Urteil des BVerwG vom 12.01.2012

BVerwG: erlass, schutz des lebens, verwaltungsakt, materielle rechtskraft, halter, versteigerung, feststellungsklage, vollziehung, vertreter, rechtswidrigkeit

BVerwG 7 C 5.11
Rechtsquellen:
TierSchG § 16a Satz 2 Nr. 2
VwGO § 42 Abs. 2, § 43 Abs. 1, § 173
ZPO § 256 Abs. 2
Stichworte:
Beschwer des Beklagten bei Klageabweisung; Zwischenfeststellungsklage;
Feststellungsinteresse; Vorgreiflichkeit eines Rechtsverhältnisses; unmittelbare Ausführung;
Verwaltungsvollstreckung; Fortnahme eines Tieres durch Behörde; Veräußerung eines Tieres
durch Behörde; Anordnung nach Tierschutzgesetz; Befugnis zu tierschutzrechtlicher Anordnung.
Leitsatz:
1. Der Beklagte ist durch ein klageabweisendes Prozessurteil beschwert, wenn das
Prozessurteil nicht in demselben Umfang in Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil und deshalb
die streitige Frage in einem Folgeprozess erneut aufgeworfen werden könnte (im Anschluss an
Urteile vom 10. Februar 1960 - BVerwG 5 C 14.58 - BVerwGE 10, 148 <149> = Buchholz 436.4 §
4 MuSchG Nr. 2 und vom 10. April 1968 - BVerwG 4 C 160.65 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr.
29 = NJW 1968, 1795 sowie Beschluss vom 14. Februar 2011 - BVerwG 7 B 49.10 - NVwZ
2011, 509).
2. Eine Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO) ist zulässig, wenn
ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten streitig ist und von der Feststellung dieses
Rechtsverhältnisses die Entscheidung in der Hauptsache abhängt. Ein berechtigtes Interesse im
Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der Feststellung ist insoweit nicht erforderlich (im Anschluss an
ständige Rechtsprechung des BGH u.a. Urteil vom 6. Juli 1989 - IX ZR 280/88 - NJW-RR 1990,
318 <320> sowie BVerwG, Beschluss vom 14. Februar 2011 - BVerwG 7 B 49.10 - NVwZ 2011,
509).
3. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ermächtigt die Behörde nur zum Erlass von Verwaltungsakten
und nicht zum Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung; ob ein Tier ohne
vorausgehenden Verwaltungsakt fortgenommen und veräußert werden darf, bestimmt sich nach
dem Verwaltungsvollstreckungsrecht der Länder.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 7 C 5.11
VG Sigmaringen - 10.12.2008 - AZ: VG 5 K 1202/06
VGH Baden-Württemberg - 20.04.2010 - AZ: VGH 1 S 2664/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, Dr. Deiseroth und Guttenberger sowie
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 20. April 2010 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen
vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veräußerung ihrer Pferde. Sie
betrieb bis 2006 eine Pferdezucht. Auf ihrem Anwesen hielt sie 15 Pferde sowie ein Fohlen.
Nachdem sie am 14. Februar 2006 zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in Haft genommen
worden war, stellte der R. e.V. im Auftrag des Landratsamtes R. die Versorgung der nicht
anderweitig betreuten Pferde sicher. Diese verblieben dabei auf dem Hof der Klägerin. Die
Kosten beglich das beklagte Land. Die Klägerin war dazu finanziell nicht im Stande.
2 In der Folgezeit forderte das Landratsamt die Klägerin erfolglos - unter Hinweis auf eine
andernfalls notwendige Veräußerung - auf, die Versorgung der Pferde sicher zu stellen. Eine
Verfügung über die Veräußerung der Pferde unterblieb jedoch. Das Amt entschied sich vielmehr
für einen Verkauf im Wege der „unmittelbaren Ausführung“. In einer E-Mail des Leiters des
Rechts- und Ordnungsamtes an den zuständigen Sachbearbeiter heißt es: „Aus meiner Sicht
sollte der einfache Weg beschritten werden (unmittelbare Ausführung). Wenn Sie eine
Anordnung erlassen, könnte ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden und wir müssten
nach bisheriger Praxis abwarten bis über diesen entschieden ist. Ich meine, dass wir solche
Verzögerungen nicht hinnehmen können.“
3 Am 10. Juni 2006 veräußerte das Landratsamt sämtliche Pferde. Eines wurde freihändig
verkauft. Die übrigen Pferde wurden durch einen vom Landratsamt hinzugezogenen Auktionator
versteigert. Aufgrund des Zuschlags des Auktionators wurden Kaufverträge mit den Erwerbern
unterzeichnet.
4 Vor dem Verwaltungsgericht hat die Klägerin sinngemäß beantragt festzustellen, dass die vom
Beklagten durchgeführte Veräußerung von 15 Pferden und einem Fohlen rechtswidrig war.
Weiter hat sie die Verurteilung des Beklagten zur Rückgängigmachung der Folgen der
Versteigerung begehrt. Die Klage auf Rückgängigmachung der Folgen der Versteigerung hat
das Verwaltungsgericht abgetrennt und ausgesetzt. Der Feststellungsklage hat es mit Urteil vom
10. Dezember 2008 stattgegeben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Veräußerung
nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG hätten zwar vorgelegen. Diese setze jedoch - ebenso wie die
anderen in § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG genannten Maßnahmen - grundsätzlich einen
Verwaltungsakt voraus. Daran fehle es hier. Solche Maßnahmen könnten zwar auch im Wege
der unmittelbaren Ausführung erfolgen, wenn die Voraussetzungen des entsprechend
anzuwendenden § 8 Polizeigesetzes des Landes vorlägen. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Nach § 8 PolG BW sei eine unmittelbare Ausführung nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck
durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG BW bezeichneten Personen nicht oder
nicht rechtzeitig erreicht werden könne. Die Regelung gehe von dem Grundsatz aus, dass die
Behörde in der Regel eine Anordnung gegen den Störer zu treffen habe. Hier sei die Halterin der
Pferde bekannt gewesen. Zwischen Inhaftierung und Versteigerung hätten fast vier Monate
gelegen. Eine unmittelbare Ausführung gerade zum Zwecke der Vermeidung eines
Rechtsschutzverfahrens sei rechtswidrig und verkenne die dem Bürger von Verfassungs wegen
eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten. Ob auch die übrigen Voraussetzungen einer
öffentlichen Versteigerung vorgelegen hätten, könne deshalb offen bleiben.
5 Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage mit Urteil vom 20.
April 2010 als unzulässig abgewiesen. Es fehle ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43
VwGO an der Feststellung.
6 Mit Beschluss vom 14. Februar 2011 - BVerwG 7 B 49.10 - (NVwZ 2011, 509) hat der Senat für
beide Beteiligte die Revision zugelassen.
7 Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die
Zurückweisung der Berufung des Beklagten. Das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel.
Der Verwaltungsgerichtshof habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Dies habe
der Senat bereits in seinem Zulassungsbeschluss festgestellt. Die Veräußerung der Pferde sei
rechtswidrig. Eine solche setze bereits nach dem Wortlaut von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine
Grundverfügung gegenüber dem Halter voraus, an der es hier fehle. Auch sei die Versteigerung
selbst in rechtswidriger Weise durchgeführt worden.
8 Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die Abweisung der Klage als unbegründet. Das Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs beruhe - wie der Senat in seinem Zulassungsbeschluss ausgeführt
habe - auf einem Verfahrensmangel. Die Veräußerung der Pferde sei rechtmäßig gewesen. Sie
hätte keiner vorherigen Verfügung bedurft. Der aus Art. 20a GG ableitbare Auftrag des Staates
zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Tieren gebiete es, möglichst rasch
tierschutzgerechte Zustände herbeizuführen. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ermächtige zum
Handeln im Wege der unmittelbaren Ausführung. Der Wortlaut der Vorschrift stehe dem nicht
entgegen. Die Veräußerung der Tiere selbst sei fehlerfrei erfolgt.
9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am
Verfahren. Eine Veräußerung nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG setze den vorherigen Erlass
eines Verwaltungsakts voraus. § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG konkretisiere die
Anordnungsbefugnis in Satz 1 der Norm. Gegebenenfalls sei eine unmittelbare Ausführung nach
Maßgabe des jeweiligen Landesrechts möglich.
II
10 1. Die Revision der Klägerin ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf
der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, vgl. a). Der Senat kann in der Sache
selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Zu Unrecht hat der Verwaltungsgerichtshof auf
die Berufung des Beklagten das der Klage stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts
aufgehoben (vgl. b).
11 a) Unter Verletzung von Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage
als unzulässig abgewiesen. Dies hat der Senat bereits mit Beschluss vom 14. Februar 2011
a.a.O. im Einzelnen wie folgt dargelegt:
Die Klage ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits deshalb der Fall ist, weil die
Klägerin ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der baldigen Feststellung
hat. Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich jedenfalls aus Folgendem:
Die Klägerin hat vor dem Verwaltungsgericht beantragt, festzustellen, der Beklagte sei nicht
berechtigt gewesen, ihre Pferde zu veräußern, und ihn zur Rückgängigmachung der Folgen der
Veräußerung zu verurteilen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Rückgängigmachung der
Folgen der Versteigerung abgetrennt und - bis zu einer Entscheidung über die
Feststellungsklage - ausgesetzt. Angesichts dessen durfte die Feststellungsklage nicht mit der
Begründung als unzulässig abgewiesen werden, es fehle an einem Feststellungsinteresse, weil
die Klägerin die behauptete Eigentumsverletzung im Wege der vor dem Verwaltungsgericht
anhängigen - und gerade bis zu einer Sachentscheidung über die Feststellungsklage
ausgesetzten - Klage auf Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen geltend machen könne. Denn
bei dieser Feststellungsklage handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage (§ 173 VwGO
i.V.m. § 256 Abs. 2 ZPO), die hier zulässig ist.
12 Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die
das Urteil ergeht, der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags beantragen, dass ein im Laufe
des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen
die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung
festgestellt werde. Zweck der Zwischenfeststellungsklage ist die Ausdehnung der Rechtskraft
auf das dem Anspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis, das sonst von der
Rechtskraftwirkung nicht erfasst würde (Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 256
Rn. 344; vgl. auch Urteil vom 9. Dezember 1971 - BVerwG 8 C 6.69 - BVerwGE 39, 135 <138>).
Sie ist ein Ersatz dafür, dass die Elemente der Entscheidung zum Grund der Klage nicht in
Rechtskraft erwachsen. Voraussetzung ist daher, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von
dem Bestehen des Rechtsverhältnisses abhängt. Ein weiteres (rechtliches) Interesse an der
alsbaldigen Feststellung ist dagegen nicht erforderlich. Das Feststellungsinteresse wird durch
die Vorgreiflichkeit ersetzt (BGH, Urteil vom 17. Mai 1977 - VI ZR 174/74 - BGHZ 69, 37 <41>;
BAG, Urteil vom 26. August 2009 - 4 AZR 300/08 - juris Rn. 19). Voraussetzung der
Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO ist damit, dass ein Rechtsverhältnis
zwischen den Beteiligten streitig ist, und dass von der Feststellung dieses Rechtsverhältnisses
die Entscheidung in der Hauptsache abhängt; dabei ist unerheblich, dass die Hauptklage erst im
Laufe des Verfahrens „nachgeschoben“ wird (BGH, Urteil vom 6. Juli 1989 - IX ZR 280/88 - NJW-
RR 1990, 318 <320>).
13 Durch die Trennung hat sich daran nichts geändert. Ein Zwischenfeststellungsantrag, über
den vorab entschieden wird, verliert durch die Trennung nicht seinen unselbstständigen
Charakter. Vielmehr kann über den Feststellungsantrag durch Teilurteil vor endgültiger Klärung
des Hauptantrags entschieden werden (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1954 - I ZR 13/54 -
LNR 1954, 13380, vom 27. Oktober 1960 - III ZR 80/58 - NJW 1961, 75 und vom 17. November
2005 - IX ZR 162/04 - NJW 2006, 915).
14 Auch das allgemeine Rechtsschutzinteresse für die Klage liegt vor. Dieses setzt voraus, dass
sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand bezieht, der über den der Rechtskraft
fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine Zwischenfeststellungsklage ist
daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien
erschöpfend geregelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05 - NJW
2007, 82 <83>). Insoweit genügt die hier bestehende bloße Möglichkeit, dass das inzident
ohnehin zu klärende Rechtsverhältnis zwischen den Parteien noch über den gegenwärtigen
Streitgegenstand hinaus Bedeutung gewinnen kann.
15 b) Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO). Das
angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).
Vielmehr ist die vom Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht als unzulässig abgewiesene Klage
begründet; denn der Beklagte war nicht berechtigt, die Pferde der Klägerin - wie geschehen -
ohne vorherigen Erlass eines entsprechenden Grundverwaltungsakts zu veräußern.
16 aa) Zwar lagen die materiellen Voraussetzungen für eine Veräußerung der Tiere vor:
Nach § 16a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter
Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach § 16a Satz
2 Nr. 2 TierSchG kann sie insbesondere ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten
Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist
oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufweist, dem Halter fortnehmen und so lange auf
dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG
entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Ist eine anderweitige
Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde
eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht
sicherzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein
Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen
entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.
17 Diese Voraussetzungen für die Wegnahme und für die Veräußerung der Pferde lagen vor.
Dabei kann dahinstehen, ob der bei den Verwaltungsakten befindliche Vermerk des beamteten
Tierarztes ein Gutachten im Sinne des § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG ist. Denn die Klägerin hat für
die Zeit ihrer Abwesenheit die Versorgung der Pferde - insbesondere deren Ernährung und
Pflege - in keiner Weise sichergestellt. Sinn des Gutachtens ist es, Klarheit darüber zu erhalten,
ob die Haltung artgerecht ist. Ein solches Gutachten ist deshalb nach Sinn und Zweck der
Vorschrift entbehrlich, wenn Tiere bei Abwesenheit des Halters überhaupt nicht versorgt -
insbesondere überhaupt nicht ernährt - werden.
18 bb) Die Veräußerung der Tiere ist aber rechtswidrig, weil deren Fortnahme und Veräußerung
nicht durch einen Verwaltungsakt gegenüber der Halterin angeordnet worden war. § 16a Satz 2
Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG ermächtigt grundsätzlich nur zum Erlass einer Fortnahme- und einer
Veräußerungsverfügung, die nach Landesrecht zu vollstrecken sind (vgl. aaa). Ohne
vorausgehenden Verwaltungsakt kann ein Tier deshalb nur fortgenommen und veräußert
werden, wenn und soweit die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung oder des
Sofortvollzugs nach Landesrecht vorliegen. Daran fehlt es hier (vgl. bbb). Ist die Fortnahme von
Tieren mangels Verwaltungsakts rechtswidrig, ist schon aus diesem Grund auch deren
nachfolgende - im Übrigen hier ebenfalls ohne vorherige Grundverfügung vollzogene -
Veräußerung rechtswidrig (vgl. ccc).
19 aaa) Nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschrift
ermächtigt § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG die zuständige Behörde grundsätzlich nur zum Erlass
einer Fortnahme- und Veräußerungsverfügung, die nach Landesrecht zu vollstrecken ist. Auch
die verfassungsrechtlichen Schranken behördlichen Eingreifens sprechen für dieses Ergebnis.
20 Nach Wortlaut und Gesetzessystematik konkretisiert § 16a Satz 2 TierSchG, wie die
Formulierung „insbesondere“ zeigt, für die dort genannten Fallgruppen - ohne erkennbare
Differenzierung - die aus der Generalklausel des § 16a Satz 1 folgende Befugnis, Anordnungen
zu treffen. Der Begriff der Anordnung deckt sich nach dem Sprachgebrauch des Gesetzgebers
regelmäßig mit dem der Regelung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und verweist damit
auf die Handlungsform des Verwaltungsakts. Für Anordnungen nach § 16a Satz 2 Nr. 1, 3 und 4
TierSchG folgt diese Gleichsetzung zudem zwingend aus § 18 Abs. 1 Nr. 2 TierSchG. Danach
handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer „vollziehbaren“ Anordnung nach §
16a Satz 2 Nr. 1, 3 oder 4 zuwiderhandelt. Vollziehbar sind nur Verwaltungsakte. Es spricht unter
systematischen Gesichtspunkten nichts dafür, dass aus dem Maßnahmenkatalog des Satzes 2
nur die Nummer 2 nicht als Befugnisnorm ausgestaltet sein soll. Noch weniger leuchtet ein, dass
besonders grundrechtsintensive Maßnahmen wie die Veräußerung und die Tötung eines Tieres
generell ohne vorherige behördliche Anordnung gestattet werden sollten.
21 Für eine einheitliche Auslegung des Satzes 2 als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von
Verwaltungsakten spricht - worauf der Vertreter des Bundesinteresses zu Recht hinweist - auch
die Entstehungsgeschichte des § 16a TierSchG. Die Norm ist § 69 Arzneimittelgesetz (AMG)
nachgebildet (vgl. BRDrucks 195/86 S. 6). Danach treffen die zuständigen Behörden die zur
Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen
Anordnungen. Sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder
Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese unter bestimmten Voraussetzungen
sicherstellen. Für diese Vorschrift ist anerkannt, dass sie zum Erlass von Verwaltungsakten
ermächtigt (vgl. Urteil vom 19. Oktober 1989 - BVerwG 3 C 35.87 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 20
S. 2). Jenes Verständnis des § 69 AMG stand dem Gesetzgeber des § 16a TierSchG vor Augen.
22 Auch bestand bereits bei Erlass des Gesetzes ein differenziertes System des
Verwaltungsvollstreckungsrechts in den Bundesländern, nach dem grundsätzlich vor einem
Eingriff in Rechte von Bürgern ein Verwaltungsakt notwendig ist und ein solcher nur
ausnahmsweise entbehrlich ist (vgl. unten). Wenn der Bundesgesetzgeber von diesem System
eine Ausnahme durch Bundesrecht hätte schaffen wollen, hätte dies deutlich zum Ausdruck
kommen müssen.
23 Dass die zuständigen Behörden grundsätzlich nur in Vollziehung eines Verwaltungsakts
Zwang anwenden dürfen, folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie aus dem
Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG):
Der aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) abgeleitete Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit verlangt, dass ein Grundrechtseingriff einem legitimen Zweck dient und als
Mittel zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und angemessen ist (vgl. u.a. BVerfG, Urteil vom 3.
März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <335 ff.>; Beschlüsse vom 4. April 2006 - 1
BvR 218/02 - BVerfGE 115, 320 <345 und vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. - NJW 2007,
2464 <2468>; stRspr). Ein Eingriff ist nur dann erforderlich, wenn er zur Erreichung des mit der
Maßnahme angestrebten Erfolges das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit ist. Die zwangsweise
Durchsetzung verwaltungsrechtlicher Pflichten im Wege der Verwaltungsvollstreckung setzt
deshalb grundsätzlich den vorherigen Erlass eines Verwaltungsakts voraus. Der
Verwaltungszwang schließt sich an ein Verwaltungsverfahren an, das mit dem Erlass eines
Verwaltungsakts endet. Diesem kommt zunächst die Aufgabe zu, die abstrakt-generelle
Verpflichtung des Gesetzes für den Einzelfall zu konkretisieren. Zugleich soll der Verwaltungsakt
dem Bürger Rechtssicherheit gewähren und als Vollstreckungstitel eine materiell- und
verfahrensrechtliche Grundlage für die Zwangsanwendung bilden (vgl. Pietzner, in:
Verwaltungsarchiv 84 <1993>, S. 261; Waldhoff, in: Hoffmann-Riem, Schmidt-Aßmann,
Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, S. 359, 369 ff.). Dieses gestufte Verfahren
belastet den Adressaten der Maßnahme weniger als die unvermittelte Zwangsanwendung, die
den Pflichtigen ungleich härter trifft als die auf einer Grundverfügung aufbauende
Verwaltungsvollstreckung. Sie nimmt ihm die Möglichkeit, den Vollstreckungszwang
abzuwenden (vgl. Urteil vom 21. November 1980 - BVerwG 4 C 60.77 - Buchholz 445.5 § 28
WaStrG Nr. 1 = NJW 1981, 1571). Bevor die Behörde zur Tat schreitet, muss sie zunächst
versuchen, den Betroffenen zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzuhalten. Vor die Tat setzt der
Rechtsstaat das Wort (Pietzner, a.a.O., S. 262). Die unmittelbare Zwangsanwendung ist daher
auf Fälle begrenzt, in denen der Zweck der Maßnahme nicht durch den Erlass eines
Verwaltungsakts und die Anordnung von dessen sofortiger Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 VwGO erreicht werden kann.
24 Dies trägt auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung. Art. 19
Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte
anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Bürger hat einen substantiellen
Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle (BVerfG, Beschlüsse vom 29.
Oktober 1975 - 2 BvR 630/73 - BVerfGE 40, 272 <275> und vom 2. Dezember 1987 - 1 BvR
1291/85 - BVerfGE 77, 275 <284>). Das vorgenannte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwingt die
Behörde grundsätzlich, sich eine Vollstreckungsgrundlage in Form eines vollziehbaren
Verwaltungsakts zu verschaffen. Wehrt sich der Bürger mit Widerspruch und Anfechtungsklage
gegen einen Verwaltungsakt, kann dieser aufgrund des durch Art. 19 Abs. 4 GG abgesicherten
Suspensiveffekts (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) grundsätzlich erst vollzogen werden, nachdem
die Gerichte seine Rechtmäßigkeit geprüft haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 1973 - 1
BvL 39/69, 14/72 - BVerfGE 35, 263 <274> und vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 155/73 -
BVerfGE 35, 382 <401 f.>). Ordnet die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aus einem
besonderen öffentlichen oder privaten Interesse den Sofortvollzug an, bedarf dies der
Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 a.a.O. S. 402) und unterliegt
gerichtlicher Prüfung (vgl. § 80 Abs. 5 VwGO). Greift die Verwaltung hingegen ohne
Grundverfügung zum Zwang, kann der Bürger zwar nach § 123 VwGO um vorbeugenden
Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung nachsuchen. Die Lastenverteilung
zwischen Behörde und Bürger kehrt sich dabei aber um.
25 Diese Erwägungen gelten - wie der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend ausführt -
uneingeschränkt auch für die Fortnahme und Veräußerung nach § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG.
Weshalb die Inanspruchnahme des Verpflichteten durch Verwaltungsakt - wie der Beklagte
meint - generell unzweckmäßig sein sollte, ist nicht erkennbar. Inhalt der Fortnahmeverfügung ist
allein die Anordnung an den Halter, das Tier herauszugeben. Belange des Tierschutzes (Art.
20a GG) stehen dem nicht entgegen. Unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen kann
die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der
Fortnahmeverfügung anordnen oder - falls auch das keine zeitnahe effektive
Gefahrenbeseitigung ermöglicht - zu dem im Landesvollstreckungsrecht geregelten Instrument
der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzugs greifen. In diesem Rahmen kann und
muss die Behörde dann ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht, die Tiere im Rahmen der
verfassungsmäßigen Ordnung nach Maßgabe von Gesetz und Recht zu schützen (Art. 20a GG),
nachkommen. Ist ein Tier erheblich vernachlässigt oder zeigt es schwerwiegende
Verhaltensstörungen auf, wird die Behörde deshalb ein Tier so schnell wie es Recht und Gesetz
erlauben dem Halter fortnehmen dürfen und müssen.
26 Von dem dargestellten Verständnis von § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG geht auch das Urteil vom
7. August 2008 - BVerwG 7 C 7.08 - (BVerwGE 131, 346 Rn. 24 = Buchholz 418.9 TierSchG Nr.
16) aus. In dem dort entschiedenen Fall war die Fortnahme von Tieren durch Verwaltungsakt
angeordnet worden. Darauf hat der Senat abgestellt und in der nach Erlass des Verwaltungsakts
erfolgten tatsächlichen Fortnahme eine Vollstreckung dieses Verwaltungsakts gesehen.
27 bbb) Ob und unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde ausnahmsweise ein
Tier ohne vorhergehenden Verwaltungsakt dem Halter fortnehmen und es veräußern kann,
richtet sich nach Landesrecht.
28 Somit kommt es darauf an, ob die Fortnahme und Veräußerung der Pferde durch den
Beklagten von § 8 des Polizeigesetzes für Baden-Württemberg (PolG BW) gedeckt sind. Danach
ist die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei (der Begriff umfasst nach
baden-württembergischem Recht auch die Verwaltungsbehörden als Sicherheitsbehörden, vgl.
Belz/Mußmann, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 7. Aufl. 2009, § 59 Rn. 1 ff.) nur zulässig,
wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG BW
genannten Personen, also den Verhaltens- und den Zustandsstörer, nicht rechtzeitig erreicht
werden kann.
29 Diese Voraussetzungen liegen hier - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat -
nicht vor; zu dieser Feststellung ist der Senat berechtigt (zur Prüfung von Landesrecht durch das
Revisionsgericht, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO; Urteil vom 26. August 1964 -
BVerwG 5 C 128.63, 5 C 129.63 - BVerwGE 19, 204 <212 f.> = Buchholz 412 § 2 KgfEG Nr. 27;
Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 144 Rn. 12 f., 19).
30 Fortgenommen wurden die Pferde am 10. Juni 2006. Dies und ihre Veräußerung zeichneten
sich jedenfalls ab April 2006 ab. In dem dazwischen liegenden Zeitraum hätte ohne Weiteres
eine Fortnahme- und Veräußerungsverfügung erlassen und deren sofortige Vollziehung
angeordnet werden können. Der Zweck der Maßnahme hätte somit auch bei Inanspruchnahme
der Klägerin erreicht werden können. Wie das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend
ausgeführt hat, ist eine unmittelbare Ausführung gerade zum Zwecke der Vermeidung eines
Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtswidrig und verkennt die dem Bürger von
Verfassungs wegen (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten.
31 ccc) Die Rechtswidrigkeit der Fortnahme führt ohne Weiteres auch zur Rechtswidrigkeit der -
überdies ebenfalls ohne die erforderliche vorherige Grundverfügung vollzogenen - Veräußerung.
Letztere baut gemäß § 16a Satz 2 Nr. 2 Halbs. 2 TierSchG auf der Fortnahme nach § 16a Satz 2
Nr. 2 Halbs. 1 TierSchG auf. Ein Fehler der Fortnahme setzt sich damit in der Veräußerung fort
und kann jedenfalls so lange geltend gemacht werden, wie eine erlassene Fortnahmeverfügung
nicht bestandskräftig ist. Dies schließt nicht aus, dass Fortnahmeverfügung und
Veräußerungsverfügung in einem Bescheid zusammengefasst und beide Verwaltungsakte für
sofort vollziehbar erklärt sowie gleichzeitig vollstreckt werden.
32 cc) Dahinstehen kann deshalb, ob - wie die Klägerin geltend macht - auch die Art und Weise
der Versteigerung rechtswidrig war. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wäre
diese Frage - in Ermangelung bundesrechtlicher Vorgaben - gegebenenfalls nach dem
einschlägigen Landesrecht (hier § 34 PolG BW) zu beantworten.
33 2. Die Revision des Beklagten ist zulässig (vgl. a), aber unbegründet (vgl. b).
34 a) Die Revision des Beklagten ist zulässig. Auch er ist durch das klageabweisende
Prozessurteil des Verwaltungsgerichtshofs beschwert. Das hat der Senat ebenfalls in dem
Zulassungsbeschluss vom 14. Februar 2011 (a.a.O.) im Einzelnen folgendermaßen begründet:
Für das zivilgerichtliche Verfahren ist anerkannt, dass der Beklagte beschwert sein kann, wenn
die Klage durch Prozessurteil statt durch Sachurteil abgewiesen wird. Denn die Rechtskraft des
Sachurteils geht weiter als die des Prozessurteils (BGH, Urteil vom 18. November 1958 - VIII ZR
131/57 - BGHZ 28, 349; BAG, Beschluss vom 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - NJW 1987,
514). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem für das verwaltungsgerichtliche Verfahren
angeschlossen (vgl. Urteil vom 10. Februar 1960 - BVerwG 5 C 14.58 - BVerwGE 10, 148 <149>
= Buchholz 436.4 § 9 MuSchG Nr. 2; Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 -
BVerwGE 29, 210 <211> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 28; Urteil vom 10. April 1968 -
BVerwG 4 C 160.65 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 29 = NJW 1968, 1795).
35 An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO bringt
zum Ausdruck, dass auch der Beklagte ab dem dort genannten Zeitpunkt einen Anspruch auf
gerichtliche Entscheidung hat (vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 92
Rn. 25). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beklagte zu seiner Verteidigung
bereits Anstalten gemacht und finanziellen Aufwand gehabt hat (vgl. Becker-Eberhard, in:
Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 269 Rn. 1). Dieselbe Wertung liegt der
Rechtsprechung zugrunde, wonach der Beklagte bei berechtigtem Interesse trotz
Erledigterklärung durch den Kläger einen Anspruch auf Nachprüfung hat, ob die Klage gegen
ihn zu Recht erhoben worden ist (vgl. Urteil vom 14. Januar 1965 - BVerwG 1 C 68.61 -
BVerwGE 20, 146 <154> = Buchholz 310 § 161 Abs. 2 VwGO Nr. 12).
36 Eine Beschwer ist danach zu bejahen, wenn das Prozessurteil nicht in demselben Umfang in
Rechtskraft erwächst wie ein Sachurteil. Dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat zu gewärtigen,
dass die Frage, die Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist, in einem Folgeprozess - etwa in
dem angekündigten Amtshaftungsprozess sowie in dem Rechtsstreit um die
Rückgängigmachung der Folgen der Veräußerung - erneut aufgeworfen wird, ohne dass er die
materielle Rechtskraft einwenden kann.
37 b) Die Revision des Beklagten ist jedoch unbegründet. Zwar beruht das Prozessurteil des
Verwaltungsgerichtshofs - wie bereits dargelegt - auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137
Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Revision des Beklagten hat aber gleichwohl keinen Erfolg (§ 144 Abs. 2
VwGO). Denn entgegen seinem Revisionsantrag ist die Klage nicht als unbegründet
abzuweisen.
38 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Sailer
Krauß
Dr. Deiseroth
Guttenberger
Schipper