Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: aufwand, verordnung, steuer, gewährleistung, revisionsgrund, unternehmen, lfg, aufgabenbereich, begriff, form

Rechtsquellen:
GG
Art. 28 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2
VwGO
§§ 11, 12 Abs. 2 und 3, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 138 Nr. 1
KAG NRW §§ 6, 8 Abs. 2, Abs. 4 Satz 5
GO NRW §§ 107 ff.
Stichworte:
Straßenbaubeitrag; Stadtwerke; nichtwirtschaftliche kommunale Einrichtung;
beitragsfähiger Aufwand; Selbstkostenpreis; Entgeltanteil; Gewinnzuschlag;
Regiekostenaufschlag; Unternehmerwagnis; Gewinnerzielung; öffentliches
Preisrecht; Selbstverwaltungsgarantie; Kernbereich; Organisationshoheit; Ver-
fahrensfehler; absoluter Revisionsgrund; gesetzlicher Richter; unterbliebene
Vorlage; Großer Senat; Abweichung; Divergenz.
Leitsätze:
1. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in ihrer Ausprägung als Organi-
sationshoheit der Gemeinde wird nicht verletzt, wenn es nach der maßgebli-
chen Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht (hier:
der §§ 107 ff. GO NRW und § 8 Abs. 4 Satz 5 KAG NRW) einer Gemeinde
nicht gestattet ist, in einem Entsorgungsvertrag mit einer von ihr mehrheit-
lich beherrschten nichtwirtschaftlichen kommunalen Einrichtung (Stadtwerke
AG) über die Durchführung der Aufgabe der Straßenentwässerung als Ent-
geltanteil einen kalkulatorischen Gewinnzuschlag zu vereinbaren und diesen
im Rahmen der Erhebung von Straßenbaubeiträgen als beitragsfähigen
Aufwand auf die Abgabenschuldner abzuwälzen.
2. Die Nichtvorlage einer Sache an den Großen Senat eines Oberverwal-
tungsgerichts kann einen im Rahmen der Zulassung der Revision rügefähi-
gen Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darstellen.
3. Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage einer Sache
an den Großen Senat des Oberverwaltungsgerichts wegen Abweichung von
einer Entscheidung eines anderen Senats (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2
und 3 VwGO) setzt voraus, dass es sich um eine Divergenz in einer ent-
scheidungserheblichen Rechtsfrage bei Anwendung ein und derselben
Norm des Landesrechts handelt.
Beschluss des 9. Senats vom 14. September 2006 - BVerwG 9 B 2.06
I. VG Düsseldorf vom 06.11.2003 - Az.: VG 12 K 7872/01 -
II. OVG Münster vom 22.11.2005 - Az.: OVG 15 A 873/04 –
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 2.06
OVG 15 A 873/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. September 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Novem-
ber 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 552,53 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenbaubeitrag
gemäß § 8 Abs. 2 KAG NRW für eine Ausbaumaßnahme im Bereich der Stra-
ßenentwässerung. Der Beklagte lässt die Aufgabe der Straßenentwässerung
durch die Stadtwerke AG durchführen. Nach dem darüber geschlossenen Ent-
sorgungsvertrag aus dem Jahr 1998 (EntV) werden Erneuerungs- oder Verbes-
serungsmaßnahmen zu Selbstkosten zuzüglich eines Gewinnzuschlags (Re-
giekostenaufschlag) als kalkulatorischer Unternehmerlohn vergütet. Das Ober-
verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss (NWVBl 2006, 231)
den vereinbarten Gewinnzuschlag als nicht zum beitragsfähigen Aufwand gehö-
rig angesehen, weil er nicht der Abgeltung eines konkret entstandenen Auf-
wands, sondern der Gewinnerwirtschaftung diene. Seine Nichtberücksichtigung
folge aus den Vorschriften des kommunalen Wirtschaftsrechts: Die Stadtwerke
AG sei eine vom Beklagten mehrheitlich beherrschte nichtwirtschaftliche ge-
meindliche Einrichtung i.S.v. § 107 Abs. 2 GO NRW. Im Gegensatz zu den auf
Gewinnerwirtschaftung ausgerichteten wirtschaftlichen Unternehmen einer
Gemeinde (§ 109 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) gelte bei nichtwirtschaftlichen kom-
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munalen Einrichtungen der Grundsatz, dass diese nicht auf Gewinnerwirtschaf-
tung ausgerichtet sein sollen. Ein solches Verbot ergebe sich zwar nicht aus
dem Wortlaut des § 109 GO NRW, jedoch aus dem allgemeinen Prinzip der
Steuer- bzw. Abgabestaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Ihm liege
die Vorstellung zu Grunde, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in
Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden grundsätzlich aus dem Ertrag
der finanzverfassungsrechtlich vorgesehenen Einnahmequellen erfolge und nur
ausnahmsweise Einnahmen außerhalb dieses Bereichs erschlossen werden
dürften. Die Gemeinden würden durch die Erhebung von Abgaben in Form von
Steuern, Gebühren und Beiträgen sowie durch einen staatlichen übergeordne-
ten Finanzausgleich zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Stand gesetzt; sie hätten
zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht am Markt Gewinn zu erwirtschaften. Die Ver-
einbarung eines Gewinns verbiete sich auch beitragsrechtlich: Der den Grund-
stückseigentümern durch den Straßenausbau erwachsende Vorteil rechtfertige
es, den dadurch verursachten Aufwand auf die Abgabepflichtigen umzulegen,
nicht aber einen zusätzlichen Gewinn für den Gemeindehaushalt zu erzielen.
Die Gemeinde dürfe das Aufwandsüberschreitungsverbot (§ 8 Abs. 4 Satz 5
KAG NRW) nicht dadurch umgehen, dass sie mit einer Eigengesellschaft für
den Ausbau einer Straße einen Gewinn als Entgelt vereinbare, den sie über
Beiträge refinanziere.
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt
der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
a) Die Beschwerde bezeichnet (sinngemäß) die Frage als klärungsbedürftig,
ob eine Gemeinde, die sich für eine Privatisierung einer
öffentlichen Einrichtung wie der Abwasserbeseitigung ent-
schieden hat, durch die (in der angegriffenen Entschei-
dung) vorgenommene Auslegung des § 109 GO NRW in
ihrem durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstverwal-
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tungsrecht verletzt wird, weil sie infolgedessen daran ge-
hindert ist, einen nach öffentlichem Preisrecht zulässigen
kalkulatorischen Gewinnzuschlag zu verabreden und ab-
gabenrechtlich als Aufwand gegenüber dem Abgaben-
schuldner festzusetzen.
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Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Wird im Rahmen ei-
ner Nichtzulassungsbeschwerde die Unvereinbarkeit von Landesrecht (in der
für das Revisionsgericht maßgeblichen Auslegung durch das Berufungsgericht)
mit Bundes(verfassungs)recht gerügt, so kann sich daraus ein Bedarf an revisi-
onsgerichtlicher Klärung nur dann ergeben, wenn die Auslegung der bundes-
rechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher
Bedeutung aufwirft, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern al-
lenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse
vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 B 177.89 - Buchholz 310 § 132 VwGO
Nr. 277, vom 1. September 1992 - BVerwG 11 B 24.92 - Buchholz 310 § 137
VwGO Nr. 171 und vom 8. Februar 2006 - BVerwG 8 BN 3.05 - SächsVBl
2006, 163). Dem genügt die Beschwerde mit der aufgeworfenen Frage und de-
ren Begründung nicht.
aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundes-
verwaltungsgerichts (vgl. zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 26. Okto-
ber 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228 <236 ff.> und BVerwG, Urteil vom
6. April 2005 - BVerwG 8 CN 1.03 - Buchholz 415.1 Allg. KommR Nr. 153 S. 13
<15 f.> = NVwZ 2005, 963 <964>, jeweils m.w.N.) ist geklärt, dass die Gewähr-
leistung des Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden einen grundsätzlich alle Ange-
legenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich und die
Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich
sichert. Zu Letzterem gehören auch die Organisationshoheit und Organisati-
onsbefugnisse. Durch sie legen die Gemeinden für die Wahrnehmung ihrer
Aufgaben Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten im Einzelnen fest und
bestimmen damit auch über Gewichtung, Qualität und Inhalt ihrer Entscheidun-
gen. Die Organisationsbefugnisse der Gemeinden sind allerdings durch die
Vorgaben des Gesetzgebers gebunden, dem wiederum Grenzen gesetzt sind,
die sich zum einen aus dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie und
zum anderen bereits in dessen Vorfeld aus der Gewährleistung des Art. 28
Abs. 2 GG ergeben, den Gemeinden die Möglichkeit eigenverantwortlicher Auf-
gabenwahrnehmung zu garantieren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Novem-
ber 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <147> und vom 26. Okto-
ber 1994, a.a.O., BVerfGE 91, 228 <238 ff.>).
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Der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ist tangiert, wenn die Vorgaben
des Gesetzgebers eine eigenständige organisatorische Aufgabenerfüllung er-
sticken, sei es, dass die Gemeinde aus der Verantwortung gedrängt wird, sei
es, dass sie keinen organisatorischen Spielraum zur Aufgabenbewältigung
mehr hat. Anders als für die Bestimmung der gemeindlichen Aufgaben gilt für
die Organisationshoheit kein Prinzip der Allzuständigkeit in dem Sinne, dass die
Gemeinde grundsätzlich alle Fragen ihrer Organisationshoheit selbst zu ent-
scheiden hätte. Vielmehr kommt dem staatlichen Gesetzgeber eine weitgehen-
de Befugnis zu, die Organisationsstrukturen nach seinen Vorstellungen zu re-
geln; die Organisationshoheit der Gemeinden ist deshalb von vornherein nur
relativ gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994, a.a.O.,
BVerfGE 91, 228 <240>). Von dieser Regelungsbefugnis hat hier der nord-
rhein-westfälische Gesetzgeber mit den Regelungen des Kommunalrechts,
namentlich mit den hier in Rede stehenden Vorschriften des Kommunalwirt-
schaftsrechts (§§ 107 ff. GO NRW), Gebrauch gemacht.
Darüber hinaus entfaltet die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG bereits im
Vorfeld der Sicherung des Kernbereichs Rechtswirkungen, indem sie den Ge-
setzgeber verpflichtet, bei der Ausgestaltung des Kommunalrechts den Ge-
meinden eine Mitverantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Auf-
gaben dergestalt einzuräumen, dass den Gemeinden insgesamt nennenswerte
organisatorische Befugnisse verbleiben. Es muss ihnen ein hinreichender or-
ganisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der je einzelnen Aufgabenbe-
reiche offen gehalten werden. Für keinen Aufgabenbereich darf ausgeschlos-
sen werden, dass die Gemeinden zumindest im Bereich der inneren Organisa-
tion auch selbst noch auf die besonderen Anforderungen am Ort durch organi-
satorische Maßnahmen reagieren können (vgl. BVerfG, Beschluss vom
26. Oktober 1994, a.a.O., BVerfGE 91, 228 <238 ff.>).
bb) Ausgehend von diesem Maß an bereits erreichter grundsätzlicher Klärung
zum Inhalt von Art. 28 Abs. 2 GG und seinen Vorgaben für den Landesgesetz-
geber bzw. für die Auslegung des Landesrechts durch die Gerichte legt die Be-
schwerde auch nicht ansatzweise dar, dass bzw. inwieweit der vorliegende Fall
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Anlass zu weitergehender Klärung des Inhalts dieser Norm des Bundes(ver-
fassungs)rechts böte. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden, oh-
ne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, dass die Ga-
rantie der kommunalen Selbstverwaltung durch die Auslegung und Anwendung
des nordrhein-westfälischen Landesrechts, wie sie das Oberverwaltungsgericht
mit bindender Wirkung für das Revisionsgericht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) im
Streitfall vorgenommen hat, weder in ihrem Kernbereich noch in dessen Vorfeld
verletzt ist. Sie führt lediglich zu - die Organisationsbefugnisse einer Gemeinde
in der Tat beschränkenden - Vorgaben, die aber einen eng umgrenzten Sach-
bereich betreffen, indem sie nämlich für nichtwirtschaftliche kommunale Ein-
richtungen ein Verbot der Gewinnerzielung bzw. der Abwälzung solcher Gewin-
ne als beitragsfähiger Aufwand auf die Abgabenschuldner aufstellt. Sie lässt
aber die Befugnis zur organisatorischen Regelung der gemeindlichen Angele-
genheiten im Übrigen, d.h. für den gesamten sonstigen Bereich kommunaler
wirtschaftlicher Tätigkeit in ihren vielfältigen Organisationsmöglichkeiten unbe-
rührt. Es verbleibt der Gemeinde somit - auch im Vorfeld der Sicherung des
Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie - ein hinreichend weiter Spielraum
kommunaler wirtschaftlicher Betätigungsformen. Jedenfalls fehlt es der Be-
schwerde an näherer Darlegung, dass und inwieweit die vorstehenden Kriterien
aus Anlass des vorliegenden Falles weiterer Klärung bedürften.
b) Auch die weitere, von der Beschwerde als grundsätzlich klärungsbedürftig
bezeichnete Frage,
ob die grundsätzliche Verneinung der Anwendbarkeit der
Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen
Aufträgen vom 21. November 1953 und die Leitsätze für
die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (LSP) ge-
gen die Vorschriften der LSP und damit gegen Bundes-
recht verstößt,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Frage knüpft daran an, dass
in § 14 Abs. 2 EntV die erwähnte preisrechtliche Verordnung, zuletzt geändert
durch die Achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25. November
2003 (BGBl I S. 2304 <2340>), einschließlich der als Anlage zugehörigen Leit-
sätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP) in Bezug ge-
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nommen wird. Indes würde sich die vorbezeichnete Frage in dem angestrebten
Revisionsverfahren in dieser Form nicht stellen. Sie geht an der Begründung
der angegriffenen Entscheidung vorbei. Entgegen der Annahme der Beschwer-
de hat das Berufungsgericht keineswegs die „ Anwendbarkeit“ der erwähnten
Vorschriften des öffentlichen Preisrechts „ grundsätzlich verneint“ . Das Beru-
fungsgericht hat vielmehr ausdrücklich anerkannt, dass die genannte Verord-
nung allgemein für die Vergabe öffentlicher Aufträge gelte und marktwirtschaft-
liche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens durchsetzen
solle; dies entspricht dem allgemein anerkannten Sinn und Zweck dieser preis-
rechtlichen Vorschriften, die im Übrigen - auch soweit es um (hier vereinbarte)
Selbstkosten geht - in der Regel lediglich als Höchstpreisvorschriften (vgl. § 1
Abs. 3 der Verordnung) preisgestaltend wirken (vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise
und Preisprüfungen bei öffentlichen Aufträgen, 7. Aufl. 2001, Einführung Rn. 2,
§ 1 Rn. 58, § 5 Rn. 4 und 6). Davon zu unterscheiden ist aber die das Verhält-
nis der Gemeinde zu den Abgabenschuldnern betreffende Frage, ob die preis-
rechtliche Zulässigkeit eines Gewinnzuschlags ohne Weiteres dazu führt, dass
ein solcher Entgeltanteil auch zum beitragsfähigen Aufwand gehört, der auf die
Abgabenschuldner abgewälzt werden kann. Das Berufungsgericht hat dies ver-
neint und dazu ausgeführt, dass aus der Anerkennung einer solchen Gewinn-
position für einen in marktwirtschaftlich legitimer Weise nach einem Gewinn
strebenden privatwirtschaftlichen Auftragnehmer noch keine Berechtigung dafür
hergeleitet werden könne, bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags an eine
kommunale Eigengesellschaft ein Entgelt zu Gewinnzwecken zu vereinbaren.
Dieses richte sich vielmehr nach den Vorgaben des Kommunalwirtschafts-
rechts, die im vorliegenden Fall eine Gewinnvereinbarung verböten, und (auch)
nach denen des Kommunalabgabenrechts, die ihre Abwälzung auf den Abga-
benschuldner ausschlössen. Dem ist zu entnehmen, dass das Berufungsgericht
für die hier gegebene Fallkonstellation einer nichtwirtschaftlichen kommunalen
Einrichtung dem Kommunalwirtschafts- und -abgabenrecht speziellere Vorga-
ben entnimmt, die den Regelungen des öffentlichen Preisrechts engere Gren-
zen ziehen, nicht aber, dass es - wie die Beschwerde meint - deren „ grundsätz-
liche Anwendbarkeit“ verneint. Im Übrigen finden sich in der Rechtsprechung
der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe verschiedene An-
sätze, die im Ergebnis dazu führen, dass das Kommunalabgabenrecht den
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Vorschriften des öffentlichen Preisrechts engere Grenzen setzt mit der Folge,
dass ggf. bestimmte preisrechtlich zulässige Ansätze, namentlich Gewinnzu-
schläge, ganz oder der Höhe nach nicht als auf die Abgabenschuldner umlage-
fähiger Aufwand anzuerkennen sind (vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 4. Ok-
tober 2001 - 9 A 2737/00 - NVwZ-RR 2002, 684 <685>; OVG Greifswald, Urteil
vom 25. Februar 1998 - 4 K 8/97 - KStZ 2000, 12 <17 f.>; vgl. auch BVerwG,
Beschlüsse vom 1. Oktober 1997 - BVerwG 8 B 209.97 - juris Rn. 5 und vom
23. November 1998 - BVerwG 8 B 173.98 - Buchholz 401.84 Benutzungsge-
bühren Nr. 91 S. 85 f. = NVwZ 1999, 653 sowie die zusammenfassende Dar-
stellung bei Schulte/Wiesemann, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand:
33. Erg.Lfg. September 2005, § 6 Rn. 197e ff. m.w.N.).
2. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines
Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138
Nr. 1 VwGO) wegen einer pflichtwidrig unterbliebenen Vorlage der Sache an
den Großen Senat des Oberverwaltungsgerichts (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2
und 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
Die Beschwerde rügt, der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts hätte die Sa-
che dem Großen Senat des Oberverwaltungsgerichts vorlegen müssen, weil er
mit der angegriffenen Entscheidung von zwei Urteilen des 9. Senats desselben
Oberverwaltungsgerichts in der Auslegung des § 109 GO NRW abweiche: Der
15. Senat lege § 109 GO NRW einschränkend dahingehend aus, dass ein zwi-
schen einer Gemeinde und einer von ihr beherrschten Eigengesellschaft, die
für sie die Straßenentwässerung durchführt, dafür als Gewinn vereinbarter Ent-
geltanteil nicht zum beitragsfähigen Aufwand gehöre, auch wenn ein solcher
kalkulatorischer Gewinnzuschlag nach öffentlichem Preisrecht dem Grunde
nach zulässig sei. Demgegenüber lege der 9. Senat des Oberverwaltungsge-
richts in den von der Beschwerde angeführten Entscheidungen (OVG Münster,
Teilurteil vom 15. Dezember 1994 - 9 A 2251/93 - NVwZ 1995, 1238 und Urteil
vom 4. Oktober 2001 - 9 A 2737/00 - NVwZ-RR 2002, 684) § 109 GO NRW
dahingehend aus, dass die Verabredung eines kalkulatorischen Gewinnzu-
schlags auch bei nichtwirtschaftlichen Unternehmen dem Grunde nach zulässig
sei, und begrenze ihn nur der Höhe nach.
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a) Die pflichtwidrige Nichtvorlage einer Sache an den Großen Senat eines
Oberverwaltungsgerichts kann ein im Rahmen der Zulassung der Revision re-
levanter und rügefähiger Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
sein (a.A.: Eyermann/Geiger, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 12 Rn. 4; offen gelassen
von BVerwG, Beschluss vom 11. März 1998 - BVerwG 8 BN 6.97 - Buchholz
415.1 Allg. KommR Nr. 144 S. 27 <30> = NVwZ 1998, 952 <953> m.w.N. zum
Streitstand). Für die Verfahrensfehlerrelevanz einer unterbliebenen Vorlage
spricht, dass es sich um einen absoluten Revisionsgrund i.S.v. § 138 Nr. 1
VwGO handelt und dass ein solcher - seit der Streichung der zulassungsfreien
Verfahrensrevision durch das Vierte Gesetz zur Änderung der VwGO vom
17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) - grundsätzlich stets mit der Nichtzulas-
sungsbeschwerde als Verfahrensfehler i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügt
werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 1995 - BVerwG 4 B
173.95 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 42 S. 1 <3 f.> = NVwZ-RR 1996, 299
<300> ; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl.
2006, § 138 Rn. 14 und 84). Die frühere Rechtsprechung zu § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO ist insofern überholt.
b) Ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter aufgrund einer unterbliebenen
Vorlage einer Sache an den Großen Senat des Oberverwaltungsgerichts we-
gen Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Senats (§ 12 Abs. 1
i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 VwGO) kommt nur in Betracht, wenn es sich um eine
Divergenz bei Anwendung ein und derselben entscheidungserheblichen Norm
des Landesrechts handelt. Soweit in der Kommentarliteratur die Auffassung
vertreten wird, es genüge auch, wenn sich die Abweichung auf im Wesentli-
chen gleichlautende Vorschriften in verschiedenen Gesetzen bezieht, also dass
die Gleichheit der Rechtsfrage ausreiche (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl.
2005, § 11 Rn. 4; Eyermann/Geiger, a.a.O., § 11 Rn. 3; Kronisch, in: Sodan/
Ziekow, a.a.O., § 11 Rn. 36), ist dem nicht zu folgen. Diese Auffassung ver-
kennt, dass die zu ihrer Untermauerung angeführten Entscheidungen des Ge-
meinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschlüsse vom
12. März 1987 - GmS-OGB 6/86 - BVerwGE 77, 370 <373> und vom 6. Feb-
ruar 1973 - GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <365>) die Sonderkonstellation
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der Koordination von Rechtswege übergreifenden Außendivergenzen zwischen
den Obersten Bundesgerichten betreffen. Für diesen besonderen Fall dürfte es
in der Tat zutreffend sein, den Begriff der Divergenz in dem beschriebenen
Sinne weiter auszulegen. Für die hier in Rede stehenden Binnendivergenzen
im Rahmen von § 11 Abs. 2 und 3 VwGO unter Senaten des Bundesverwal-
tungsgerichts oder eines Oberverwaltungsgerichts (§ 12 VwGO) ist ein derart
weites Verständnis des Divergenzmerkmals nicht angezeigt, da hier für die Klä-
rung von Meinungsunterschieden bei (bloß) gleichen Rechtsfragen zusätzlich
die Grundsatzvorlage gemäß § 11 Abs. 4 VwGO offen steht (ebenso Pietzner,
in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: 13. Erg.Lfg. April 2006,
§ 11 Rn. 16, 18; § 132 Rn. 75 ff.). Vielmehr gelten hier dieselben Anforderun-
gen, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Revi-
sionszulassungsgrund der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO entwi-
ckelt worden sind (zusammengefasst etwa in BVerwG, Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26 S. 13 <14> = NJW 1997, 3328 m.w.N.; Pietzner, a.a.O., § 11 Rn. 16 und
§ 132 Rn. 71).
c) Hieran gemessen liegt im Streitfall ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht nicht
vor. Dabei kann dahinstehen, ob die Beschwerde den Anforderungen an die
Darlegung divergierender Rechtssätze in den angeführten Entscheidungen ge-
nügt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und ob den Entscheidungen des 9. Senats
des Oberverwaltungsgerichts der von der Beschwerde angenommene abstrak-
te Rechtssatz zu § 109 GO NRW überhaupt zu entnehmen ist, ggf. dergestalt,
dass er ihnen lediglich konkludent („ unausgesprochen“ ) zu Grunde liegt (vgl.
dazu Pietzner, a.a.O., § 132 Rn. 72). Jedenfalls liegt die behauptete Divergenz
i.S.v. § 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 und 3 VwGO aus einem mehrfachen Grun-
de nicht vor:
Zum einen sind die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen nicht in
Anwendung derselben Rechtsnorm des Landesrechts ergangen. Die Entschei-
dung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1994
(NVwZ 1995, 1238) betraf eine Straßenreinigungsgebühr gemäß § 3 Abs. 1
StrReinG NRW i.V.m. § 6 Abs. 2 KAG NRW, diejenige vom 4. Oktober 2001
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(NVwZ-RR 2002, 684) eine Abfallentsorgungsgebühr gemäß § 9 Abs. 2 LAbfG
NRW i.V.m. § 6 Abs. 2 KAG NRW, sind also jeweils zu Benutzungsgebühren
ergangen. Gegenstand des hier angegriffenen Beschlusses des 15. Senats ist
dagegen ein Straßenbaubeitrag gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW. Zu dieser
rein nominellen Verschiedenheit der Normen treten wesentliche inhaltliche Un-
terschiede hinzu: § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW enthält mit dem Verweis auf „ die
nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten“ (und weite-
ren Einzelheiten in den nachfolgenden Sätzen) für die Bemessung von Benut-
zungsgebühren eine eigenständige Definition des Begriffs der umlagefähigen
Kosten, worauf der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts wesentlich die Be-
rücksichtigung auch von kalkulatorischen Gewinnen stützt. Demgegenüber fehlt
in § 8 KAG NRW für die Erhebung von Beiträgen ein solcher Hinweis auf be-
triebswirtschaftliche Grundsätze. Auch in der Entscheidung vom 4. Oktober
2001 zu der Abfallentsorgungsgebühr stellt der 9. Senat des Oberverwaltungs-
gerichts wesentlich darauf ab, dass § 9 Abs. 2 LAbfG NRW eine Sondervor-
schrift darstelle, die den Begriff der nach § 6 Abs. 2 KAG NRW ansatzfähigen
Kosten (nochmals) erweitere (vgl. OVG Münster, a.a.O., NVwZ-RR 2002, 684
<686>).
Zum anderen kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Entschei-
dung auf dem von der Beschwerde angenommenen Rechtssatz zu § 109 GO
NRW entscheidungserheblich beruht. Dies hat seine Ursache in dem nicht ein-
deutigen Gang der oben (sub I.) ausführlicher dargestellten Begründung der
angegriffenen Entscheidung: Das Berufungsgericht führt eingangs aus, dass
die Nichtberücksichtigung des von ihm beanstandeten Gewinnzuschlags auf
einer Auslegung der Vorschriften des nordrhein-westfälischen Kommunalwirt-
schaftsrechts beruhe, räumt aber sodann ein, dass ein Gewinnerwirtschaf-
tungsverbot nicht unmittelbar aus § 109 GO NRW folge, sondern aus einem
„ allgemeinen Prinzip der Steuer- bzw. Abgabestaatlichkeit der Bundesrepublik
Deutschland“ , und fügt schließlich an, dass sich das Verbot „ auch beitrags-
rechtlich“ ergebe (unter Hinweis auf § 8 Abs. 4 Satz 5 KAG NRW). Ob und in-
wieweit diese Aspekte selbstständig tragende oder sich lediglich ergänzende
Begründungselemente sein sollen, wird aus der angegriffenen Entscheidung
nicht deutlich. In jedem Fall gilt:
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Falls der Hinweis auf ein „ allgemeines Prinzip der Steuer- bzw. Abgabestaat-
lichkeit“ das die Entscheidung letztlich tragende Argument sein soll, wäre die-
ses Prinzip dem Bereich des Bundes(verfassungs)rechts zuzurechnen, nicht
aber, wie von § 12 VwGO vorausgesetzt, dem Landesrecht. Ob dieser sehr
grundsätzliche Begründungsansatz in dieser Allgemeinheit tragfähig ist (vgl.
dazu kritisch Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge,
2005, S. 387 ff.), bedarf hier keiner näheren Untersuchung, weil die Beschwer-
de hierzu keinen Revisionszulassungsgrund formuliert.
Falls der Hinweis „ auch“ auf die beitragsrechtliche Unzulässigkeit der Abwäl-
zung des Gewinnzuschlags auf die Abgabenschuldner als selbstständig tra-
gende Begründung zu verstehen sein sollte, wäre bereits die Grundannahme
der Beschwerde (siehe oben II. 2.) unzutreffend, dass die hier betrachteten
Entscheidungen jeweils in Auslegung (allein) von § 109 GO NRW ergangen
seien, und es fehlte aus diesem Grund an der Entscheidungserheblichkeit.
3. Die Kostenentscheidung folgt auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 bis 3, § 52 Abs. 3, § 72
Nr. 1 Halbs. 2 GKG n.F. und beziffert - unter Berücksichtigung des geringfügi-
gen Obsiegens des Beklagten vor dem Berufungsgericht - den noch verblei-
benden beschwerdebefangenen Beitragsteil.
Dr. Storost Domgörgen Buchberger
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