Urteil des BVerwG vom 28.12.2012
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BVerwG 8 B 76.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 76.12
VG Gera - 21.06.2006 - AZ: VG 2 K 266/04
Thüringer OVG - 23.02.2012 - AZ: OVG 3 KO 236/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Dezember 2012
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und
Dr. Held-Daab
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 22 282,96 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die Klägerin, eine Gemeinde in Thüringen, wendet sich gegen einen Bescheid des beklagten
Landkreises, mit dem dieser Zinsen wegen verspäteter Zahlung der Kreisumlage für 1998
geltend macht. Das Berufungsgericht hat - unter Abänderung des stattgebenden
erstinstanzlichen Urteils - die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
2 Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Das
Beschwerdevorbringen zeigt einen Zulassungsgrund nicht auf. Der Rechtssache kommt die von
der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die
Revision ist aus diesem Grunde zuzulassen, wenn die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft,
die der höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung in dem angestrebten
Revisionsverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über
den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
3 Die Klägerin bezeichnet zunächst zwei Rechtsfragen zur Auslegung des § 29 Abs. 1 Satz 3
ThürFAG a.F. und des § 107 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ThürKO, die sie für klärungsbedürftig hält.
Diese Fragen betreffen jedoch das Thüringer Landesrecht und sind der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts entzogen (§ 137 Abs. 1 VwGO). Sie könnten daher in dem
angestrebten Revisionsverfahren nicht (weiter) geklärt werden.
4 Mit ihrer dritten Frage möchte die Klägerin geklärt wissen, unter welchen Voraussetzungen ein
Verwaltungsakt, der auf einer nichtigen Rechtsgrundlage beruht, seinerseits nichtig ist. Auch
diese Frage kann zur Zulassung der Revision nicht führen. Zwar zählt § 44 ThürVwVfG, der die
Nichtigkeit von Verwaltungsakten regelt, zum revisiblen Recht (vgl. § 137 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Jedoch ergibt sich die Antwort auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage - soweit sie denn
einer Verallgemeinerung über den gegebenen Einzelfall hinaus überhaupt zugänglich ist - ohne
Weiteres aus dem Gesetz, ohne dass es hierzu erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens
bedürfte. § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und § 183 VwGO verleihen dem allgemeinen
Rechtsgedanken Ausdruck, dass die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes
oder einer anderen Rechtsnorm vorbehaltlich einer anderweitigen ausdrücklichen Regelung die
Gültigkeit nicht mehr anfechtbarer Entscheidungen, die aufgrund dieses Gesetzes oder dieser
Rechtsnorm erlassen wurden, unberührt lässt (vgl. Beschluss vom 14. Juli 1978 - BVerwG 7 N
1.78 - BVerwGE 56, 172 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 3). Es ist daher in der Rechtsprechung
anerkannt, dass Verwaltungsakte, die auf einem verfassungswidrigen Gesetz oder sonst auf
einer Rechtsnorm beruhen, die höherem Recht widerspricht, nicht nichtig, sondern grundsätzlich
allenfalls anfechtbar sind (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG-Kommentar, 7. Aufl. 2008, §
44 Rn. 105 m.w.N.). Etwas anderes kann sich aus § 44 Abs. 1 VwVfG ergeben, der insofern eine
anderweitige Regelung darstellt. Hiernach ist möglich, dass der Grund für die Nichtigkeit der
Rechtsnorm im gegebenen Einzelfall so schwer wiegt, dass er im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG
auch die Nichtigkeit eines auf ihrer Grundlage erlassenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Dies
hängt jedoch von einer Würdigung des jeweiligen Einzelfalles ab, die im vorliegenden Falle das
Satzungsgebungsrecht und insbesondere das Bekanntmachungsrecht in Thüringen und damit
wiederum Landesrecht betrifft.
5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §
47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 und 4 GKG.
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Dr. Hauser
Dr. Held-Daab