternativ müsste die Südvariante gewählt werden, weil sie weniger
beeinträchtigend sei, ist der Kläger gemäß § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG präkludiert. Die formellen
Voraussetzungen des Einwendungsausschlusses liegen vor. Im Anhörungsverfahren ist der
Kläger mit ortsüblicher Bekanntmachung auf die Möglichkeit, fristgerecht Einwendungen zu
erheben und die Rechtsfolge verspäteter Einwendungen hingewiesen worden. Die materiellen
Präklusionsvoraussetzungen sind gleichfalls erfüllt, weil der Kläger die Südvariante weder in
seiner Stellungnahme vom 15. Januar 2008 noch in der vom 15. Januar 2010/15. März 2010
geltend gemacht hat.
76 Die materielle Präklusion ist mit den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts
vereinbar. Die Beteiligung der Naturschutzvereinigungen im Planfeststellungsverfahren dient der
Mobilisierung naturschutzfachlichen Sachverstandes. Mit der Präklusionsregelung sollen die
Vereinigungen angehalten werden, bereits im Verwaltungsverfahren ihre Sachkunde
einzubringen. Die Präklusion dient der Rechtssicherheit, namentlich dem gesteigerten Bedürfnis
des Vorhabenträgers nach Schutz und Beständigkeit der unter Drittbeteiligung zu Stande
gekommenen Zulassungsentscheidung; zugleich soll der in der Verwaltungsentscheidung
Begünstigte vor einem überraschenden Prozessvortrag geschützt werden (Urteile vom 22.
Januar 2004 - BVerwG 4 A 4.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 4 S. 27 f., vom 14.
April 2010 - BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 45,
jeweils Rn. 107 und vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - BVerwGE 140, 149 Rn. 25 f.;
Beschluss vom 23. November 2007 - BVerwG 9 B 38.07 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG
2002 Nr. 7 Rn. 31). Da der Einwendungsausschluss eine angemessene Erkundigungs- und
Äußerungsfrist sowie eine ausreichende Belehrung über die Folgen verspäteten Vorbringens
voraussetzt, wird die Rechtsverfolgung nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit
geboten erschwert (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O.; Beschluss vom 11. November 2009 -
BVerwG 4 B 57.09 - Buchholz 406.254 URG Nr. 1 Rn. 7).
77 Der Einwendungsausschluss widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs, der in seinem Urteil vom 15. Oktober 2009 - Rs. C-263/08 - (NuR 2009, 773 Rn. 32
ff.), gefordert hat, dass es Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 2
und Art. 10a UVP-RL a.F. (jetzt Art. 1 Abs. 2, Art. 11 UVP-RL n.F.) möglich sein müsse, die von
einer der nationalen Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaates zugehörigen Stelle erlassene
Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung eines Projekts anzufechten, gleichviel, welche
Rolle sie in dem Verfahren über den Genehmigungsantrag vor dieser Stelle durch ihre
Beteiligung an und ihre Äußerung in diesem Verfahren spielen konnte. Der Gerichtshof hat sich
damit nur zu der Problematik geäußert, ob der Klageweg mit der Erwägung versperrt werden
darf, dass das Beteiligungsrechte gewährende Genehmigungsverfahren von einer Stelle mit
Gerichtscharakter im Rahmen verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit durchgeführt worden ist
(Urteil vom 15. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 36 ff.). Zur Problematik des Einwendungsausschlusses
im Falle ungenügenden Gebrauchmachens von der Möglichkeit der Äußerung im
Verwaltungsverfahren besagt dies nichts (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 108).
78 Ein Naturschutzverband muss zunächst angeben, welches Schutzgut durch ein Vorhaben
betroffen wird und welche Beeinträchtigungen diesem drohen. Die räumliche Zuordnung eines
Vorkommens oder einer Beeinträchtigung ist zu spezifizieren, wenn sie sich nicht ohne Weiteres
von selbst versteht. Im Weiteren hängt die Intensität des Vortrages der Naturschutzvereinigung
davon ab, in welchem Umfang der Vorhabenträger bereits eine Begutachtung geleistet hat und
die Planunterlagen fachlich bewertet worden sind. Erforderlich ist eine kritische
Auseinandersetzung mit dem vorhandenen Material unter naturschutzfachlichen
Gesichtspunkten (Urteil vom 14. Juli 2011 a.a.O. Rn. 20). Dazu gehört, insbesondere auf
Trassenvarianten hinzuweisen, die keine oder geringere Konflikte mit Belangen des
Naturschutzes auslösen, wenn den Unterlagen insoweit Anstoßwirkung zukommt, weil sich die
Behörde ausführlich auch unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten mit verschiedenen
Trassenalternativen beschäftigt, diese gegeneinander abgewogen und die Plantrasse als
verträglich mit den Naturschutzbelangen angesehen hat. An einen Naturschutzverband sind
gerade in Bezug auf naturschutzfachliche Einschätzungen höhere Anforderungen zu stellen als
an einen Privateinwender, für den es genügt, das Schutzgut und die Beeinträchtigungen, die er
befürchtet, zu benennen.
79 Diesen dem Kläger zumutbaren Anforderungen hat er nicht genügt. Das
Planfeststellungsverfahren hat nicht erst 2007 begonnen. Vielmehr war dem ein
Planfeststellungsverfahren unter Beteiligung des Klägers vorausgegangen, das im Hinblick auf
die zahlreichen Änderungen eingestellt worden war. Zwischen verschiedenen am
Planfeststellungsverfahren Beteiligten, zu denen auch der Kläger gehörte, wurde 2004 eine
veränderte Linienführung (sog. Konsenstrasse) vereinbart, auf deren Basis 2007 ein neues
Planfeststellungsverfahren eingeleitet wurde, das mit dem hier streitigen
Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen worden ist. In den Auslegungsunterlagen war ein
Variantenvergleich der Trassen, zu der auch die Südtrasse V 11 gehörte, ausgelegt. Dieser
Variantenvergleich enthielt Ausführungen zur Belastung der verschiedenen FFH-Gebiete. Es ist
auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-
Gebiets „Ruthebach, Laibach, Loddenbach, Nordbruch“ mit möglichen Vermeidungs- und
Verminderungsmaßnahmen näher untersucht werden müsse und nicht Gegenstand des
Variantenvergleichs sei. Der Umfang der Beeinträchtigung der Lebensraumtypen im FFH-Gebiet
„Tatenhauser Wald“ sowie die Vermeidungs-, Verminderungs- und Ausgleichsmaßnahmen
ließen sich der Verträglichkeitsprüfung ebenso entnehmen wie die im Übrigen vom Kläger
gerügten Beeinträchtigungen der sonstigen Erhaltungsziele. Deshalb entfalteten die
Planunterlagen ohne Weiteres die für eine Präklusion erforderliche Anstoßwirkung. Der Kläger
hat sich mit verschiedenen Einwänden gegen die Plantrasse gewandt und den Ausbau der B 68
bzw. die Nordvariante V 37 gefordert, jedoch nichts zu einer Südvariante ausgeführt. Deshalb
war der Vorhabenträger nicht veranlasst, weitere Untersuchungen im Hinblick auf die
Geeignetheit der Südvariante anzustellen. Hätte der Kläger diese Variante als Alternative
angesehen, hätte er angesichts der ausgelegten Planunterlagen, aber auch gerade angesichts
der Vorgeschichte, darauf verweisen müssen.
80 Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, die Bechsteinfledermausvorkommen im
Casum und im Clever Bruch seien ihm erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bekannt
geworden, weshalb er die entsprechende Einwendung gegen den Trassenverlauf nicht früher
habe erheben können. Die neu entdeckten Fledermauskolonien eröffnen dem Kläger nicht
erneut die Rüge, die Südvariante sei eine besser geeignete und zumutbare Alternative im Sinne
von § 48d Abs. 5 Nr. 2 LG NRW (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG). Denn diese beiden Gebiete sind
nicht Teil des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ und sind auch nicht in dieses FFH-Gebiet
einzubeziehen. Die Südvariante könnte sich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen
allenfalls im Artenschutzrecht als besser geeignete Alternative i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2
BNatSchG erweisen, wenn die neu entdeckten Fledermauskolonien einen nicht lösbaren
naturschutzrechtlichen Konflikt auslösten, der bei einer Südvariante entfiele. Abgesehen davon,
dass ein solcher Konflikt nicht entsteht (s.u. unter 2.1.), wirken sich Tatsachen, die außerhalb des
FFH-Gebiets artenschutzrechtlich zu berücksichtigen sind, auf die Rechtmäßigkeit der
Verträglichkeitsprüfung nicht aus. Zwar setzt eine zumutbare Alternative i.S.d. § 45 Abs. 7 Satz 2
BNatSchG voraus, dass habitat- und artenschutzrechtliche Schutzvorschriften sich ihr gegenüber
nicht als ebenso wirksame Zulassungssperre erweisen wie gegenüber der planfestgestellten
Trasse (Urteile vom 14. Juli 2011 a.a.O. Rn. 137 und vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 -
BVerwGE 131, 274 Rn. 119). Das gilt jedoch nicht umgekehrt, denn der Artenschutz gilt nicht nur
in einem bestimmten Gebiet, sondern ubiquitär. Der Gebietsschutz geht gewissermaßen als
Sonderregelung dem Artenschutz vor (so wohl auch VGH Kassel, Beschluss vom 2. Januar
2009 - 11 B 368/08.T - NuR 2009, 255 <281> = juris Rn. 448; ferner Füßer/Lau, NuR 2012, 448
<456>). Die Zulassung von Projekten und deren Prüfung auf die Vereinbarkeit mit den
Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets beschränkt sich auf das Gebiet selbst unbeschadet
artenschutzrechtlicher Probleme außerhalb des Gebiets. Diese sind unabhängig vom
Gebietsschutz zu lösen.
81 1.2.4.3. Die von dem Planfeststellungsbeschluss in der hier geltenden Fassung
vorgesehenen Maßnahmen sichern die Kohärenz des Gebiets.
82 Wird ein Projekt nach § 48d Abs. 5 oder 6 LG NRW (§ 34 Abs. 3 und 4 BNatSchG)
zugelassen, sind nach § 48d Abs. 7 LG NRW (§ 34 Abs. 5 BNatSchG) die zur Sicherung des
Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ notwendigen Maßnahmen vorzusehen. Die durch
die Beeinträchtigung entstehende Funktionseinbuße im FFH-Gebiet ist durch Maßnahmen, die
zu dem Projekt hinzutreten, zu kompensieren. Kohärenzsicherungsmaßnahmen sollen
zusätzlich zu „Standard-Maßnahmen“, die zum Schutz und für das Management der für Natura
2000 ausgewiesenen Gebiete erforderlich sind (vgl. hierzu § 32 Abs. 3 Satz 3 BNatSchG und
Art. 6 Abs. 1 FFH-RL), ergriffen werden. Die Ausgestaltung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen
hat sich funktionsbezogen an der jeweiligen Beeinträchtigung auszurichten, derentwegen sie
ergriffen wird. Sie muss die beeinträchtigten Lebensräume und Arten in vergleichbaren
Dimensionen erfassen, sich auf die gleiche biogeographische Region im gleichen Mitgliedstaat
beziehen und Funktionen vorsehen, die mit den Funktionen, aufgrund deren die Auswahl des
ursprünglichen Gebiets begründet war, vergleichbar sind (EU-Kommission, Natura 2000 -
Gebietsmanagement - Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2000, S.
49 ff.). Zu den Maßnahmen gehören die Wiederherstellung oder die Verbesserung des
verbleibenden Lebensraums oder die Neuanlage eines Lebensraums, der in das Netz „Natura
2000“ einzugliedern ist (EU-Kommission, Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der „Habitat-
Richtlinie“ 92/43/EWG, Januar 2007 - künftig: EG-Auslegungsleitfaden - S. 11, 16 und 21; vgl.
auch Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 = Buchholz 451.91
Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 199). Der Ausgleich zur Kohärenzsicherung muss nicht
notwendig unmittelbar am Ort der Beeinträchtigung erfolgen; es reicht vielmehr aus, dass die
Einbuße ersetzt wird, die das Gebiet hinsichtlich seiner Funktion für die biogeographische
Verteilung der beeinträchtigten Lebensräume und Arten erleidet (vgl. EG-Auslegungsleitfaden S.
20 f.). In zeitlicher Hinsicht muss zumindest sichergestellt sein, dass das Gebiet unter dem
Aspekt des beeinträchtigten Erhaltungsziels nicht irreversibel geschädigt wird (Urteil vom 17.
Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 26,
jeweils Rn. 148). Ist das gewährleistet, lässt sich die Beeinträchtigung aber - wie im Regelfall -
nicht zeitnah ausgleichen, so ist es hinnehmbar, wenn die Kohärenzsicherungsmaßnahmen
rechtzeitig bis zur Vollendung des Vorhabens ergriffen, die Funktionseinbußen hingegen erst auf
längere Sicht wettgemacht werden (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 200).
83 Die Eignung einer Kohärenzsicherungsmaßnahme ist ausschließlich nach
naturschutzfachlichen Maßstäben zu beurteilen. An die Beurteilung sind weniger strenge
Anforderungen zu stellen als an diejenigen der Eignung von Schadensvermeidungs- und
Minderungsmaßnahmen. Während für letztere der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit zu fordern
ist, weil sich nur so die notwendige Gewissheit über die Verträglichkeit eines Plans oder Projekts
gewinnen lässt (vgl. Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 54 ff.), genügt es für die Eignung einer
Kohärenzsicherungsmaßnahme, dass nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine
hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wirksamkeit besteht. Anders als bei der Schadensvermeidung
und -minderung geht es bei der Kohärenzsicherung typischerweise darum, Lebensräume oder
Habitate wiederherzustellen oder neu zu entwickeln. Dieser Prozess ist in aller Regel mit
Unwägbarkeiten verbunden. Deshalb lässt sich der Erfolg der Maßnahme nicht von vornherein
sicher feststellen, sondern nur prognostisch abschätzen. Würde man gleichwohl die Gewissheit
des Erfolgseintritts fordern, müsste eine positive Abwägungsentscheidung regelmäßig am
Kohärenzerfordernis scheitern. Das widerspräche dem Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4
Unterabs. 1 FFH-RL, dem § 48d Abs. 7 LG NRW nachgebildet ist. Schon mit Rücksicht auf den
prognostischen Charakter der Eignungsbeurteilung verfügt die Planfeststellungsbehörde bei der
Entscheidung über Kohärenzsicherungsmaßnahmen über eine naturschutzfachliche
Einschätzungsprärogative. Das Gericht hat seine Prüfung insoweit auf eine
Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 201 f. und zur
Lebensraumtypzuordnung und Bestandsbewertung Rn. 74; zum Artenschutzrecht Urteil vom 9.
Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 65). Um sie vornehmen zu können, muss
die Eingriffs- und Kompensationsbilanz im Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar
offengelegt werden. Dafür genügt - wie bei der Anwendung der naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelung (vgl. dazu Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72
<84>) - eine verbal-argumentative Darstellung, sofern sie rational nachvollziehbar ist und
erkennen lässt, ob der Bilanzierung naturschutzfachlich begründbare Erwägungen zugrunde
liegen.
84 Diesen Grundsätzen genügen die planfestgestellten Kohärenzsicherungsmaßnahmen. Sie
basieren auf dem Neuaufbau der betroffenen Lebensraumtypen, ihrer Entwicklung durch
Umwandlung bzw. Optimierung von Waldbeständen sowie der dauerhaften Umwandlung
landwirtschaftlicher Flächen in extensiv bewirtschaftetes Grünland; damit verbunden ist eine
Reduzierung von Stickstoffeinträgen. Die naturschutzfachliche Einschätzung der
Planfeststellungsbehörde, dass dadurch langfristig die Gebietskohärenz gesichert ist, ist
vertretbar.
85 Für die Lebensraumtypen 9110 und 9190 ist die Aufforstung auf Ackerflächen innerhalb des
FFH-Gebiets wie auch auf unmittelbar angrenzenden Flächen (Maßnahmen M 1.8 und M 1.9)
vorgesehen. Die Entwicklung naturnaher Waldgesellschaften des Lebensraumtyps 9190 (M
1.12) erfolgt innerhalb des Gebiets. Die Waldaufforstungen für beide Lebensraumtypen können
naturgemäß die Funktionen eines ausgebildeten Waldes nicht unmittelbar übernehmen.
Demzufolge hat der Planfeststellungsbeschluss auch eine Jahrzehnte dauernde
Entwicklungszeit in das Maßnahmenkonzept eingestellt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,
dass auch die Stickstoffeinträge durch den Betrieb der Trasse nicht zu einem sofortigen Verlust
der Lebensraumtypen führen, sondern der Degenerationsprozess ebenfalls einen längeren
Zeitraum in Anspruch nimmt.
86 Der Lebensraumtyp 9190 wird auf Flächen innerhalb des FFH-Gebiets neu entwickelt. Diese
Flächen weisen derzeit nicht die Charakteristika des Lebensraumtyps auf, lassen sich aber
durch verschiedene im Einzelnen beschriebene Waldumbaumaßnahmen in einem Zeitraum von
weniger als 30 Jahren zum Lebensraumtyp 9190 entwickeln. Das wird dazu führen, dass sich
langfristig der Flächenanteil dieses Lebensraumtyps im FFH-Gebiet erhöhen und sich dadurch
sein Erhaltungszustand verbessern wird. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen
Verhandlung nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Waldumbaumaßnahmen,
etwa die Herausnahme von im Unterwuchs vorhandenen Fichten, Roteichen und/oder Kiefern
aus den einschlägigen Laubwaldbeständen bei gleichzeitiger Bestandspflege der
vorherrschenden Baumart Stieleiche nicht ihrerseits nachteilige Folgen für den Eichenwald
zeitigen werden. Hierbei handelt es sich auch entgegen der Auffassung des Klägers nicht um
Standard-Waldbewirtschaftungsmaßnahmen. Sie sind weder im Sofortmaßnahmenkonzept
(SOMAKO, vom 17. August 2007), dem für das FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ erstellten
Naturschutzfachkonzept, das die vorgesehenen Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen
enthält, noch im Landschaftsplan (Landschaftsplan „Halle-Steinhagen“ des Kreises Gütersloh
vom 24. Januar 2004 - künftig: Landschaftsplan) für das Gebiet vorgesehen und mussten dort
auch nicht vorgesehen werden. Die außerhalb des Gebiets neu entwickelten Flächen werden
entsprechend den Anforderungen in das FFH-Gebiet einbezogen und die Änderung der
Grenzziehung im Zuge der Nachmeldungen bzw. Meldekorrekturen des Landes Nordrhein-
Westfalen an die EU-Kommission bekannt gegeben.
87 Darüber hinaus werden Stickstoffeinträge, die auf die Lebensraumtypen einwirken, an
anderer Stelle des FFH-Gebiets als in der Trassenumgebung gemindert. Unmittelbar
angrenzend an das FFH-Gebiet werden intensiv landwirtschaftlich genutzte Ackerflächen
umgewandelt (M 1.10). Teilweise wird, wie oben beschrieben, aufgeforstet, teilweise wird
extensiv genutztes Grünland ohne jegliche Düngung angelegt. Dadurch wird sichergestellt, dass
Stickstoffeinträge in das Gebiet, wie sie regelmäßig durch Düngung erfolgen, unterbleiben.
Damit will die Planfeststellungsbehörde den Erhaltungszustand der Lebensraumtypen 9110 und
9190 stabilisieren. Das erscheint nachvollziehbar. Offenbleiben kann, ob für die Minderung der
Stickstoffeinträge auch die vorgesehene Umwandlung der bisher als Acker genutzten Flächen
innerhalb des FFH-Gebiets in vollem Umfang angerechnet werden kann. Denn innerhalb des an
dieser Stelle als Naturschutzgebiet ausgewiesenen FFH-Gebiets ist nach dem Landschaftsplan
Halle die Gülledüngung bereits gegenwärtig untersagt und findet auch nach den Angaben der
Vertreterin der Höheren Landschaftsbehörde dort nicht statt. Durch die Ackerbewirtschaftung
dürfte deshalb Stickstoff in geringerer Menge als berechnet eingetragen worden sein. Das
berührt jedoch die Rechtmäßigkeit des Kohärenzmaßnahmenkonzepts nicht, weil auch die dann
noch verbleibenden Maßnahmen die Kohärenz des Gebiets in Bezug auf die Lebensraumtypen
9190 und 9110 sichern. Auch bei vollständiger Herausnahme der vorgesehenen Umwandlung
von Acker in Extensivgrünland innerhalb des FFH-Gebiets (4,38 ha, Landschaftspflegerischer
Begleitplan, Maßnahme M/A 9.901, 9.902) übersteigt die Maßnahmenfläche die beeinträchtigte
Fläche in Bezug auf beide Lebensraumtypen noch deutlich. Die hier getroffenen Maßnahmen
sind zudem in einem Gesamtkonzept zu sehen. Die Aufgabe der intensiven Ackernutzung geht
einher mit Waldaufforstung und Waldumbau und sichert verbunden mit der Festschreibung nur
noch extensiver Grünlandnutzung im Planfeststellungsbeschluss auf Dauer den geschützten
Lebensraum vor nachteiligen Wirkungen.
88 Der Kläger kann auch nicht damit gehört werden, die Minderung des Stickstoffeintrags
außerhalb des FFH-Gebiets sei nicht als Kohärenzmaßnahme zu berücksichtigen, weil die
zuständige Behörde ohnedies verpflichtet gewesen wäre, die intensive Ackernutzung zu
untersagen, denn sie stelle ein das Gebiet beeinträchtigendes Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3
FFH-RL dar; zumindest aber sei Art. 6 Abs. 2 FFH-RL anzuwenden.
89 Die landwirtschaftliche Bodennutzung ist im Regelfall nicht als Projekt im Sinne des § 48d
Abs. 4 LG NRW, § 34 Abs. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 FFH-RL anzusehen (in diesem Sinne die
Bundesregierung, BRDrucks 278/09 S. 203 f.; ebenso Frenz, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG,
2011, § 34 Rn. 24; nicht eindeutig Gellermann, NuR 2007, 783). Der Europäische Gerichtshof
hat mit Bezug auf die UVP-Richtlinie die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen
sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von
Bodenschätzen als Projekte angesehen (Urteil vom 7. September 2004 - Rs. C-127/02 - Slg.
2004, I-7405 Rn. 24). Als Eingriff in Natur und Landschaft ist nach § 14 Abs. 2 BNatSchG die
landwirtschaftliche Bodennutzung nicht anzusehen, wenn die Ziele des Naturschutzes
berücksichtigt werden. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn die Voraussetzungen des § 5
Abs. 2 BNatSchG erfüllt sind. Dieser Regelfall kann jedoch dann nicht angenommen werden,
wenn Besonderheiten der landwirtschaftlichen Nutzung im konkreten Fall mit den
naturschutzfachlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind (vgl. Ewer, in: Lütkes/Ewer,
BNatSchG, 2011, § 34 Rn. 4). Ist ein Natura 2000-Gebiet betroffen, hat die zuständige Behörde
sicherzustellen, dass es nicht zu Veränderungen und Störungen kommt, die zu einer erheblichen
Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck
maßgeblichen Bestandteilen führen können (§ 33 Abs. 1 BNatSchG). Die Frage, ob von einer
konkreten landwirtschaftlichen Nutzung eine solche Beeinträchtigung droht, ist zuvörderst eine
naturschutzfachliche Frage, die der für die Unterschutzstellung zuständige Normgeber durch die
Schutzgebietsausweisung und die Schutzgebietspflege zu regeln hat. Der hier zuständige Kreis
Gütersloh hat im Landschaftsplan Halle-Steinhagen festgelegt, unter welchen Voraussetzungen
im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung Dünger eingebracht werden darf. Das SOMAKO
legt im Einzelnen umfangreiche Pflegemaßnahmen für das FFH-Gebiet fest. Eine allgemeine
Freistellung der Landwirtschaft, wie sie zweifelhaft sein könnte (vgl. EuGH, Urteile vom 10.
Januar 2006 - Rs. C-98/03 - Slg. 2006, I-53 Rn. 41 f. und vom 4. März 2010 - Rs. C-241/08 - Slg.
2010, I-1697 Rn. 30 f.), ist hier gerade nicht vorgenommen worden. Vielmehr hat der
Satzungsgeber differenzierend das Düngen geregelt und für besonders sensible Bereiche des
Naturschutzgebiets das Einbringen von Gülle verboten (Ziff. 2.1.0.3.7), was auch auf die hier in
Rede stehenden mit den geschützten Lebensraumtypen bewachsenen Flächen zutrifft; im
Übrigen ist im Rahmen der guten fachlichen Praxis (§ 5 Abs. 2 BNatSchG) die Düngeverordnung
(Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und
Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen vom 27.
Januar 2007, BGBl I S. 221) zu beachten. Dementsprechend formuliert der Landschaftsplan als
Ziel die extensive Nutzung der Flächen u.a. mit Verzicht auf Gülledüngung. Das FFH-Gebiet
„Tatenhauser Wald“ ist teilweise als Naturschutzgebiet, teilweise als Landschaftsschutzgebiet,
das auch die unmittelbar an das FFH-Gebiet angrenzenden, aber außerhalb von ihm gelegenen
Flächen umfasst, ausgewiesen worden. Danach ist die zuständige Behörde im Rahmen des ihr
zustehenden Einschätzungsspielraums in vertretbarer Weise davon ausgegangen, dass mit den
auf das Gebiet zugeschnittenen Regeln eine Verschlechterung der natürlichen Lebensräume
und der Habitate der Arten im Sinne des § 33 Abs. 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 2 FFH-RL nicht
eintreten wird.
90 Darüber hinaus kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass die Maßnahmen M 1.8 und
M 1.9 zur Aufforstung von Waldflächen unzulässigerweise doppelt verrechnet würden, weil sie
einerseits im Rahmen der Eingriffsregelung die Beseitigung von Wald kompensieren sollten und
andererseits im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung Kohärenzmaßnahmen für andere
Waldflächen darstellten, die durch Stickstoffeinträge degenerierten.
91 Grundsätzlich lässt § 15 Abs. 2 Satz 4 BNatSchG die Anerkennung von
Kohärenzmaßnahmen nach § 34 Abs. 5 BNatSchG als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im
Sinne des § 15 Abs. 1 BNatSchG zu (vgl. insoweit Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg,
BNatSchG, 2011, § 15 Rn. 47 f.). Die Anrechnung der Maßnahmen im Habitatschutzrecht zum
Kohärenzausgleich nach § 34 Abs. 5 BNatSchG ermöglicht und bezweckt, dass es nicht zu
Doppelkompensationen aus unterschiedlichen Rechtsquellen kommt (Lütkes, in: Lütkes/Ewer,
BNatSchG, 2011, § 15 Rn. 33; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni
2012, § 15 BNatSchG Rn. 22 f.). Deshalb liegt eine unzulässige Anrechnung nicht vor, weil die
Beeinträchtigungen, die durch Kohärenzmaßnahmen ausgeglichen werden sollen, im Rahmen
der Eingriffsregelung ebenfalls berücksichtigt werden.
92 Die für den Lebensraumtyp 91E0* getroffenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen sind
ebenfalls nicht zu beanstanden.
93 Der Kläger rügt zu Unrecht, dass von einer größeren mit zusätzlichen Stickstoffeinträgen
belasteten Fläche, als dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt, auszugehen sei. Die 3
%-Grenze dürfe auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 14. April 2010 -
BVerwG 9 A 5.08 - BVerwGE 136, 291 Rn. 93) nicht angewandt werden, weil die Vorbelastung
die Critical Loads (CL) nicht um mehr als das Doppelte überschreite. Diese Auslegung der
genannten Senatsentscheidung trifft nicht zu. Das vom Kläger zitierte Urteil geht davon aus, dass
jedenfalls in Fallgestaltungen, in denen die Vorbelastung die CL um mehr als das Doppelte
übersteigt, eine Irrelevanzschwelle von 3 % des jeweiligen CL-Wertes anzuerkennen ist. Die
Annahme ist nicht dahin zu verstehen, dass nur in solchen Fällen oder bei noch höheren
Vorbelastungswerten eine Irrelevanzschwelle angenommen werden könnte. Vielmehr betrugen
im konkreten Fall die CL-Werte mehr als das Doppelte der Vorbelastung. Bei dieser Sachlage
hat der Senat darauf abgestellt, dass die Zusatzbelastung gegenüber der Vorbelastung sehr
gering ins Gewicht falle; zudem lasse sich dann ein dem CL-Wert entsprechender Zustand
ohnehin nicht mit den spezifischen Mitteln des Habitatrechts, sondern nur durch eine effektive
Luftreinhaltepolitik erzielen (Urteil vom 14. April 2010 a.a.O. Rn. 94). Nichts anderes gilt für den
vorliegenden Fall, bei dem die Vorbelastung (71 - 76 kg N/ha a) die CL-Werte (31 - 32 kg N/ha a)
nicht ganz um das Doppelte übersteigt, jedoch so deutlich, dass auch hier der 3 %-Wert kaum
ins Gewicht fällt. Davon abgesehen wird die 3 %-Grenze nach neuestem wissenschaftlichen
Erkenntnisstand ohnehin nicht auf Fälle beschränkt, in denen schon die Vorbelastung die CL um
ein Mehrfaches übersteigt (s. Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten
Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope - Leitfaden zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der
FFH-Verträglichkeitsprüfung für Straßen, Stand Juli 2012, S. 46 ff.).
94 Der Planfeststellungsbeschluss sieht als Maßnahme M 1.14 für den Lebensraumtyp 91E0*
innerhalb des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ im Kontakt zu einem bereits als Lebensraumtyp
91E0* ausgewiesenen Erlen-Eschen-Wald am Laibach die Wiederherstellung und
Neuentwicklung des Lebensraumtyps vor. Außerhalb des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“,
jedoch innerhalb des FFH-Gebiets „Ruthebach, Laibach, Loddenbach, Nordbruch“ soll entlang
eines Teils des Laibachs, der sich südlich des FFH-Gebiets „Tatenhauser Wald“ fortsetzt, durch
Entfernung von nicht bodenständigen Pflanzen und Neuanpflanzungen von
lebensraumtypischen Arten der Lebensraumtyp 91E0* entwickelt werden. Auch im FFH-Gebiet
„Ruthebach, Laibach, Loddenbach, Nordbruch“ sind Flächen des Lebensraumtyps 91E0* als
Erhaltungsziele geschützt. Soweit der Kläger hiergegen Einwände erhebt, vertritt er eine andere
naturschutzfachliche Auffassung als die Behörde. Die Unvertretbarkeit der behördlichen
Auffassung ist damit aber nicht dargetan.
95 Schon diese beiden Maßnahmen übersteigen den Umfang der beeinträchtigten Fläche im
FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“. Darüber hinaus sieht das Maßnahmenkonzept aber auch die
intensive Bekämpfung des Japanischen Staudenknöterichs vor (M 1.11). Da der
Staudenknöterich in erheblichem Umfang Stickstoff bindet, kann durch seine Beseitigung eine
Stabilisierung des Erhaltungszustandes des Lebensraumtyps 91E0* erfolgen (vgl. dazu den
vorgenannten Leitfaden zur Prüfung von Stickstoffeinträgen in der FFH-Verträglichkeitsprüfung
für Straßen, S. 62). Der Umfang dieser Maßnahmen geht weit über die im SOMAKO
vorgesehenen Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen (vgl. SOMAKO Ziff. 5.2) hinaus. Die im
Kohärenzmaßnahmenkonzept vorgesehene intensive Bekämpfung mit sechs bis acht Mahden
pro Jahr und Entsorgung sämtlicher Pflanzenteile zielt langfristig auf eine Beseitigung der
schädigenden Pflanze. Es ist nachvollziehbar, dass bei derart intensiver Behandlung die Pflanze
langfristig zugunsten der Pflanzen des Lebensraumtyps 91E0* deutlich schlechtere
Wachstumsbedingungen vorfindet. Die naturschutzfachliche Einschätzung der
Planfeststellungsbehörde, dass sich auf diese Weise die Pflanze langfristig entfernen lässt und
der Erhaltungszustand des Lebensraumtyps 91E0* nachhaltig verbessert wird, ist
nachvollziehbar. Soweit der Sachbeistand des Klägers in der mündlichen Verhandlung eine
andere Auffassung vertreten hat, kann dies die Einschätzung der Behörde nicht erschüttern.
96 Allerdings bestehen Bedenken, ob sich die Effizienz dieser Maßnahme ohne Weiteres, wie
das Kohärenzmaßnahmenkonzept intendiert, auf Dauer in der Bilanzierung der
Stickstoffmengen, die durch diese Maßnahmen ausgetragen und auf der anderen Seite durch
den künftigen Trassenbetrieb eingetragen werden, messen lässt. Je mehr Staudenknöterich
nämlich aus dem Gebiet beseitigt ist, desto geringer dürften die Stickstoffmengen sein, die
ausgetragen werden. Dazu verhält sich das Kohärenzmaßnahmenkonzept nicht. Das führt
jedoch nicht auf einen Rechtsfehler, denn die Maßnahme ist zugunsten der Kohärenz des
Gebiets berücksichtigungsfähig, weil sie nicht nur zur Stickstoffaustragung beiträgt, sondern
darüber hinaus das lebensraumtypische Arteninventar dauerhaft verbessert.
97 2. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt auch nicht gegen Regelungen des Artenschutzes.
Der Planfeststellungsbeschluss hat unter Berücksichtigung der darin angeordneten
landschaftspflegerischen Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen alle erforderlichen Regelungen
getroffen, damit durch das Vorhaben keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt
werden. Die weitgehend andere naturschutzfachliche Einschätzung des fachlich beratenen
Klägers zu den Auswirkungen der Trasse und zur Wirksamkeit der vom
Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Vermeidungs-, Ausgleichs- und
Verhinderungsmaßnahmen führt nicht zur Fehlerhaftigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.
Dass die naturschutzfachliche Einschätzung der Planfeststellungsbehörde unvertretbar wäre,
kann nicht festgestellt werden.
98 Es ist nicht zu befürchten, dass das Vorhaben bau- oder betriebsbedingt den Tötungs- und
Verletzungstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG dadurch erfüllt, dass Fledermäuse und
Vögel infolge von Kollisionen mit Kraftfahrzeugen zu Schaden kommen. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsverbots mit Blick auf die bei einem
Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit
Kraftfahrzeugen erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene
Tierart signifikanten Weise erhöht (Urteile vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE
130, 299 = Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 219, vom 9. Juli 2008 - BVerwG
9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91 und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE
134, 308 Rn. 56). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kollisionen vermieden werden, in
die Betrachtung einzubeziehen. Der Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn das Risiko
kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemplaren in einem Risikobereich verbleibt, der mit
einem Verkehrsweg im Naturraum immer verbunden ist. Dass diese Schwelle erreicht würde, ist
nach den tatsächlichen Annahmen der planfestgestellten Gutachten unter Berücksichtigung der
festgesetzten Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen zu verneinen.
99 Zu Unrecht kritisiert der Kläger, der Beklagte sei schon nicht von einer zutreffenden
Datengrundlage ausgegangen.
100 Die Prüfung, ob ein Vorhaben gegen artenschutzrechtliche Verbote verstößt, setzt nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine ausreichende
Bestandsaufnahme der im Trassenbereich vorhandenen Arten, die in den Anwendungsbereich
der Verbote fallen, und ihrer Lebensräume voraus. Dabei hängen Art, Umfang und Tiefe der
Untersuchungen von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall sowie von Art und
Ausgestaltung des Vorhabens ab. Erforderlich ist eine am Maßstab praktischer Vernunft
ausgerichtete Prüfung (so zum vorangegangenen Abschnitt 6 Urteil vom 12. August 2009 a.a.O.
Rn. 37 ff.). Da die Bestandserfassung und die daran anschließende Beurteilung, ob und
inwieweit naturschutzrechtlich relevante Betroffenheiten vorliegen, auf ökologische Bewertungen
angewiesen sind, für die normkonkretisierende Maßstäbe und verbreitet auch gesicherte
naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Standards fehlen, steht der Planfeststellungsbehörde
insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in diesem Rahmen
getroffenen, auf fachgutachtliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der
Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall
naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich
als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen
gerecht zu werden (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Urteile vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 54 ff.
m.w.N. und vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 38).
101 Die vom Planfeststellungsbeschluss beschriebenen Erhebungsmethoden genügen diesen
Anforderungen (S. 202 ff.). Den artenschutzfachlichen Einschätzungen liegen zum einen die in
den Fachbeiträgen dargestellten faunistischen Untersuchungen vor Ort zugrunde; zum anderen
beruhen sie auf der Abfrage vorhandener Erkenntnisse bei Fachbehörden und ehrenamtlichen
Stellen des Naturschutzes sowie auf der Auswertung bereits vorliegender Daten, gutachterlicher
Untersuchungen und der einschlägigen Fachliteratur zu den in Rede stehenden streng oder
besonders geschützten Arten, deren Verhaltensweisen und Habitatansprüchen. Dieses
methodische Vorgehen entspricht in seinem grundsätzlichen Ansatz dem rechtlich Gebotenen
und gewährleistet eine breite Datenbasis für die Prüfung der artenschutzrechtlichen
Verbotstatbestände. Die Einwände des Klägers gegen Methodik, praktische Durchführung,
Umfang und Ermittlungstiefe der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden
artenschutzfachlichen Bestandsaufnahme bleiben ohne Erfolg, weil er nicht den vorstehenden
rechtlichen Maßstab zugrunde legt, sei es, dass er weitergehende Ermittlungen in einem Umfang
fordert, der aus Rechtsgründen nicht nötig ist, sei es, dass seine Kritik angesichts des
naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraums des sachverständig beratenen Beklagten nicht
durchdringt (so schon der Senat im Urteil vom 12. August 2009 a.a.O. Rn. 40 f., dem ähnliche
von der dortigen Klägerseite vorgetragene artenschutzrechtliche Bedenken zugrunde lagen).
102 2.1. Mit der Kritik, die Fledermäuse, die beeinträchtigt würden, seien nur unzureichend
untersucht worden, die Tiere würden erheblich gestört, ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten
zerstört, und die Gefahr der Tötung durch Kollisionen sei gegeben, kann der Kläger nicht
durchdringen.
103 2.1.1. Wie bereits oben unter 1.1. ausgeführt, hat der Beklagte den Bestand der
Bechsteinfledermauskolonie im Casum und im Clever Bruch in rechtlich nicht zu
beanstandender Art und Weise erfasst und bewertet. Er hat sich damit innerhalb des
naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraums gehalten. Gleiches gilt für die Untersuchung
des Vorkommens der weiteren im Planfeststellungsbeschluss genannten Fledermausarten. Im
Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Teil B ist dargelegt, dass auch die Untersuchung dieser
Arten einerseits auf vorhandene Daten in Datenbanken und Untersuchungen, andererseits auf
eigene Untersuchungen der vom Vorhabenträger beauftragten Gutachter zurückgeht. Es ist nicht
zu erkennen, dass die Bestandserfassung, die zum Teil für die Verträglichkeitsprüfung erfolgt ist,
hinter den Anforderungen, die in artenschutzrechtlicher Hinsicht zu stellen sind, zurückgeblieben
wäre.
104 Der Planfeststellungsbeschluss geht zu Recht davon aus, dass hinsichtlich der
Fledermäuse durch das Vorhaben kein bau- oder betriebsbedingter Verbotstatbestand des § 44
Abs. 1 BNatSchG zu befürchten ist.
105 Soweit ein erhöhtes Kollisionsrisiko im Hinblick auf häufig genutzte Querungen besteht (§
44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG), wird dem dadurch begegnet, dass an allen einschlägigen Stellen
Irritationsschutzwände oder Wall-Wand-Anlagen das Einfliegen der Fledermäuse in die Trasse
verhindern. Alle Fledermäuse des Gebiets fliegen mehr oder weniger strukturgebunden. Durch
entsprechend geschaffene Strukturen werden sie zu den Querungshilfen - Grünbrücken,
Unterführungen - geleitet bzw. durch die Irritationsschutzwände veranlasst, die Trasse hoch
fliegend zu queren. Die Irritationsschutzwände sind durchgängig auf eine Gesamthöhe der
Abschirmung von 4 m ausgelegt. Die Höhe der Irritationsschutzwand hängt von den örtlichen
Gegebenheiten ab, weshalb sie im Planfeststellungsbeschluss auf gleich oder weniger als 4 m
festgelegt sind. Bestehende Wälle werden durch eine Irritationsschutzwand auf 4 m Gesamthöhe
ergänzt. Die Querungshilfen entsprechen den geforderten Dimensionierungen (s.o.).
106 Ein Tötungsrisiko, das durch das Fällen von Bäumen realisiert wird, ist nach dem
vertretbaren naturschutzfachlichen Konzept des Planfeststellungsbeschlusses, das auf eine
Reihe von Maßnahmen abstellt, nicht anzunehmen. Der Planfeststellungsbeschluss legt
Baumfällarbeiten auf die Zeit zwischen Mitte September und Ende Oktober/Anfang November
fest, d.h. in einer Übergangsphase von Sommerquartieren zu Winterquartieren
(Nebenbestimmung 7.5.2), in der sich die Fledermäuse in ihrer Schwarm- und
Ausbreitungsphase befinden, in der sie ihre Quartiere besonders häufig wechseln und daher die
geringste Gefährdung besteht. Darüber hinaus sieht die Nebenbestimmung 7.5.6 die
Untersuchung potenzieller Quartiere durch qualifizierte Personen auf ihre Nutzung und eine
Sicherung vor Einflug bis zur Fällung vor.
107 Erhebliche Störungen, die den Erhaltungszustand der lokalen Population der Fledermäuse
verschlechtern können, § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, treten voraussichtlich nicht ein. Störungen
durch Licht während des Trassenbetriebs werden durch die Irritationsschutzwände in den
entscheidenden Bereichen verhindert. Der Planfeststellungsbeschluss verbietet
Nachtbauarbeiten in den fledermausbedeutsamen Waldbereichen während der Aktivitätszeit der
Fledermäuse von April bis Oktober und sieht für die zwingend notwendigen Nachtarbeiten eine
Abstimmung mit der ökologischen Baubegleitung vor (PFB S. 44 Nebenbestimmung 7.5.2). Es
ist nicht ersichtlich, dass damit eine nächtliche Baustellenbeleuchtung, die die Fledermäuse
stören könnte, zugelassen wäre. Zerschneidungswirkungen der Trasse, die sich störend
auswirken können, werden durch Querungshilfen vermieden. Störungen durch Lärm führen bei
den aktiv akustisch ortenden Fledermausarten nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen; sie
gelten als wenig bis nicht lärmempfindlich (vgl. FE-Gutachten S. 292). Die beeinträchtigenden
Lärmeinwirkungen können für die passiv akustisch Beute ortenden Fledermäuse wie etwa das
Große Mausohr, das Braune Langohr und die Bechsteinfledermaus durch die
Irritationsschutzwände nachhaltig gemindert werden. Soweit im Übrigen Jagdhabitatsverluste
anzunehmen sind, haben diese voraussichtlich keine populationswirksamen Folgen und werden
zudem durch die vorgesehenen Maßnahmen zum Auffangen von Jagdhabitatsverlusten
kompensiert (vgl. dazu im Einzelnen Artenschutzrechtlicher Fachbeitrag Deckblatt I Teil B
Unterlage 12.4.2.1 - künftig: Fachbeitrag Teil B).
108 Schließlich wird der Zerstörungstatbestand, § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, nicht erfüllt. Soweit
Zerstörungen von Quartieren unvermeidbar sind, wird die ökologische Funktion der von dem
Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang
weiterhin erfüllt (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG) und durch die Sicherung von Althölzern
(Fachbeitrag Teil B) nachhaltig bewahrt. Durch das Herausnehmen von geeigneten
Baumhölzern aus der forstlichen Nutzung wird ein Aufwertungsprozess des Waldgebiets
eingeleitet; zudem werden im Einzelfall vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen - das Aufhängen
von Fledermauskästen - angeordnet, die allerdings nur ergänzende Funktion haben können, da
ihre Wirksamkeit nicht für alle Fledermausarten nachgewiesen ist. Der Eingriff ist zudem nach §
15 BNatSchG zulässig (vgl. unten 4.4.).
109 Die Rüge des Klägers, die Gutachter des Vorhabenträgers hätten schützenswerte Quartiere
unzureichend bestimmt, greift nicht. Von dem Beschädigungs- und Zerstörungsverbot sind die
Wochenstubenquartiere und die Ruhestätten erfasst, die jedenfalls für eine gewisse Zeit einen
artspezifischen Ansprüchen genügenden störungsfreien Aufenthalt ermöglichen sollen und die
wiederkehrend genutzt werden. Fledermäuse nutzen Höhlenbäume häufig wechselnd als
Tagesquartiere, so dass es dabei nicht auf den Schutz eines einzelnen Baumes ankommt,
sondern darauf, ob die Funktion eines Verbundes gestört wird (vgl. dazu Urteile vom 18. März
2009 - BVerwG 9 A 39.07 - BVerwGE 133, 239 Rn. 69, vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A 73.07 -
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 39 Rn. 91 und vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 -
BVerwGE 134, 308 Rn. 68; Beschluss vom 8. März 2007 - BVerwG 9 B 19.06 - NVwZ 2007, 708
Rn. 8). Der Fachbeitrag Teil B (S. 6) geht dementsprechend davon aus, dass die Quartiersuche
vor allem auf die für die Populationen wesentlichen Wochenstubenquartiere ausgerichtet worden
sei, nicht aber systematisch auf alle möglichen Habitate und Strukturen, die als Quartiere in
Betracht kommen könnten. Im Übrigen wurde - entgegen der Behauptung des Klägers - eine
Höhlenbaumkartierung (2003 und ergänzend 2004, wohl noch zu dem 2004 eingestellten
Planfeststellungsverfahren) durchgeführt, bei der alle quartierverdächtigen Baumhöhlen, Spalten
und Risse aufgenommen wurden (Fachbeitrag Teil B S. 7). Außerdem hat die Prüfung die
Funktionsbedeutung der Quartiere berücksichtigt, weil sie unter Funktionen mit besonderer bzw.
hoher Bedeutung nicht nur Wochenstubenquartiere, sondern auch Balzquartiere und
Winterquartiere auflistet, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Zudem sind Quartierverluste
als Höhlenbaumverluste definiert (Fachbeitrag Teil B S. 49).
110 2.1.2. Vor diesem Hintergrund greifen auch die Einwände, die der Kläger in Bezug auf
einzelne Teilbereiche des untersuchten Raums erhebt, nicht durch.
111 Der Kläger kann nicht damit gehört werden, das Feldgehölz südlich der K 25 sei nicht
untersucht worden, so dass alle Tatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfüllt seien. Das ist
nicht der Fall. Der Fachbeitrag Teil B hat angesichts der geringen Größe im Umfang von 0,3 bis
0,4 ha und der Strukturmerkmale einen zulässigen Analogieschluss gezogen und danach
Beeinträchtigungen bestimmt, die lediglich in dem Verlust von Jagdhabitaten bestehen und in
einem den Verlust übersteigenden Umfang ausgeglichen werden. Das ist vertretbar.
112 Verbotstatbestände werden entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im
Waldbereich westlich Hachhofe verwirklicht. Dem Kollisionsrisiko wird durch die Errichtung von
Irritationsschutzwänden und Querungshilfen begegnet. Die beiden kleine Gewässer
unterführenden Durchlässe BW 15 und 16 genügen nach der naturschutzfachlich vertretbaren
Einschätzung (vgl. FE-Gutachten S. 227) im Ergebnis den Anforderungen an die
Dimensionierung für die im Gebiet vorhandenen Fledermäuse. Dabei wird berücksichtigt, dass
die Unterführungen ohnedies nur für Fledermausarten relevant sein können, die Quartiere in
Streugehöften südlich der K 25 haben. Für diese Arten werden die beiden Durchlässe an
vorhandene Flugwege und nahe gelegene Jagdhabitate angebunden (Fachbeitrag Teil B S. 71).
113 Der Planfeststellungsbeschluss geht von Habitatflächenverlusten, eingeschlossen sind
Verluste von Höhlenbäumen, im Umfang von 9,3 ha für alle dort festgestellten Fledermausarten
aus. Die Erfassung von Höhlenbäumen als potenziell geeignete Quartiere ist durch die
gutachterliche Stellungnahme vom 13. Januar 2011 (F. L.), der eine Aktualisierung und
Überprüfung der Fledermausdaten für die Planfeststellung an allen relevanten Abschnitten der
Trasse aufgrund einer Untersuchung aus dem Jahre 2010 zugrunde lag, bestätigt worden (FÖA
vom 17. Mai 2011). Besetzte Quartiere in dem fraglichen Bereich wurden auch von dieser
Untersuchung nicht festgestellt. Damit hat sich die vom Fachbeitrag Teil B unterstellte Sachlage
bestätigt. Die zum Ausgleich der Flächen- und Funktionsverluste im Fachbeitrag Teil B
festgesetzten Maßnahmen sind nachvollziehbar darauf abgestellt.
114 Die Beurteilung der Kollisionsgefahr im Bereich westlich Hachhofe geht von der
naturschutzfachlich begründeten Annahme aus, dass es am östlichen Rand des Tatenhauser
Waldes schon über die L 782 hinweg nur geringe Flugwegebeziehungen der Fledermäuse gibt,
weil diese Trasse schon eine deutliche Trennwirkung ausübt. Deshalb ist die Überführung
Postweg (BW 18) lediglich als Ergänzung zu sehen. Die Überführung soll als Wirtschaftsweg
sowohl die A 33 wie auch die L 782 überspannen und neben dem technischen Bauwerk eine
Querungshilfe für Fledermäuse darstellen und auf diese Weise wieder einen
Lebensraumverbund über die beiden Trassen hinweg herstellen. Die Breite entspricht den
Anforderungen des FE-Gutachtens (S. 229 ff.) und die naturschutzfachliche Einschätzung, dass
der Verkehr auf einem Wirtschaftsweg nachts äußerst gering ist und deshalb die Fledermäuse
nicht gehindert werden, die Brücke zu nutzen, ist nachvollziehbar.
115 Der Zerstörungstatbestand ist nicht erfüllt. In diesem Bereich werden Flächen nicht in
Anspruch genommen, weil die Trasse ausschließlich auf der Trasse der L 782 geführt und nach
Osten verbreitert wird. Die dadurch verursachten Eingriffe sind an anderer Stelle berücksichtigt.
116 Der Kläger kann die Erfüllung der Tatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 1 - 3 BNatSchG nicht mit
Erfolg für den Bereich Paulinenweg geltend machen, weil dort bei den Untersuchungen 2010
höhere Fledermausaktivitäten als in den Jahren zuvor festgestellt worden sind. Die
Untersuchungen haben für die Jagdaktivitäten verschiedener Fledermausarten, insbesondere
der Zwergfledermaus, eine größere Bedeutung des Waldbereichs als noch 2004 eingeschätzt
ergeben (PFB S. 242); durch die Aufgabe der Verrieselung auf den nördlich der Trasse
gelegenen Flächen der Firma S. hat sich dort eine bessere Habitatausstattung entwickelt. Eine
bestimmte Flugroute hat der Gutachter jedoch nicht identifizieren können. Die
naturschutzfachlich andere Einschätzung des Klägers führt nicht auf einen Fehler.
117 Das Zerstörungsverbot wird auch nicht durch den geplanten Abriss der zwei
Scheunengebäude bei Birkmanns Hof erfüllt. Der Kläger hält diese für unersetzlich, weil sie ein
optimales Quartier für die Braunen Langohren seien, dessen Qualität durch andere Quartiere
nicht und schon gar nicht durch Fledermauskästen ersetzbar sei. Im Planfeststellungsbeschluss
ist festgelegt (S. 348 f.), dass die von den Fledermäusen genutzten Gebäudeteile erst und nur im
Zeitraum zwischen Mitte September und Ende Oktober/Anfang November abgerissen werden
dürfen, wenn nachgewiesen ist, etwa durch Kastenmonitoring/Telemetrie, dass die Fledermäuse
andere angebotene Quartiere nutzen bzw. sich selbstständig in ein anderes Quartier
umgesiedelt haben. Insoweit geht der Beklagte zutreffend davon aus, dass durch diese
Maßnahmen die Tötung von Fledermäusen verhindert wird (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) und
auch eine Störung insoweit nicht anzunehmen ist (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG). Das
Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) wird ebenfalls nicht erfüllt,
weil der Abriss erst erfolgen kann, wenn die Gebäude nicht mehr genutzt werden. Zudem
werden als vorsorgliche Maßnahmen zusätzliche dreimal zehn Quartiere in Form von
Fledermauskästen unterschiedlicher Bauart im benachbarten Wald angeboten.
118 Die vom Kleinen Abendsegler als Quartier genutzten Bäume auf dem Gelände des Hofs
Birkmann und unter Umständen am Waldrand im nahen Umfeld des Hofs werden durch die
Trasse in Anspruch genommen. Um eine Tötung der Tiere zu verhindern, dürfen die Bäume nur
in der vom Planfeststellungsbeschluss festgelegten Zeit und nach vorheriger Besatzprüfung
gefällt werden (Nebenbestimmungen 7.5.5 bis 7.5.7). Die Funktionalität der Fortpflanzungs- und
Ruhestätten bleibt erhalten, weil in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang in ausreichendem
Umfang Ausweichquartiere bestehen; darüber hinaus ist anzunehmen, dass bei dem großen
Aktionsraum der Art (mehr als 10 km) auch im weiteren Umfeld Ausweichquartiere vorhanden
sind. Zudem sind Fledermauskästen unterschiedlicher Bauart in der Umgebung aufzuhängen.
119 Da eine Prognoseunsicherheit in Bezug auf die Annahme der Fledermauskästen für beide
genannten Fledermausarten besteht, hat der Planfeststellungsbeschluss ein Monitoring in Bezug
auf das Verlassen der Scheunen und die Annahme der Fledermauskästen angeordnet (PFB S.
372 ff.; zur Zulässigkeit Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 =
Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 30, jeweils Rn. 105).
120 Die im Clever Bruch 2010 festgestellte Bechsteinfledermauskolonie hat ihren Aktionsraum
vornehmlich im Norden, zumal die Quartiere deutlich nördlich der geplanten Trasse liegen und
Funktionsbeziehungen zum Teutoburger Wald, der ca. 1 km entfernt beginnt, bestehen.
Querungen nach Süden werden durch eine Unterführung an der Neuen Hessel (BW 27) und
eine 50 m breite Grünbrücke sichergestellt (Fachbeitrag Teil B S. 87) und dadurch das
Kollisionsrisiko weitgehend vermieden. Die Neue Hessel hat eine hohe Bedeutung als Leitlinie
auch für andere Fledermäuse und sonstige Arten. Soweit der Kläger rügt, die Tiere hätten
andere Flugrouten, bewertet er den Sachverhalt naturschutzfachlich anders als die Behörde.
121 Die Fledermäuse im Raum Casum sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht einem
erhöhten Kollisionsrisiko ausgesetzt, das den Tötungstatbestand nach § 44 Abs. 1 Nr. 1
BNatSchG erfüllen könnte. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass der Kernreaktionsraum der
Fledermäuse, korrelierend mit der Eignung der dort gelegenen Flächen als Jagdhabitat, süd- bis
südwestlich der Trasse zu lokalisieren ist und demgegenüber nördlich der Trasse geringere
Aktivitäten zu verzeichnen sind, weil dort als Jagdhabitat ausgebildete Flächen/Strukturen in
geringerer Dichte als im Süden vorhanden sind. Das berücksichtigt das Schutzkonzept: Im
Casum verläuft die Trasse in einem Einschnitt; zusätzlich wird die Einschnittsböschung mit
einem 2 m hohen Schutzzaun versehen. Das wird nach der naturschutzfachlichen Einschätzung
der Planfeststellungsbehörde die Fledermäuse vom Einfliegen in den Straßeneinschnitt
abhalten. Darüber hinaus wird am festgestellten Querungsbereich der Casumer Bach, der auch
von anderen Fledermäusen genutzt wird, ausreichend dimensioniert (lichte Höhe ≥ 3 m, lichte
Weite 15 m) überführt (vgl. PFB S. 356). Irritationsschutzwände und Wall-Wand-Kombinationen
vermeiden außerhalb des Einschnitts den Einflug in die Trasse. Darüber hinaus werden im
Süden der Trasse im Umfeld des Casumer Waldes, der den Quartierwald für die
Bechsteinfledermäuse bildet, zusätzliche Vernetzungslinien in Richtung Casumer Bach und
nach Süden geschaffen (PFB S. 358).
122 Der Zerstörungstatbestand, § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, ist ebenfalls nicht erfüllt. Zwar
werden etwa drei bis vier von der Wochenstubenkolonie der Bechsteinfledermäuse regelmäßig
genutzte Höhlenbäume durch das Vorhaben entfallen, weil die Trasse in diesem Bereich am
Rande des Waldgebiets entlang führt. Die entfallenden Höhlenbäume sind Teil eines Buchen-
Hallenwaldes, der über zahlreiche Höhlenbäume verfügt; potenziell sind 208 Bäume als
Höhlenbäume geeignet, elf Bäume sind als Quartierbäume identifiziert. Nach der
Baumhöhlenzählung 2011 finden sich in dieser Waldfläche derzeit durchschnittlich 11,3
Höhlenbäume/ha. Selbst bei einer Entnahme von zehn Höhlenbäumen wären immer noch 10,1
Höhlenbäume/ha vorhanden. Damit wird der Lebensraum für die Fledermäuse vom LANUV als
in einem hervorragenden Erhaltungszustand befindlich bewertet. Es ist auch nicht erforderlich,
das Umfeld von jeglicher forstlicher Nutzung freizustellen. Das mag in Betracht kommen, wenn
ein Gebiet der Unterstützung bedarf, weil es optimiert werden muss. Im vorliegenden Fall bleibt
es aber trotz der Entnahme einiger weniger Höhlenbäume bei einer hervorragenden
Lebensraumqualität.
123 Ob die angeordneten CEF-Maßnahmen - Aufhängen von drei Gruppen von je zehn
Fledermauskästen unterschiedlicher Bauart - geeignet sind, den Baumhöhlenverlust
aufzufangen, kann deshalb dahinstehen.
124 2.2. Artenschutzrechtliche Verbotstatbestände werden auch nicht in Bezug auf Vögel erfüllt.
Der Planfeststellungsbeschluss ist von einer zutreffenden Bestandserhebung und Bewertung
ausgegangen und hat die im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Teil A zugrunde gelegten
Daten durch die Ergebnisse und Bewertung der Datenaktualisierung 2010 (ohne Fledermäuse,
Landschaft und Siedlung vom 15. Juli 2010) auf einem aktuellen Stand berücksichtigt.
125 2.2.1. Ein signifikant gesteigertes Risiko von Kollisionsschäden durch den Bau und den
Betrieb der Autobahn ist nicht anzunehmen. Auch insoweit ist bei den planfestgestellten
Artenschutzbeiträgen unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen für die meisten
Vogelarten davon auszugehen, dass der Gefahr etwaiger Verluste durch direktes Einfliegen in
die Trasse so wirksam begegnet wird, dass das Risiko von kollisionsbedingten Verlusten von
Einzelexemplaren in einem Risikobereich verbleibt, der mit einem Verkehrsweg im Naturraum
immer verbunden ist (so der Senat schon im Urteil vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07 -
BVerwGE 134, 308 Rn. 56). Von der K 25 im Osten bis zum Bereich Casum im Westen sind
beidseitig 4 m hohe Schutzwände, Wälle oder Wall-Wand-Kombinationen vorgesehen, die nicht
nur Fledermäuse vom Einfliegen in die Trasse abhalten können, sondern auch Vögel vor
Kollisionen bewahren. Durch die Baufeldräumung im Zeitfenster zwischen dem Ende der
Brutsaison und dem Beginn der nächsten wird eine baubedingte Inanspruchnahme genutzter
Brutstandorte und ein dadurch hervorgerufenes Tötungsrisiko und gleichzeitig eine erhebliche
Störung im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sowie eine Zerstörung von
Fortpflanzungsstätten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG vermieden. Die
Irritationsschutzwände schützen auch die Vogelarten, die am Boden oder in niedriger Höhe ihre
Partnerfindung betreiben oder nach Futter suchen, vor Lärm und Licht und vermeiden so eine
erhebliche Störung.
126 2.2.2. Die Auffassung des Klägers, die bau- und betriebsbedingten Auswirkungen der
geplanten Trasse führten zu einer Zerstörung von drei der vier im Randbereich der A 33
lebenden Steinkauzpaare, geht schon von falschen Voraussetzungen aus. Nach den von den
Gutachtern der Planfeststellungsbehörde durchgeführten Untersuchungen brütet nur ein Paar am
Eschweg im Einwirkungsbereich der Trasse; zwei weitere Paare wurden nördlich der Trasse
außerhalb einer Effektdistanz von 300 m gesichtet.
127 Die Gefahr eines nicht hinzunehmenden erhöhten Kollisionsrisikos und damit eines
Verstoßes gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG besteht hinsichtlich der Steinkauze am Eschweg
nicht. Um Kollisionen beim Queren der Brutreviere und Jagdhabitate trennenden Trasse zu
verhindern, wird diese durch Schutzeinrichtungen abgeschirmt. Gleichzeitig werden
Überflughilfen in der Nähe von Brutvorkommen errichtet (BW 30 und BW 32a). Zwischen BW 30
und BW 33 (Brücke Straße Am Illenbruch) sollen die auch als Überflughilfen dienenden
Schutzwände um 2 m durch ein Drahtgeflecht erhöht werden, so dass eine Überflughilfe von 6 m
Höhe entsteht, die zusätzlich verhindert, dass der an sich niedrig fliegende Steinkauz in Höhe
von Kraftfahrzeugen in die Trasse einfliegt. Das Maßnahmenbündel, das den Steinkauz vor
Kollisionen bewahren soll, umfasst darüber hinaus die unattraktive Gestaltung des
Straßenseitenraums, die Entwicklung von günstigen Habitatflächen südlich der Trasse (Anlage
von Obstwiese/-weide, Anlage einer beidseitigen Obstbaumreihe westlich der Holtfelder Straße,
Anlage von Extensivgrünland, Angebot von Ansitzwarten in den Entwicklungsbereichen, Anlage
einer Kopfbaumreihe westlich der Querungshilfe Eschweg sowie das Angebot von
Nistmöglichkeiten und die Verminderung von trassenbedingten Habitatentwertungen, PFB S.
283) sowie Querungshilfen in Form von Grünbrücken von 40 m Breite (BW 30 Eschweg und BW
32a westlich Holtfelder Straße).
128 Ob allerdings Grünbrücken vom Steinkauz als Querungshilfe angenommen werden, steht
auch nach Auffassung des Beklagten nicht fest, weil es hierzu keine Erfahrungen gibt (PFB S.
284). Der naturschutzfachlich beratene Beklagte geht jedoch von der Wirksamkeit der
Grünbrücken aus, weil sie eingebettet sind in die sonstigen Maßnahmen zur Habitatoptimierung.
Das erscheint nachvollziehbar und vertretbar. Dem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg die
Ausführungen von Le. (Prognose der Wirkungen der geplanten Autobahn A 33/7.1 auf ein
lokales Vorkommen des Steinkauzes bei Borgholzhausen ,
September 2006 S. 21) entgegenhalten. In dem Gutachten sind noch nicht alle im
Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag Teil A (Deckblatt I Unterlage 12.4.1.1 - künftig: Fachbeitrag
Teil A) vorgesehenen Maßnahmen berücksichtigt. Das Gutachten Le. geht schließlich von einer
Funktionsunfähigkeit der Grünbrücken deshalb aus, weil diese, würden sie angenommen, aus
Gründen des Territorialverhaltens nur von einem Steinkauzpaar genutzt würden. Ob dies der Fall
ist, hängt jedoch nach dem Fachbeitrag Teil A (S. 93) und den überzeugenden Ausführungen
des Gutachters P. in der mündlichen Verhandlung davon ab, ob sich trassennah im Bereich der
Querungshilfen ein Revierzentrum bilden wird. Davon sei jedoch gerade im Hinblick auf den
Aspekt der Partnerfindung wegen des trotz der Abschirmung vorhandenen Lärms in
Trassennähe eher nicht auszugehen.
129 Mit dem Planfeststellungsbeschluss ist nachvollziehbar anzunehmen, dass das
Kollisionsrisiko der Straße Am Illenbruch zu vernachlässigen sein dürfte, weil auf dieser
schmalen Straße ohnedies nicht schnell gefahren werden kann und selbst der Gutachter des
Klägers annimmt, dass dem Steinkauz (erst) Geschwindigkeiten, die höher als 50 km/h sind,
gefährlich werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Steinkauz seine Aktivitäten nachts
entfaltet und der Fahrzeugverkehr nachts auf dieser Anliegerstraße, die nur einzelne Gehöfte
erschließt, sehr gering sein dürfte. Die vom Kläger behauptete Nutzung als Schleichweg mit
dadurch erhöhter Verkehrsbelastung ist in Anbetracht der ausgebauten und zügig befahrbaren
Hesselteicher Straße wenige 100 m westlich (PFB S. 284) nicht nachvollziehbar.
130 Das Störungsverbot gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist ebenfalls nicht erfüllt. Zwar
verlieren Teile des Habitats ihre Funktion; der Brutplatz am Eschweg liegt am Rand der 100 m-
Wirkzone und innerhalb der 58 db(A)-Isophone, was eine Abnahme der Habitateignung von 40
% nahelegt mit der Folge der Aufgabe des Brutplatzes. Jedoch führt die dadurch entstehende
Störung nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes der lokalen Population. Die
Beeinträchtigungen werden durch die vorgesehenen Maßnahmen aufgefangen. Dazu gehören
Entwicklungsmaßnahmen am Rand aller Entwicklungsbereiche beidseitig der Trasse und im
Bereich vorhandener Reviere Nisthilfen in Form von mardersicheren Brutröhren, die zur
Annahme neuer Brutplätze führen sollen. Nach der naturschutzfachlichen Einschätzung der
Planfeststellungsbehörde werden derzeit entsprechende Nisthilfen im Gebiet bereits von der Art
gut angenommen. Zu den oben genannten Maßnahmen sind die Entwicklung geeigneter
Habitate im Umfeld zwischen den aktuell nachgewiesenen und neu zu etablierenden
Brutvorkommen bei Holtfeld, Bödinghausen, Casum sowie im Illenbruch vorgesehen. Dabei
kommt der Habitatoptimierung im Bereich Illenbruch besondere Bedeutung zu. Die gut als
Nahrungshabitat nutzbaren Flächen bilden einen Funktionskomplex von über 40 ha. Diese
Einschätzung der Planfeststellungsbehörde erscheint vertretbar.
131 Es mag dahinstehen, ob der Zerstörungstatbestand (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) eine
unmittelbare Einwirkung voraussetzt. In diesem Fall wäre der Tatbestand nicht erfüllt, weil das
Vorkommen am Eschweg in Trassennähe nicht unmittelbar zerstört wird. Genügt eine mittelbare
Einwirkung, die eine Fortpflanzungs- und Ruhestätte unbrauchbar macht, kämen Einwirkungen
der künftigen Autobahn durch Lärm oder andere Störeffekte als schädigende Eingriffe in Betracht
(bejahend: Fellenberg, in: Kerkmann, Naturschutzrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 108
ff.; wohl auch Meßerschmidt, Bundesnaturschutzgesetz, Stand Dezember 2012, § 42 Rn. 32m
noch zum BNatSchG a.F.; verneinend Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2011, § 44 Rn.
18). Selbst wenn man dies bejahen wollte, wirkt der Planfeststellungsbeschluss der
Beeinträchtigung durch verschiedene Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen so weit entgegen,
dass nach der rechtlich nicht zu beanstandenden, weil jedenfalls vertretbaren
naturschutzfachlichen Einschätzung des Beklagten wegen der im Planungsraum vorhandenen
Ausweichmöglichkeiten die ökologische Funktion im Sinne von § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG im
räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird (vgl. auch Urteil vom 12. August 2009 -
BVerwG 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 72). Mit den vorgesehenen Maßnahmen (vgl. oben
zu § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG) stehen dem Steinkauz hinreichend Nistmöglichkeiten zur
Verfügung.
132 Um die Prognoseunsicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit des auf 6 m erhöhten
Kollisionsschutzes im Bereich nachgewiesener Reviere und die Wirksamkeit der artspezifisch
gestalteten und angebundenen Querungshilfen Eschweg und Holtfelder Straße sowie die
Wirksamkeit des gesamten Maßnahmenbündels aus Maßnahmen zur Kollisionsvermeidung und
Habitatentwicklung im Hinblick auf die Stabilisierung des lokalen Steinkauzvorkommens
aufzufangen, ordnet der Planfeststellungsbeschluss zulässigerweise ein im Einzelnen
festgelegtes Monitoring an (PFB S. 308 ff.).
133 2.2.3. Soweit der Kläger eine Störung des Kleinspechtes dadurch rügt, dass die
Habitateignung infolge der Verlärmung über große Flächen verloren gehe, hat dies der
Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt und angenommen, dass in der Effektdistanz der
Trasse ein Brutstandort im Bereich Hachhofe und im FFH-Gebiet verloren geht. Jedoch verweist
der Planfeststellungsbeschluss naturschutzfachlich beanstandungsfrei auf gute
Brutmöglichkeiten weiter südlich der Trasse im FFH-Gebiet und östlich der L 782, so dass eine
Brut auch abseits der geplanten Trasse noch möglich sei. Das ist nachvollziehbar, weshalb nicht
von einer Beeinträchtigung des Erhaltungszustandes der Population auszugehen ist.
134 Das im Gebiet vorkommende Rebhuhn wird durch Habitatverluste und
Zerschneidungswirkungen, insbesondere im Raum Künsebeck, sowie den Lärm - das Rebhuhn
gilt als lärmempfindlich - wegen der Maskierung von Warnrufen beeinträchtigt. Zum Ausgleich
der Habitatverluste werden verschiedene Maßnahmen vorgesehen, nämlich die Anlage von
Saumstreifen entlang einer Ackergrenze, von Grünstreifen im Bereich einer Ackerfläche und von
Säumen sowie die Entwicklung von Obstwiesen/-weiden (PFB S. 274 ff.). Es kann auch hier
dahinstehen, ob der Zerstörungstatbestand erfüllt ist, weil jedenfalls die Voraussetzungen des §
44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG vorliegen. Der grundsätzlich bestehenden Kollisionsgefahr soll mit
dem Schutz dichter Gehölzpflanzungen und Schutzwänden/-wällen begegnet werden. Die Kritik
des Klägers erschöpft sich in einer anderen Auffassung zur Wirksamkeit der angeordneten
Maßnahmen. Dennoch ordnet auch hier der Planfeststellungsbeschluss (S. 305 f.) ein
maßnahmenbezogenes Monitoring an, um die Wirksamkeit der konkreten Maßnahmen zu
überprüfen.
135 Die vom Kläger gerügten Beeinträchtigungen der Vogelarten Kiebitz, Schleiereule,
Mäusebussard, Wachtel und Waldschnepfe erfüllen nicht die Tatbestände des § 44 Abs. 1
BNatSchG. Es werden in allen Fällen die im Fachbeitrag Teil A beschriebenen
naturschutzfachlichen Maßnahmen ergriffen, um einer erhöhten Kollisionsgefahr zu begegnen,
erhebliche Störungen zu vermeiden sowie die Verluste von Brutplätzen und Habitaten
aufzufangen. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG liegen vor.
136 Dem vom Kläger geltend gemachten erhöhten Kollisionsrisiko für den Mäusebussard, den
Turmfalken, die Schleiereule, den Waldkauz, den Uhu und die Waldohreule - weitgehend nicht
gefährdete, zum Teil verbreitete Arten - begegnet der Planfeststellungsbeschluss in den
Nachweisbereichen mit der Anordnung von Immissionsschutzeinrichtungen, die einen hohen
Flug erzwingen, so dass lediglich ein Risiko verbleibt, wie es mit einem Verkehrsweg im
Naturraum immer verbunden ist.
137 3. Die im Planfeststellungsbeschluss am Maßstab des planungsrechtlichen
Abwägungsgebotes zu beurteilende Auswahlentscheidung hinsichtlich der Trassenführung
leidet nicht an Mängeln, die für das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zur Alternativenprüfung oben unter 1.2.4.2.
verwiesen.
138 4. Der Eingriff in Natur und Landschaft ist auch im Übrigen zulässig.
139 Entgegen der Auffassung des Klägers genügt der Planfeststellungsbeschluss den
Anforderungen an die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, §§ 13 ff. BNatSchG. Nach § 13
Satz 2, § 15 Abs. 2 BNatSchG sind nicht vermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen
des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu
ersetzen (Ersatzmaßnahmen), wobei Ausgleich und Ersatz als Formen der Realkompensation
alternativ nebeneinander stehen (BTDrucks 16/13298 S. 3). Ausgeglichen ist danach eine
Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in
gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht
wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG). Ersetzt ist eine
Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem
betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild
landschaftsgerecht neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG). Soweit dies nicht möglich
ist, ist durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren (§ 13 Satz 2 letzter Halbs. BNatSchG).
140 Das Bundesnaturschutzgesetz enthält keine weiteren Vorgaben, nach denen bestimmt
werden könnte, in welchem Verhältnis Verlust- und Ausgleichsflächen zueinander stehen
müssen. Von der Verordnungsermächtigung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG hat der Bund
bisher noch keinen Gebrauch gemacht. In diesem Fall richtet sich nach § 15 Abs. 7 Satz 2
BNatSchG das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, das § 15 Abs. 1 - 6
BNatSchG nicht widersprechen darf.
141 Der nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes 2010 erlassene § 4a LG NRW
bestimmt Einzelheiten zu den Kompensationsmaßnahmen. Danach gilt der Grundsatz, dass die
Inanspruchnahme von Flächen durch die Auswahl und Kombination geeigneter
Kompensationsflächen und Kompensationsmaßnahmen auf das unabdingbar notwendige Maß
zu beschränken ist (§ 4a Abs. 1 Satz 2 LG NRW). Die Inanspruchnahme von landwirtschaftlich
genutzten Flächen soll im Rahmen der Gesamtkompensation auch bei Eingriffen auf ökologisch
höherwertigen Flächen möglichst nicht größer als diejenige für den Eingriff sein.
142 4.1. § 4a LG NRW verstößt weder gegen den abweichungsfesten, Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG,
bundesrechtlichen Grundsatz der Vollkompensation (vgl. dazu BTDrucks 16/12274 S. 56;
Fischer-Hüftle, in: Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. 2010, § 13 Rn.
1 f.; Meßerschmidt, Bundesnaturschutzrecht, Stand Dezember 2012, § 13 Rn. 1) noch gegen den
Grundsatz der Normenklarheit (so aber Fischer-Hüftle, a.a.O. § 15 Rn. 151).
143 Weder § 13 BNatSchG noch § 15 BNatSchG regelt, wann eine Vollkompensation erreicht
ist. Die Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes bleibt deshalb der
Landesgesetzgebung zugänglich, soweit diese nicht hinter dem durch die bundesgesetzliche
Regelung gewährleisteten Schutzniveau zurückbleibt (so Degenhardt, DÖV 2010, 422 <429>).
144 § 4a LG NRW kennzeichnet in einem Klammerzusatz ausdrücklich, dass er zu § 15
BNatSchG ergangen ist. Er enthält aber keine Abweichung vom Bundesrecht, sondern
konkretisiert die dortigen Regelungen und füllt den Begriff der Kompensation aus, ohne an dem
Grundsatz der Vollkompensation oder auch an der ebenfalls abweichungsfesten
Regelungskaskade - vorrangig gilt Vermeidung, wenn das nicht möglich ist, sind
Beeinträchtigungen auszugleichen oder zu ersetzen, erst wenn auch das ausscheidet, ist Ersatz
in Geld zu leisten - oder sonst den in § 15 BNatSchG enthaltenen Grundsätzen etwas zu ändern.
Die Regelung, dass die Inanspruchnahme von Flächen möglichst auf das unabdingbar
notwendige Maß zu beschränken ist, § 4a Abs. 1 Satz 2 LG NRW lässt sich ohne Weiteres dahin
auslegen, dass die Behörde nicht mehr kompensieren darf, als zum Ausgleich oder zum Ersatz
des Eingriffs erforderlich ist. Dies berührt den Grundsatz der Vollkompensation nicht. § 4a Abs. 1
Satz 3 LG NRW trägt § 15 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG Rechnung, wonach bei der
Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen ist, indem insbesondere
für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in
Anspruch zu nehmen sind. Dabei wird durch die Einschränkung „möglichst“ ein Konflikt mit dem
Grundsatz der Vollkompensation vermieden.
145 4.2. Eine nachvollziehbare Umsetzung der aus der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung
folgenden Vermeidungs-, Ausgleichs-, Abwägungs- und Ersatzpflichten setzt ein ausreichendes
Maß an Quantifizierung sowohl der Eingriffswirkungen als auch der Kompensationsmaßnahmen
notwendig voraus. Dies muss im Planfeststellungsbeschluss auch offengelegt werden. So kann
festgestellt werden, ob die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung den rechtlichen Vorgaben
gemäß abgearbeitet wurde (Urteil vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - BVerwGE 121, 72
<83>). Bei der Bewertung der Eingriffswirkungen eines Vorhabens steht der
Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkungen von
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, insbesondere was deren Quantifizierung betrifft, eine
naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die Ausgestaltung des
naturschutzrechtlichen Kompensationsmodells weist hinsichtlich der Auswahl zwischen
grundsätzlich gleich geeigneten Kompensationsmaßnahmen, der naturschutzfachlichen
Abstimmung der Kompensationsmaßnahmen untereinander sowie der Berücksichtigung
etwaiger multifunktionaler Kompensationswirkungen in erheblichem Umfang Elemente einer
planerisch abwägenden Entscheidung auf (vgl. Urteil vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 84 f.). Die im
Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und
Kompensationsmaßnahmen sind daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle
zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich
vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als
unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen
gerecht zu werden (Urteile vom 31. Januar 2002 - BVerwG 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17
FStrG Nr. 168 S. 117, vom 22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG
Nr. 15 S. 30, vom 9. Juni 2004 a.a.O. S. 84 sowie vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 40.07 -
Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 16, vgl. auch Urteil vom 27. Februar 2003 - BVerwG 4 A 59.01 -
BVerwGE 118, 15 <20> zum ökologisch-fachlichen Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der
FFH-Gebiete).
146 Derzeit existieren weder bundesrechtliche Vorgaben noch anerkannte wissenschaftliche
Methoden für die Bewertung und den Umfang von Verlust- und Ausgleichsflächen; deshalb ist es
nicht zu beanstanden, wenn Verwaltungsvorschriften eine gleichmäßige Verwaltungspraxis
sicherstellen sollen (vgl. Urteile vom 15. Januar 2004 - BVerwG 4 A 11.02 - juris Rn. 56
und vom 11. Januar 2001 - BVerwG 4 A 13.99 -
Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 16 S. 13 f.). Der Planfeststellungsbeschluss hat sich an die
Vorgaben des Einführungserlasses zum Landschaftsgesetz für Eingriffe durch
Straßenbauvorhaben - ELES - vom 6. März 2009 (MBl NRW S. 138) und für die
Bestandserfassung und -bewertung nach Nr. 3.2.2 ELES an die „Numerische Bewertung von
Biotoptypen für die Eingriffsregelung in NRW“ des LANUV von 2008 (künftig: LANUV-Modell)
gehalten. Insgesamt führt das zu nachvollziehbaren und zumindest vertretbaren Ergebnissen.
147 Es gibt keinen Anlass anzunehmen, die in dem Erlass zum Ausdruck kommenden
Grundsätze, wie sie die für den Straßenbau und den Naturschutz zuständigen Ministerien
vertreten, sähen eine quantitativ oder qualitativ grundsätzlich unzureichende Bewertung des
Eingriffs und der Ausgleichsflächen vor. Ziel des Erlasses und des LANUV-Modells war
einerseits die Vereinfachung der Methode zur Bewertung von Eingriffen und Kompensationen
bei Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit der Errichtung und wesentlichen Änderung von
Bundesfern- und Landesstraßen. Dazu sollte auf eine rechnerische Herleitung des
Kompensationsbedarfs sowie auf ein zusätzliches Kompensationserfordernis im Regelfall
verzichtet werden. Die Vorgaben dienten andererseits dazu, landwirtschaftliche Flächen zu
schonen. Das Prinzip der Multifunktionalität von Kompensationsmaßnahmen im Regelfall wurde
eingeführt nach dem Grundsatz „Qualität vor Quantität“, der Umfang der Wirkzonen außerhalb
des Straßenkörpers reduziert sowie die Zeitfaktoren bei der Kompensationsberechnung
gestrichen.
148 Dem steht auch nicht entgegen, dass insbesondere von Naturschutzverbänden
abweichende Bewertungen, die zu einem höheren Kompensationsumfang führen, bevorzugt
werden. Dazu hat hier beigetragen, dass nach der zuvor geltenden Eingriffsregelung Straße -
ERegStra - Gemeinsamer Runderlass des vormaligen Ministeriums für Wirtschaft und
Mittelstand, Technologie und Verkehr und des vormaligen Ministeriums für Umwelt,
Raumordnung und Landwirtschaft vom 25. Februar 1999 eine wesentlich umfangreichere
Kompensation vorgesehen war. Die Vertreter des LANUV haben in der mündlichen Verhandlung
überzeugend dargelegt, dass die Kompensationsberechnung einer grundsätzlichen Revision
unterzogen worden ist und unter Heranziehung verschiedenster Erfahrungswerte auch aus
anderen Bundesländern nunmehr ein anderes Berechnungsverfahren vorgenommen wird.
Insbesondere der Einwirkungsbereich beidseits der Trasse wurde aufgrund der Erfahrungswerte
reduziert. In die Bewertung geht die unterschiedliche Qualität des jeweiligen Biotoptyps mit
Besonderheiten ein. Für den Biotoptyp Wald etwa werden unterschiedliche Biotopwerte
ausgewiesen, deren Höhe sich nach der Art und der Qualität der zu beurteilenden Waldflächen
richtet. Gerade bei Waldbeständen legt die Bewertung zugrunde, dass Wälder ab einem
geringen Baumholz (Stammumfang ≥ 14 cm) generell nicht ausgleichbar sind. Das Alter des
Waldes geht in die Berechnung über den Stammumfang ein; die entsprechende Rüge des
Klägers, dass das Alter des Waldes bei Errechnung des Kompensationsbedarfs unberücksichtigt
oder zu gering gewichtet worden sei, geht insoweit ins Leere.
149 Auch die Rüge des Klägers, dass die Neuanpflanzung von Wäldern den Eingriff in einen
gereiften und qualitativ höher- oder hochwertigen Gehölzbestand nicht auf Anhieb durch einen
jungen Besatz kompensieren kann, bleibt ohne Erfolg. Ausgleich und Ersatz sind nicht mit einer
Naturalrestitution im naturwissenschaftlichen Sinn gleichzusetzen (Urteil vom 27. Oktober 2000 -
BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <163>). Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber im
Rahmen der Kompensation eine vorübergehende Verschlechterung des ökologischen
Zustandes hinnimmt, weil auf der Hand liegt, dass ein ausgewachsener Baum durch einen an
seine Stelle tretenden Setzling erst Jahre später gleichwertig substituiert werden kann (Urteil
vom 15. Januar 2004 a.a.O. Rn. 51). Diese unterschiedlichen Wertigkeiten hat die
Planfeststellungsbehörde mit dem Rückgriff auf das LANUV-Modell berücksichtigt. Der Kläger
kann auch nicht damit gehört werden, dass Ausgleich und Ersatz im Hinblick auf die
Inanspruchnahme von Ackerflächen unzureichend seien, weil der Acker mit seinen
Lebensraumfunktionen verloren gehe. Dass Ausgleich und Ersatz zu einer
Flächeninanspruchnahme an anderer als der Eingriffsstelle führt, ist zwangsläufig. Die
Inanspruchnahme einer solchen Fläche ist nur zulässig, wenn sich mit ihr eine ökologische
Aufwertung verbindet zulasten einer ökologisch minderwertigeren Fläche. Deren Verlust löst
keine weitere Ausgleichspflicht aus, sondern wird vom Gesetzgeber in Kauf genommen (Urteil
vom 15. Januar 2004 a.a.O. Rn. 53).
150 Auch mit seiner Kritik an der Einstufung der verschiedenen Waldtypen, insbesondere, dass
Kiefernforsten deutlich niedriger bewertet werden als heimische Laubwälder und ein
unangemessen hohes Gewicht auf den Anteil der standortheimischen Baum- und Straucharten
gelegt werde, kann der Kläger nicht durchdringen.
151 Die numerische Bewertung wurde vom fachlich zuständigen Landesamt erstellt, das damit
den ihm zustehenden naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum ausfüllt. Es räumt
lebensraumtypischen Wäldern naturschutzfachlich einen höheren Wert ein als nicht
lebensraumtypischen Wäldern wie Fichten- und Roteichenwäldern. Darüber hinaus sieht es
gemäß der „Qualität vor Quantität“-Regel zur Schonung landwirtschaftlicher Flächen den
funktionsbezogenen Ausgleich vor allem in einer ökologischen Aufwertung des bereits
vorhandenen Waldes (LANUV-Modell S. 5). Gegen diesen Ansatz lässt sich rechtlich nichts
erinnern, weil er bestrebt ist, die widerstreitenden Interessen bei der Bewertung von Eingriff und
Kompensation sachgerecht gegeneinander abzuwägen. Dem Erhalt landwirtschaftlicher
Nutzflächen kommt nämlich ebenso wie dem Schutz von Natur und Landschaft eine hohe
Bedeutung zu, wie § 15 Abs. 3 BNatSchG zeigt. Im Übrigen ist es eine Frage der
naturschutzfachlichen Beurteilung, wann ein Eingriff ausgeglichen ist. Das erfasst auch die
Bonusregelung, die besondere Vor- oder Nachteile, die sich bei Eingriffen und der
vorgesehenen Kompensation ergeben, bewertet. Von einem beliebigen, willkürlichen oder
unsachlichen und damit unvertretbaren Vorgehen kann, entgegen der Auffassung des Klägers,
nicht die Rede sein. Das gilt sowohl für den Ausgleich bei Eingriffen in Waldflächen und Boden
als auch bei der Kompensationsberechnung für die Beeinträchtigung der Fauna.
152 4.3. Der Landschaftspflegerische Begleitplan zeigt im Einzelnen sämtliche durch das
Vorhaben entstehenden Konflikte mit der Angabe des in Anspruch zu nehmenden
Flächenumfangs auf, wobei je nach Eingriffswirkung die Flächenberechnung erfolgt. Dem stellt
der Plan eine Auflistung der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für alle
Einsatzbereiche gegenüber. Danach werden 21,5 ha forstwirtschaftlicher Flächen in Anspruch
genommen, dem stehen 27,4 ha Ausgleichsmaßnahmen gegenüber. Ältere ausgereifte
Laubwälder (> 100 - 130 Jahre alt) im Sinne der Definition des LANUV-Modells sind in einem
Umfang von ca. 2 ha in Anspruch zu nehmen; diese Inanspruchnahme wird durch den Umbau
von 4,68 ha vorhandener Nadelforstbestände in bodenständigen und lichten Laubwald
kompensiert. In die Waldbilanz sind Flächen mit Feldgehölzcharakter wie auch Waldränder
einbezogen. Diese tragen nach der Bewertung durch die Planfeststellungsbehörde auch bei
Naturwäldern zur Strukturvielfalt bei und nehmen wichtige Funktionen zum Bestandsschutz
wahr. Auch insoweit liegt die Bewertung im Rahmen des naturschutzfachlichen
Beurteilungsspielraums. Die Begründung ist nachvollziehbar und nicht offensichtlich unsachlich.
153 Der Landschaftspflegerische Begleitplan enthält sowohl eine Beschreibung des Eingriffs
beim Landschaftsfaktor Boden als auch eine entsprechende Bewertung; in einer Tabelle ist der
Flächenumfang der beeinträchtigten Wert- und Funktionselemente wie auch der Gesamtwert des
Eingriffs in Hektar angegeben.
154 4.4. Soweit der Kläger in Bezug auf die betroffene Tierwelt umfangreiche Verstöße gegen
das Vermeidungsgebot der §§ 13, 15 Abs. 1 BNatSchG rügt, ist oben zur FFH-
Verträglichkeitsprüfung sowie zum Artenschutz dargelegt, dass in Bezug auf Fledermäuse und
Vögel hinreichend Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen getroffen wurden. Die
Beeinträchtigungen werden durch die vorgesehenen Maßnahmen aufgefangen. In allen vom
Kläger gerügten Fällen hat die Behörde eine andere naturschutzfachliche Einschätzung
getroffen. Dass die Maßnahmen der Behörde von vorneherein ungeeignet wären, ist nicht
erkennbar. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten des Sachbeistandes Dr. S. zum
Kompensationsbedarf bei Vögeln kommt zwar zu anderen Ergebnissen. Er hat jedoch seinen
Berechnungen im Hinblick auf die Beeinträchtigungen der Vögel eine andere Methode zugrunde
gelegt. Auch wenn diese ebenfalls vertretbar sein sollte, ist damit nicht dargelegt, dass das
Vorgehen der Behörde willkürlich und unvertretbar ist. Die Arbeitshilfe Vögel, an der der Kläger
sich nach eigenem Bekunden bei seinen Berechnungen orientiert hat, hat die Behörde ebenfalls
herangezogen. Der Arbeitshilfe Vögel sind jedoch nicht die für die Kompensation erforderlichen
Werte zu entnehmen, sondern nur die Grundlagen dafür, innerhalb welcher Distanzen die dort
aufgeführten Vogelarten auf Beeinträchtigungen durch von Straßen ausgehenden Immissionen
in welcher Weise reagieren.
155 Soweit der Kläger die nicht aufgehobene Trennwirkung der A 33 im Bereich der L 782 für
die kleinen bodengebundenen Tierarten rügt, verweist der Beklagte darauf, dass bereits die L
782 für diese Tiere kaum Austauschbeziehungen zugelassen habe. Die vorgesehenen
Durchlässe seien auch für diese Tierarten geeignet. Das ist nachvollziehbar.
156 Die Kritik des Klägers an der Dimensionierung der vorgesehenen Grünbrücken greift
ebenfalls im Ergebnis nicht durch. Zwar trifft es zu, dass nach dem MAQ die der allgemeinen
Vernetzung von Lebensräumen dienenden Grünbrücken eine Regelbreite von 50 m aufweisen
sollen (S. 15, 18). Dort, wo es darum geht, den Mindestansprüchen einzelner Tierarten zu
entsprechen, sind jedoch schmalere Überführungen angemessen. Diese können geringer
dimensioniert sein, etwa für Fledermäuse (S. 43).
157 Schließlich legt der Planfeststellungsbeschluss für die Kompensationsberechnung nicht
Kompensationsflächen aus dem Abschnitt 6 - Schnatweg - für den hiesigen Abschnitt zugrunde,
vielmehr sind die auf den Abschnitt 6 entfallenden Kompensationsanteile im
Landschaftspflegerischen Begleitplan nur nachrichtlich genannt.
158 4.5. Insgesamt gilt, dass die zahlreichen Einwände, die der Kläger gegen das Bewertungs-
und Kompensationsmodell des Beklagten erhebt, unter Berücksichtigung des
Beurteilungsspielraums, der diesem insoweit zusteht, auf keinen der Gesamtabwägung
anhaftenden Rechtsfehler führt.
159 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Bier
Buchberger
Dr. Christ
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Bick