Urteil des BVerwG vom 31.05.2012

BVerwG: sparkasse, europäische kommission, verwaltungsakt, kleine und mittlere unternehmen, rückforderung, rücknahme, öffentlich, bekanntgabe, rechtsgrundlage, darlehensvertrag

BVerwG 3 C 13.11
Rechtsquellen:
EG Art. 87 Abs. 1, Art. 88 Abs. 3 Satz 1, Art. 230,
Anh 1 zu Art. 32
VO(EG) Nr. 659/1999 Art. 14 Abs. 3
ThürVwVfG §§ 9, 22, 35 Satz 1, § 37 Abs. 2, § 48 Abs. 1 und 2,
§ 49a Abs. 1
BGB §§ 130, 133, 145, 147 Abs. 2, § 150 Abs. 1, § 157
Stichworte:
Verwaltungsakt; rechtswidriger Verwaltungsakt; Rücknahme eines Verwaltungsakts;
Rückforderung gewährter Leistungen; Auslegung einer Willenserklärung; Auslegung eines
Verwaltungsakts; Förderungsbewilligung; Bewilligungsentscheidung; Bekanntgabe einer
Bewilligungsentscheidung; Umlaufmitteldarlehen; zinsverbilligtes Darlehen; öffentlich
gefördertes Darlehen; Zinsvorteil; Refinanzierungsdarlehen; Hausbank; Endkreditnehmer;
Subventionsempfänger; Bote; Erklärungsbote; Empfangsbote; Zugang einer Willenserklärung;
schutzwürdiges Vertrauen; Notifizierungspflicht; Rückforderung einer Beihilfe.
Leitsatz:
Zur Frage, ob ein an die Hausbank des Antragstellers gerichtetes Angebot einer öffentlichen
Förderbank auf Gewährung eines Darlehens zur Refinanzierung eines dem Antragsteller zu
gewährenden zinsverbilligten Darlehens eine Förderungsbewilligung zugunsten des
Antragstellers enthält, wenn dieser den Antrag auf Förderung über seine Hausbank bei der
öffentlichen Förderbank gestellt hat.
(wie im Parallelverfahren BVerwG 3 C 12.11)
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 13.11
VG Gera - 24.08.2005 - AZ: VG 1 K 1467/03 GE
Thüringer OVG - 29.06.2010 - AZ: OVG 3 KO 382/08
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Dr. Wysk,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß
für Recht erkannt:
Das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2010 wird geändert.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 24.
August 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung des Zinsvorteils aus einem zinsverbilligten
Darlehen.
2 Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand unter anderem die Pflanzen- und
Tierproduktion einschließlich der Produktion von Futtermitteln sowie der Handel mit diesen
Erzeugnissen ist, beantragte unter dem 23. September 1994 über ihre Hausbank, die damalige
Sparkasse Stadtroda (nunmehr Sparkasse Jena-Saale-Holzland) bei der Beklagten die
Gewährung eines Umlaufmitteldarlehens in Höhe von 700 000 DM aus einem Förderprogramm
des Landes Thüringen. Mit dem Darlehen sollte der Zukauf von Futtergetreide finanziert werden.
Die Sparkasse fügte dem Antrag eine Stellungnahme und eine Erklärung bei, in der sie sich
bereit erklärte, im Falle der Refinanzierung durch die Beklagte ein entsprechendes Darlehen zu
gewähren. Die Beklagte teilte der Sparkasse mit Schreiben vom 30. Januar 1995 unter dem
Betreff „Darlehensangebot/Darlehensvertrag“ mit, dass sie bereit sei, dem Endkreditnehmer ein
Umlaufmitteldarlehen in Höhe von 700 000 DM nach der dazu erlassenen Richtlinie zu
gewähren, das unter der Primärhaftung der Hausbank stehe; sie gehe davon aus, dass die
Hausbank die mit dem Angebot verbundenen Auflagen und Bedingungen an den
Endkreditnehmer weitergebe. Als Zinssatz waren für die Hausbank 4,5 % und für den
Endkreditnehmer 5,5 % vorgesehen.
3 Die Sparkasse nahm das Angebot am 7. Juni 1995 an und rief unter dem 23. Juni 1995 die
Refinanzierungsmittel ab, nachdem die Klägerin bei ihr den Darlehensbetrag abgerufen hatte.
Das Refinanzierungsdarlehen wurde von der Hausbank bis zum 30. Dezember 1997
zurückgezahlt.
4 Die Europäische Kommission stellte mit Entscheidung vom 27. November 2002 (2003/469/EG)
fest, dass die Richtlinie zum Thüringer Umlaufmittelprogramm, sofern sie Betriebsbeihilfen an
Unternehmen in den sensiblen Sektoren vorsehe, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei,
soweit sie in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG falle, Deutschland habe alle
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, die rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen von
den Empfängern zurückzufordern.
5 Unter dem 16. Juli 2003 erließ die Beklagte gegen die Klägerin einen Rücknahme- und
Leistungsbescheid, mit dem sie die in dem Darlehensangebot vom 30. Januar 1995 liegende
Bewilligungsentscheidung zugunsten des Endkreditnehmers in voller Höhe mit Wirkung zum 30.
Januar 1995 zurücknahm und die Rückzahlung eines Zinsbetrages in Höhe von 23 186,23 €
forderte. Zur Begründung verwies sie darauf, dass in ihrem Darlehensangebot an die Sparkasse
konkludent eine Bewilligungsentscheidung zugunsten der Klägerin enthalten gewesen sei, die
durch die abgeschlossenen Darlehensverträge rechtliche Außenwirkung erlangt habe. Diese
Bewilligung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Europäische Kommission die
Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Förderung festgestellt habe, soweit es sich - wie hier - um
eine Betriebsbeihilfe zugunsten gesunder Unternehmen im sensiblen Sektor Landwirtschaft
handele, die nicht von der „De-minimis“-Verordnung (EG) Nr. 69/2001 und ihren
Vorgängerregelungen erfasst sein könne. Demzufolge müsse die Darlehensbewilligung nach §
48 Abs. 1 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes - ThürVwVfG - mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückgenommen werden. Die nationalen Behörden verfügten insoweit über
keinerlei Ermessen, wenn die Europäische Kommission die Rückforderung zu Unrecht
gewährter Beihilfen angeordnet habe. Der Zuwendungsbetrag müsse demnach gemäß § 49a
Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG erstattet werden.
6 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, die das
Verwaltungsgericht mit Urteil vom 24. August 2005 abgewiesen hat. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt: Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Er habe seine
Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 2 und § 49a Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG. Mit der Annahme der
Kreditzusage der Beklagten durch die Sparkasse sei der über diese Bank als Botin gestellte
Antrag der Klägerin auf Gewährung eines zinsgünstigen Darlehens aus dem Förderprogramm im
Sinne des § 35 ThürVwVfG positiv beschieden worden. Zwar sei dieser Verwaltungsakt der
Klägerin nicht schriftlich bekannt gemacht worden. Er sei ihr aber letztlich mit der Ausreichung
des Darlehens zur Kenntnis gelangt und habe dadurch rechtliche Außenwirkung erhalten.
Insoweit seien die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts
gemäß § 48 ThürVwVfG gegeben. Die Förderung der Klägerin sei auch zu Recht als verbotene
Beihilfe im Sinne der Kommissionsentscheidung vom 27. November 2002 eingestuft worden.
Die Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung könne von der Klägerin vor den nationalen
Gerichten nicht mehr infrage gestellt werden, weil sie es versäumt habe, eine Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof anzustrengen. Auf Vertrauensschutz könne sie sich nicht berufen, weil
die Beihilfe unter Verstoß gegen Art. 87 EG gewährt worden sei. Bedenken gegen die Höhe der
Rückforderung seien nicht ersichtlich.
7 Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht dieses Urteil geändert und die
angegriffenen Bescheide aufgehoben. Dazu hat es ausgeführt: Die Beklagte habe die Klägerin
nicht durch Verwaltungsakt in Anspruch nehmen dürfen. Die §§ 48 Abs. 2 und 49a Abs. 1
ThürVwVfG böten dafür keine Rechtsgrundlage; denn das Darlehen sei nicht durch oder auf der
Grundlage eines begünstigenden Verwaltungsakts gewährt worden, den die Beklagte hätte
zurücknehmen können. In der Kreditzusage der Beklagten sei kein Verwaltungsakt zu sehen.
Die Überschrift des Schreibens lege nahe, dass die Beklagte weder gegenüber der Hausbank
noch gegenüber der Klägerin einen Bewilligungsbescheid habe erlassen, sondern nur den
Abschluss eines Darlehensvertrages habe anbieten wollen. Auch wenn die Hausbank wohl
gehalten gewesen sei, die mit dem Angebot verbundenen Auflagen und Bedingungen an die
Klägerin als Endkreditnehmerin weiterzugeben, lasse sich das Angebotsschreiben weder seiner
äußeren Form noch seinem Inhalt nach als an die Klägerin adressierter Verwaltungsakt
qualifizieren. Darüber hinaus fehle es an einer gewollten und tatsächlich bewirkten Bekanntgabe
des Schreibens an die Klägerin. Eine Ermächtigung zur Rückforderung des
Zuwendungsbetrages ergebe sich auch nicht aus Art. 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr.
659/1999 (ABl EG Nr. L 83 S. 1). Die Bestimmung richte sich an die Mitgliedstaaten und
verweise auf das jeweilige nationale Recht. Ob die Beklagte den Zinsanspruch in anderer Weise
gegen die Klägerin durchsetzen könne, oder ob sie sich auf ein Vorgehen gegen die Hausbank
verweisen lassen müsse, könne dahingestellt bleiben.
8 Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Revision gegen dieses Urteil verfolgt die Beklagte
ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht im Wesentlichen geltend: Der Auffassung, der
angegriffene Bescheid habe nicht auf § 48 ThürVwVfG gestützt werden können, weil es an
einem rücknehmbaren Verwaltungsakt fehle, liege eine fehlerhafte Anwendung der §§ 35 und 37
Abs. 2 Satz 1 ThürVwVfG zugrunde. Mit Einreichung des Förderungsantrags der Klägerin bei
ihrer Hausbank sei ein Verwaltungsverfahren nach den §§ 9 und 22 ThürVwVfG eingeleitet
worden. Die Sparkasse sei als „durchleitendes Kreditinstitut“ und als Botin der Klägerin tätig
geworden. Auch bei der Darlehensgewährung sei die Sparkasse nur verlängerter Arm der die
Förderung bewilligenden öffentlichen Bank gewesen. Diese habe durch die Gestaltung der
Darlehensbedingungen gegenüber Endabnehmern und Kreditinstituten den gesamten Vorgang
auch im Hinblick auf die privatrechtlichen Abreden beherrscht und mit ihrer Entscheidung, die
beantragte Förderung zu gewähren, Rechtswirkungen nach außen erzeugt. Inhalt der
Bewilligungsentscheidung sei die Begründung eines - von der Annahme des
Refinanzierungsangebotes durch die Hausbank abhängigen - Anspruchs der Klägerin, ihr den
Abschluss eines Subventionsdarlehensvertrages mit der Hausbank zu ermöglichen. Dieser
Anspruch der Klägerin sei mit dem Abschluss des Darlehensvertrages zwischen beiden Banken
unmittelbar entstanden. Die Bewilligung sei konkludent mittels der Kreditzusage erteilt worden
und von der Sparkasse als Botin der Klägerin spätestens mit dem Angebot auf Abschluss eines
Darlehensvertrages übermittelt worden. Dies sei auch beabsichtigt gewesen, so dass nicht von
einem nur zufälligen Bekanntwerden der Entscheidung die Rede sein könne. Einer
Rückforderung des Zuwendungsbetrages durch Verwaltungsakt stehe auch nicht entgegen,
dass die Auszahlung des Darlehens privatrechtlich geregelt worden sei; denn es gehe nicht um
die Rückabwicklung der Darlehenssumme, sondern der Subvention, die dem Endkreditnehmer
in Form eines verbilligten Zinssatzes zugute gekommen sei und ihren Rechtsgrund nicht in dem
Darlehensvertrag, sondern in dem diesem zugrunde liegenden Subventionsverhältnis zwischen
ihr und der Klägerin habe. Nehme man dagegen an, die öffentlich-rechtliche
Bewilligungsentscheidung sei der Klägerin nicht wirksam bekannt gegeben worden und die
Rücknahme somit ins Leere gegangen, fände die Rückforderung ihre Rechtsgrundlage in dem
allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch; denn in diesem Fall wäre die
Zinssubvention ohne Rechtsgrund gewährt worden. Da sie auch unter diesen Voraussetzungen
aufgrund eines, wenn auch nicht wirksamen Verwaltungsakts erbracht worden wäre, könnte sie
entweder in analoger Anwendung des § 49a ThürVwVfG oder nach der Kehrseitentheorie
ebenfalls durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden. Wäre sie - die Beklagte -
demgegenüber darauf verwiesen, ihre Ansprüche zivilrechtlich „übers Eck“ durchzusetzen, wäre
zweifelhaft, ob dies dem in Art. 14 Abs. 3 VO (EG) 659/1999 verankerten Effizienzgebot
entspräche, das eine „sofortige und tatsächliche Vollstreckung“ fordere. Deshalb müsse dann
Art. 14 Abs. 3 VO (EG) 659/1999 als Rechtsgrundlage für eine Rückforderung durch einen
Verwaltungsakt herangezogen werden, weil das nationale Recht keine taugliche
Rechtsgrundlage biete. Die genannte europäische Norm verbiete außerdem die Aufhebung
eines Beihilferückforderungsbescheides, auf den der Empfänger bereits gezahlt habe, wenn der
Bescheid nicht unverzüglich neu erlassen und so ein Rückforderungsanspruch des
Beihilfeempfängers verhindert werden könnte, der zu einer Wettbewerbsverzerrung führen
würde.
9 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt die Ausführungen des
angegriffenen Urteils. Sie weist unter anderem darauf hin, dass die Sparkasse beim Abschluss
des Darlehensvertrages mit ihr weder auf das Schreiben der Beklagten vom 30. Januar 1995
Bezug genommen noch es ihr - in welcher Form auch immer - zur Kenntnis gegeben habe. Der
Darlehensvertrag enthalte nur einen pauschalen Verweis auf das Thüringer
Umlaufmittelprogramm ohne weitere Präzisierungen. Anlagen seien nicht beigefügt worden. Die
privatrechtlichen Darlehensverträge seien nicht von einem öffentlich-rechtlichen
Subventionsverhältnis umspannt. Schon der Antrag enthalte weder Hinweise hierauf noch auf
eine Bevollmächtigung der Sparkasse, als Bote zu fungieren, oder auf das Erfordernis einer
vorgeschalteten Bewilligung. Für sie - die Klägerin - sei das Refinanzierungsverhältnis der
Sparkasse nicht von Belang gewesen. Jedenfalls habe die Beklagte nicht durch Verwaltungsakt
entschieden. Es hätte sonst schon des Angebots im Schreiben vom 30. Januar 1995 nicht
bedurft. Zudem sei dieses Angebot nach den §§ 145, 147 Abs. 2 BGB erloschen, weil die
Sparkasse es zu spät angenommen habe. Auch bei Anwendung des § 150 Abs. 1 BGB hätte es
einer erneuten Annahme durch die Beklagte bedurft. Zu diesem Zeitpunkt sei aber der
Darlehensvertrag mit ihr - der Klägerin - bereits ohne Bezugnahme auf das Schreiben vom 30.
Januar 1995 abgeschlossen gewesen. Gegen die Annahme eines konkludenten
Verwaltungsakts in diesem Schreiben spreche, dass dort der Abschluss eines
Darlehensvertrages der Sparkasse mit ihr - der Klägerin - vorausgesetzt werde. Auch der
äußeren Form nach entspreche das Schreiben nicht einem Verwaltungsakt. Jedenfalls fehle es
am nötigen Zugang der Entscheidung. Sie habe die Sparkasse weder bevollmächtigt noch als
Empfangsbotin ermächtigt. Dass kein Verwaltungsakt von der Beklagten gewollt gewesen sei,
ergebe sich zudem daraus, dass sie in vergleichbaren Verfahren eindeutig erkennbare
Verwaltungsakte erlassen habe. Der vereinbarte Zinssatz sei zudem nicht so niedrig, dass sich
ihr die Bewilligung einer Subvention habe aufdrängen müssen. Gegenüber einer Rückforderung
berufe sie sich zudem auf Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 ThürVwVfG.
10 Der Vertreter des Bundesinteresses hält die Entscheidung des Berufungsgerichts im
Ergebnis für zutreffend. Zwar erfülle die Entscheidung der Beklagten, die Förderung zu
gewähren, die Voraussetzungen eines Verwaltungsakts. Dieser sei der Klägerin auch
zugegangen. Insoweit fehle es aber an einem Bekanntgabewillen der Beklagten; die Beklagte
habe lediglich die Erwartung gegenüber der Hausbank geäußert, dass das Angebot an die
Klägerin weitergeleitet werde, und es dem Zufall überlassen, ob die Klägerin über die in dem
Schreiben enthaltene Kreditzusage unterrichtet werden würde. Damit habe der Verwaltungsakt
mangels Bekanntgabe keine rechtliche Existenz erlangt.
II
11 Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf
einer Verletzung revisiblen Rechts; denn die Beklagte durfte den mit der Klage angefochtenen
Bescheid auf § 48 Abs. 1 und § 49a Abs. 1 ThürVwVfG stützen. Da die mit dem Bescheid
geltend gemachte Forderung - ausgehend von den nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen - auch der Sache nach berechtigt ist, müssen das
Urteil des Oberverwaltungsgerichts geändert und die Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO zurückgewiesen werden.
12 Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG - der wie die übrigen hier maßgeblichen Vorschriften
des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes gleichlautend mit der entsprechenden Norm des
Bundesrechts ist und daher nach § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zum revisiblen Recht gehört - kann
ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückgenommen werden, ein begünstigender Verwaltungsakt allerdings
nach Satz 2 dieses Absatzes nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4. Absatz 2 trifft
Vertrauensschutzregelungen für die Rücknahme von Verwaltungsakten, die - wie hier -
Geldleistungen gewähren. Die Vorschrift des § 49a Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG regelt, dass im
Falle der Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit bereits
erbrachte Leistungen zu erstatten sind, wobei die zu erstattende Leistung nach Satz 2 durch
schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen ist.
13 1. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts durfte die Beklagte ihren
Rücknahme- und Leistungsbescheid auf diese verwaltungsverfahrensrechtlichen Normen
stützen, weil der Klägerin der zurückgeforderte Betrag im Wege eines Verwaltungsakts gewährt
worden war. Diesen Verwaltungsakt sieht die Beklagte zu Recht in ihrer Entscheidung über die
Bewilligung eines zinsgünstigen Kredits zugunsten der Klägerin, die konkludent in dem
Darlehensangebot vom 30. Januar 1995 an die Hausbank der Klägerin, die Sparkasse
Stadtroda, enthalten gewesen sei.
14 Ein Verwaltungsakt ist nach der Definition des § 35 Satz 1 ThürVwVfG jede Verfügung,
Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines
Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung
nach außen gerichtet ist. Ob die Beklagte eine diesen Voraussetzungen genügende
Bewilligungsentscheidung gegenüber der Klägerin getroffen hat, bestimmt sich nach dem Inhalt
der von ihr im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung abgegebenen Erklärung. Dessen
Ermittlung ist den Tatsacheninstanzen vorbehalten, deren Feststellungen das Revisionsgericht
grundsätzlich binden, so dass es auf die Prüfung beschränkt ist, ob die Auslegung der Erklärung
durch das Tatsachengericht die rechtlich vorgegebenen Auslegungsregeln beachtet und im
Einklang mit allgemeinen Erfahrungssätzen und Denkgesetzen steht. Dabei darf jedoch nicht
außer Acht gelassen werden, dass die Auslegung einer Willenserklärung ebenso wie die eines
Verwaltungsakts kein ausschließlicher Akt der Tatsachenfeststellung ist, sondern ein Ineinander
von tatsächlichen Feststellungen und Rechtsanwendungen (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow,
VwGO, 3. Aufl., Rn. 164 ff. zu § 137). Eine der revisionsgerichtlichen Prüfung umfassend
zugängliche Rechtsfrage ist es demgegenüber, ob der festgestellte Inhalt der Erklärung die
Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts erfüllt.
15 Bei Anwendung dieses prozessrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstabes verstößt die
Verneinung eines Verwaltungsakts durch die Vorinstanz gegen Bundesrecht; die ihrer
Subsumtion zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen missachten - ausgehend von einer
unzutreffenden rechtlichen Bewertung der Rolle der Hausbank - die durch die §§ 133 und 157
BGB vorgegebenen Auslegungsgrundsätze. Zu diesen Grundsätzen gehört, dass eine
Willenserklärung unter Berücksichtigung der Begleitumstände auszulegen ist, unter denen sie
abgegeben worden ist. Dies hat das Berufungsgericht in gravierendem Umfang vernachlässigt.
16 Tatsächlicher Ausgangspunkt der Geschehnisse ist der Antrag der Klägerin, der zwar über
die Hausbank gestellt, aber ausdrücklich an die Beklagte und auf die Gewährung eines aus
einem Landesprogramm geförderten Darlehens gerichtet war. Damit wurde ein Rechtsverhältnis
zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet. Dies räumt auch das Berufungsgericht ein.
Es hält aber für fragwürdig, ob es sich dabei um ein öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich
ausgestaltetes Rechtsverhältnis handeln sollte, obwohl die beantragte Förderung nach den von
ihm nicht angezweifelten Feststellungen des Verwaltungsgerichts ihre Rechtsgrundlage in
Vorschriften des Landeshaushaltsrechts und dazu erlassenen Richtlinien findet und daher
fraglos öffentlich-rechtlicher Natur ist. Selbst wenn es möglich ist, die Vergabe öffentlicher Mittel
ausschließlich im Wege des Privatrechts zu bewerkstelligen, scheidet eine solche rechtliche
Gestaltung des Förderweges jedenfalls dann aus, wenn - wie hier - der Subventionsempfänger
einen Antrag auf die zu vergebenden Mittel an die für die Vergabe zuständige Behörde richten
muss und damit zwischen den Beteiligten notwendigerweise ein Verwaltungsrechtsverhältnis
begründet wird. Zwar bleibt es auch unter solchen Voraussetzungen denkbar, dass über die
Gewährung der Förderung nicht durch Verwaltungsakt, sondern - wie das
Oberverwaltungsgericht darlegt - etwa durch öffentlich-rechtlichen Vertrag, also in anderer
Handlungsform entschieden wird. Eine solche andere Handlungsform hat das Berufungsgericht
allerdings nicht ermittelt; vielmehr lehnt es eine gegenüber der Klägerin getroffene Entscheidung
rundheraus ab und geht von einem schlichten Darlehensangebot gegenüber der Hausbank aus,
das gegenüber der Klägerin keinerlei Außenwirkung äußert. Dieses Verständnis des Schreibens
vom 30. Januar 1995 geht an dem Kontext, in dem diese Erklärung abgegeben wurde, und an
der rechtlichen Funktion der Hausbank bei diesen Vorgängen vorbei. Da die Klägerin einen
Antrag bei der Beklagten gestellt hat, liegt es nahe, in dem „Darlehensangebot“ die aufgrund des
Antrages zu erwartende Bescheidung des Begehrens zu sehen; denn darin erklärt sich die
Beklagte bereit, die beantragte Förderung zu gewähren, und nennt die damit verbundenen
Auflagen und Bedingungen. Gegen eine Bescheidung des Antrages gegenüber der Klägerin
spricht nicht, dass dieses Angebot an deren Hausbank gerichtet ist, im Gegenteil: Da der Antrag
über die Hausbank als Erklärungsbotin an die Beklagte gegangen ist, ist es konsequent, dass
die Bescheidung dieses Antrages an die Hausbank gerichtet ist mit dem Bemerken, dass die
Beklagte „davon ausgehe“, die damit verbundenen Auflagen und Bedingungen würden an den
Endkreditnehmer weitergegeben. Zum einen musste das Angebot schon deswegen zunächst an
die Hausbank gerichtet werden, weil sie den zur Umsetzung der Förderung notwendigen
Endkredit ausreichen sollte und ihre Kreditgewährung gegenüber der Klägerin die in dem
Angebot zugesagte Refinanzierung durch die Beklagte voraussetzte; zum anderen konnte die
Beklagte davon ausgehen, dass die Hausbank die mit dem Darlehensangebot erklärte
Förderungsbewilligung für die Klägerin in Empfang nehmen durfte. Da die Sparkasse den
Förderungsantrag schon mit dem Willen der Klägerin als deren Botin übermittelt hatte, durfte die
Beklagte nach der insoweit maßgeblichen Verkehrsanschauung (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB,
71. Aufl., Rn. 9 zu § 130 m.w.N.) annehmen, dass sie auch dazu ermächtigt sein sollte, die
Bescheidung dieses Antrages für die Klägerin entgegenzunehmen. Die Sparkasse fungierte
insoweit nicht als Erklärungsbotin der Beklagten, die sie weder ausgesucht noch beauftragt
hatte, sondern als Empfangsbotin der Klägerin, von der sie für dieses Geschäft eingeschaltet
worden war. Die Sparkasse war die „Haus“-Bank der Klägerin und genoss damit deren
Vertrauen. Demgegenüber war es der Beklagten gleichgültig, welches Kreditinstitut die Klägerin
für die Vermittlung der Förderung einschaltete.
17 Mit der aufgrund dieser Umstände naheliegenden Erkenntnis, dass die Hausbank allein Botin
der Klägerin und damit im Hinblick auf die Erklärung der Beklagten Empfangsbotin war, lösen
sich zugleich die - ohnehin überbewerteten - Probleme mit der Bekanntgabe der
Bewilligungsentscheidung, die die Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Mutmaßungen
veranlasst haben und die das Berufungsgericht und der Vertreter des Bundesinteresses als
letztlich entscheidendes Argument gegen die Existenz einer solchen Entscheidung gegenüber
der Klägerin anführen. Der Zugang einer Willenserklärung über einen Empfangsboten liegt in
der Risikosphäre des Empfängers der Willenserklärung. Mit der Mitteilung an den
Empfangsboten gelangt die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers; sie geht ihm im
Sinne von § 130 BGB in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge mit
der Weiterleitung an den Empfänger gerechnet werden konnte (vgl. Einsele, in: Münchener
Kommentar zum BGB, 6. Aufl., Rn. 29 zu § 130; Palandt-Ellenberger, a.a.O.; BGH, Urteil vom 15.
März 1989 - VIII ZR 303/87 - NJW-RR 1989, 757). Versteht man die Rolle der Hausbank
richtigerweise als Empfangsbotin, wird auch deutlich, dass die Beklagte mit ihrem Bemerken, sie
gehe davon aus, dass Auflagen und Bedingungen an den Endkreditnehmer weitergegeben
würden, - wenn auch möglicherweise unbewusst - die rechtlich zutreffende Formulierung
gewählt hat: Da die Bank nicht ihre Botin, sondern die der Klägerin war, konnte sie nur die
Erwartung der Weiterleitung äußern; denn sie war nicht die Auftraggeberin der Botin.
18 Diese für Willenserklärungen entwickelten Grundsätze gelten auch für die Bekanntgabe eines
Verwaltungsakts über einen Empfangsboten des Adressaten (vgl. U. Stelkens, in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., Rn. 67 zu § 41 m.w.N.). Es kommt daher für die
Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht darauf an, ob die Hausbank das Schreiben vom 30.
Januar 1995 tatsächlich an die Klägerin weitergegeben hat.
19 Unabhängig davon gilt für ihren Einwand, die in der Darlehensgewährung enthaltene
Subventionierung sei für sie nicht erkennbar und damit nicht Gegenstand der Vereinbarung
gewesen, dass die Durchführung des Geschäfts auf der Grundlage der Förderungsbewilligung
schwerer wiegt als der verbale Protest dagegen, diese in den Geschäftswillen aufgenommen zu
haben (protestatio facto contraria non nocet). Dass das Darlehensgeschäft im Rahmen des
Thüringer Umlaufmittelprogramms abgewickelt wurde, konnte die Klägerin dem von ihr
unterschriebenen Formular entnehmen, mit dem sie die Darlehensmittel bei ihrer Hausbank
abgerufen hat (vgl. S. 81 Rücks. der Verwaltungsvorgänge). Darüber hinaus hat die Klägerin mit
einem über die Hausbank geleiteten und von dieser unter dem 7. Februar 1997 inhaltlich
bestätigten Schreiben an die Beklagte vom 26. Januar 1997 (Bl. 99 f. der Verwaltungsvorgänge)
eine ausdrückliche Erklärung über die zweckentsprechende Verwendung der zur Verfügung
gestellten Mittel aus dem Thüringer Umlaufmittelprogramm abgegeben und dabei bekundet,
dass ihr die Subventionserheblichkeit ihrer Angaben im Sinne der entsprechenden
strafrechtlichen Bestimmungen bekannt sei.
20 Soweit sie darüber hinaus zu konstruieren versucht, dass die Subventionsgewährung
gescheitert sei, weil das Refinanzierungsangebot der Beklagten durch die Sparkasse zu spät
angenommen worden sei, verkennt sie, dass allein die tatsächliche Durchführung der Förderung
maßgeblich ist; denn die hintereinandergeschalteten Darlehensverträge sind unstreitig
vollständig abgewickelt worden mit der Folge, dass der Klägerin die zugesagte Zinsverbilligung
zugeflossen ist. Zudem übersieht sie, dass die Beklagte - selbst wenn die Sparkasse das ihr
angebotene Geschäft zu spät angenommen haben sollte - die als neues Angebot geltende
verfristete Annahme (§ 150 Abs. 1 BGB) ihrerseits durch die Ausreichung der
Refinanzierungsmittel konkludent angenommen hätte, so dass das Geschäft ungeachtet der
Verfristung zustande gekommen wäre. Die Vorstellung der Klägerin, die Darlehensgewährung
der Sparkasse an sie, die Endkreditnehmerin, habe keinen Bezug zu einer
Bewilligungsentscheidung der Beklagten mehr haben können, weil der Darlehensvertrag mit der
Sparkasse bereits abgeschlossen gewesen sei, bevor der Refinanzierungsvertrag zwischen der
Sparkasse und der Beklagten zustande gekommen sei, ist nicht nachvollziehbar; denn die
„Durchleitung“ der Fördermittel mit Hilfe zweier hintereinandergeschalteter Darlehensgeschäfte
setzt nicht voraus, dass diese Geschäfte in einer bestimmten Reihenfolge abgeschlossen
werden. Maßgeblich ist allein, dass die Geschäfte zu dem Zweck der Förderung miteinander
verknüpft sind, woran hier kein ernstlicher Zweifel bestehen kann.
21 2. Weitere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeentscheidung ist, dass der
zurückgenommene Verwaltungsakt rechtswidrig war und seiner Rücknahme kein
schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin entgegenstand. Beides hat das Oberverwaltungsgericht -
von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht geprüft; beides ist zu bejahen, ohne dass
dazu weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich sind.
22 a) Die Beklagte hat sich für die Rechtswidrigkeit der Förderung der Klägerin auf die
Entscheidung der Europäischen Kommission vom 27. November 2002 (2003/469/EG) berufen,
die die Gemeinschaftswidrigkeit der Richtlinie zum Thüringer Umlaufmittelprogramm festgestellt
hat, sofern sie Betriebsbeihilfen an Unternehmen in den sensiblen Sektoren vorsehe, soweit sie
in den Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 EG fallen. Da von keinem Beteiligten infrage
gestellt worden ist, dass es sich bei der Klägerin um ein gesundes Unternehmen handelte und
das Unternehmen dem sensiblen Sektor Landwirtschaft zuzurechnen ist (vgl. Rn. 57 der
Begründung der Kommissionsentscheidung), hat die Klägerin eine Betriebsbeihilfe im Sinne der
Kommissionsentscheidung erhalten (vgl. Rn. 83 a.a.O.), die nach Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung
in den Anwendungsbereich des Art. 87 Abs. 1 EG fällt. Die in Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung
genannten Ausnahmen greifen hier nicht, weil von deren Anwendungsbereich wiederum die
Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von in Anhang I zu Art. 32 EG, Kap. 2 und Kap.
05.15, erfasstem Fleisch sowie Waren tierischen Ursprungs ausgenommen sind (vgl. Art. 1
Buchst. a VO Nr. 69/2001 sowie Nr. 3.2 i.V.m. 1.6 des zuvor gültigen
Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen und Rn. 56
der Begründung der Kommissionsentscheidung). Darunter fällt der mit dem Darlehen finanzierte
Futterkauf, der der Schweineproduktion dient. Ob die Klägerin - wie das Verwaltungsgericht
meint - die Kommissionsentscheidung gegen sich gelten lassen muss, weil sie insoweit keine
Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. April
1998 - BVerwG 3 C 15.97 - BVerwGE 106, 328), ist zweifelhaft; denn es ist fraglich, ob sie das
für eine Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG (jetzt: Art. 263 AEUV) erforderliche Maß an
individueller Betroffenheit aufwies. Dies mag jedoch dahingestellt bleiben, weil sie weder
rechtliche Einwände gegen die Kommissionsentscheidung selbst erhebt noch solche erkennbar
sind.
23 b) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr Vertrauen in den Bestand der
Bewilligungsentscheidung deren Rücknahme nach § 48 Abs. 2 ThürVwVfG verbietet. Nach der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist das Vertrauen des Beihilfeempfängers
grundsätzlich nicht schutzwürdig, wenn - wie hier - die in Art. 88 Abs. 3 Satz 1 EG vorgesehene
Notifizierungspflicht nicht eingehalten worden ist (Urteil vom 20. März 1997 - Rs. C-24/95 - Alcan
- Slg. 1997, I-01591; vgl. Urteil des Senats vom 23. April 1998 a.a.O.). Zu Unrecht wendet die
Klägerin ein, dass die genannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein großes
international tätiges Unternehmen betreffe und an ihr deutlich kleineres, lediglich regional tätiges
Unternehmen nicht dieselben Anforderungen gestellt werden dürften. Der Gerichtshof stellt in
seinem Urteil auf den „sorgfältigen Gewerbetreibenden“ ab und differenziert weder nach der
Größe der subventionierten Unternehmen noch danach, wie weit sich ihre Geschäftstätigkeit
erstreckt. Auch der weitere Einwand, diese Anforderungen an die Sorgfalt der
Gewerbetreibenden seien erst im März 1997 ausgesprochen worden, während sie ihr Darlehen
bereits im Jahre 1995 erhalten habe, ist nicht berechtigt. Abgesehen davon, dass sich der vom
Europäischen Gerichtshof entschiedene Sachverhalt in den 80er Jahren zugetragen hat, sind die
in Rede stehenden Sorgfaltspflichten nicht erst durch das Gericht begründet worden; es hat
vielmehr festgestellt, dass diese Pflichten sich aus dem seinerzeit geltenden und auch jetzt noch
gültigen Recht ergeben.
24 c) Da nach Anordnung der Rückforderung einer Beihilfe durch die Kommission ein Ermessen
der nationalen Behörde nicht mehr besteht (EuGH, Urteil vom 20. März 1997 a.a.O.), lässt die
Rücknahmeentscheidung auch insoweit keinen Rechtsfehler erkennen.
25 3. Als Konsequenz der Rücknahme des Verwaltungsakts ergibt sich nach § 49a Abs. 1 Satz 1
ThürVwVfG ein Anspruch der Beklagten auf Erstattung der auf der Grundlage der
Bewilligungsentscheidung gewährten Zinsverbilligung, den sie nach § 49a Abs. 1 Satz 2
ThürVwVfG durch Verwaltungsakt geltend zu machen hat. Dieser Zinsvorteil ist die Leistung,
welche die Beklagte der Klägerin aufgrund der Bewilligungsentscheidung gewährt hat und die
innerhalb dieses hoheitlichen Leistungsverhältnisses rückabzuwickeln ist. Die abgeschlossenen
und durchgeführten Darlehensvereinbarungen zwischen der Beklagten und der Hausbank sowie
dieser und der Klägerin sind aus der Sicht der öffentlich-rechtlichen Förderung bloße
Zuwendungsverhältnisse, mit denen die der Klägerin zuerkannte Förderung bewerkstelligt wird.
Im Hinblick auf die angeordnete Rückzahlung ist der angegriffene Bescheid daher ebenfalls
nicht zu beanstanden.
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
Rothfuß