Urteil des BVerwG vom 17.07.2009

BVerwG: jugendhilfe, eigenleistung, gleichheit im unrecht, materielles recht, verfügung, erfüllung, zuwendung, vergleich, finanzkraft, gleichbehandlungsgebot

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 C 26.08
OVG 1 B 302/06
Verkündet
am 17. Juli 2009
von Förster, Justizobersekretärin,
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2009
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Säch-
sischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. Mai 2008 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zu-
rückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin, ein als Träger der freien Jugendhilfe anerkannter Verein, die Leis-
tungen nach § 2 Abs. 2 SGB VIII erbringt, begehrt von der Beklagten für das
Haushaltsjahr 2000 die Gewährung eines weiteren Personalkostenzuschusses
für den von ihr in jenem Jahr betriebenen Freizeittreff in D.-G. Sie hat diesen
Freizeittreff mittlerweile aus finanziellen Gründen eingestellt.
Die Klägerin beantragte unter dem 16. September 1999 für das Haushaltsjahr
2000 die Bewilligung eines Personal- und Sachkostenzuschusses in Höhe von
insgesamt 197 520,74 DM, wovon 159 258,46 DM auf Personalkosten entfie-
len. Dieser Betrag setzte sich aus den Personalkosten für die Vollzeitstelle der
Geschäftsführerin/Bildungsreferentin sowie den Personalkosten für die Teilzeit-
stelle eines/einer Projektleiters/in und eines/einer Mitarbeiter/in ab April 2000
zusammen. Die Klägerin beantragte, ihr mangels finanzieller Leistungsfähigkeit
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und eingebrachter ehrenamtlicher Arbeit hinsichtlich der geltend gemachten
Personalkosten den Eigenanteil zu erlassen.
Der Jugendhilfeausschuss der Beklagten beschloss am 16. März 2000 über die
Förderung einzelner Träger der freien Jugendhilfe unter Berücksichtigung der
begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Unter Bezugnahme auf
diesen Beschluss bewilligte die Beklagte dem Kläger mit „Zuwendungsbescheid
Projektförderung (Sach- und Personalkosten)“ vom 27. April 2000 eine Zuwen-
dung („bis zu einem Höchstbetrag“) von 81 686,16 DM in Form der Festbe-
tragsfinanzierung, wovon 53 047,39 DM auf die Personalkosten für die Stelle
der Geschäftsführerin/Bildungsreferentin entfielen. Für die beantragten Perso-
nalkosten der Teilzeitstellen eines/einer Projektleiters/in sowie eines/einer wei-
teren Mitarbeiter/in wurde keine Zuwendung gewährt.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch begehrte die Klägerin eine höhere
Förderung der Sachkosten sowie zusätzliche Personalmittel. Mit den bewilligten
Personalkosten könnten die erforderlichen tatsächlichen, nicht zuletzt aus der
tariflichen Bezahlung resultierenden Aufwendungen nicht bestritten werden. Die
Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 26. Juli 2000 zurück.
Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage begehrte die Klägerin zuletzt, die Beklagte
zu verpflichten, ihr einen weiteren Personalkostenzuschuss für die Stelle der
Geschäftsführerin/Bildungsreferentin in Höhe von 25 465,77 DM
(= 13 020,44 €) zu gewähren. Der Betrag entspreche der Differenz zwischen
den ungekürzten Personalkosten für ihre Mitarbeiter nach BAT-Ost
(= 78 513,16 DM) und den bislang bewilligten Zuwendungen (= 53 047,39 DM).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Februar 2004 als un-
begründet abgewiesen.
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Berufungsgericht der Berufung stattgegeben
und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin einen weiteren Personalkostenzu-
schuss in Höhe von 13 020,44 € (nebst Prozesszinsen) zu gewähren. Zur Be-
gründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen auf sein Urteil vom
12. April 2006 (5 B 370/04) Bezug genommen und sich die von ihm auszugs-
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weise zitierten Ausführungen auch für das vorliegende Verfahren zu Eigen ge-
macht. Danach finde der Anspruch seine Rechtsgrundlage in § 74 Abs. 1,
Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2 SGB VIII. Die Förderung stehe unter einem kommu-
nalpolitischen Vorbehalt. Die Beklagte dürfe den Trägern der freien Jugendhilfe
entgegenhalten, dass nach ihrer Finanzkraft und gesamten Haushaltsplanung
Mittel nur in beschränkter Höhe zur Verfügung gestellt werden könnten. Sie ha-
be über die Art und Höhe der Zuwendung nach pflichtgemäßem Ermessen zu
entscheiden. Das Ermessen der Beklagten sei vorliegend aufgrund des Gleich-
behandlungsgebots des § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII auf Null reduziert. Die För-
derung der Träger der freien Jugendhilfe werde dadurch an dieselben Grund-
sätze und Maßstäbe gebunden, die für die Finanzierung gleichartiger Maßnah-
men der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gelten. Hierdurch solle sowohl eine
Besser- als auch eine Schlechterstellung der Träger der freien Jugendhilfe ge-
genüber den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe vermieden werden. Besonde-
re Auswirkungen habe dieser Grundsatz hinsichtlich der Personal- und Ge-
haltsstruktur des öffentlichen Dienstes und der Träger der freien Jugendhilfe.
Ob die Beklagte über einen öffentlichen Träger verfüge, der eine gleichartige
Maßnahme wie die Klägerin durchführe, sei unerheblich. Sollte dies nicht der
Fall sein, wäre ein fiktiver Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu bilden und im
Rahmen eines hypothetischen Vergleichs zu prüfen, mit welchem Personal die-
ser die Maßnahme durchführen würde. Da die Beklagte das von der Klägerin
angesetzte Personal als notwendig angesehen habe, sei davon auszugehen,
dass auch sie dieses Personal zum Einsatz gebracht hätte, wenn sie das be-
troffene Projekt der Klägerin durchgeführt hätte. Dieses Personal hätte die Be-
klagte nach BAT-Ost bezahlen müssen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot des
§ 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII folge daher, dass auch der Klägerin für das von ihr
benötigte Personal die Mittel zur Verfügung gestellt werden müssten, um ihr
Personal nach BAT-Ost bezahlen zu können. Der Anspruch sei auch nicht des-
halb zu kürzen, weil die Klägerin tatsächlich geringere als die bei der Antrag-
stellung geltend gemachten Personalkosten gehabt hätte. Die Beklagte habe
die Zuwendungen als Festbetragsfinanzierung gewährt, so dass der Anspruch
nicht auf ein nach Ablauf des Bewilligungsjahres tatsächlich verbleibendes De-
fizit beschränkt sei. Bei dem nicht bewilligten Betrag handele es sich auch nicht
um die nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 SGB VIII vorausgesetzte
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angemessene Eigenleistung. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten habe
es keine Rolle gespielt, ob die Träger der freien Jugendhilfe fähig seien, eine
angemessene Eigenleistung zu erbringen. Die beantragten Zuwendungen sei-
en vielmehr ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des betroffenen Trägers
der freien Jugendhilfe pauschal gekürzt worden, um ein möglichst breites An-
gebot trotz geringerer Haushaltsmittel aufrechtzuerhalten.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie
rügt eine Verletzung des § 74 Abs. 3 und 5 SGB VIII.
Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung des
Rechtsstreits an das Berufungsgericht auch begründet. Das angefochtene Ur-
teil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Rechtsauffassung des
Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein weiterer Personalkostenzuschuss
deswegen zu, weil das Förderermessen der Beklagten insoweit auf Null redu-
ziert sei, ist mit § 74 Abs. 1, 3 und 5 SGB VIII nicht vereinbar. Für die abschlie-
ßende Beurteilung, ob und in welcher Höhe die Klägerin einen Anspruch zu-
mindest auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über die
Gewährung eines weiteren Personalkostenzuschusses hat, bedarf es weiterer
tatsächlicher Feststellungen, weshalb die Sache zur anderweitigen Verhand-
lung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Der Senat hat in seinem Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren BVerwG
5 C 25.08, das einen im entscheidungserheblichen Kern vergleichbaren Sach-
verhalt zur Förderung der Maßnahmen eines freien Trägers der Jugendhilfe
durch die Beklagte im Haushaltsjahr 2000 betrifft, Folgendes ausgeführt:
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„II. Soweit das Berufungsgericht die Beklagte verpflichtet
hat, dem Kläger einen weiteren Personalkostenzuschuss
in Höhe von 15 219,34 € zu gewähren, ist das Urteil
rechtswidrig, weil ohne weitere tatrichterliche Feststellun-
gen nicht beurteilt werden kann, ob dem Kläger ein derar-
tiger Anspruch nach § 74 Abs. 1, 3 und 5 SGB VIII zu-
steht. Ein Anspruch des Klägers ist zwar nicht schon mit
Ablauf des Haushaltsjahres 2000 untergegangen (dazu
II.1.). Klärungsbedarf besteht aber bereits zu der Frage,
ob die begehrte weitere Förderung noch zweckkonform für
die Maßnahmen verwendet werden könnte (dazu II.2.).
Nicht hinreichend geprüft ist insbesondere, ob der Kläger
eine angemessene Eigenleistung erbringt und daher die
tatbestandlichen Voraussetzungen seiner Förderung vor-
liegen; jedenfalls fehlt es insoweit an tatsächlichen Fest-
stellungen (II.3.). Die Versagung einer weiteren Förderung
durch die Beklagte ist indes nicht ermessensfehlerfrei er-
folgt (dazu II.4.), sodass ein Anspruch des Klägers auf der
Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsäch-
lichen Feststellungen auch nicht ausgeschlossen werden
kann.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, dass einem
Anspruch des Klägers auf Gewährung eines weiteren Per-
sonalkostenzuschusses für eine jugendhilferechtliche
Maßnahme im Jahre 2000 nicht schon entgegensteht,
dass das Haushaltsjahr 2000 inzwischen abgelaufen ist
und die Mittel, welche nach § 74 Abs. 3 SGB VIII für die-
ses Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt wurden, bereits
aufgebraucht sind.
Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen die freiwilli-
ge Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe fördern, wenn
der jeweilige Träger die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1
Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII erfüllt; gemäß § 74 Abs. 3 Satz 1
SGB VIII haben die Träger der freien Jugendhilfe insoweit
einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung
(s. etwa - m.w.N. - OVG NRW, Beschluss vom 26. Sep-
tember 2003 - 12 B 1727/03 -). Dieser materiell-rechtliche
Anspruch auf fehlerfreie Förderentscheidung besteht auch
über den Ablauf des jeweiligen Haushaltsjahres hinaus
fort, wenn und soweit er nicht durch eine ermessensfeh-
lerfreie oder doch in Bestandskraft erwachsene Entschei-
dung über die Förderung erfüllt worden ist. Die an den
„Rahmen“ der verfügbaren Haushaltsmittel gebundene
Entscheidung findet ihre Grundlage nicht im Fortbestand
des Haushaltsplanes, sondern in § 74 Abs. 1 und 3
SGB VIII. Wegen der gesetzlichen Grundlage des An-
spruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die
Förderung, die sich bei einer Ermessensreduktion aus-
nahmsweise zu einem auch in der Höhe bestimmten För-
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deranspruch verdichten kann, hängen Bestand und Um-
fang des Anspruchs somit nicht davon ab, ob das Haus-
haltsjahr, auf das sie bezogen sind, abgelaufen ist. Dies
führt nicht zum Untergang des materiell-rechtlichen An-
spruchs oder zur verfahrensrechtlichen Erledigung des
Antrages, wenn und soweit auch eine nachträgliche För-
derleistung noch ihren Zweck, eine bestimmte Maßnahme
der Jugendhilfe zu ermöglichen und zu fördern, erfüllen
kann (dazu II.2.).
Der materiell-rechtliche Anspruch auf fehlerfreie Entschei-
dung ist auch nicht mit Blick auf die „im Rahmen der ver-
fügbaren Haushaltsmittel“ zu treffende Entscheidung über
Art und Höhe der Förderung deshalb beschränkt, weil re-
gelmäßig davon auszugehen ist, dass zum Jahresende
die im Haushaltsplan für die betreffenden Maßnahmen
bereitgestellten Mittel aufgebraucht sind. Auch in diesem
Fall führt der Ablauf des Haushaltsjahres nicht zu einer
Erledigung eines hierauf gerichteten Antrages. Denn es ist
zwar die Verteilungsentscheidung an den Rahmen der
verfügbaren Haushaltsmittel gebunden. § 74 Abs. 3
SGB VIII verknüpft Haushaltsrecht und materielles Recht
indes nicht in einer Weise, dass Regelungen des Haus-
haltsrechts anspruchsvernichtende Wirkung zukommt (s.
implizit Urteil vom 25. April 2002 - BVerwG 5 C 23.01 -
Bucholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr. 4). Der Bestand
eines rechtsfehlerhaft beschiedenen Förderanspruchs
wird durch das Fehlen entsprechender Haushaltsmittel
nicht berührt. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie För-
derentscheidung oder gar die dem gebundenen Anspruch
in der Wirkung gleichstehende Reduktion des Förde-
rungsermessens „auf Null“ kann grundsätzlich auch nach
Ablauf des Haushaltsjahres erfüllt werden. Für diese Feh-
lerkorrektur haben Regelungen des Haushaltsrechts keine
anspruchsvernichtende oder -begrenzende Wirkung, zu-
mal hierfür regelmäßig in einem nachfolgenden Haus-
haltsjahr - gegebenenfalls durch Bereitstellung über- oder
außerplanmäßiger Mittel zur Erfüllung eines Rechtsan-
spruchs - Mittel aus dem Haushalt des dann laufenden
Haushaltsjahres für die Erfüllung eines in der Vergangen-
heit begründeten Anspruches bereitzustellen sind. Durch
eine nachträgliche Verpflichtung zu einer nicht in dem
Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel des Förderjah-
res liegenden Förderung wird der Gesamtrahmen der För-
derung nicht „gesprengt“. Der an Gesetz und Recht ge-
bundene Jugendhilfeträger kann auch wegen dieser Mög-
lichkeit die Rechtsfolgen einer ermessensfehlerhaften
Förderentscheidung nicht unter Hinweis auf den Haus-
haltsmittelvorbehalt des § 74 Abs. 3 SGB VIII abwenden.
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Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob in
dem Haushaltsjahr 2000, in Bezug auf das um weitere
Förderung gestritten wird, die für die Ermessensentschei-
dung nach § 74 Abs. 3 SGB VIII bereitgestellten Haus-
haltsmittel im konkreten Fall tatsächlich vollständig ausge-
schöpft worden sind.
2. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des weiter-
gehenden Zahlungsanspruches auch nicht schon deswe-
gen begründet, weil die Maßnahme, für die eine Förde-
rung begehrt wird, bereits durchgeführt worden ist. Die
Förderung einer in der Vergangenheit liegenden Maß-
nahme, die tatsächlich durchgeführt worden ist, kommt
auch durch eine nachträgliche Verwaltungsentscheidung
in Betracht. Nach § 74 Abs. 3 SGB VIII besteht aber kein
Anspruch auf eine weitere Förderung, wenn diese Mittel
nicht mehr zweckkonform für die Maßnahmen verwendet
werden können, zu deren Förderung sie begehrt werden.
2.1 Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsge-
richts und des Klägers ist allerdings auch bei der Förde-
rung einer Maßnahme als Festbetragsfinanzierung der
Umstand nicht unerheblich, dass der Kläger tatsächlich
geringere als die von ihm bei der Antragstellung geltend
gemachten Personalkosten aufgewandt hat. Jedenfalls in
einem Fall, in dem eine zusätzliche Förderung für eine be-
reits durchgeführte Maßnahme begehrt wird, ist die tat-
sächliche Durchführung der Maßnahme für eine rückwir-
kend zu treffende Förderentscheidung zumindest dann
erheblich, wenn die Maßnahme tatsächlich nicht wie be-
antragt durchgeführt worden ist oder die förderungsfähi-
gen Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der
Durchführung der Maßnahme stehen, niedriger sind als
ursprünglich veranschlagt. Aus dem Begriff der „Förde-
rung“ von Maßnahmen auf dem Gebiet der Jugendhilfe,
der zumindest eine die Gesamtkosten übersteigende Mit-
telbereitstellung ausschließt, sowie der Förderungsvor-
aussetzung, dass ein „angemessener Eigenanteil“ zu leis-
ten ist, folgt, dass nach § 74 Abs. 3 SGB VIII kein An-
spruch auf eine weitere Förderung besteht, wenn diese
Mittel nicht mehr zweckkonform für die Maßnahmen ver-
wendet werden können, zu deren Förderung sie begehrt
werden.
Die für die Durchführung der Maßnahme tatsächlich ange-
fallenen oder künftig noch anfallenden Kosten bilden
- entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - auch bei
der Förderung im Rahmen einer Festbetragsfinanzierung
die Höchstgrenze der rechtmäßig möglichen Förderung.
Auch diese ist an den allgemeinen Haushaltsgrundsatz
gebunden, nach dem öffentliche Mittel wirtschaftlich und
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sparsam zu verwenden sind (§ 6 HGrG), Zuwendungen
nur gewährt werden dürfen, wenn der Zuwendungsgeber
an der Erfüllung des Zweckes, für den diese gewährt wer-
den, ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwen-
dung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt
werden kann (§ 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 14
HGrG) und bei der Gewährung von Zuwendungen zu
bestimmen ist, wie die zweckentsprechende Verwendung
der Zuwendungen nachzuweisen ist (§ 26 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 2 HGrG). Auch bei einer Festbetragsfinanzierung
kann der Förderungszweck nicht erreicht werden, wenn
die tatsächlichen Ausgaben für den Förderungszweck die
gewährte bzw. begehrte Förderung nicht übersteigen; eine
zweckkonforme Verwendung setzt voraus, dass die be-
rücksichtigungsfähigen Ausgaben jedenfalls die durch
Förderung erzielten oder angestrebten Einnahmen errei-
chen (s.a. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Oktober 2007
- 7 K 4305/04 -). Dies gilt auch für den Fall, dass unter
dem Eindruck ausbleibender Fördermittel eine Korrektur
der Ausgaben noch im offenen Rechtsmittelverfahren er-
folgt ist (zweifelnd ThürOVG, Urteil vom 26. November
2008 - 3 KO 363/08 - LKV 2009, 234 <236>). Anderes
folgt auch nicht aus dem von dem Kläger herangezoge-
nen Urteil des Senats vom 25. April 2002 - BVerwG
5 C 23.01 - (Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII
Nr. 4).
2.2 Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächli-
chen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob es hier-
nach zu einem Ausschluss nachträglicher Förderung ge-
kommen ist. Aus der Feststellung, dass der Kläger tat-
sächlich geringere als die von ihm bei Antragstellung gel-
tend gemachten Personalkosten aufgewandt hat, folgt
nicht auch, dass die Aufwendungen für Personalkosten
tatsächlich geringer sind als die Summe der bereits ge-
währten und nunmehr begehrten Förderung. Dies wird
das Berufungsgericht aufzuklären haben. Dabei wird es zu
berücksichtigen haben, dass die tatsächlichen Personal-
aufwendungen, die in dem für das Förderjahr 2000 einge-
reichten Verwendungsnachweis ausgewiesen sind, dann
nicht die förderungsfähigen Aufwendungen begrenzen,
wenn noch zusätzliche zweckkonforme Ausgaben möglich
sind und erfolgen können. Dies kommt etwa dann in Be-
tracht, wenn die in der Maßnahme eingesetzten Beschäf-
tigten unter dem Eindruck ausbleibender Fördermittel sich
mit einer geringeren als der zunächst vereinbarten Vergü-
tung einverstanden erklärt haben und der Träger der frei-
en Jugendhilfe, wird er hierzu durch eine entsprechende
nachträgliche Förderung in die Lage versetzt, zu einer
entsprechenden Nachzahlung verpflichtet ist. Entspre-
chendes kann gelten, wenn die nachträglich erstrittenen
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Fördermittel nachweislich ohne Rechtspflicht zu maßnah-
mebezogenen Nachzahlungen, z.B. wegen eines Lohn-
verzichts, verwendet werden.
3. Die Revision der Beklagten hat im Sinne einer Zurück-
verweisung an das Berufungsgericht bereits deswegen Er-
folg, weil nicht hinreichend geprüft worden ist, ob der Klä-
ger eine angemessene Eigenleistung erbracht hat und
daher die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Förde-
rung vorliegen; jedenfalls fehlt es insoweit an tragfähigen
tatsächlichen Feststellungen.
3.1 Ein Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie
Entscheidung (dazu II.4.) über seinen Förderungsantrag
setzt voraus, dass die Förderungsvoraussetzungen nach
§ 74 Abs. 1 Halbs. 2 Satz 1 SGB VIII gegeben sind. Zwi-
schen den Beteiligten steht zwar nicht im Streit, dass der
Kläger die fachlichen Voraussetzungen für die geplante
Maßnahme erfüllt, gemeinnützige Ziele verfolgt, die Ge-
währ für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche
Verwendung der Mittel sowie Gewähr für eine den Zielen
des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet (§ 74 Abs. 1
Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 SGB VIII). Der Kläger ist
auch als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt (§ 74
Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. § 75 SGB VIII).
3.2 Die Beklagte und das Berufungsgericht haben indes
nicht erkennbar geprüft, und es kann jedenfalls anhand
der getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht beur-
teilt werden, ob der Kläger die weitere Voraussetzung der
Förderung erfüllt, dass er eine angemessene Eigenleis-
tung erbringt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 4 SGB VIII).
Nach dem Wortlaut ist diese Voraussetzung zwar unmit-
telbar bezogen darauf, unter welchen Voraussetzungen in
den Fällen des § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII die
freiwillige Tätigkeit der jeweiligen Träger auf dem Gebiet
der Jugendhilfe gefördert werden „soll“, und damit auf ei-
ne erste Einengung des Förderermessens, das dem Trä-
ger der öffentlichen Jugendhilfe zuzubilligen ist. Nach dem
Sinn und Zweck der Regelung sowie dem systematischen
Zusammenhang mit § 74 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII, der bei
der Förderung eine Bemessung der Eigenleistung voraus-
setzt, ist die in § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 4 SGB VIII
genannte Voraussetzung aber zugleich tatbestandliche
Voraussetzung für einen Förderanspruch dem Grunde
nach. Der vorliegende Fall gibt dabei keinen Anlass zur
Entscheidung der Frage, ob bzw. unter welchen Voraus-
setzungen in Ausnahmefällen eine Maßnahme auch dann
gefördert werden kann, wenn ein Träger nicht in der Lage
ist, eine (angemessene) Eigenleistung zu erbringen.
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3.3 Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstand-
punkt aus zutreffend - nicht festgestellt, dass oder in wel-
cher Höhe der Kläger für die Maßnahme, deren Förde-
rung hier im Streit steht, im Haushaltsjahr 2000 eine Ei-
genleistung erbracht und bei seinem Förderantrag be-
rücksichtigt hat. Es hat vielmehr die Erbringung einer an-
gemessenen Eigenleistung unter dem Aspekt einer etwai-
gen (anspruchsvernichtenden) Einwendung der Beklagten
geprüft, dabei verneint, dass es sich bei dem nicht bewil-
ligten Betrag um eine angemessene Eigenleistung (i.S.d.
§ 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 SGB VIII)
handele und hierbei ausgeführt, dass die Fähigkeit der
freien Träger zur Erbringung einer angemessenen Eigen-
leistung für die Bewilligungspraxis der Beklagten keine
Rolle gespielt habe.
Dem Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings darin zuzu-
stimmen, dass eine (gleichheitswidrig) zu niedrige und un-
zureichende Förderung nicht dadurch rechtmäßig werden
kann, dass ein etwa ermessenswidrig vorenthaltener För-
derbetrag in eine Erhöhung der Eigenleistung „umgewan-
delt“ wird. Die gesetzliche Förderungsvoraussetzung „an-
gemessene Eigenleistung“ ist eine eigenständige tatbe-
standliche Voraussetzung (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2
Nr. 4 SGB VIII) der Förderung und insoweit der Ermes-
sensentscheidung, die nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu tref-
fen ist, vorgelagert. Die Tatbestandsvoraussetzung steht
nicht zur Disposition des Trägers der öffentlichen Jugend-
hilfe und ist von Amts wegen zu prüfen. Auf diese Prüfung
kann auch nicht deswegen verzichtet werden, weil der
Kläger bereits eine Förderung erhält; soweit der Förder-
bescheid in Bezug auf die gewährte Förderung bestands-
kräftig geworden ist, erfasst die Bestandskraft nicht einen
- rechtswidrigen - Verzicht auf eine angemessene Eigen-
leistung und erlaubt der Beklagten nicht, bei ergänzender
Förderung die Frage der Erbringung einer angemessenen
Eigenleistung wiederum ungeprüft zu lassen. Der Kläger
kann sich auch nicht auf die vom Berufungsgericht ange-
führte Bewilligungspraxis berufen, bei der die Fähigkeit
der freien Träger zur Erbringung einer angemessenen ei-
genen Leistung keine Rolle gespielt habe. Eine solcher-
maßen rechtswidrige Bewilligungspraxis kann nicht
Grundlage eines weitergehenden Förderungsanspruchs
sein. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt ebenfalls kein „Fehlerwie-
derholungsanspruch“ (s.a. - zur Frage der „Gleichheit im
Unrecht“ - Urteile vom 13. Dezember 2006 - BVerwG
6 C 17.06 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht
Nr. 82; 13. April 2005 - BVerwG 6 C 5.04 - Buchholz 402.5
WaffG Nr. 91; 26. Februar 1993 - BVerwG 8 C 20.92 -
BVerwGE 92, 153 <157> m.w.N.).
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3.4 Nach den tatsächlichen Feststellungen des Beru-
fungsgerichts kann auch sonst nicht beurteilt werden, ob
bei der bereits gewährten Förderung ein angemessener
Eigenanteil des Klägers berücksichtigt und dieser ausge-
schöpft ist, sodass die Frage eines Eigenanteils für einen
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über
weitergehende Förderung nicht erheblich werden könnte.
Umgekehrt ergeben die getroffenen tatsächlichen Fest-
stellungen auch nicht, dass der Kläger in Bezug auf die
Maßnahme, deren Förderung Gegenstand dieses Verfah-
rens ist, eine angemessene Eigenleistung nicht erbracht
hat; es kann daher auch nicht festgestellt werden, dass
bereits kein Förderanspruch dem Grunde nach besteht.
Das Berufungsgericht wird mithin zur Frage der angemes-
senen Eigenleistung oder ihrer Angemessenheit tatsächli-
che Feststellungen nachzuholen haben.
4. Die Revision der Beklagten hat dagegen nicht auch
deswegen Erfolg, weil ein Anspruch des Klägers auf wei-
tere Personalkostenförderung auch dann ausgeschlossen
wäre, wenn unterstellt wird, dass der Kläger für die Durch-
führung der hier zu beurteilenden Maßnahme eine ange-
messene Eigenleistung erbracht hat. Die Beklagte ist zwar
im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass sie über
die Art und Höhe der Förderung nach § 74 Abs. 3
SGB VIII eine Ermessensentscheidung zu treffen hat (da-
zu 4.1). Den Anspruch des Klägers auf ermessensfehler-
freie Entscheidung verletzt indes, dass die Beklagte er-
messensfehlerhaft für die Förderung die als förderungsfä-
hig anerkannten Aufwendungen linear prozentual gekürzt
hat (4.2). Die Beklagte hat weiterhin die aus § 74 Abs. 5
Satz 2 SGB VIII folgenden Ermessensbindungen nicht er-
kennbar berücksichtigt (4.3). Weitere Ermessensfehler
sind nicht festzustellen (4.4).
4.1 Das Begehren des Klägers ist - hiervon geht im recht-
lichen Ansatz zutreffend auch das Berufungsgericht aus -
nach § 74 Abs. 1, 3 und 5 Satz 2 SGB VIII zu beurteilen.
Danach soll unter den in § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2
SGB VIII genannten Voraussetzungen der jeweilige Trä-
ger der freien Jugendhilfe gefördert werden. Diese träger-
gebundene Regelförderverpflichtung dem Grunde nach,
der für den Regelfall ein subjektiv-rechtlicher Anspruch
auf Förderung dem Grunde nach entspricht, ist indes nicht
auf eine Förderung aller Maßnahmen und Aktivitäten ei-
nes freien Trägers der Jugendhilfe oder eine Förderung in
bestimmter Höhe gerichtet. Vielmehr entscheidet über die
Art und Höhe der Förderung der Träger der öffentlichen
Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel
nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 74 Abs. 3 Satz 1
SGB VIII). § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII setzt dabei voraus,
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dass dieses Ermessen auch die Entscheidung umfasst,
einzelne Maßnahmen nicht zu fördern, und eine Auswahl-
entscheidung zwischen gleich geeigneten Maßnahmen
unterschiedlicher Antragsteller zu treffen, wenn zur Be-
friedigung des jugendhilferechtlichen Bedarfs nur eine
Maßnahme notwendig ist. Der Träger der öffentlichen Ju-
gendhilfe hat mithin eine durch die Vorgaben seiner Fi-
nanzkraft und der verfügbaren Haushaltsmittel begrenzte
Ermessensentscheidung über die Förderung zu treffen.
Wegen dieses „Haushaltsmittelvorbehalts“ hat auch der
Maßnahmeträger lediglich einen Anspruch auf ermes-
sensfehlerfreie Entscheidung über die Förderung einer
Maßnahme. Ein Anspruch auf eine Förderung in bestimm-
ter, hier über die bewilligte Förderung hinausgehender
Höhe kommt nur in Betracht, wenn das Förderermessen
des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf Null reduziert
ist (s. etwa BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1967 - BVerfG
2 BvF 3/62 u.a. - BVerfGE 22, 180 <207 f.>; BVerwG, Be-
schluss vom 30. Dezember 1996 - BVerwG 5 B 27.96 -
Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr. 2; Urteil vom
25. April 2002 - BVerwG 5 C 18.01 - BVerwGE 116, 226;
aus dem Schrifttum etwa Münder u.a., FK-SGB VIII,
5. Aufl. 2006, § 74 Rn. 27 ff.; Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl.
2006, § 74 Rn. 24, 41; Schellhorn/Fischer/Mann,
SGB VIII/KJHG, 3. Aufl. 2007, § 74 Rn. 12; Frings/Siem-
es, ZfF 1995, 1; Wabnitz, ZfJ 2003, 165; weitergehend
wohl Baltz, NDV 1996, 360 <361>; Häbel, ZfJ 1997, 109
<122>).
Zu den Gesichtspunkten, die bei dieser Ermessensent-
scheidung zu berücksichtigen sind, zählt nach § 74 Abs. 3
Satz 3 SGB VIII auch ein angemessener Eigenanteil, für
dessen Bemessung die Berücksichtigung der unterschied-
lichen Finanzkraft und der sonstigen Verhältnisse verlangt
wird. Das Ermessen wird weiterhin durch die in Absatz 5
geregelten Gleichbehandlungsgebote beschränkt.
Bei der nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden Ermes-
sensentscheidung über Art und Höhe der Förderung ist
regelmäßig auch eine dieser logisch vorgelagerte Aus-
wahlentscheidung zu treffen, welche Maßnahmen der
Träger der freien Jugendhilfe - nach Art und Umfang - zu
fördern sind (und mit den verfügbaren Haushaltsmitteln
gefördert werden können), und zwar sowohl bei gleich ge-
eigneten Maßnahmen (§ 74 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4
SGB VIII) als auch in Bezug auf die weiteren Maßnah-
men, die nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII dem
Grunde nach förderungsfähig sind. Dies gilt jedenfalls
dann, wenn die nach § 74 Abs. 3 SGB VIII für Förderent-
scheidungen verfügbaren Haushaltsmittel nicht ausrei-
- 14 -
chen, um alle beantragten Maßnahmen sachgerecht zu
fördern. Bei dieser Auswahlentscheidung steht dem Trä-
ger der öffentlichen Jugendhilfe hinsichtlich der Notwen-
digkeit einzelner Maßnahmen dem Grunde nach sowie
der Förderungswürdigkeit einzelner Elemente ihrer Aus-
gestaltung nach Art und Umfang (z.B. Öffnungszeiten;
Betreuungsdichte) eine gerichtlich nur eingeschränkt
nachprüfbare Einschätzungsprärogative zu. Sie folgt aus
seiner Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufga-
ben nach dem SGB VIII einschließlich der Planungsver-
antwortung (§§ 79, 80 SGB VIII). Die dann nachfolgende
Auswahlentscheidung ist ebenfalls nur in den durch § 114
VwGO gezogenen Grenzen gerichtlich überprüfbar.
Mit der Planungs- und Entscheidungsbefugnis des Trä-
gers der öffentlichen Jugendhilfe korrespondiert für die im
Rahmen des § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden Ent-
scheidungen indes auch eine Entscheidungsverantwor-
tung. Dieser darf sich der Träger der öffentlichen Jugend-
hilfe nicht entziehen (s.a. BVerfG, Urteil vom 20. De-
zember 2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 - BVerfGE 119, 331
mung>). Können im Rahmen der verfügbaren Haushalts-
mittel nicht alle Maßnahmen, für die Förderung begehrt
worden ist und dem Grunde nach gemäß § 74 Abs. 1
SGB VIII in Betracht kommt, im erforderlichen Umfang ge-
fördert werden, erfordert eine ermessensfehlerfreie Ent-
scheidung über die Art und Höhe der Förderung der ein-
zelnen Träger ein hinreichendes jugendhilferechtliches
Maßnahmenkonzept einschließlich einer durch den Träger
der öffentlichen Jugendhilfe selbst vorzunehmenden Prio-
ritätensetzung (Förderkonzeption). Diese Förderkonzepti-
on, die an die Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII) an-
knüpfen kann und muss, mit dieser aber nicht identisch
ist, hat die durch den Haushaltssatzungsgeber vorgege-
bene Mangellage in eigener Verantwortung zu bewältigen.
Eine dem Gebot hinreichender Problem- und Konfliktbe-
wältigung (allg. dazu - am Beispiel der Bauleitplanung -
Stüer/Schröder, BayVBl. 2000, 257) entsprechende För-
derkonzeption muss unter Berücksichtigung der für die
Jugendhilfeplanung geltenden Grundsätze und Zielset-
zungen sowie unter Berücksichtigung der verfügbaren
Haushaltsmittel verantwortlich entscheiden, welche ju-
gendhilferechtlichen Angebote jenseits der zwingenden
gesetzlichen Leistungen notwendig sind und zur Verfü-
gung gestellt werden sollen (einschließlich erforderlicher
Vorrangentscheidungen zwischen verschiedenen Angebo-
ten), den für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Umfang
dieser Maßnahmen (einschließlich der Ausgestaltung in
sachlicher, personeller und zeitlicher Hinsicht) festlegen
sowie die den jeweiligen Maßnahmeträgern unter Berück-
- 15 -
sichtigung der Angemessenheitsgrenze (§ 74 Abs. 1
Satz 1 Halbs. 2 Nr. 4 SGB VIII) und der ausdrücklich ge-
regelten Bemessungskriterien (§ 74 Abs. 3 Satz 3
SGB VIII) in Bezug auf einzelne Maßnahmen abzuverlan-
genden Eigenleistungen (die aus der Förderperspektive
z.B. auch in Beiträgen Dritter bestehen können) bestim-
men. Diese Klärungen können zeitlich und sachlich mit
der Förderentscheidung zusammenfallen, wenn die kon-
zeptionellen Grundlagen erkennbar bleiben, und müssen
nicht gesondert dieser vorgelagert werden. Sie dürfen
aber nicht (rechtlich oder faktisch) auf die Maßnahmeträ-
ger oder Dritte verlagert werden.
4.2 Diesen Anforderungen an eine ermessensfehlerfreie
Entscheidung über die Verteilung der verfügbaren Haus-
haltsmittel und die Förderung einzelner Maßnahmen wer-
den der Beschluss des Jugendhilfeausschusses der Be-
klagten vom 16. März 2000 und die Bescheide, die diesen
umsetzen, wegen der pauschalen - hier: linearen, prozen-
tualen - Kürzung der Förderung in Bezug auf die als not-
wendig und förderungsfähig erachteten Aufwendungen
nicht gerecht.
Allerdings hat der Jugendhilfeausschuss der Beklagten
bei seiner Entscheidung insofern Prioritäten gesetzt, als er
bestimmte Maßnahmearten (z.B. Stadtranderholung) für
das Jahr 2000 als nicht förderungsfähig qualifiziert und
auch bei den einzelnen Maßnahmen Beschränkungen
und Gewichtungen vorgenommen hat. Der Jugendhilfe-
ausschuss der Beklagten ist indes bei seiner Beschluss-
fassung über die Förderungsfähigkeit zahlreicher Maß-
nahmen nach Grund und Umfang insoweit nicht von einer
hinreichend erkennbaren Förderkonzeption ausgegangen,
als er ein möglichst breites Angebot und das bestehende
Netz jugendhilferechtlicher Angebote aufrechterhalten
wollte und daher bei allen - auch den nach Grund, Um-
fang und Ausgestaltung als notwendig und förderungs-
würdig eingestuften - Maßnahmen neben einer „Decke-
lung“ der Personalkosten je Stelle zusätzlich eine lineare,
prozentuale Kürzung vorgenommen hat.
Der Senat verkennt zwar nicht, dass dieser Ansatz von
dem Bestreben getragen war, möglichst viele Angebote
aufrechtzuerhalten, für das sich in § 4 Abs. 2, § 79 Abs. 2,
§ 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII auch normative Anknüpfungs-
punkte finden, und dass dieses Vorgehen zumindest von
einigen der im Jugendhilfeausschuss vertretenen freien
Träger mit getragen worden ist. Gleichwohl war das Vor-
gehen der Beklagten ermessensfehlerhaft. Denn es hat
die Bewältigung der mit der Kürzung der bereitgestellten
Haushaltsmittel aufgeworfenen Probleme zum Teil auf die
- 16 -
Träger der freien Jugendhilfe verlagert, deren jeweilige
Maßnahme dann - auch unter Berücksichtigung einer zu-
dem nicht systematisch in den Blick genommenen Eigen-
leistung - nicht mehr in dem auch vom Jugendhilfeaus-
schuss selbst als für die Durchführung der Maßnahme er-
forderlich erachteten Umfang gefördert wurden.
Der Jugendhilfeausschuss hat bei seiner Kürzung der För-
dermittel auch nicht die Möglichkeiten der jeweiligen Trä-
ger berücksichtigt, den Fördermittelausfall durch ander-
weitige Einnahmen oder Eigenmittel zu kompensieren,
und hat auch sonst nicht die Angemessenheit der Eigen-
leistung in den Blick genommen. Hierfür fehlt jedenfalls
jeder Anhaltspunkt. Nach der Bewertung des Berufungs-
gerichts hat vielmehr die Fähigkeit der freien Träger zur
Erbringung eines angemessenen Eigenanteils für die Be-
willigungspraxis keine Rolle gespielt. Die Kürzung ist auch
nicht erkennbar zielgerichtet auf Kostenbestandteile be-
zogen, welche die Beklagte als nach Art oder Umfang für
die sachgerechte Durchführung der Maßnahme nicht er-
forderlich und daher nicht förderungsfähig gewertet hätte.
Vielmehr ist sie nur pauschal vorgenommen worden, ohne
etwa unterschiedliche Kostenstrukturen oder Einsparpo-
tentiale zu berücksichtigen.
Diese ermessensfehlerhafte Problemverlagerung auf die
freien Träger wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass
den freien Trägern ungeachtet des Bezuges der Förder-
mittelzuweisung auf ein nach Art und Umfang konkretisier-
tes Maßnahmenangebot freigestellt worden wäre, die
Durchführungen der Maßnahmen der geringeren Mittel-
zuweisung anzupassen, um hierdurch eine „Unterfinanzie-
rung“ der Maßnahme oder eine sachwidrige Erhöhung des
Eigenanteils abzuwenden. Selbst wenn sich für diese in
der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angedeutete
Möglichkeit in dem Beschluss vom 16. März 2000 oder in
den diesen umsetzenden Bescheiden ein tragfähiger An-
halt finden ließe - was der Senat nicht zu erkennen ver-
mag -, wäre dies gleichwohl ermessenswidrig. Denn durch
ein solches Vorgehen hätte die Beklagte die von ihr selbst
zu treffende und zu verantwortende Entscheidung über
die Veränderung des zu fördernden jugendhilferechtlichen
Angebots zum Teil auf die jeweiligen Träger verlagert. Sie
könnte dann auch nicht mehr - im Rahmen ihrer Gesamt-
verantwortung - gewährleisten, dass die von ihr vorge-
nommenen Auswahlentscheidungen und Prioritätenset-
zungen noch sachgerecht sind. Nicht ersichtlich ist, dass
sich die Beklagte im Rahmen eines - so auch für die Trä-
ger der freien Jugendhilfe erkennbaren - gestuften Verfah-
rens die endgültige Förderentscheidung nach Maßgabe
eines geänderten Maßnahmenangebots, in dem die Trä-
- 17 -
ger Art und Umfang der Maßnahme den linear verminder-
ten Finanzmitteln angepasst hätten, vorbehalten hätte (um
auf diesem Weg die Träger selbst in den Umgestaltungs-
prozess einzubeziehen) oder die Förderentscheidung mit
Hinweisen an die Träger verbunden hätte, in welchen
Maßnahmenbereichen zur Einsparung Veränderungen
vorgenommen werden durften, ohne dass diese nach Art
und Umfang die Förderentscheidung berühren.
4.3 Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist auch
deswegen ermessensfehlerhaft, weil sie die aus § 74
Abs. 5 Satz 2 SGB VIII folgenden Ermessensbindungen
nicht erkennbar berücksichtigt hat. Denn sie hat - über die
lineare, prozentuale Kürzung hinaus - die bei der Förder-
entscheidung berücksichtigungsfähigen Personalkosten
unabhängig davon auf den Höchstbetrag von 60 000 €
begrenzt, ob für die Maßnahmendurchführung eine Per-
son erforderlich gewesen ist, die nach ihrer Qualifikation
und sonstigen nach der Entgeltbemessung erheblichen
Kriterien bei der Durchführung der Maßnahme durch den
Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen höheren Perso-
nalaufwand bewirkt hat. Bei der Entscheidung über die
Förderung jugendhilferechtlich notwendiger Maßnahmen
eines Trägers der freien Jugendhilfe (§ 74 Abs. 3
SGB VIII) sind indes auch dann die Grundsätze und Maß-
stäbe anzuwenden, die für die Finanzierung der Maßnah-
men der öffentlichen Jugendhilfe gelten (§ 74 Abs. 5
SGB VIII), wenn der öffentliche Jugendhilfeträger selbst
eine gleichartige Maßnahme nicht durchführt.
a) § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, nach dem dann, wenn
gleichartige Maßnahmen von der freien und der öffentli-
chen Jugendhilfe durchgeführt werden, bei der Förderung
die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden sind, die für
die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Ju-
gendhilfe gelten, ist geeignet und bestimmt, das in § 74
Abs. 3 SGB VIII eingeräumte Förderungsermessen einzu-
engen. Dies bezweifelt im rechtlichen Ansatz auch die Be-
klagte nicht. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklag-
ten ist der besondere Gleichbehandlungsgrundsatz des
Absatzes 5 Satz 2 bei der Förderentscheidung nach § 74
Abs. 3 Satz 1 SGB VIII stets dann zu beachten, wenn
über die Förderung einer in dem Sinne notwendigen Maß-
nahme eines Trägers der freien Jugendhilfe zu entschei-
den ist. In einem solchen Fall kommt es dann nicht darauf
an, ob der Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine gleich-
artige jugendhilferechtliche Maßnahme selbst tatsächlich
durchführt bzw. anbietet oder für den Vergleich lediglich in
dem Sinne auf eine hypothetische bzw. fiktive Maßnahme
abgestellt wird, dass berücksichtigt wird, dass der Träger
der öffentlichen Jugendhilfe zur Bedarfsdeckung eine
- 18 -
gleichartige Maßnahme durchzuführen hätte, würde diese
nicht von dem freien Träger angeboten.
Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass nach
dem Wortlaut der Regelung eine Auslegung näher liegt,
nach der das besondere Gleichbehandlungsgebot vor-
aussetzt, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die
Maßnahme auch tatsächlich anbietet. Dies ist indes mit
dem Sinn und Zweck der Regelung unvereinbar, den frei-
en Trägern - unter Berücksichtigung der angemessenen
Eigenbeteiligung - eine Förderung zu gewährleisten, die
es diesen ermöglicht, ein nach Art und Umfang von einem
Träger öffentlicher Jugendhilfe sicherzustellendes Ange-
bot anzubieten. Das Gleichbehandlungsgebot des § 74
Abs. 5 Satz 2 SGB VIII hat insoweit auch die Funktion, ei-
ne qualitativ hinreichende Leistungserbringung sicherzu-
stellen. Hieraus folgt, dass Träger der freien Jugendhilfe
zwar nicht eine Förderung beanspruchen können, die ih-
nen eine - im Vergleich zum Träger der öffentlichen Ju-
gendhilfe - bessere Personalausstattung oder bessere
Entlohnung ermöglicht (zum zuwendungsrechtlichen Bes-
serstellungsverbot s. etwa BayVGH, Urteil vom 25. Febru-
ar 1998 - 19 B 94.3076 - RsDE 44, 87) oder den Träger
der öffentlichen Jugendhilfe zur Kürzung der Haushalts-
ansätze für eigene Maßnahmen zwingt (s. NdsOVG, Urteil
vom 25. März 1998 - 4 L 3057/96 - NVwZ-RR 1999, 127).
Der Träger der freien Jugendhilfe ist aber durch die För-
derung in die Lage zu versetzen, die Maßnahme mit dem-
selben Ausstattungsniveau, der gleichen Eingruppierung
und Entlohnung der Mitarbeiter und mit derselben Sach-
ausstattung durchführen zu können wie der Träger der öf-
fentlichen Jugendhilfe. Diese standardsichernde Funktion
macht Absatz 5 bei verständiger Auslegung nicht von dem
Zufall abhängig, ob in einem bestimmten örtlichen Bereich
neben einem freien zugleich auch ein öffentlicher Träger
eine vergleichbare Einrichtung der Jugendhilfe betreibt.
Dies stünde auch in einem schwer überwindbaren Span-
nungsverhältnis zu § 4 Abs. 2 SGB VIII, nach dem von ei-
genen Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe abzuse-
hen ist, wenn geeignete Einrichtungen eines Trägers der
freien Jugendhilfe vorhanden sind, erweitert oder rechtzei-
tig geschaffen werden können (s.a. OVG Hamburg, Urteil
vom 1. November 1985 - OVG Bf I 55/83 und 56/83 -
ZfJ 1987, S. 34 <37>).
Eine Auslegung, die auf die tatsächliche Durchführung ei-
ner vergleichbaren Maßnahme abstellt, vernachlässigt fer-
ner, dass die gesetzlichen Förder- und Unterstützungsge-
bote der Träger der öffentlichen Jugendhilfe bezogen sind
auf deren Gesamtverantwortung für ein hinreichendes, dif-
ferenziertes und pluralistisches Jugendhilfeangebot. Bei
- 19 -
Maßnahmen und Angeboten, die für die jugendhilferecht-
liche Versorgung notwendig sind, erfordert die von § 74
Abs. 5 Satz 2 SGB VIII bezweckte, an den Aufwendungen
der Träger der öffentlichen Jugendhilfe orientierte Stan-
dardsicherungsfunktion für die Grundsätze und Maßstäbe,
an denen eine nach Maßgabe der Auswahlentscheidung
des § 74 Abs. 3 SGB VIII angezeigte Förderung zu orien-
tieren ist, dass nicht danach unterschieden wird, ob eine
Maßnahme auch vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe
angeboten wird. Bereits das nach § 74 Abs. 3 SGB VIII
eingeräumte Ermessen zur Entscheidung über Art und
Höhe ist nicht so zu verstehen, dass die Förderentschei-
dung unabhängig von den Aufwendungen und den fachli-
chen Standards erfolgen dürfte, die für eine bedarfs-
deckende, fachlich qualifizierte Leistungserbringung not-
wendig sind. Namentlich fehlt jeder Anhalt dafür, dass der
Gesetzgeber im Rahmen des § 74 Abs. 3 SGB VIII eine
Förderung als ermessensgerecht zulassen wollte, die den
freien Trägern eine qualifikationsgerechte Entlohnung der
in der Maßnahme für die jugendhilferechtliche Leistungs-
erbringung tätigen und hierfür notwendigen haupt- und
nebenamtlichen Mitarbeiter nicht ermöglichte. Das Gebot
des § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII, bei der Förderung
Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die Fi-
nanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe
gelten, konkretisiert insoweit einen im Rahmen der nach
§ 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zu treffenden Ermessensent-
scheidung zu beachtenden Gesichtspunkt, der unabhän-
gig davon Geltung beansprucht, ob im Einzelfall gleichar-
tige Maßnahmen von der freien und der öffentlichen Ju-
gendhilfe durchgeführt werden.
b) Diesen Zusammenhang hat die Beklagte bei ihrer Er-
messensentscheidung über die Förderung nicht (hinrei-
chend) berücksichtigt. Die von der Beklagten getroffene
Ermessensentscheidung ist auch aus diesem Grunde feh-
lerhaft.
Dass der Träger der freien Jugendhilfe in der Lage sein
muss, die Maßnahme mit demselben personellen und
sachlichen Ausstattungsniveau durchführen zu können
wie der öffentliche Jugendhilfeträger, bedeutet allerdings
nicht, dass der Kläger hieraus einen Anspruch ableiten
könnte, das für die Maßnahmendurchführung tatsächlich
eingesetzte Personal nach den Grundsätzen und Maßstä-
ben entlohnen zu können, die auch für den Träger der öf-
fentlichen Jugendhilfe gegolten hätten. Dem Vergleich des
Personalkostenansatzes vorgelagert ist die Feststellung,
dass das tatsächlich eingesetzte Personal für die Durch-
führung auch nach der jeweiligen Qualifikation und den
sonst für die Entlohnung maßgeblichen Umständen not-
- 20 -
wendig gewesen ist. Auch hierzu fehlen in dem Beru-
fungsurteil hinreichend tragfähige tatsächliche Feststel-
lungen. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Fest-
stellungen kann daher derzeit weder festgestellt werden,
dass insoweit ein bei Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 74 Abs. 1 SGB VIII eröffnetes Förderermessen reduziert
wäre, noch kann dies ausgeschlossen werden.
4.4 Die von der Beklagten getroffene Ermessensentschei-
dung ist allerdings nicht auch deswegen rechtswidrig, weil
sie anderweitige Bindungen ihrer Ermessensentscheidung
vernachlässigt hätte.
a) Die Gesamtverantwortung des Trägers der öffentlichen
Jugendhilfe für ein aufgabengerechtes Angebot mit den
erforderlichen Einrichtungen, Diensten und Veranstaltun-
gen und damit letztlich eine plurale jugendhilfepolitische
Infrastruktur (§ 79 SGB VIII) enthält vor allem eine objekti-
ve Gewährleistungsverantwortung (s. etwa VG Berlin, Ur-
teil vom 14. Juni 1999 - 20 A 23.99 - ZfJ 2000, S. 194;
SächsOVG, Urteil vom 12. April 2006 - 5 B 337/04 - juris
Rn. 25; VG Hannover, Beschluss vom 10. Dezember 1996
- 9 B 4657/96 - RsDE 38, 91 <93>; Wabnitz, in:
GK-SGB VIII, Stand April 2007, § 74 Rn. 75; Schell-
horn/Fischer/Mann, SGB VIII/KJHG, 3. Aufl. 2007, § 74
Rn. 16, 28, § 79 Rn.10; Münder u.a., FK-SGB VIII,
5. Aufl. 2006, § 74 Rn. 7; Jans/Happe/Saurbier/Maas,
SGB VIII, 3. Aufl. 2006, Bd. 4, § 74 Rn. 3; Kunkel, in:
LPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2006, § 79 Rn. 21; a.A. wohl Fiese-
ler, in: GK-SGB VIII, § 79 Rn. 9) und verstärkt jedenfalls
nicht die Position der freien Träger im Rahmen des § 74
Abs. 3 SGB VIII.
b) Einen unmittelbaren Leistungsanspruch oder einen An-
spruch auf eine nach Art und Höhe bestimmte Förderung
unabhängig von § 74 SGB VIII kann der Kläger auch nicht
aus einer etwaigen - tatrichterlich nicht festgestellten -
Aufnahme der Maßnahme in den Jugendhilfeplan (§ 80
SGB VIII) herleiten. Aus der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts, dass das Bestehen eines Ju-
gendhilfeplanes keine Voraussetzung einer ermessensge-
rechten Förderung (Beschluss vom 30. Dezember 1996
- BVerwG 5 B 27.96 - Buchholz 436.511 § 74
KJHG/SGB VIII Nr. 2) ist, so dass Maßnahmen auch ohne
einen Jugendhilfeplan gefördert werden können und auch
sonst die Aufnahme in den Jugendhilfeplan nicht Förder-
voraussetzung ist, ergibt sich nicht im Umkehrschluss,
dass aus der Aufnahme in den Jugendhilfeplan stets ein
Förderanspruch folge. Der Fall gibt dabei keinen Anlass
zur vertiefenden Erörterung der Frage, welche Wechsel-
wirkung zwischen der Jugendhilfeplanung (§ 80 SGB VIII)
- 21 -
und der - insbesondere bei unzureichenden Haushaltsmit-
teln - nach § 74 Abs. 3 SGB VIII implizit erforderlichen
„Förderplanung“ (s.o. II.4.1) bestehen (dazu etwa VG Sta-
de, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 4 B 2117/02 - juris;
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. August 2002
- 2 S 2106/00 - ESVGH 53, 125; BayVGH, Urteil vom
11. November 1999 - 12 B 95.1081 - juris). In der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hierfür ge-
klärt, dass eine vorliegende Jugendhilfeplanung bei der
Förderung nach § 74 SGB VIII zu beachten ist (Urteil vom
25. April 2002 - BVerwG 5 C 18.01 - BVerwGE 116, 226
<230>). Aus einer Aufnahme in eine Jugendhilfeplanung
folgt indes jedenfalls dann kein Förderanspruch dem
Grunde nach, wenn die für eine Förderung nach § 74
Abs. 3 SGB VIII verfügbaren Haushaltsmittel nicht ausrei-
chen, um alle Dienste, Einrichtungen, Veranstaltungen
oder Maßnahmen zu fördern. Auch sonst scheidet eine
über die Förderentscheidung dem Grunde nach hinaus-
gehende Beschränkung des Ermessens in Bezug auf Art
und Höhe der Förderung aus, wenn wegen der Mittel-
knappheit nicht alle Dienste, Einrichtungen, Veranstaltun-
gen oder Maßnahmen in dem jugendhilfeplanerisch wün-
schenswerten Umfange auch tatsächlich durchgeführt und
sachgerecht gefördert werden können. Die nach § 74
Abs. 3 SGB VIII erforderliche Ermessensentscheidung ist
insoweit von dem Planungsprozess und -ergebnis nach
§ 80 SGB VIII entkoppelt. Eine ansonsten nach Art und
Höhe i.S.d. § 74 Abs. 3 SGB VIII ermessensgerechte För-
derentscheidung, welche auch die Vorgaben des § 74
Abs. 5 SGB VIII beachtet, wird durch den Umstand, dass
eine Einrichtung oder Maßnahme in die Jugendhilfepla-
nung aufgenommen ist, nicht abweichenden oder weiter-
gehenden Anforderungen unterworfen.
c) Die Beklagte hat auch nicht gegen ihr Ermessen selbst
bindende, eigene Regelungen verstoßen. Bei der Ermes-
sensentscheidung ist der Träger der öffentlichen Jugend-
hilfe jedenfalls dann nicht an für die Vergangenheit aufge-
stellte Grundsätze und Richtlinien gebunden, wenn es ei-
nen sachlichen Grund für eine Abweichung oder Neube-
stimmung gibt. Ein solcher Grund kann auch in einer spür-
baren Kürzung der für die Förderung nach § 74 Abs. 3
SGB VIII vom Haushaltssatzungsgeber zur Verfügung ge-
stellten Haushaltsmittel liegen. Die Beklagte durfte sich
angesichts der Bemessung der Haushaltsmittel mithin von
den in den Vorjahren aufgestellten, ihr Ermessen selbst
bindenden Regelungen lösen, ohne diese in einem förmli-
chen Verfahren vorab ändern oder ausdrücklich aufheben
zu müssen. Sie musste für die dann zu treffende Ermes-
sensentscheidung lediglich die gesetzlichen Ermessens-
vorgaben berücksichtigen und auf der Grundlage eines
- 22 -
zutreffend ermittelten Sachverhalts die Verteilungsent-
scheidung unter sachgerechter Prioritätensetzung vor-
nehmen.
d) Es ist schließlich nicht festzustellen, dass die Beklagte
bei ihrer Förderentscheidung Aspekten des Vertrauens-
schutzes nicht das gebotene Gewicht beigemessen hätte.
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass auch
eine jahrelang gewährte Förderung keine objektiv-recht-
liche Verpflichtung des öffentlichen Jugendhilfeträgers
und keinen subjektiven Rechtsanspruch der freien Träger
der Jugendhilfe auf Gewährung einer Weiterförderung
vermittelt; dem steht bereits die Jährlichkeit des öffentli-
chen Haushaltes entgegen (s. OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 26. September 2003 - 12 B 1727/03 -
NVwZ-RR 2004, 501 <503>; Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl.
2006, § 74 Rn. 41b; Münder u.a., FK-SGB VIII,
5. Aufl. 2006, § 74 Rn. 30; DIJuF, JAmt 2004, S. 26
<27>). Auch im Jugendhilferecht gilt der Grundsatz des
allgemeinen Subventionsrechts (s. etwa Urteil vom
11. Mai 2006 - BVerwG 5 C 10.05 - BVerwGE 126, 33
<48 f.>), dass ein Subventionsempfänger stets mit dem
künftigen teilweisen oder gar völligen Wegfall der Subven-
tion rechnen muss. Zwar wird in der Rechtsprechung (s.
etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
26. September 2003 - a.a.O. - im Anschluss an NdsOVG,
Beschluss vom 26. November 1976 - V OVG B 76/76 -
NJW 1977, 773 <774>; VG Düsseldorf, Beschluss vom
14. Juli 1992 - 21 L 2964/92 - RsDE 25, 92 <95 f.>; VG
München, Urteil vom 26. Mai 1992 - M 16 K 91.1637 -
RsDE 23, 95 <100>) und im Schrifttum (s. etwa Wabnitz,
in: GK-SGB VIII, § 74 Rn. 81; Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl.
2006, § 74 Rn. 41b; Mrozynski, in: SGB VIII, 4. Aufl. 2004,
§ 74 Rn. 14; Baltz, NDV 1996, 360 <364>; Häbel, ZfJ
1997, 109 <120>; Preis/Steffan, FuR 1993, 185 <203>)
eine Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhil-
fe angenommen, eine Förderung nicht abrupt einzustellen
oder zu kürzen, sondern das Auslaufen oder die Anpas-
sung des Projekts finanziell zu überbrücken. Dies ist hier
jedoch nicht weiter zu vertiefen. Jedenfalls nach den bis-
lang getroffenen tatrichterlichen Feststellungen ist nicht
erkennbar, dass die Voraussetzungen vorliegen könnten,
unter denen eine weitere Personalkostenfinanzierung un-
ter dem Aspekt der Auslauf- oder Übergangsfinanzierung
in Betracht kommen mag; der Kläger selbst macht nicht
geltend, dass Vertrauensschutz begründende Verwal-
tungsakte vorlägen oder ihm Zusagen gemacht worden
seien.
III. Nach alledem sind für eine abschließende Beurteilung
des Begehrens des Klägers auf Gewährung einer weite-
- 23 -
ren Personalkostenförderung für das Haushaltsjahr 2000
zu verschiedenen Punkten weitere tatsächliche Feststel-
lungen erforderlich, zu deren Durchführung der Rechts-
streit, soweit die Revision nicht zur Zurückweisung der Be-
rufung geführt hat, zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
sen ist.
Das Berufungsgericht wird zunächst aufzuklären haben,
ob der Kläger eine angemessene Eigenleistung erbracht
hat (dazu II.3.). Ergibt diese Prüfung, dass insoweit die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Förderung
dem Grunde nach vorliegen, kommt ein Anspruch des
Klägers auf weitergehende Personalkostenförderung nur
in Betracht, soweit Mittel, die im Rahmen dieser zusätzli-
chen Förderung begehrt werden, für die im Streit stehen-
de Maßnahme und mit Bezug auf das Haushaltsjahr 2000
noch zweckkonform verwendet werden können (dazu
II.2.). Das Berufungsgericht wird dies auf der Grundlage
des von dem Kläger vorgelegten Verwendungsnachwei-
ses für die gewährte Förderung zu prüfen und dabei auch
aufzuklären haben, ob dem Kläger für die strittige Maß-
nahme der Art nach förderungsfähige Aufwendungen ent-
standen sind oder noch entstehen können, die nicht in
dem vorgelegten Verwendungsnachweis aufgeführt sind.
Soweit dies nicht der Fall ist, hat sich jedenfalls das Ver-
pflichtungsbegehren des Klägers als Folge der vom vorge-
legten Förderantrag zumindest hinsichtlich der Kosten
abweichenden Durchführung der Maßnahme mit Ablauf
des Haushaltsjahres 2000 in der Hauptsache tatsächlich
erledigt.
Soweit eine weitere Personalkostenförderung hiernach
noch zweckentsprechend und mit Bezug auf die im Haus-
haltsjahr 2000 durchgeführte Maßnahme verwendet wer-
den kann, wird das Berufungsgericht zu beurteilen haben,
ob die von der Beklagten getroffene Förderentscheidung
dem Grunde nach eine Förderung der Maßnahme des
Klägers als notwendigen, förderungswürdigen Bestandteil
des jugendhilferechtlichen Angebots im Jahre 2000 um-
schließt. Ist dies der Fall, hängt eine Reduktion des der
Beklagten zustehenden Förderermessens davon ab, ob
- unter Berücksichtigung eines angemessenen Eigenan-
teils - die Aufwendungen, die dem Kläger für die Durch-
führung der Maßnahme in dem als notwendig anzuerken-
nenden Umfang als förderungswürdig anerkannt worden
(und entstanden) sind, den Aufwendungen entsprechen,
die bei Anwendung gleicher Grundsätze und Maßstäbe
hinsichtlich der Personalausstattung, der Qualifikation des
Personals und seiner tarifgerechten Entlohnung der Be-
klagten entstanden wären, hätte sie diese Maßnahme
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durchgeführt (dazu II. 4.2, 4.3). Auch dies wird das Beru-
fungsgericht gegebenenfalls ermitteln und auf dieser
Grundlage die Ermessenserwägungen der Beklagten er-
neut bewerten müssen.“
Diese Erwägungen gelten gleichermaßen auch im vorliegenden Verfahren.
Darüber hinaus wird das Berufungsgericht hier auch weiter aufzuklären haben,
ob die Personalkosten der Stelle der Geschäftsführerin/Bildungsreferentin, für
die die Klägerin allein noch eine Förderung begehrt, in dem geltend gemachten
bzw. bewilligten Umfang der Jugendhilfe zuzuordnen sind. Denn die Beklagte
hat die ihr zur Förderung der Träger der freien Jugendhilfe zur Verfügung ste-
henden Haushaltsmittel zweckentsprechend zu verwenden. Mit Rücksicht dar-
auf, dass die Organisation der Naturfreunde, der die Klägerin angehört, nach
ihrem Selbstverständnis eine Umwelt-, Kultur-, Freizeit- und Touristikorganisati-
on ist, muss daher ausgeschlossen werden können, dass bei der Förderent-
scheidung Personalkosten der Geschäftsführerin/Bildungsreferentin Berück-
sichtigung finden, die in keinem Zusammenhang mit dem von der Klägerin im
Haushaltsjahr 2000 betriebenen Freizeittreff standen.
Hund Dr. Brunn Prof. Dr. Berlit
Stengelhofen Dr. Störmer
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