Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: grundstück, treu und glauben, kaufpreis, gebäude, persönliche verhältnisse, vorauszahlung, verkehrswert, kaufvertrag, kindergarten, käufer

Rechtsquellen:
BauGB §§ 33, 34, 145 Abs. 2, 154 Abs. 6, 166 Abs. 3, 194
BauNVO § 6
WertV §§ 4, 28
Stichworte:
Vorauszahlungsbescheid; Ausgleichsbetrag; Sanierungsgebiet;
Entwicklungssatzung; städtebaulicher Entwicklungsbereich; Ver-
kehrswert, Entwicklungsstufe; Kaufpreisvereinbarung; Anfangs-
wert; entwicklungsunbeeinflusster Bodenwert; unbeplanter In-
nenbereich; Bebauungszusammenhang; Bestandsschutz; tatsächlich
vorhandene Bebauung; Konversionsfläche; militärisch genutztes
Gelände.
Leitsätze:
1. Eine Vorauszahlung auf den Ausgleichsbetrag nach § 154
BauGB kann bereits verlangt werden, wenn für ein entwicklungs-
konformes Vorhaben, dessen planungsrechtliche Zulässigkeit
zweifelhaft ist, eine baurechtliche Genehmigung erteilt worden
ist.
2. Bei der Ermittlung des Anfangswertes für den Ausgleichsbe-
trag im städtebaulichen Entwicklungsbereich ist im Regelfall
nach den Grundsätzen der WertV zu verfahren; ein Abstellen auf
den gezahlten Kaufpreis ist grundsätzlich unzulässig.
3. Der Käufer eines Grundstücks im Entwicklungsbereich handelt
nicht treuwidrig, wenn er der Gemeinde gegenüber geltend
macht, der Anfangswert sei höher als im Genehmigungsverfahren
nach § 145 BauGB angenommen.
4. Der Wertermittlungsspielraum der Gemeinde erstreckt sich
nicht auf die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der Be-
wertung. Das Verwaltungsgericht muss deshalb bei seiner Über-
prüfung der Wertermittlung insbesondere die bauplanungsrecht-
liche Einordnung des Grundstücks klären.
5. Auch ein Gebäude, das wegen der Aufgabe der militärischen
Nutzung seinen Bestandsschutz verloren hat, kann für die Beur-
teilung, ob ein Grundstück zum unbeplanten Innenbereich ge-
hört, berücksichtigt werden müssen.
Urteil des 4. Senats vom 17. Mai 2002 - BVerwG 4 C 6.01
I. VG Sigmaringen vom 10.12.1998 - Az.: VG 8 K 1498/96 -
II. VGH Baden-Württemberg vom 15.03.2000 - Az.: VGH 8 S 1810/99 -
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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 C 6.01
Verkündet
VGH 8 S 1810/99
am 17. Mai 2002
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 3 -
- 4 -
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P a e t o w sowie die Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Prof. Dr. Dr. B e r k e m a n n ,
Dr. L e m m e l , Prof. Dr. R o j a h n und
Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 15. März 2000 wird geändert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom
10. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs-
und des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Das klagende Land wendet sich gegen einen Bescheid der beklag-
ten Stadt, durch den es zu einer Vorauszahlung von Ausgleichs-
beträgen im städtebaulichen Entwicklungsbereich in Höhe von
717 552 DM herangezogen worden ist.
Am 16. November 1992 beschloss der Gemeinderat der Beklagten
den städtebaulichen Entwicklungsbereich "Stuttgarter Straße/
Französisches Viertel" als Satzung. Die Satzung war Gegenstand
eines Normenkontrollverfahrens; Satzungsmängel wurden nicht
festgestellt (Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 12. September 1994 - 8 S 3002/93 - VBlBW 1995,
397 - BRS 57 Nr. 287). Der insgesamt über 60 ha große Entwick-
lungsbereich umfasst zum überwiegenden Teil in der Südstadt
gelegene Flächen, die von den ehemaligen französischen Streit-
kräften in Deutschland als Kasernengelände genutzt worden wa-
- 5 -
ren. Das klagende Land ist Eigentümer eines 3 322 qm großen
Grundstücks im Entwicklungsbereich. Auf dem Grundstück befin-
det sich ein Gebäude, in dem die Militärverwaltung und der
Kindergarten der französischen Militärangehörigen unterge-
bracht waren.
Bereits im Jahre 1993 zeigte das Land Interesse am Erwerb des
Grundstücks. Von Mai 1994 an sanierte es den Gebäudekomplex
und stellte ihn für die Staatliche Hochbauverwaltung und für
die Unterbringung eines Kindergartens zur Verfügung. Die Be-
klagte erteilte hierzu die bauaufsichtliche Zustimmung nach
§ 69 in Verbindung mit § 59 LBO BW und die sanierungsrechtli-
che Genehmigung nach § 145 BauGB. Mit notariellem Kaufvertrag
vom 23. Mai 1995 erwarb das Land sodann das Grundstück von der
Bundesrepublik Deutschland zu einem vorläufigen Preis von
2 Millionen DM. Davon entfielen 1 503 600 DM auf den Gebäude-
wert. Der endgültige Kaufpreis sollte nach Vorliegen des Ver-
änderungsnachweises unter Zugrundelegung eines Quadratmeter-
preises von 150 DM errechnet werden. In einem privatschriftli-
chen Kaufvertrag, der als Anlage zum notariellen Vertrag ge-
nommen wurde, heißt es, das Grundstück werde zum entwicklungs-
unbeeinflussten Wert veräußert; der Veräußerer könne daher
nicht mit Wertsteigerungsbeträgen im Rahmen der Entwicklungs-
maßnahme belastet werden. Der Kaufvertrag wurde am 21. Sep-
tember 1995 von der Beklagten gemäß § 145 BauGB genehmigt.
Wegen dieser Genehmigung hatte die Oberfinanzdirektion St. zu-
vor des längeren mit der Beklagten über die Höhe des entwick-
lungsunbeeinflussten Bodenwerts des Grundstücks verhandelt.
Der Gutachterausschuss der Beklagten hatte am 15. Juli 1993
und am 9. Dezember 1994 je ein Gutachten erstellt. In dem Gut-
achten vom 15. Juli 1993 wurde dieser Bodenwert auf 40 DM/qm
geschätzt. Im zweiten Gutachten ging der Gutachterausschuss
von einer "Grenzfallsituation" bezüglich der Beurteilung nach
§ 34 oder § 35 BauGB aus; es sei deshalb eine Qualität zumin-
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dest als Bauerwartungsland zu unterstellen; für bebaute bzw.
der Bebauung zuzuordnende Flächen werde der entwicklungsunbe-
einflusste Bodenwert auf 160 DM/qm, für unbebaute Flächen auf
40 DM/qm geschätzt. Der vorläufige Neuordnungswert wurde für
das streitige Grundstück als einem Mischgebiet mit hoher Aus-
nutzung auf 430 DM/qm geschätzt.
Mit Schreiben vom 28. November 1995 forderte die Beklagte das
Land zur Zahlung einer Vorauszahlung von Ausgleichsbeträgen
auf. Dabei ging sie auf der Grundlage des Gutachtens des Gut-
achterausschusses von einem Eingangswert in Höhe von 160 DM/qm
und von einem Neuordnungswert von 430 DM/qm aus; von dem vor-
läufig auf 270 DM/qm festgesetzten Ausgleichsbetrag wurden
80 v.H., somit 717 552 DM, als Vorausleistung erhoben.
Das Land legte Widerspruch ein; es wandte sich vor allem gegen
die Höhe des Abschöpfungsbetrages. Nach Zurückweisung des Wi-
derspruchs hat das Land Klage erhoben. Mit Urteil vom
10. Dezember 1998 hat das Verwaltungsgericht der Klage statt-
gegeben und den Vorauszahlungsbescheid aufgehoben. Zur Begrün-
dung führte es aus, der voraussichtliche Ausgleichsbetrag sei
zu hoch angenommen worden; denn das streitige Grundstück liege
im Innenbereich, so dass das klagende Land einen gesicherten
Anspruch auf die Genehmigung einer dauerhaften zivilen An-
schlussnutzung nach Maßgabe der näheren Umgebung gehabt habe.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das
Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewie-
sen. Nach seiner Rechtsauffassung hat die Beklagte den Voraus-
zahlungsbescheid erlassen dürfen, weil das Land das ehemalige
Militärgebäude im Einklang mit der Entwicklungssatzung nutze.
Auch die Höhe des festgesetzten Betrages sei nicht zu bean-
standen. Die Höhe des Vorausleistungsbetrages dürfe den vo-
raussichtlich erhebbaren Ausgleichsbetrag nicht überschreiten.
Die Höhe des Ausgleichsbetrages bemesse sich nach dem Unter-
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schied zwischen dem entwicklungsunbeeinflussten Bodenwert (An-
fangswert) und dem sich durch die rechtliche und tatsächliche
Neuordnung des Gebiets ergebenden Neuordnungswert (Endwert).
Der im Regelfall gebotenen Bodenwertermittlung anhand von Ver-
gleichswerten bedürfe es hier nicht, weil sich der entwick-
lungsunbeeinflusste Verkehrswert aufgrund der Veräußerung des
Grundstücks nach dem Kaufpreis bestimmen lasse. Es stelle auch
einen Rechtsmissbrauch dar, wenn sich das klagende Land auf
den Standpunkt stelle, der Anfangswert sei von der Beklagten
fehlerhaft ermittelt worden. Denn der Käufer eines Grundstücks
handele treuwidrig, wenn er zur Erlangung der entwicklungs-
rechtlichen Genehmigung eine Wertermittlung entsprechend dem
Kaufpreis akzeptiere, nach Eigentumseintragung diesen Anfangs-
wert aber für zu niedrig erkläre und mit dieser Begründung die
Leistung von Vorauszahlungen verweigere. Im Übrigen sei aber
auch das Gutachten des Gutachterausschusses nicht zu beanstan-
den. Die Einordnung so genannter Konversionsflächen sei recht-
lich äußerst problematisch. Die Gutachter hätten das Grund-
stück des Klägers als "Grenzfallsituation" zwischen den §§ 34
und 35 BauGB eingestuft; diese Einschätzung bewege sich noch
im Rahmen des so genannten Wertermittlungsspielraums und sei
verwaltungsgerichtlich nicht zu beanstanden. Das Gleiche gelte
für den von der Beklagten angenommenen Endwert, bei dem der
Gutachterausschuss von einem Mischgebiet mit hoher Ausnutzung
ausgegangen sei.
Mit der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision
rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Beklag-
te verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Revision
entgegen.
- 8 -
II.
Die Revision des klagenden Landes ist begründet. Der streitige
Bescheid über die Vorauszahlung von Ausgleichsbeträgen im
städtebaulichen Entwicklungsbereich ist rechtswidrig und ver-
letzt den Kläger in seinen Rechten. Zu Recht hat deshalb das
Verwaltungsgericht den Vorauszahlungsbescheid und den ihn bes-
tätigenden Widerspruchsbescheid der Beklagten aufgehoben. Die
gegenteilige Entscheidung des Berufungsgerichts ist zu ändern;
die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen,
dass die beklagte Stadt grundsätzlich berechtigt war, gegen-
über dem klagenden Land einen Vorauszahlungsbescheid zu erlas-
sen.
Rechtsgrundlage für den Vorausleistungsbescheid ist § 166
Abs. 3 Satz 4 und 5 BauGB (Satz 5 in der Fassung des BauGB
1987, ebenso jetzt § 169 Abs. 1 Nr. 7 BauGB in der Fassung des
BauROG 1998) in Verbindung mit § 154 Abs. 6 BauGB. Danach kann
die Gemeinde Vorauszahlungen auf den Ausgleichsbetrag verlan-
gen, sobald eine den Zielen und Zwecken der Entwicklungsmaß-
nahme entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig
ist. Voraussetzung für die Erhebung von Vorauszahlungen ist
also, dass die Entwicklungsmaßnahme bereits zu Verbesserungen
geführt hat und dass der Grundeigentümer die wirtschaftlichen
Vorteile der neuen Entwicklung auch tatsächlich nutzen kann
(vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl.
2002, § 154 Rn 26).
In tatsächlicher Hinsicht waren im Zeitpunkt des Erlasses des
Vorauszahlungsbescheids Vorteile für die Eigentümer der
Grundstücke im Entwicklungsbereich entstanden. Das Berufungs-
gericht stellt fest, dass die Beklagte bereits verschiedene
Entwicklungsmaßnahmen (z.B. Erwerb der Verkehrsflächen im Are-
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al und Widmung für den öffentlichen Verkehr sowie eine Viel-
zahl von Infrastrukturmaßnahmen) vorgenommen hat. Das genügt.
Die rechtliche Zulässigkeit einer entwicklungsmaßnahmekonfor-
men Bebauung oder sonstigen Nutzung ist gegeben, wenn auf dem
Grundstück Vorhaben sanierungsrechtlich nach § 145 Abs. 2 in
Verbindung mit § 169 Abs. 1 Nr. 1 a.F. (jetzt Nr. 3) BauGB und
bauplanungsrechtlich nach den §§ 30 bis 37 BauGB zulässig
sind.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Ziele der Entwick-
lungsmaßnahme in einem Rahmenplan festgelegt. Danach ist für
das Grundstück des Klägers ein Mischgebiet mit hoher Ausnut-
zungszahl vorgesehen. Dementsprechend war eine Beurteilung des
Vorhabens im Hinblick auf § 145 Abs. 2 BauGB möglich. Da in
einem Mischgebiet Anlagen für Verwaltungen und Kindergärten
zulässig sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO), hat die Beklagte zu
Recht die sanierungsrechtliche Genehmigung für eine solche
Nutzung des vorhandenen Gebäudes erteilt.
Dagegen ist fraglich, ob auch die planungsrechtlichen Voraus-
setzungen für eine bauliche Nutzung des streitigen Grundstücks
gegeben waren. Ein Bebauungsplan existiert noch nicht. Und
nach § 34 BauGB konnte das Vorhaben zumindest aus der Sicht
der Beklagten nicht zugelassen werden, weil das Grundstück
nach ihrer Rechtsauffassung nicht im unbeplanten Innenbereich
liegt. Die Beklagte trägt vor, die Baugenehmigung (in der Form
einer Zustimmung nach § 69 in Verbindung mit § 59 Abs. 1 LBO
BW) sei dem staatlichen Hochbauamt auf der Grundlage von § 33
BauGB erteilt worden. Nicht erkennbar ist jedoch, ob die Vo-
raussetzungen für eine Genehmigung auf dieser Rechtsgrundlage
gegeben waren. Das Vorbringen der Beklagten, es liege ein qua-
lifizierter Aufstellungsbeschluss vor, nach dem das Grundstück
des Klägers als Mischgebiet mit einer GRZ von 0,6 und einer
GFZ von 1,6 festgesetzt werden solle, ist insoweit unsubstan-
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tiiert und kann die Zweifel am Vorliegen der materiellen Plan-
reife im Sinne von § 33 BauGB nicht ausräumen.
Dem braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden. Denn
selbst wenn die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für ei-
ne bauliche Nutzung des Grundstücks entsprechend den Aussagen
des Rahmenplans für den Entwicklungsbereich noch nicht gegeben
wären, so stünde doch jedenfalls fest, dass das Grundstück in
dem genehmigten Umfang für Zwecke der Verwaltung und als Kin-
dergarten genutzt werden darf, weil für diese Nutzung eine
baurechtliche Genehmigung erteilt worden ist. Für die Erhebung
von Vorauszahlungen reicht dies aus; denn auch die Zulässig-
keit einer die künftigen Planfestsetzungen möglicherweise noch
nicht erschöpfenden baulichen Nutzung stellt einen für die An-
wendung des § 154 Abs. 6 BauGB vorausgesetzten Vorteil dar,
wenn sie - wie im vorliegenden Fall - im Einklang mit den Zie-
len und Zwecken der Entwicklungsmaßnahme steht.
2. Nicht zu folgen ist jedoch den Ausführungen des Berufungs-
gerichts, mit denen es begründet, dass der streitige Voraus-
zahlungsbescheid auch wegen seiner Höhe nicht zu beanstanden
sei.
Die Höhe der Vorauszahlung hat sich an der voraussichtlichen
Höhe des Ausgleichsbetrages zu orientieren. Ausgleichsbeträge
erhebt die Gemeinde nach Abschluss der Entwicklungsmaßnahme,
wenn sie von der für den Regelfall in § 166 Abs. 3 Satz 1
BauGB vorgesehenen Möglichkeit abgesehen hat, die Grundstücke
im städtebaulichen Entwicklungsbereich zu erwerben. Die Höhe
des Ausgleichsbetrages entspricht der durch die Entwicklungs-
maßnahme bedingten Erhöhung des Bodenwertes (§ 166 Abs. 3
Satz 4 BauGB). Diese ergibt sich gemäß § 154 Abs. 2, § 166
Abs. 3 Satz 5 a.F. (jetzt: § 169 Abs. 1 Nr. 7) BauGB aus dem
Unterschied zwischen dem Bodenwert, der bestünde, wenn eine
Entwicklungsmaßnahme weder beabsichtigt noch durchgeführt wor-
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den wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das
Grundstück aus der Durchführung der Entwicklungsmaßnahme er-
gibt (Endwert). Es kommt also maßgeblich auf die Differenz
zwischen dem Anfangswert und dem Endwert an; insoweit ist dem
rechtlichen Ansatz des Berufungsurteils zu folgen. Zutreffend
ist ferner, dass vor Abschluss der Entwicklungsmaßnahme nur
die Höhe des Anfangswertes feststeht, während der Endwert al-
lenfalls prognostiziert werden kann; daraus kann sich die Not-
wendigkeit ergeben, die Vorauszahlung gegenüber dem endgülti-
gen Ausgleichbetrag vorsorglich zu reduzieren. Eine Reduzie-
rung kann schließlich auch dann geboten sein, wenn der Grund-
eigentümer nach dem Stand der Durchführung der Entwicklungs-
maßnahme deren Vorteile erst teilweise in Anspruch nehmen
kann.
Wie der Ausgleichsbetrag und insbesondere die für ihn maßgeb-
lichen Anfangs- und Endwerte zu ermitteln sind, ist für die
Gutachterausschüsse in § 28 WertV geregelt. Gemäß § 28 Abs. 3
Satz 1 WertV ist der Wert des Bodens ohne Bebauung durch Ver-
gleich mit dem Wert vergleichbarer unbebauter Grundstücke zu
ermitteln; die für Sanierungsgebiete geltenden §§ 26 f. WertV
sind entsprechend anzuwenden.
a. Das Berufungsgericht hat gemeint, es bedürfe im vorliegen-
den Verfahren gleichwohl für den Anfangswert keiner Werter-
mittlung nach dem Vergleichswertverfahren. Vielmehr könne auf
den Quadratmeterpreis von 150 DM zurückgegriffen werden, der
in dem Kaufvertrag des Bundes mit dem klagenden Land als ent-
wicklungsunbeeinflusster Wert angegeben worden sei. Ver-
gleichspreise brauchten nämlich dann nicht herangezogen zu
werden, wenn das konkrete Grundstück veräußert worden sei und
keine außergewöhnlichen oder besonderen Verhältnisse im Sinne
des § 6 WertV vorlägen, die zu einer Beeinflussung des Kauf-
preises geführt hätten.
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Diese Rechtsauffassung ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
Bei der Ermittlung des Anfangswerts (und ebenso beim Endwert)
ist zumindest im Regelfall nach den Grundsätzen der WertV zu
verfahren. Zwar richtet sich die WertV an die nach den
§§ 192 ff. BauGB gebildeten Gutachterausschüsse; ihr kommt
keine unmittelbare Bindungswirkung für andere Sachverständige
oder gar für die Gerichte zu (vgl. Kleiber, in: Bielenberg/
Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, D 2 WertV
Vorbem. Rn. 14, m.w.N.). Zur Ermittlung des Anfangswertes (und
des Endwertes) schreibt die WertV auch keine bestimmte Methode
vor; nach § 15 Abs. 2 WertV ist der Bodenwert nur in der Regel
im Vergleichswertverfahren zu ermitteln. Ferner ist die WertV
hinsichtlich ihrer Methoden nicht abschließend; wenn eine in
ihr vorgesehene Methode nicht angewandt werden kann, so darf
nach einer anderen geeigneten Methode gesucht werden (BVerwG,
Beschluss vom 16. Januar 1996 - BVerwG 4 B 69.95 - ZfBR 1996,
227). Die allgemein anerkannten Grundsätze der WertV müssen
jedoch bei jeder Wertermittlung beachtet werden (so auch BGH,
Urteil vom 12. Januar 2001 - V ZR 420/99 - NJW-RR 2001, 732).
Zu ihnen gehört der in § 28 Abs. 3 Satz 1 WertV enthaltene,
auf die Grundaussagen der §§ 194 bis 196 BauGB zurückgehende
Grundsatz, dass der Anfangs- und Endwert durch Vergleich mit
dem Wert vergleichbarer unbebauter Grundstücke zu ermitteln
ist. Danach erscheint es regelmäßig als zumindest bedenklich,
ohne weiteres auf einen vereinbarten Kaufpreis abzustellen,
statt eine Wertermittlung durchzuführen.
Aber selbst wenn ein Rückgriff auf eine Kaufpreisvereinbarung
grundsätzlich zulässig sein sollte, so ist dies bei der Erhe-
bung von Ausgleichsbeträgen für den Anfangswert im Regelfall
nicht möglich, weil die Kaufpreise bei Verkäufen im Sanie-
rungsgebiet und im Entwicklungsbereich typischerweise unter
besonderen Verhältnissen zustande kommen: Während ein frei
ausgehandelter Kaufpreis im Zweifel auch der "ohne Rücksicht
auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse" erzielbare
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(vgl. § 194 BauGB) Marktpreis und damit der Verkehrswert sein
mag, besteht bei Verkäufen im Sanierungsgebiet und im Entwick-
lungsbereich wegen der Genehmigungspflicht nach § 144 Abs. 2
Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 145 Abs. 2 und § 153 Abs. 2
BauGB immer die Gefahr, dass die Höhe des Kaufpreises von ei-
nem Dritten, nämlich der Gemeinde, beeinflusst wird. Im vor-
liegenden Fall hat die beklagte Gemeinde dem Bund als dem frü-
heren Eigentümer des Grundstücks frühzeitig klargemacht, dass
er mit einer Genehmigung des Kaufvertrages zu dem von ihm ur-
sprünglich für zutreffend angesehenen Preis von 400 DM/qm un-
ter keinen Umständen rechnen könne, nachdem das erste Gutach-
ten vom 15. Juli 1993 auf der Grundlage der Einschätzung der
Beklagten, das Grundstück liege im Außenbereich, nur einen
Wert von 40 DM/qm angenommen hatte. Erst daraufhin haben der
Bund und das beklagte Land einen Kaufpreis von 150 DM/qm ver-
einbart. Er beruht auf einem Kompromiss, den der Verkäufer mit
der Gemeinde geschlossen hat, damit der Vertrag von ihr geneh-
migt würde, und ist nicht etwa das Ergebnis unbeeinflusster
Verhandlungen der Parteien des Kaufvertrages.
Dass der vereinbarte Bodenwert mit dem entwicklungsunbeein-
flussten Verkehrswert identisch sein muss, lässt sich entgegen
der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auch nicht aus § 63
Abs. 3 BHO herleiten. Das in ihm enthaltene Gebot, Vermögens-
gegenstände regelmäßig nur zum vollen Wert zu veräußern, ist
nicht verletzt, wenn ein Grundstück im Entwicklungsbereich
tatsächlich zum entwicklungsunbeeinflussten Wert verkauft
wird. Davon ist der Bund als Verkäufer des Grundstücks ausge-
gangen. Ob aber der vereinbarte Bodenwert mit dem entwick-
lungsunbeeinflussten Wert übereinstimmt, ist gerade fraglich.
Wenn der Wert fehlerhaft ermittelt worden ist, so kann dieser
Fehler gleichzeitig auch zu einem Verstoß gegen § 63 Abs. 3
BHO führen. Dass eine Wertermittlung richtig ist, lässt sich
jedenfalls nicht dadurch belegen, dass eine Veräußerung von
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Grundstücken durch den Bund gemäß § 64 Abs. 3 BHO nur auf der
Grundlage einer - zutreffenden - Wertermittlung zulässig wäre.
b. Auf eine Prüfung, ob der Anfangswert von der Beklagten zu-
treffend ermittelt worden ist, durfte das Berufungsgericht
auch nicht mit der Begründung verzichten, das klagende Land
handle rechtsmissbräuchlich, wenn es sich im vorliegenden Ver-
fahren auf die Fehlerhaftigkeit des dem Vorauszahlungsbescheid
zugrunde liegenden Anfangswerts berufe, nachdem es im Kaufver-
trag einen Quadratmeterpreis von 150 DM als entwicklungsunbe-
einflussten Wert anerkannt habe.
Denn einerseits handelt das klagende Land nicht treuwidrig,
wenn es gegenüber der Zahlungsaufforderung der beklagten Ge-
meinde geltend macht, der Anfangswert sei höher als im Geneh-
migungsverfahren nach § 145 BauGB angenommen. Als Käufer des
Grundstücks war es nämlich innerhalb des Genehmigungsverfah-
rens nicht in der Lage, einen Vertrauenstatbestand gegenüber
der Beklagten zu schaffen. Die Preisprüfung durch die Gemeinde
nach § 145, § 153 Abs. 2 BauGB soll verhindern, dass höhere
Preise als der "entwicklungsunbeeinflusste" Verkehrswert ge-
zahlt werden. An niedrigen Preisen ist aber auch ein Käufer
interessiert. Es kann nicht von ihm verlangt werden, dass er
sich für einen höheren Preis stark macht, auch wenn er meint,
dass das Grundstück einen höheren Wert besitzt. Das gilt im
hier zu entscheidenden Fall umso mehr, als die Beklagte er-
kennbar nicht bereit gewesen wäre, bei einem höheren Kaufpreis
den Vertrag zu genehmigen. An dem geprüften und genehmigten
Kaufpreis muss sich also lediglich der Verkäufer festhalten
lassen; er kann nicht gegenüber dem Käufer oder einem Dritten
geltend machen, dass der Verkehrswert eigentlich höher sei.
Im vorliegenden Fall hat das klagende Land zwar der Formulie-
rung im Kaufvertrag zugestimmt, dass das Grundstück zum ent-
wicklungsunbeeinflussten Wert veräußert werde. Diese Erklärung
- 15 -
war aber nicht an die Beklagte gerichtet. Aus dem folgenden
Satz: "Der Veräußerer kann daher nicht mit Wertsteigerungsbe-
trägen im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme belastet werden" er-
gibt sich vielmehr, dass es allein um den Schutz des Verkäu-
fers, also um die Freistellung des Bundes von möglichen An-
sprüchen der beklagten Gemeinde, ging. Treu und Glauben können
hier allenfalls im Verhältnis zu dem - am vorliegenden Verfah-
ren unbeteiligten - Bund als Verkäufer berührt sein. Darauf
kommt es hier nicht an.
Zum andern wäre ein Rechtsmissbrauch des klagenden Landes un-
erheblich. Die beklagte Gemeinde kann nämlich nicht verlangen,
dass ein (unterstellt:) als rechtswidrig erkannter Zustand
fortgesetzt wird. Eine Behörde genießt gegenüber einer anderen
Behörde keinen Vertrauensschutz. Vielmehr ist sie an den
Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden; dieser
Grundsatz hat Vorrang vor einem möglicherweise bestehenden
Vertrauensschutz (stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 29. Mai
1980 - BVerwG 5 C 11.78 - BVerwGE 60, 208 <211>; Beschluss vom
29. April 1999 - BVerwG 8 B 87.99 - VwRR BY 1999, 290).
c. Das Berufungsgericht meint schließlich, im Übrigen sei auch
die Ermittlung des Anfangswertes durch den Gutachterausschuss
nicht zu beanstanden. Die Einordnung so genannter Konversions-
flächen sei rechtlich äußerst problematisch. Es sei daher ver-
ständlich, wenn das streitige Grundstück den Kategorien des
§ 4 WertV nicht eindeutig zugeordnet werde. Die Einschätzung
als "Grenzfallsituation" zwischen § 34 und § 35 BauGB bewege
sich noch im Rahmen des so genannten Wertermittlungsspiel-
raums.
Auch diese Ausführungen sind so mit Bundesrecht nicht verein-
bar. Ob das streitige Grundstück vor Einleitung der Entwick-
lungsmaßnahme im Innen- oder im Außenbereich lag, durfte das
Berufungsgericht nicht offen lassen. Denn diese Frage gehört
- 16 -
nicht zum - nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle zu-
gänglichen - Wertermittlungsspielraum. Wenn nach allgemeiner
Auffassung bei der Bewertung von Grundstücksflächen ein Wert-
ermittlungsspielraum anzuerkennen ist, so beruht dies darauf,
dass die eigentliche Bewertung immer nur eine Schätzung dar-
stellen kann und Erfahrung und Sachkunde voraussetzt, über die
ein insoweit nicht sachkundiges Gericht weniger verfügt als
die Mitglieder der Gutachterausschüsse. Ein derartiger Werter-
mittlungsspielraum ist jedoch auf diesen Bereich beschränkt.
Er erstreckt sich nicht auf die rechtlichen und tatsächlichen
Grundlagen der Bewertung. Ob eine Bewertung auf zutreffenden
Voraussetzungen beruht, dürfen die Verwaltungsgerichte in vol-
lem Umfang prüfen; sie müssen es sogar, wenn die Beteiligten
darüber streiten.
Zu dem uneingeschränkt überprüfbaren rechtlichen Ansatz der
Wertermittlung gehört auch die Frage, wie ein Grundstück bau-
planungsrechtlich zu qualifizieren ist. Nach § 194 BauGB wird
der für den Verkehrswert maßgebliche Preis unter anderem nach
den rechtlichen Gegebenheiten des Grundstücks bestimmt. Von
besonderer Bedeutung sind dabei die Vorschriften des Baupla-
nungsrechts. Davon geht auch die erst 1988 in die WertV aufge-
nommene Vorschrift des § 4 WertV aus. Sie unterscheidet unter
Bezugnahme auf das Bauplanungsrecht vier Entwicklungsstufen,
die für die Grundstücksbewertung im Regelfall von erheblicher
Bedeutung sind. Mit dieser Novellierung der WertV sollten für
die Wertermittlung von Grundstücken bundeseinheitliche Beg-
riffsbestimmungen für die Kategorisierung des Grund und Bodens
vorgegeben und damit zugleich eine größere Objektivierbarkeit
und Rechtssicherheit bewirkt werden (vgl. Kleiber, in: Klei-
ber/Simon/Weyers, Verkehrswertermittlung von Grundstücken,
1991, Vorbem. zur WertV Rn. 239). Von dieser Zielsetzung her
muss bei der gerichtlichen Überprüfung einer Wertermittlung
geklärt werden, wie das zu bewertende Grundstück planungs-
rechtlich einzuordnen ist. Das Berufungsgericht hat die bau-
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planungsrechtliche Qualität des streitigen Grundstücks nicht
geprüft, sondern sich damit begnügt, seine Einstufung als
"Grenzfallsituation" zwischen den §§ 34 und 35 BauGB zu billi-
gen. Das reicht nicht aus.
d. Somit bleibt offen, ob die Beklagte von einem zutreffenden
Anfangswert ausgegangen ist. Dieser Mangel schlägt auf die
rechtliche Beurteilung des gesamten Vorauszahlungsbescheides
durch das Berufungsgericht durch. Denn in seiner Höhe orien-
tiert er sich an der voraussichtlichen Höhe des Ausgleichbe-
trags, die sich ihrerseits aus der Differenz zwischen dem An-
fangs- und dem Endwert ergibt. Es lässt sich mithin auch nicht
feststellen, ob der voraussichtliche Ausgleichsbetrag und der
auf ihm beruhende Vorauszahlungsbescheid zutreffend ermittelt
worden sind.
3. Die Gründe des Berufungsurteils ergeben auch nicht, dass
die Entscheidung aus anderen Gründen richtig ist. Die tatsäch-
lichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lassen viel-
mehr die Beurteilung durch den erkennenden Senat zu, dass der
Vorauszahlungsbescheid in seiner Höhe rechtsfehlerhaft ist.
Seiner Berechnung liegt ein zu geringer Anfangswert zugrunde.
Denn schon vor Einleitung der städtebaulichen Entwicklungsmaß-
nahme handelte es sich bei dem später vom Kläger erworbenen
Grundstück nicht (nur) um Bauerwartungsland in einer Grenz-
fallsituation zwischen den §§ 34 und 35 BauGB. Vielmehr
spricht alles dafür, dass es schon im Zeitpunkt der Aufgabe
der militärischen Nutzung als baureifes Land im Sinne von § 4
Abs. 4 WertV zu qualifizieren war, weil es bereits damals nach
§ 34 BauGB baulich nutzbar gewesen sein dürfte. Soweit an die-
ser Beurteilung in tatsächlicher Hinsicht letzte Zweifel be-
stehen mögen, bedarf es einer Zurückverweisung an das Beru-
fungsgericht nicht. Denn auch in diesem Fall wäre die Beklagte
mit der Zugrundelegung eines Anfangswertes von (nur) 160 DM/qm
von einem unzutreffenden Entwicklungsstand und damit von einem
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zu geringen Anfangswert ausgegangen. Weder aus dem Vorbringen
der Beklagten noch aus dem übrigen Akteninhalt sind nämlich
irgendwelche Hindernisse für eine zivile Nutzung des Gebäudes
auf dem streitigen Grundstück erkennbar, die sich - sollte das
Entwicklungsstadium des § 4 Abs. 4 WertV noch nicht erreicht
gewesen sein - nicht binnen kürzester Zeit hätten ausräumen
lassen.
Nach § 34 BauGB ist ein Grundstück zu beurteilen, wenn es Teil
eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ist. Das Grundstück
des Klägers gehört zum städtebaulichen Entwicklungsbereich
"Stuttgarter Straße/Französisches Viertel" der Beklagten, der
innerhalb der Südstadt liegt. Zu diesem Ortsteil würde es ge-
hören, wenn es Bestandteil seines Bebauungszusammenhangs wäre.
Diese Möglichkeit ist nicht schon deshalb von vornherein aus-
zuschließen, weil der bisher militärisch genutzte Bereich, der
im Wesentlichen mit dem Entwicklungsbereich identisch ist,
insgesamt 60 ha groß ist. Denn es ist möglich, dass einzelne
Flächen innerhalb eines Entwicklungsbereichs durch die umge-
bende und die auf ihnen selbst vorhandene Bebauung geprägt
sind und deshalb zum Innenbereich gehören, während andere
Grundstücke zum "Außenbereich im Innenbereich" gehören können.
Maßgeblich ist, ob das Grundstück zu einer tatsächlich aufein-
ander folgenden Bebauung gehört, die trotz möglicher Baulücken
den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermit-
telt (BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 -
BVerwGE 31, 20 <21>, stRspr). Im vorliegenden Fall streiten
die Beteiligten, ob das Grundstück des Klägers zum unbeplanten
Innenbereich gehören würde, wenn es selbst (und die Kasernen-
grundstücke in der Nachbarschaft) als unbebaut anzusehen wäre,
nachdem die frühere militärische Nutzung endgültig aufgegeben
worden ist. Diese Frage ließe sich nur auf der Grundlage einer
Ortsbesichtigung klären, die die Vorinstanzen nicht durchge-
führt haben. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Zu Gunsten
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der beklagten Stadt kann unterstellt werden, dass das Grund-
stück des Klägers trotz seiner Lage am Rande des Entwicklungs-
bereichs durch die umgebende zivile Bebauung allein nicht als
Baugrundstück geprägt wird. Denn bei der planungsrechtlichen
Beurteilung ist zumindest auch das auf dem Grundstück des Klä-
gers vorhandene Gebäude zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung
dieser Bebauung hätte jedoch offenbar selbst die Beklagte kei-
ne Bedenken, § 34 BauGB anzuwenden.
Die Beklagte begründet ihre Rechtsauffassung, das streitige
Grundstück müsse wie ein unbebautes Grundstück gewertet wer-
den, mit der Überlegung, dass mit der Aufgabe der militäri-
schen Nutzung des Kasernengeländes der Bestandsschutz für das
früher für die Militärverwaltung und als Kindergarten für die
Angehörigen des französischen Militärs genutzte Gebäude ent-
fallen sei. Daran ist richtig, dass mit der endgültigen Aufga-
be der militärischen Nutzung auch der Bestandsschutz für die
errichteten militärischen Anlagen einschließlich des Verwal-
tungsgebäudes mit Kindergarten entfallen ist (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 21. November 2000 - BVerwG 4 B 36.00 - ZfBR 2001,
200). Damit wurden übrigens auch die alten Pläne aus der Vor-
kriegszeit, die eine militärische Nutzung vorsahen, funktions-
los, sofern sie noch als übergeleitete Bauleitpläne wirksam
gewesen sein sollten. Auf einem Rechtsirrtum beruht jedoch die
Auffassung, der Wegfall des Schutzes der früher einmal erteil-
ten baurechtlichen Genehmigungen führe zwangsläufig dazu, dass
bebaute Flächen für ihre planungsrechtliche Beurteilung wie
unbebaute Grundstücke zu behandeln seien. Denn nach allgemei-
ner Auffassung können auch ungenehmigte Gebäude für die Beur-
teilung, ob ein Grundstück zu einem Bebauungszusammenhang im
Sinne von § 34 BauGB gehört, von Bedeutung sein, nämlich wenn
sie in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran
lässt, dass sich die zuständige Behörde mit ihrem Vorhanden-
sein abgefunden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968
- BVerwG 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22 <26>). Selbst von abgeris-
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senen Gebäuden können noch prägende Wirkungen ausgehen
(BVerwG, Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 15.84 -
BVerwGE 75, 34 <38>). Für die Anwendung des § 34 BauGB kommt
es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, unabhängig von
der Frage, ob sie Bestandsschutz genießt oder nicht (BVerwG,
Beschluss vom 24. Mai 1988 - BVerwG 4 CB 12.88 - BRS 48
Nr. 137). Im vorliegenden Fall hat niemand - auch die Beklagte
als Bauaufsichtsbehörde nicht - jemals daran gedacht, das Ge-
bäude auf dem streitigen Grundstück zu beseitigen. Das Gebäude
hat auch nicht etwa deshalb unberücksichtigt zu bleiben, weil
es, wie die Beklagte geltend macht, nach der Aufgabe seiner
Nutzung keinen Maßstab für die Frage bietet, ob sich eine be-
stimmte Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
Denn dieser Maßstab lässt sich einerseits aus der übrigen (zi-
vilen) Bebauung in der Nachbarschaft gewinnen. Zum andern
lässt er sich auch aus der objektiven Beschaffenheit des Ge-
bäudes auf dem Grundstück des Klägers ableiten. Das Gebäude
könnte so, wie es gebaut ist, ohne weiteres als ziviles Büro-
gebäude oder auch als ziviler Kindergarten genutzt werden. Für
eine Beurteilung der gemäß § 34 BauGB zulässigen Nutzungsarten
ist also eine ausreichende Tatsachengrundlage vorhanden.
Nicht geklärt ist, ob das Grundstück für eine zivile Nutzung
ausreichend erschlossen war; dies wäre die weitere Vorausset-
zung für die Annahme, dass das Grundstück bereits die Entwick-
lungsstufe des § 4 Abs. 4 WertV erreicht hatte. Die Frage
stellt sich deshalb, weil die Beklagte vorträgt, sie habe erst
im Rahmen der Entwicklungsmaßnahme die Erschließung über nicht
im Eigentum des Klägers stehende Flächen gewährleistet. Die
Frage nötigt jedoch nicht zu einer Zurückverweisung an das Be-
rufungsgericht. Denn wegen der jahrzehntelangen militärischen
Nutzung bestehen keine Zweifel, dass das Grundstück in tat-
sächlicher Hinsicht erschlossen war. Erschließungsprobleme
konnten sich deshalb im Wesentlichen nur aus der Veränderung
der Eigentumsverhältnisse ergeben. Soweit diese überhaupt be-
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achtlich sein sollten, waren sie jedenfalls - wie auch die
tatsächliche Entwicklung zeigt - leicht und ohne Zeitverlust
ausräumbar. Sie würden deshalb nur geringe Abschläge gegenüber
dem Bodenwert vergleichbarer Grundstücke der Entwicklungsstufe
des § 4 Abs. 4 WertV (baureifes Land) rechtfertigen können.
Die Beklagte hat auf der Grundlage der Gutachten ihres Gutach-
terausschusses angenommen, dass das Grundstück des Klägers als
Grenzfall zwischen den §§ 34 und 35 BauGB zumindest Bauerwar-
tungsland sei. Sie ist damit bei der Ermittlung des Anfangs-
werts von einer Entwicklungsstufe zwischen Bauererwartungs-
land, Rohbauland und baureifem Land (§ 4 Abs. 2 bis 4 WertV)
ausgegangen. Dieser fehlerhafte Bewertungsansatz schlägt auf
die Höhe des Anfangswertes und damit auch auf die Höhe der ge-
forderten Vorauszahlung durch. Der Bescheid der Beklagten ist
deshalb zu Recht vom Verwaltungsgericht aufgehoben worden. Auf
die weiteren Einwendungen des Klägers braucht nicht eingegan-
gen zu werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.
Paetow Berkemann Lemmel
Rojahn Jannasch
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfah-
ren auf 366 878,51 € (früher: 717 552 DM) festgesetzt.
Paetow Berkemann Lemmel
Rojahn Jannasch