Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: soldat, vorläufige dienstenthebung, verdacht, nicht wieder gutzumachender schaden, waffen und munition, kennzeichen, allgemeine lebenserfahrung, ex tunc, materialien, politik

Rechtsquellen:
GG Art. 5 Abs. 1;
SG §§ 6, 8, 11 Abs. 1, § 17 Abs. 2 Satz 1;
WDO § 126
Stichworte:
vorläufige Dienstenthebung; Uniformtrageverbot; Einbehaltung von Dienstbezü-
gen; NS-Propagandamaterial; freiheitliche demokratische Grundordnung; Infor-
mationsfreiheit; Verfassungstreue; NS-Regime.
Leitsatz:
1. Das in Dienstvorschriften enthaltene Verbot für Soldaten, NS-
Propagandamaterial in dienstliche Einrichtungen und Unterkünfte einzubrin-
gen, verstößt nicht gegen das Grundrecht der Informationsfreiheit.
2. Mit der soldatischen Kernpflicht zum aktiven Eintreten für die freiheitliche
demokratische Grundordnung ist ein Verhalten unvereinbar, das objektiv ge-
eignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des verbrecherischen NS-Regimes
(wieder) gesellschaftsfähig zu machen.
3. Gerät ein Soldat durch sein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten in
den Verdacht, dass er das NS-Regime und dessen verbrecherische Ideologie
und Politik rechtfertigt oder als Vorbild hinstellt, und hält er diesen für unbe-
gründet, ist er gehalten, unzweideutig darzutun, dass dieser Verdacht unge-
rechtfertigt ist.
BVerwG, Beschluss des 2. Wehrdienstsenats vom 18. November 2003
- BVerwG 2 WDB 2.03 -
Truppendienstgericht Süd
Der Soldat im Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers wurde bis zu seiner Wegverset-
zung im NATO-Hauptquartier SHAPE in Belgien eingesetzt.
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Nachdem gegen ihn wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Waffengesetz
sowie des Einbringens von NS-Propagandamaterial in den dienstlichen Bereich ein
gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden war, wurde er „wegen Ei-
genart und Schwere dieses Dienstvergehens und der daraus resultierenden ernst-
haften Gefährdung der militärischen Sicherheit und Ordnung" vorläufig des Diens-
tes enthoben; ferner wurde ihm verboten, Uniform zu tragen und angeordnet,
dass die Hälfte der Dienstbezüge einbehalten wird.
Das Truppendienstgericht lehnte den Antrag des Soldaten auf Aufhebung dieser
vorläufigen Maßnahmen ab.
Die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht hatte keinen Erfolg.
A u s d e n G r ü n d e n :
Das Begehren des Soldaten nach Aufhebung der von der Einleitungsbehörde ge-
troffenen Anordnungen vom März 2003 ist unbegründet. Die gesetzlichen Voraus-
setzungen für die ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung und das Uniform-
trageverbot sowie die vorläufige Einbehaltung der Hälfte der Dienstbezüge liegen
vor.
a) Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig
des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn ein-
geleitet wird oder eingeleitet worden ist; mit der vorläufigen Dienstenthebung
kann - unter den gleichen Voraussetzungen - das Verbot, Uniform zu tragen, ver-
bunden werden. Diese Anordnungen setzen demzufolge die rechtswirksame Ein-
leitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten und eine
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pflichtgemäße Ermessensausübung der zuständigen Einleitungsbehörde voraus.
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots
lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Ein solcher läge dann vor, wenn die
Behörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz erteilten Ermächtigung gehal-
ten oder wenn sie von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch ge-
macht hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Ermessensausübung hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung, die
diese Maßnahmen ausdrücklich vorsieht. Sie widerspricht auch nicht dem gesetz-
lichen Regelungssinn. Die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten im Zusam-
menhang mit einem gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat - ebenso wie das Uniformtrageverbot - nach der gesetzlichen Regelung er-
sichtlich zum Ziel, einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst
aufgrund eines einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens
geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für die Diszip-
lin und die Ordnung in den Streitkräften - abzuwehren oder zu verhindern, dass
vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Endentscheidung ergeht (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 -,
NJW 1978, 152 = DÖV 1977, 274>; BVerwG, Beschluss vom 18. April 1991 - BVerwG
2 WDB 3.91 - ; Dau, WDO, 4. Aufl.
2003, § 126 RNr. 2). Die im pflichtgemäßen Ermessen der Einleitungsbehörde ste-
henden Anordnungen, für die allein disziplinare Gesichtspunkte maßgeblich sein
dürfen, setzen einen besonderen rechtfertigenden Grund voraus; sie müssen im
dienstlichen Interesse geboten sein und dem Verfassungsgebot der Verhältnismä-
ßigkeit genügen. Das ist nur dann der Fall, wenn ohne sie der Dienstbetrieb durch
den vom gerichtlichen Disziplinarverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder
in besonderem Maße gefährdet würde. Der Verfassungsgrundsatz der Verhältnis-
mäßigkeit erfordert insbesondere, dass die Behörde dem Betroffenen mit ihrer
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Ermessenentscheidung keine Nachteile zufügt, die außer Verhältnis zu dem Inte-
resse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schweren Dienstverge-
hens verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der
Dienstausübung auszuschließen. Es bedarf deshalb regelmäßig einer sorgfältigen
Abwägung zwischen dem Ausmaß der unmittelbaren Gefährdung oder Störung des
Dienstbetriebes und der nachteiligen Auswirkungen und Belastungen für den Be-
troffenen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 -
und BVerwG, Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N.).
Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung im vorliegenden
Verfahren kommt es mithin in erster Linie darauf an, ob bei einem Verbleiben des
Soldaten im Dienst mit einer Störung oder jedenfalls Gefährdung der militäri-
schen Ordnung und des Dienstbetriebs in seinem Verwendungsbereich zu rechnen
ist, ob durch das in Rede stehende pflichtwidrige Verhalten das Ansehen der Bun-
deswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem Verbleiben
im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte,
oder ob Sicherheitsinteressen der Bundeswehr berührt sind (Beschluss vom
10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N.). Bei der gerichtlichen Entscheidung
darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Einleitungs-
behörde erfüllt sind, muss auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gericht-
lichen Entscheidung abgestellt werden (vgl. Beschluss vom 22. Juli 2002 - BVerwG
2 WDB 1.02 -
Ber 2003, 29 m. w. N.>).
Die Sachprüfung in diesem vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m.
§ 114 Abs. 3 Satz 2 WDO, das durch einen ohne mündliche Verhandlung ergehen-
den Beschluss abgeschlossen wird, muss sich hinsichtlich der zu treffenden tat-
sächlichen Feststellungen seinem Wesen nach auf summarische Bewertungen und
Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken (stRspr.: u.a. Beschlüsse vom
8. Januar 1991 - BVerwG 2 WDB 5.90 -
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1991, 152, insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N., vom 19. Oktober 1992 - BVerwG
2 WDB 10.92 - und vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB 1.02 - ). Für einge-
hende Beweiserhebungen ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats kann sich ein hinreichend be-
gründeter Verdacht für ein schwerwiegendes Fehlverhalten eines Soldaten bereits
aus der Erhebung der öffentlichen Anklage in einem sachgleichen Strafverfahren
(§ 170 StPO) oder aus der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) ergeben.
Auf diese Indizwirkung einer erhobenen oder gar zugelassenen Anklage kann im
vorliegenden Falle jedoch nicht abgestellt werden. Denn die strafrechtlichen Er-
mittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft K. und der Staatsanwaltschaft M. sind
nach dem dem Senat aus den Akten bislang bekannten Sachstand noch nicht ab-
geschlossen. Demzufolge ist der Senat gehalten, anhand der ihm vorliegenden
bisherigen Ermittlungsergebnisse unter Berücksichtigung der vorhandenen Be-
weismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung
gerechtfertigt sind, eigenständig zu prüfen, ob der hinreichende Verdacht des in
Rede stehenden schweren Dienstvergehens besteht. Das ist hier der Fall. Der Sol-
dat erscheint hinreichend verdächtig, vorsätzlich seine Dienstpflichten zum Ge-
horsam gegenüber Vorgesetzten (§ 11 Abs. 1 SG), zum Eintreten für die freiheitli-
che demokratische Grundordnung (§ 8 SG) und zu Achtung und Vertrauen wahren-
dem Verhalten außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verletzt zu haben.
Das gilt zunächst hinsichtlich des ihm in der Nr. 1 der Einleitungsverfügung vor-
geworfenen unerlaubten (privaten) Waffenbesitzes außerhalb des Dienstes und
außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen, wodurch der hinreichende
Verdacht einer vorsätzlichen Pflichtverletzung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG begrün-
det worden ist. Auch vom Soldaten wird jedenfalls die Tatsache nicht bestritten,
dass er - wie die bei den Akten befindliche Feldjägermeldung ausweist - mit sei-
nem Privat-Kfz in K. durch die Schutzpolizei bei einer allgemeinen Fahrzeug- und
Personenkontrolle angehalten wurde und dass bei der anschließend nach einer
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- in ihren genauen Abläufen bislang ungeklärten - Auseinandersetzung erfolgten
Überprüfung seiner Person und seines Fahrzeuges zwei Handfeuerwaffen be-
schlagnahmt wurden. Beide Handfeuerwaffen waren ausweislich der vorliegenden
Feldjägermeldung zwar entladen, jedoch wurden insgesamt ca. 106 Schuss Muni-
tion für beide Waffen im Fahrzeug aufgefunden; auch dies hat der Soldat nicht in
Zweifel gezogen. …
Konkrete Anhaltspunkte für einen vom Soldaten angeführten Verstoß gegen die
Vorschrift des § 136 a StPO, die für „Vernehmungen“ durch Polizei und Staatsan-
waltschaft die Anwendung von Täuschung, Zwang und anderen dort aufgeführten
verbotenen Mitteln verbietet, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar,
dass die polizeirechtlichen Grundlagen für die zunächst durchgeführte Fahrzeug-
und Personenkontrolle nicht vorgelegen haben; eine nähere Überprüfung muss
gegebenenfalls einem dafür vorgesehenen Verfahren vorbehalten bleiben.
Rechtsgrundlage für die erfolgte Beschlagnahme der beiden Handfeuerwaffen und
der Munition ist ersichtlich § 94 Abs. 2 StPO.
Zum Besitz und damit zum Umgang (vgl. § 1 Abs. 3 WaffG) mit den beiden Hand-
feuerwaffen nebst Munition war der Soldat nach dem bisher dem Senat bekann-
ten Sachstand nicht berechtigt, da er hinsichtlich dieser Waffen und Munition
nach § 2 Abs. 2 i.V.m. der Anlage 2 Abschn. 2 WaffG eine Erlaubnis nach §§ 10 ff.
WaffG benötigte, eine solche jedoch jedenfalls zum Tatzeitpunkt offenkundig
nicht besaß. …
Da der Soldat nicht über die erforderliche Erlaubnis nach dem Waffengesetz für
den Umgang mit den hier in Rede stehenden Handfeuerwaffen und der dafür be-
stimmten Munition verfügte, beging er mit seinem Verhalten eine schwerwiegen-
de Straftat, die nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jah-
ren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Die - im außerdienstlichen Bereich - erfol-
gende Begehung schwerwiegender Straftaten ist geeignet, die Achtung und das
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Vertrauen, die die dienstliche Stellung eines Soldaten erfordert, im Sinne des
§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG ernsthaft zu beeinträchtigen. Denn nach der Rechtspre-
chung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats ist generell die allgemeine
Gesetzestreue eines Beamten - und nichts anderes gilt für Soldaten - eine we-
sentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes, dessen Angehörigen nach Art. 33
Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse obliegt. Deshalb ist ein
- auch außerdienstlicher - Verstoß gegen Rechtsnormen, die wichtige Gemein-
schaftsinteressen schützen, allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungs-
gemäße Dienstausübung zu erschüttern; insoweit bestehen auch keine durchgrei-
fenden Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 17 Abs. 2
Satz 2 SG (vgl. Urteil vom 3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 - und BVerfG, Be-
schluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257/96 - ).
Es besteht auch der hinreichende Verdacht, dass der Soldat vorsätzlich seine
Pflicht zum Gehorsam gegenüber Vorgesetzten verletzt hat. Denn aufgrund der
dem Senat vorliegenden Akten ist davon auszugehen, dass jedenfalls in der im
NATO-Hauptquartier vom Soldaten bewohnten Unterkunft sowie in seinem Dienst-
zimmer umfangreiches Material aufgefunden und sichergestellt wurde, dessen
Einbringung in diese Räumlichkeiten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen
Verstoß gegen Nr. 311 ZDv 10/5 darstellt.
Ausweislich der bei den vorgelegten Akten befindlichen Niederschrift über die
Durchsuchung und Beschlagnahme wurden in der vom Soldaten bewohnten Stube
u.a. eine Kopie der Broschüre „Antwort auf die Goldhagen- und Spielberg-Lügen“,
ein Schriftstück „SS-Family“, ein Ordner mit Kopien des „Kühnen-Buchs“, ein
Ordner mit Kopien des Buches „Das goldene Band. Esoterischer Hitlerismus“ von
Miguel Serrano, das Buch „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosen-
berg sowie neun Kopien von Abbildungen, die zum Teil Runen-Zeichen aufwiesen,
aufgefunden und beschlagnahmt. Aus dem Protokoll ergibt sich zudem, dass im
Dienstzimmer des Soldaten des weiteren unter anderem ein Hefter mit dem Par-
teiprogramm der NPD, ein Buch „Volk und Reich der Deutschen“, ein Hefter „Ru-
nen und Rituale“ sowie eine CD-ROM mit Bild-, Ton- und Videomaterial beschlag-
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nahmt wurden. Diese CD-ROM enthält u.a. die Ton-Datei „Noie Werte - Rudolf
Hess“, in denen - jedenfalls nach summarischer Prüfung - der ehemalige führende
NS-Politiker Rudolf Hess verherrlicht und als Märtyrer dargestellt wird, der im
Spandauer Gefängnis „ermordet“ worden sei. Ferner enthält die CD-ROM unter
anderem die Video-Datei „Triumph Of The Will 07 - Hitler Youth Ralley - Rare Na-
zi Film“, eine filmische Inszenierung von Auftritten Adolf Hitlers auf einer (oder
mehreren) nationalsozialistischen (NS) Massenkundgebung(en) in den Jahren der
NS-Diktatur. Außerdem finden sich auf der CD Ton-Dateien u.a. mit dem national-
sozialistischen „Horst-Wessel-Lied“ („Das Horst-Wessel-Lied-SA CHOR“) sowie die
Ton-Datei „Wehrmacht - Leibstandarte SS Adolf Hitler - Die Fahne hoch“. Ferner
sind Bestandteil der CD-ROM die Ton-Dateien „Wehrwolf - geboren um zu has-
sen“, „Wehrwolf - Herz aus Stahl“ und „Wehrwolf - Volk steh auf“ sowie die Ton-
Dateien „gestapo white power“, „reichskammermusik - Waffen-SS Treue“ und
„White Power Techno - Adolf Hitler“. Schließlich befinden sich bei den beschlag-
nahmten Beweismitteln u.a. zwei farbige Computerausdrucke, die jeweils die
Überschrift „Die Wehrmacht“ tragen und einen darüber befindlichen symbolisier-
ten Adler mit Hakenkreuz aufweisen.
Alle diese Materialien weisen einen besonderen Bezug zu Symbolen, Kennzeichen
und anderen Propagandamitteln des NS-Regimes auf, teilweise in originalgetreuer
Wiedergabe, teilweise in gegenwartsbezogenen Reproduktionsformen. Bei der im
Rahmen des vorliegenden Verfahrens allein möglichen summarischen Prüfung be-
steht der hinreichende Verdacht, dass der Soldat mit dem Einbringen dieser Ma-
terialien in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der militärischen Dienst-
stelle von SHAPE/Belgien gegen Nr. 311 ZDv 10/5 verstoßen hat. Danach ist es un-
tersagt, unter anderem solche Tonträger (z.B. CD), Bildträger (z.B. Bilder, Fotos,
Filme, Video, CD), Datenträger (z.B. Disketten, CD), Schriften, Abzeichen oder
ähnliche Gegenstände „in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der militäri-
schen Dienststelle auch nur vorübergehend einzubringen“, die sich gegen die
freiheitliche demokratische Grundordnung richten oder Kennzeichen oder Propa-
gandamittel verfassungswidriger Organisationen darstellen oder enthalten. Die
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Regelung in Nr. 311 ZDv 10/5 stellt zur näheren Bestimmung solcher „Kennzei-
chen“ und „Propagandamittel“ - wie in ihrer Fußnote 2 klargestellt wird - inso-
weit auf die Begrifflichkeiten in §§ 86, 86 a StGB ab. Wie sich aus § 86 a Abs. 1
Nr. 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB und § 11 Abs. 3 StGB und § 86 a Abs. 2 StGB er-
gibt, brauchen die von der Vorschrift erfassten Kennzeichen oder „Propaganda-
mittel“ nicht verkörpert zu sein. Auch Lieder fallen darunter (vgl. dazu u.a. BGH
in MDR 1965, 923; BayObLG in NJW 1962, 1878; OLG Oldenburg in NJW 1988, 351;
OLG Celle in NJW 1991, 1498; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl. 2003, § 86 a RNr. 4
m.w.N.).
Der Soldat macht hier zwar geltend, diese und die anderen beschlagnahmten Ma-
terialien seien nicht „rechtsextremistisch“; es sei „abwegig, aus dem Besitz be-
stimmter Gegenstände und Symbole einer längst unwiderruflich vergangenen kur-
zen geschichtlichen Epoche auf eine Nichtanerkennung der FDGO i.S.d. GG zu
schließen“; wenn eine „Ära“ untergehe, würden ihre „Metaphern bedeutungs-
los“; nicht „wegen solcher beliebig austauschbarer Zeichen, Bilder und Gesänge“
sei „das Dritte Reich ein Unrechtsstaat“ gewesen, sondern „weil ihm Volkshoheit
und Gewaltentrennung fehlten“. Die Lieder hätten eine „schöne eingängige Me-
lodie“ und drückten zum Teil „wertvolle Gedanken“ aus, „so z.B. das ehrende
Gemeinschaftsgefühl mit den für die gleiche Sache Gefallenen (‚marschier’n im
Geist in unsern Reihen mit’)“. Bereits aus diesem Vorbringen des Soldaten folgt
freilich, dass er damit in der Sache bestätigt, dass es sich bei diesen Materialien
um „Zeichen, Bilder und Gesänge“ aus dem so genannten Dritten Reich handelt.
Sowohl bei dem auf der Video-Datei enthaltenen Film „Triumph Of The Will …“
(offenkundig eine englischsprachige Version des von Leni Riefenstahl gedrehten
und von Adolf Hitler besonders geschätzten Films „Triumph des Willens“) als auch
bei den - jedenfalls teilweise - von unverkennbarer NS-Ideologie geprägten Mili-
tärmärschen der Wehrmacht sowie insbesondere bei den verschiedenen Dateien
mit dem „Horst-Wessel-Lied“ („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen. SA
marschiert …“) ergibt sich - bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung -
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aus der Herkunft, ihren Ausdrucksformen sowie ihrem Inhalt, dass es sich um NS-
Propagandamittel handelt, die objektiv geeignet und darauf angelegt waren, Zu-
stimmung oder gar Begeisterung für die „nationalsozialistische Sache“ zu fördern.
Angesichts der Fülle der vom Soldaten angesammelten beschlagnahmten Ton-,
Bild- und Datenträger, Schriften und ähnlichen Gegenständen sowie ihres inhalt-
lichen Zusammenhangs besteht zudem - bei der hier allein möglichen summari-
schen Prüfung - die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ihre heutige Verwen-
dung dem Zweck dient oder jedenfalls die Funktion erfüllt, die NS-Diktatur und
ihre Verbrechen zu verharmlosen sowie solche Kennzeichen, Symbole und Be-
standteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen oder gar politi-
sche Bestrebungen zu fördern, die an die Ideologie und Politik verbotener NS-
Organisationen anknüpfen.
Soweit der Soldat anführt, er habe lediglich ein historisches Interesse an diesen
Kennzeichen und Propagandamitteln, spricht alles dafür, dass es sich dabei um
eine bloße Schutzbehauptung handelt. Denn es ist kein Grund ersichtlich, wes-
halb der Soldat ein solches Interesse nicht in seinem Privatbereich außerhalb mi-
litärischer Liegenschaften befriedigen hätte können. Wenn es ihm nur um die Er-
füllung eines privaten historischen Informationsbedürfnisses gegangen wäre, wäre
nicht nur die Fülle der sichergestellten und beschlagnahmten
NS-Propagandamittel unverständlich, sondern auch der Umstand, warum er diese
dann insbesondere (auch) in sein Dienstzimmer im NATO-Hauptquartier einbringt,
wo es gerade nicht seine Aufgabe ist, private Informationsbedürfnisse zu befrie-
digen. Abgesehen davon würde ein solches „historisches Interesse“ auch nichts
daran ändern, dass er mit seinem Verhalten gegen Nr. 311 ZDv 10/5 verstieß und
damit gegenüber seinen Vorgesetzten ungehorsam war (§ 11 Abs. 1 SG).
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Nr. 311 ZDv 10/5 gegen das Grundrecht
der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz GG), andere Verfas-
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sungsvorschriften oder gegen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechts-
Konvention (EMRK) verstößt, sind nicht ersichtlich.
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz GG gewährleistet jedermann das Recht, sich
aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Das Grundrecht
gilt - wie aus Art. 17 a GG folgt - uneingeschränkt auch für Soldaten („Staatsbür-
ger in Uniform“) und kann für diese grundsätzlich nur in der gleichen Weise wie
für andere Bürger eingeschränkt werden. Durch das Grundrecht verboten sind
damit alle Eingriffe, die nach ihrer Eigenart und nach der Eigenart der jeweiligen
Informationsmethode imstande sind, den konkreten Informationsvorgang unmög-
lich zu machen oder jedenfalls wesentlich zu erschweren. Dies ist schon dann der
Fall, wenn eine allgemein zugängliche Information der an ihr interessierten Per-
son zwar nicht vorenthalten, jedoch der Zugang zeitlich verzögert wird (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1969 - 1 BvR 30/66 -, ).
Ebenso verbietet die Informationsfreiheit, durch die Androhung von Strafen oder
sonstigen Sanktionen den Informationszugang zu hemmen oder für rechtswidrig zu
erklären (vgl. u.a. Herzog in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 5 RNr. 99 m.w.N.).
Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn ein Soldat, dem durch Nr. 311
ZDv 10/5 untersagt wird, bestimmte Kennzeichen und Propagandamittel in
dienstliche Einrichtungen und Unterkünfte einzubringen, ist bereits im Besitz der-
selben. Er wird nicht gehindert, diesen Materialien die gewünschten Informatio-
nen zu entnehmen. Das Grundrecht der Informationsfreiheit garantiert nicht das
Recht, die betreffenden Informationsmaterialien in jede beliebige Einrichtung
oder Örtlichkeit einzuführen oder einzubringen, in der sich der Betreffende gera-
de aufhält oder aufzuhalten wünscht. Ob bestimmte Gegenstände in eine nicht
dem Gemeingebrauch oder seiner Verfügungsgewalt oder seinem Hausrecht un-
terliegende Räumlichkeit eingeführt werden dürfen oder nicht, kann der Betref-
fende nicht eigenmächtig gegen den Willen des „Hausherrn“ bestimmen. Viel-
mehr ist diese Frage nach den allgemeinen gesetzlichen Regelungen zu beantwor-
ten. Die Informationsfreiheit unterliegt im Übrigen - ebenso wie die ebenfalls in
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Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Meinungsäußerungsfreiheit - dem Vorbehalt
des Art. 5 Abs. 2 GG, wonach diese Grundrechte ihre Schranken unter anderem
in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze und in dem Recht der persönlichen
Ehre finden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 1969 - 1 BvR 30/66 -). Eine
über Art. 5 Abs. 1 GG hinausgehende Schutzwirkung gewährleisten weder Art. 10
EMRK (vgl. dazu u.a. Grabenwerter, EMRK, 2003, § 23 RNrn. 5 ff. m.w.N.) noch
eine andere Schutzvorschrift, insbesondere auch nicht Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1
oder Art. 14 EMRK. Angesichts dessen kommt schon deshalb eine vom Soldaten
angeregte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das
Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht.
Indem der Soldat die in Rede stehenden NS-Propagandamittel in seine dienstliche
Unterkunft sowie sein Dienstzimmer einbrachte, besteht auch der hinreichende
Verdacht, dass er gegen seine in § 8 SG normierte soldatische Kernpflicht versto-
ßen hat, die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgeset-
zes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutre-
ten. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift be-
stehen nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und
des beschließenden Senats nicht (vgl. dazu die Nachweise bei Scherer/Alff, SG,
7. Aufl. 2003, § 7 RNrn. 1 f.).
Diese Pflicht verlangt nicht, dass der Soldat sich mit den Zielen oder einer be-
stimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Deutschen Bundes-
tag vertretenen Parteien identifiziert und diese unterstützt. Dies folgt schon da-
raus, dass auch für Soldaten gemäß Art. 1 Abs. 3 GG i.V.m. § 6 Satz 1 SG die
grundrechtliche Gewährleistung des Art. 3 Abs. 3 GG gilt, wonach „niemand we-
gen … seiner … politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“
darf. Die in § 8 SG normierte Verpflichtung stellt auch nicht in Frage, dass der
Soldat in Wahrnehmung der ihm zustehenden Grundrechte an Erscheinungen oder
Entwicklungen in Staat und Gesellschaft Kritik üben und für Änderungen der be-
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stehenden Verhältnisse einschließlich des geltenden Verfassungsrechts innerhalb
des dafür von der Verfassung (Art. 79 Abs. 3 GG) gezogenen Rahmens und mit den
verfassungsrechtlich zulässigen Mitteln eintreten darf. Sie verlangt jedoch von
jedem Soldaten, die durch Art. 79 Abs. 3 GG jeder Verfassungsänderung entzoge-
nen „Grundsätze“ der Art. 1 und 20 GG (vor allem Bindung aller staatlichen Ge-
walt an die im Grundgesetz konkretisierten Grund- und Menschenrechte, Volks-
souveränität, Mehrparteiensystem, Chancengleichheit für alle Parteien mit dem
Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition, Gewaltentei-
lung, Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament, Gesetzmäßig-
keit von Regierung und Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte) zu bejahen, sie
als schützenswert anzuerkennen und aktiv für sie einzutreten. Mit dieser Pflicht
hat der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass nur diejenigen Personen Soldaten
und damit Angehörige der Streitkräfte werden und bleiben dürfen, die sich von
allen Bestrebungen fernhalten, die die freiheitliche demokratische Grundordnung
im Sinne des Grundgesetzes bekämpfen, und die darüber hinaus aktiv und aus
Überzeugung für deren Erhaltung eintreten. Es sollte damit ausgeschlossen oder
jedenfalls erschwert werden, dass die Streitkräfte zu einer Macht werden, die die
freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdet, oder dass sie gegen sie ein-
gesetzt werden. Mit der in § 8 SG normierten soldatischen Kernpflicht ist insbe-
sondere ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf ange-
legt ist, die Ziele des verbrecherischen NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kenn-
zeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesell-
schaftsfähig zu machen (vgl. Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 -
und Be-
schluss vom 29. August 2002 - BVerwG 2 WDB 6.02 -). Denn das NS-Regime, das
zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung seiner Diktatur die Menschenrechte sys-
tematisch missachtete und verletzte sowie zur Realisierung seiner Eroberungs-,
Raub- und Ausrottungspläne mit Weltherrschaftsvisionen Angriffskriege entfessel-
te, in deren Verlauf Millionen Menschen Leben, Gesundheit sowie Hab und Gut
verloren, ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des
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Grundgesetzes schlechthin unvereinbar. Dies gilt auch für die zentralen Bestand-
teile seiner Ideologie und politischen Zielvorstellungen sowie alle Bestrebungen,
die objektiv oder subjektiv darauf angelegt sind, im Sinne der „nationalsozialisti-
schen Sache“ zu wirken. Dementsprechend hat der Senat in seiner gefestigten
Rechtsprechung mehrfach entschieden, dass eine Verletzung der in § 8 SG nor-
mierten Pflicht nicht nur dann vorliegt, wenn ein Soldat Propagandamaterial ei-
ner verfassungswidrigen Organisation wie einer NSDAP-Auslandsorganisation ver-
breitet (Urteil vom 1. Juni 1983 - BVerwG 2 WD 48.82 -); vielmehr ist dies auch
dann der Fall, wenn ein Soldat das „Horst-Wessel-Lied“ singt (Urteil vom
4. September 1980 - BVerwG 2 WD 74.79 -), wenn er NS-Gesten und -Äußerungen
verwendet, in dem er z.B. „Sieg Heil“ ruft (Urteil vom 25. Januar 2000 - BVerwG
2 WD 43.99 -
2000, 255 = ZBR 2000, 423 = NVwZ 2000, 1421>) oder in der Öffentlichkeit den
„Hitler-Gruß“ ausführt (Urteil vom 25. Januar 2000 - BVerwG 2 WD 43.99 -
und Beschluss vom 29. August 2002 - BVerwG 2 WDB 6.02 -), wenn er die
Massenmorde an Menschen jüdischen Glaubens während des NS-Regimes ernsthaft
in Zweifel zieht und den Angriff des Deutschen Reichs auf Polen leugnet (Urteil
vom 20. Oktober 1999 - BVerwG 2 WD 9.99 -
236.1 § 7 Nr. 32 = NJW 2000, 1433 = NZWehrr 2000, 126 = ZBR 2000, 349), wenn er
im Unterkunftsbereich vor der NS-Hakenkreuzfahne oder anderen NS-Symbolen
posiert und sich fotografieren lässt (Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD
8.02 - ), im Dienst Ausdrücke verwendet, die auf Sympathien zum
NS-Regime und zur Waffen-SS schließen lassen (Urteil vom 21. November 2000
- BVerwG 2 WD 27.00 -
2001, 255 = DokBer B 2001, 187>), wenn er die Erschießung und Vergasung von in
Deutschland lebenden „Nichtariern“ und damit Gewalttaten im Sinne der
NS-Ideologie propagiert (Urteil vom 22. Januar 1997 - BVerwG 2 WD 24.96 -,
NZWehrr 1997, 161= NVwZ 1997, 1002 [LS]>) oder wenn er einzelnen in Deutsch-
land lebenden Bevölkerungsgruppen das Existenzrecht abspricht (Urteil vom
- 15 -
24. Januar 1984 - BVerwG 2 WD 40.83 - ). Ruft ein Soldat
durch sein dienstliches oder außerdienstliches Verhalten (z.B. durch die Verwen-
dung menschenverachtender Formulierungen, vgl. Urteil vom 22. Januar 1997
- BVerwG 2 WD 24.96 - ) eine Erinnerung an die Verbrechen und Ideologie
des NS-Regimes wach oder gerät er sonst in den Verdacht, dass er das NS-Regime
und dessen verbrecherische Ideologie und Politik rechtfertigt oder als Vorbild
hinstellt, und hält er dies für unbegründet, ist er gehalten, glaubhaft diesem Ein-
druck aktiv entgegenzuwirken und unzweideutig darzutun, dass dieser Verdacht
ungerechtfertigt ist. Denn er muss sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen
distanzieren, die die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des
Grundgesetzes angreifen, bekämpfen oder diffamieren (BVerfG, Urteil vom
22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, ). Nur
dann erfüllt er seine Pflicht, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes aktiv
einzutreten.
Nach dem dem Senat aus den vorgelegten Akten bislang bekannten Sachstand be-
gründete der Soldat mit dem Einbringen der angeführten NS-Propagandamittel in
den Unterkunfts- und Dienstbereich im NATO-Hauptquartier in SHAPE/Belgien den
Verdacht, dass er dem NS-Regime und dessen verbrecherischer Ideologie und Po-
litik mit Sympathien gegenübersteht. Andernfalls ist die Fülle des in seinem
NS-Propagandacharakter gleichartigen Materials kaum erklärbar. Dieser Verdacht
wird dadurch erhärtet, dass auch im Privat-Kfz des Soldaten und in seiner Woh-
nung in K. NS-Propagandamaterialien aufgefunden wurden. Ausweislich des Si-
cherstellungsprotokolls wurden im Kfz des Soldaten an jenem Tage unter ande-
rem die selbst gebrannten CDs „SA- und SS-Lieder“, „Hitlerjugend“ und „Panzer-
lieder“ sowie sieben „CDs in einer Hülle, SA- und SS-Lieder“ beschlagnahmt. Bei
der anschließend durchgeführten Durchsuchung der elterlichen Wohnung des Sol-
daten in K. wurden ausweislich des vorliegenden Sicherstellungs- und Beschlag-
nahmeprotokolls unter anderem ein Wandanhänger „Hakenkreuz“, eine Tüte mit
- 16 -
Hakenkreuz, eine Hakenkreuzflagge sowie weitere CDs und eine Diskette aufge-
funden und sichergestellt bzw. beschlagnahmt. An Hand der beschlagnahmten
Materialien ergab sich nach der in den Beschlagnahmeprotokollen festgehaltenen
Einschätzung der Polizeibeamten der Verdacht einer Straftat nach §§ 86 a, 130
StGB. Auch wenn dem Senat im vorliegenden Verfahren diese Materialien und CDs
nicht vollständig vorgelegt worden sind, so dass eine nähere Prüfung insoweit
nicht hat durchgeführt werden können, besteht aufgrund der in den Beschlag-
nahmeprotokollen enthaltenen Angaben dennoch eine hinreichende Wahrschein-
lichkeit dafür, dass der Soldat durch sein Verhalten den schwerwiegenden Ver-
dacht begründet hat, dass er in erheblichem Umfang NS-Propagandamittel in sei-
ner Verfügungsgewalt an verschiedenen Stellen (Kfz, Wohnung, dienstliche Un-
terkunft, Dienstzimmer) bereit hielt, um sie zu gebrauchen. Dies legt - jedenfalls
bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung - die
Schlussfolgerung nahe, dass er diese NS-Propagandamittel für „gesellschaftsfä-
hig“ hält und sie entsprechend nutzt. Ein solcher Umgang mit
NS-Propagandamitteln begründet den Eindruck, dass der Soldat mit dem
NS-Regime und dessen verbrecherischer Ideologie und Politik sympathisiert, sie
verharmlost oder sich gar zum Vorbild nimmt.
Diesem Eindruck ist der Soldat weder bei seinen durch seinen Disziplinarvorge-
setzten und den Wehrdisziplinaranwalt durchgeführten Vernehmungen noch im
vorliegenden Verfahren substantiiert und glaubhaft entgegengetreten. Es ist auch
nicht ersichtlich, dass er sonst erfolgreich darum bemüht ist, unzweideutig darzu-
tun, dass der entstandene Eindruck unbegründet ist. Im Gegenteil: Das offenkun-
dig von ihm gebilligte schriftsätzliche Vorbringen seines Verteidigers im vorlie-
genden Verfahren nährt in starkem Maße gerade den Verdacht, dass der Soldat
nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die freiheitliche demokratische Grundord-
nung im Sinne des Grundgesetzes anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhal-
ten aktiv für ihre Erhaltung einzutreten.
- 17 -
In den Schriftsätzen lässt er zwar vortragen, er sei Soldat geworden, „um die
freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO) zu verteidigen“. Er gibt ihr je-
doch einen Inhalt, den sie ersichtlich nach dem Grundgesetz nicht hat („getrenn-
te persönliche Mehrheitswahl aller Abgeordneten, Beamten und Richter auf allen
Ebenen, Gemeinde, Land, Bund, Europa, und nur auf Zeit unmittelbar durchs
Volk …“) und setzt dem in polemisch zugespitzter Form dann die in seinen Augen
„schlechte Wirklichkeit“ entgegen. Da die nach seiner Auffassung notwendigen
„Voraussetzungen“ einer in seinem Sinne „freiheitlich-demokratischen Grundord-
nung“ nicht vorliegen, diffamiert er die gegenwärtige Staats- und Gesellschafts-
ordnung unter Berufung auf Samuel von Pufendorf, einen Naturrechtler aus der
Zeit des Absolutismus, als „derzeit real existierendes Machtgebilde, … etwas Re-
gelwidriges und einem Ungeheuer ähnliches Wesen“, als „Nicht-GG-Rechtsstaat“,
als „Verhöhnung des GG-Rechtsstaates“, als "systematische verfassungswidrige
Gesinnungsdiktatur" und als Form „einer Gewalt- und Willkürherrschaft“ im Sinne
des § 92 Abs. 2 Nr. 6 StGB. Die Richter des Truppendienstgerichts seien „Verräter
zu Lasten des Betroffenen“, „nicht volkslegitimierte gewalteneinheitstyrannische
.(Montesquieu) Truppendienstrichter“, „Verfassungswidrigkeitspatrioten“ und
„verfassungswidrige Rechtsprechungsusurpatoren“, deren „Erzeugnisse“ als „sit-
tenwidrige Verwaltungsakte unmittelbar nichtig ex tunc und unwirksam“ seien.
Dieses Vorbringen ist ersichtlich auf eine Diffamierung demokratischer und
rechtsstaatlicher Strukturen und Institutionen angelegt, die in ihrer Diktion Erin-
nerungen an antidemokratische Bestrebungen in der Weimarer Republik (vgl. da-
zu u.a. Knut Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik,
4. Aufl. 1994, S. 113 ff., 141 ff.), namentlich der Nazi-Bewegung, wecken. Die
Nähe zur Ideologie des verbrecherischen NS-Regimes kommt etwa auch darin zum
Ausdruck, dass zur Rechtfertigung des Verstoßes gegen Nr. 311 ZDv 10/5 explizit
auf das Vorbild der Wehrmacht im NS-Regime hingewiesen und an dessen Krieger-
kult angeknüpft wird. So wird vorgetragen, die Soldaten der Wehrmacht hätten
im Zweiten Weltkrieg „nach dem Urteil nahezu aller nichtdeutschen Fachleute
am besten und tapfersten gekämpft“, ohne dabei auch nur mit einem Wort auf
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die verbrecherischen Zwecke und Ziele der Raub- und Vernichtungsfeldzüge ein-
zugehen, in denen die Wehrmacht zum Einsatz kam. Von einer eindeutigen Dis-
tanzierung vom NS-Regime und seinen Verbrechen sowie von Gruppen und Be-
strebungen, die musikalisch oder auf andere Weise nach wie vor für die „natio-
nalsozialistische Sache“ eintreten und die freiheitliche demokratische Grundord-
nung im Sinne des Grundgesetzes angreifen, bekämpfen oder diffamieren, kann
nach alledem keine Rede sein.
Angesichts dessen besteht der hinreichende Verdacht, dass der Soldat nicht nur in
schwerwiegender Weise gegen das Waffengesetz verstoßen hat, sondern auch NS-
Kennzeichen und NS-Propagandamittel besessen und genutzt sowie entgegen
Nr. 311 ZDv 10/5 in den Unterkunfts- und Dienstbereich einer militärischen
Dienststelle eingebracht und dadurch seine Pflichten zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1
SG), zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 8 SG) so-
wie zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2
Satz 1 SG) verletzt hat. Damit besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür,
dass der Soldat schuldhaft ein besonders schwerwiegendes Dienstvergehen gemäß
§ 23 Abs. 1 SG begangen hat, für das er gemäß § 10 Abs. 1 SG aufgrund seines
Vorgesetztendienstgrades verschärft zu haften hat. Das besondere Gewicht dieses
Dienstvergehens ergibt sich daraus, dass bereits die Missachtung der Bestimmun-
gen des Waffengesetzes ernsthafte Zweifel an der Rechtstreue, der persönlichen
Integrität und der dienstlichen Zuverlässigkeit des Soldaten wecken. Vor allem
aber der daneben bestehende hinreichende Verdacht einer Verletzung der Kern-
pflicht des Soldaten, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der frei-
heitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutre-
ten, ist geeignet, die für den Fortbestand des Dienstverhältnisses unabdingbare
Vertrauensgrundlage unheilbar zu zerstören.
Die getroffenen Maßnahmen einer vorläufigen Dienstenthebung sowie des Uni-
formtrageverbotes sind auch geeignet und erforderlich, um dadurch Nachteile
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und Gefahren - insbesondere für die Disziplin und die Ordnung in den Streitkräf-
ten - sowie eine Schädigung des Ansehens der Bundeswehr in der Öffentlichkeit
abzuwehren. Insbesondere der dringende Verdacht eines Verstoßes gegen die
Kernpflicht des § 8 SG hat bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise die
unabdingbare Vertrauensgrundlage zwischen dem Dienstherrn und dem Soldaten
erschüttert. Gerade angesichts des bisherigen Einsatzes des Soldaten in einem
multinationalen NATO-Hauptquartier im Ausland, das sich in besonderem Maße
einer kritischen Öffentlichkeit zu stellen hat, ist es unabdingbar, dass geeignete
Vorkehrungen getroffen werden, um Derartiges künftig zu vermeiden. Die Einlas-
sungen des Soldaten lassen nach wie vor kaum Unrechtsbewusstsein oder Einsicht
in sein Fehlverhalten erkennen, so dass zu befürchten steht, dass er ohne die an-
geordneten vorläufigen Maßnahmen dieses fortsetzt. Dies wäre, was keiner wei-
teren Darlegung bedarf, mit einer erheblichen Ansehensschädigung der Bundes-
wehr und ihrer Angehörigen verbunden. Ohne die getroffenen Anordnungen ent-
stünde in der Öffentlichkeit möglicherweise sogar der Eindruck, die zuständigen
Vorgesetzten des Soldaten billigten sein Fehlverhalten. Mit den getroffenen
Anordnungen werden dem Soldaten auch keine Nachteile zugefügt, die außer Ver-
hältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines
schweren Dienstvergehens verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vor-
wurfs von der Dienstausübung auszuschließen. Ihm wird zwar untersagt, seinen
Dienst auszuüben und seine Uniform zu tragen, so dass in seinem privaten und
beruflichen Umfeld der Eindruck begründet und möglicherweise gefestigt wird,
die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien zutreffend, obwohl das gerichtliche Dis-
ziplinarverfahren insoweit eine abschließende Klärung noch nicht gebracht hat.
Diese Folgen sind jedoch angesichts der sonst drohenden erheblichen Nachteile
für den Dienstbetrieb sowie das Ansehen der Bundeswehr und ihrer Angehörigen
unvermeidbar. Der Soldat muss sie hinnehmen, zumal er für diese Situation ange-
sichts seines mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfolgten Fehlverhaltens letzt-
lich verantwortlich ist.
- 20 -
b) Auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die mit der Einleitungsverfügung
verbundene Anordnung, die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge des Soldaten ein-
zubehalten, sind erfüllt. Nach § 126 Abs. 2 WDO kann die Einleitungsbehörde mit
der vorläufigen Dienstenthebung oder später anordnen, dass dem Soldaten ein
Teil, höchstens die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird, wenn
im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem
Dienst erkannt werden wird. Für die Prognose der Verhängung der disziplinaren
Höchstmaßnahme genügt die Feststellung, dass der Soldat das ihm zur Last geleg-
te Dienstvergehen, das geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und
dem Dienstherrn unheilbar zu zerstören, mit einem hinreichenden Grad von
Wahrscheinlichkeit begangen hat. Das ist - wie vorstehend dargelegt - hier der
Fall. Denn der Soldat erscheint bei der hier gebotenen summarischen Betrachtung
hinreichend verdächtig, in gravierender Weise seine Dienstpflichten zum Gehor-
sam gegenüber Vorgesetzten (§ 11 Abs. 1 SG), zum achtungs- und vertrauenswür-
digen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SG) sowie seine Kernpflicht zum akti-
ven Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 8 SG) verletzt
zu haben.
Da die in § 8 SG normierte Pflicht zu den elementarsten soldatischen Pflichten
gehört, ist ihre Verletzung eine der schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten
(Urteile vom 24. Januar 1984 - BVerwG 2 WD 40.83 - , vom
28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - , vom
25. Januar 2000 - BVerwG 2 WD 43.99 - und vom 7. November 2000
- BVerwG 2 WD 18.00 -
NVwZ 2001, 1413 = ZBR 2002, 141>). Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen
ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stets die Entfernung aus
dem Dienstverhältnis (vgl. dazu: Urteile vom 4. September 1980 - BVerwG 2 WD
74.79 -, vom 24. Oktober 1996 - BVerwG 2 WD 22.96 -
NZWehrr 1997, 83>, vom 25. Januar 2000 - BVerwG 2 WD 43.99 - und
vom 7. November 2000 - BVerwG 2 WD 18.00 - ). Nur wenn besondere
- 21 -
Milderungsgründe in der Tat vorliegen, kann ausnahmsweise von der Höchstmaß-
nahme abgesehen werden. Hatte der Soldat - wie vorliegend - zum Tatzeitpunkt
bereits eine Vorgesetztenstellung inne, fällt dies erschwerend ins Gewicht. Je
höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso größer sind auch die An-
forderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwor-
tungsbewusstsein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflicht-
verletzung, die er sich zuschulden kommen lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991
- BVerwG 2 WD 41.90 - und vom
24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD 62.91 -
NVwZ-RR 1993, 91>). Von dem Soldaten hätte auf Grund seiner herausgehobenen
Dienststellung als Vorgesetzter, der in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel
zu geben hat (§ 10 Abs. 1 SG), und des Vertrauens, das er bei seinen Vorgesetzten
genoss, erwartet werden müssen, dass er strikt jeden Eindruck von Sympathie für
das NS-Regime und dessen Symbole, Kennzeichen, Liedgut und Ideologie vermied
und sich davon gegebenenfalls distanzierte. Daran hat er sich nicht gehalten. Da-
durch gab er ein denkbar schlechtes Beispiel. Auch die (mögliche) Ansehensschä-
digung der Bundeswehr wiegt sehr schwer. Denn die Bundeswehr wurde dadurch
- jedenfalls potenziell - dem Vorwurf ausgesetzt, in ihren Reihen werde
NS-Ideologie tradiert und NS-Brauchtum gepflegt.
Milderungsgründe, die von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme ab-
sehen ließen, sind bei der hier gebotenen summarischen Betrachtung nicht er-
sichtlich, zumal der Soldat nach dem bisherigen Sachstand auch einen schweren
Verstoß gegen das Waffengesetz begangen haben dürfte. Milderungsgründe in der
Tat sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann gegeben, wenn
die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonder-
heiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhal-
ten von ihm nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden
konnte (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 41.86 -
278 [281]>, vom 26. März 1996 - BVerwG 2 WD 36.95 - und vom 18. März 1999
- 22 -
- BVerwG 2 WD 30.98 -
NZWehrr 1999, 211 = ZBR 1999, 346 = NVwZ-RR 1999, 768>). Als solche Besonder-
heiten sind unter anderem ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unver-
schuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war,
sowie ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter
Umständen anerkannt worden, die auf eine unbedachte persönlichkeitsfremde
Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten
hindeuten (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 11.86 -
273 [275]> und vom 23. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 40.90 -
[344] = NZWehrr 1991, 79>). Hierfür fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Auch sonstige Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind nicht ersichtlich.
Daher ist es - auch in Ansehung der relativ ordentlichen dienstlichen Leistungen
des Soldaten während seiner bisherigen knapp sechsjährigen Dienstzeit - nicht
ermessensfehlerhaft, wenn die Einleitungsbehörde gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1
WDO angeordnet hat, dass die Hälfte seiner jeweiligen Dienstbezüge einbehalten
werden. Die Entscheidung hält sich in den gesetzlichen Grenzen und ist erkennbar
am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgerichtet. Sie genügt auch dem Ver-
hältnismäßigkeitsgebot, da sie für den Soldaten wirtschaftlich tragbar erscheint
und nicht außer Verhältnis zu dem ihm vorgeworfenen Fehlverhalten steht. Kon-
krete Anhaltspunkte, die eine andere Schlussfolgerung nahe legen könnten, sind
von dem Soldaten weder vorgetragen noch sonst erkennbar geworden.
Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth