Urteil des BVerwG vom 25.04.2013

BVerwG: zollverwaltung, zulage, auslandsvertretung, afghanistan, erfüllung, dienstvorschrift, entstehungsgeschichte, belastung, gesundheit, ermittlungsverfahren

BVerwG 2 C 39.11
Rechtsquellen:
GG Art. 3 Abs. 1
BBesG §§ 42, 53
BBesO A/B Vorbem. Nr. 9
Stichworte:
Aufgabenbetrauung; Auslandsvertretung; Auslandszuschlag; Ermittlungsunterstützende
Tätigkeit; Polizeizulage; Schusswaffengebrauch; Stellenzulage; Typisierung; Unmittelbarer
Zwang; Vollzugspolizeiliche Aufgabe; Zollverbindungsbeamter; Zollverwaltung.
Leitsatz:
Beamte der Zollverwaltung, die als Zollverbindungsbeamte an einer deutschen
Auslandsvertretung verwendet werden, nehmen keine vollzugspolizeilichen Aufgaben im Sinne
von Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B wahr.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 C 39.11
Bayer. VG Regensburg - 11.02.2009 - AZ: VG RN 1 K 08.1026
Bayerischer VGH München - 03.03.2011 - AZ: VGH 14 B 10.361
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 3. März 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger steht als Zolloberamtsrat (BesGr A 13 BBesO) im Dienst der Beklagten und ist beim
Zollfahndungsdienst tätig. Vor seiner Auslandsverwendung war er beim Zollfahndungsamt
München eingesetzt. Hier und während seiner späteren Abordnung an das Zollkriminalamt in
Köln erhielt er die sog. Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen zu den
Besoldungsordnungen A und B. Vom 17. März 2006 bis zum 31. Oktober 2007 war er als
Zollverbindungsbeamter an die deutsche Auslandsvertretung in Kabul/Afghanistan abgeordnet.
Auch für diese Verwendung wurde die Zulage zunächst gewährt, ab April 2007 stellte die
Beklagte die Zahlung jedoch ein.
2 Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage auf weitere Gewährung der Polizeizulage
während der Auslandsverwendung ist in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben. In den
Gründen des Berufungsurteils heißt es, Zollverbindungsbeamte bei deutschen
Auslandsvertretungen nähmen keine vollzugspolizeilichen Aufgaben wahr. Sie hätten keine
hoheitlichen Befugnisse, sondern würden nur beratend und unterstützend tätig. Aus der in
Afghanistan herrschenden Sicherheitslage und den damit verbundenen Arbeitsbedingungen
folge nichts anderes.
3 Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. März 2011 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg
vom 11. Februar 2009 zurückzuweisen.
4 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
5 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am
Verfahren und schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
II
6 Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstößt nicht gegen
Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat für den Zeitraum seiner Abordnung als
Zollverbindungsbeamter an die deutsche Auslandsvertretung in Afghanistan keinen Anspruch
auf die begehrte Zulage.
7 1. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BBesG kann für die Dauer der Wahrnehmung
einer herausgehobenen Funktion eine Stellenzulage gewährt werden. Damit sollen zusätzliche
Anforderungen eines Dienstpostens abgegolten werden, die nicht bereits von der allgemeinen
Ämterbewertung erfasst sind (Urteil vom 27. November 2003 - BVerwG 2 C 55.02 - Buchholz
240.1 BBesO Nr. 28). Die Entscheidung darüber, für welche Funktion und in welcher Höhe eine
derartige Zulage gewährt werden kann, obliegt gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BBesG
dem Gesetzgeber (vgl. Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 1.08 - Buchholz 240.1 BBesO Nr.
32 Rn. 11) sowie nach Maßgabe einer den Vorgaben aus Art. 80 Abs. 1 GG entsprechenden
gesetzlichen Ermächtigung dem Verordnungsgeber.
8 Für Beamte und Soldaten mit vollzugspolizeilichen Aufgaben sieht Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der
Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und B (Anlage I zum
Bundesbesoldungsgesetz, im Folgenden: Vorbemerkungen) eine entsprechende Stellenzulage
vor. Die Polizeizulage dient der Abgeltung der herausgehobenen Anforderungen, die mit der
Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben regelmäßig verbunden sind. Der Gesetzgeber hat in Nr.
9 der Vorbemerkungen abschließend entschieden, bei welchen vollzugspolizeilichen
Verwendungen er diese Besonderheiten für gegeben hält (Urteil vom 26. März 2009 a.a.O. Rn.
10 f.; Beschluss vom 3. Juni 2011 - BVerwG 2 B 13.11 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12 Rn.
10).
9 Die Vorschrift lautete in der für den Abordnungszeitraum maßgeblichen Fassung des Sechsten
Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S.
3702 <3705>): „Die Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder, die Beamten des
Steuerfahndungsdienstes, die Soldaten der Feldjägertruppe und die mit vollzugspolizeilichen
Aufgaben betrauten Beamten der Zollverwaltung erhalten eine Stellenzulage nach Anlage IX,
soweit ihnen Dienstbezüge nach der Bundesbesoldungsordnung A zustehen.“
10 Diese Regelung knüpft die Zulagenberechtigung an unterschiedliche Maßstäbe. Für die
Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder, die Beamten des
Steuerfahndungsdienstes und die Soldaten der Feldjägertruppe hat der Gesetzgeber die
vollzugspolizeiliche Prägung ihrer Tätigkeit bereits in generalisierender Weise bejaht. Bei
diesen Beamten- und Soldatengruppen reicht aus, dass sie in einem bestimmten
Verwaltungszweig oder bei einer bestimmten organisatorischen Einrichtung verwendet werden.
Es kommt daher nicht darauf an, ob der jeweilige Beamte tatsächlich mit vollzugspolizeilichen
Aufgaben betraut ist. Anknüpfungspunkt für die Polizeizulage ist hier ein generell-typisierender
Funktionsbezug, der sich bereits aus der Zugehörigkeit zu einer im Zulagentatbestand
aufgeführten Organisationseinheit ergibt. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass der
Beamte einen dort eingerichteten Dienstposten wahrnimmt. Der Gesetzgeber geht hier
typisierend und pauschalierend davon aus, dass diese Dienstposten eine vollzugspolizeiliche
Prägung aufweisen (Urteil vom 26. März 2009 a.a.O. Rn. 11).
11 Für die Beamten der Zollverwaltung dagegen setzt der Zulagentatbestand einen individuell-
konkreten Funktionsbezug voraus. Angesichts der heterogenen Aufgaben der Zollverwaltung
kann bei dieser Beamtengruppe nach der generalisierenden Wertung des Gesetzgebers nicht
typischerweise von einer vollzugspolizeilich geprägten Verwendung ausgegangen werden (vgl.
BTDrucks 17/7142, S. 28). Die Zulagenberechtigung war daher zunächst nur für Beamte in
einzelnen „vollzugsnahen“ Bereichen vorgesehen, etwa für die Beamten des
Zollfahndungsdienstes, des Grenzaufsichtsdienstes und des Grenzabfertigungsdienstes.
Beamte in anderen Bereichen der Zollverwaltung erhielten die Zulage dagegen selbst dann
nicht, wenn sie entsprechende Tätigkeiten einschließlich der Befugnis zur Anwendung
unmittelbaren Zwangs und des Schusswaffengebrauchs ausgeübt hatten (Urteil vom 24. Januar
1985 - BVerwG 2 C 9.84 - Buchholz 235 § 42 BBesG Nr. 8). Um auch den Besonderheiten der
Zollverwaltung Rechnung zu tragen und „allen mit der Wahrnehmung vollzugspolizeilicher
Aufgaben betrauten Zollbeamten die Zulage gewähren zu können“ (BTDrucks 14/7097 S. 17), ist
mit dem Sechsten Besoldungsänderungsgesetz vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S. 3702) der
an die konkrete Betrauung mit vollzugspolizeilichen Aufgaben anknüpfende Zulagentatbestand
eingefügt worden.
12 Für die Beamten der Zollverwaltung hängt die Zulagengewährung danach davon ab, dass sie
tatsächlich mit vollzugspolizeilichen Aufgaben betraut worden sind. Maßgeblich für die
„Betrauung“ ist dabei der Aufgabenkreis des Dienstpostens, auf dem der Beamte eingesetzt ist.
13 2. Der Begriff der vollzugspolizeilichen Aufgaben ergibt sich aus Wortlaut,
Entstehungsgeschichte und Zweck der Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der Vorbemerkungen.
14 Bereits die Formulierung des Zulagentatbestandes nimmt unmittelbar auf die
Polizeivollzugsbeamten des Bundes und der Länder Bezug, sodass deren Tätigkeit als
begriffsbildendes Vorbild herangezogen werden kann. Charakteristisch sind daher Aufgaben, für
die die besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse und Mittel des Polizeivollzugsdienstes erforderlich
sind. Dies gilt insbesondere für die Anwendung unmittelbaren Zwangs, die grundsätzlich
Polizeivollzugsbeamten vorbehalten ist (vgl. § 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 BPolG, § 1 Abs. 1
UZwG).
15 Diese Eingrenzung wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Nachdem die
Polizeizulage ursprünglich nur für die Polizeivollzugsbeamten der Länder vorgesehen war, hat
der Gesetzgeber den Empfängerkreis im Lauf der Zeit erweitert, um alle Beamten
einzubeziehen, die vergleichbare Aufgaben wie ein Polizeivollzugsbeamter wahrnehmen und in
einer entsprechenden Belastungssituation stehen (vgl. zur Entstehungsgeschichte Tintelott, in:
Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Bd. III BBesG, Stand
September 2012, Vbm. Nr. 9 zu BBesO A/B Rn. 1 ff.). Der Gesetzgeber wollte die Zulage aber
nur auf solche Beamte ausdehnen, „die überwiegend Aufgaben wahrnehmen, die denjenigen
der Polizeivollzugsbeamten in Bund und Ländern entsprechen und die dabei zur Anwendung
unmittelbaren Zwangs einschließlich des Schusswaffengebrauchs befugt sind“ (BTDrucks
8/3624 S. 21). Bezugspunkt für die herausgehobene Funktion vollzugspolizeilicher Aufgaben
und den damit einhergehenden Belastungen sind damit nach dem Vorstellungsbild des
Gesetzgebers die Eingriffsbefugnisse bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs.
16 Ein an den vollzugspolizeilichen Sonderbefugnissen orientiertes Verständnis entspricht auch
Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Polizeizulage dient der Abgeltung der herausgehobenen
Anforderungen, die mit der Erfüllung vollzugspolizeilicher Aufgaben regelmäßig verbunden sind.
Zu den von der allgemeinen Ämterbewertung nicht erfassten Besonderheiten
vollzugspolizeilicher Tätigkeit gehört typischerweise das Erfordernis, dass die Beamten in
schwierigen Situationen unter physischer und psychischer Belastung schnell und
eigenverantwortlich einschneidende Maßnahmen treffen und bereit sein müssen, in Erfüllung der
übertragenen Aufgaben notfalls Leben und Gesundheit einzusetzen (Urteil vom 26. März 2009 -
BVerwG 2 C 1.08 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 32 Rn. 11; Beschlüsse vom 22. Februar 2011 -
BVerwG 2 B 72.10 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 35 Rn. 6 und vom 3. Juni 2011 - BVerwG 2 B
13.11 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12 Rn. 10).
17 Prägendes Charakteristikum vollzugspolizeilicher Tätigkeit, die sie von anderen Bereichen
unterscheidet, ist daher die hoheitliche Befugnis zum unmittelbaren Eingriff in die
Rechtspositionen der Bürger, die nötigenfalls durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bis
hin zum Schusswaffengebrauch durchgesetzt werden kann.
18 3. Die Differenzierung nach einer im Schwerpunkt vollzugspolizeilichen Tätigkeit stellt auch
einen hinreichenden sachlichen Grund dar und verstößt nicht gegen den allgemeinen
Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
19 Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich,
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund
autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- und
Ungleichbehandlung anknüpft. Die Gleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten,
wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass zwischen
ihnen keine Unterschiede bestehen, die nach Art und Gewicht eine Ungleichbehandlung
rechtfertigen können. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede
stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung
nicht finden lässt. Im Bereich des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber bei der Gewichtung der
Differenzierungsmerkmale für eine Gleich- und Ungleichbehandlung einen verhältnismäßig
weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen
Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass Regelungen des Besoldungsrechts zwangsläufig generalisieren und
typisieren müssen. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten und Härten müssen
hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt
(stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <320>
und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364 f.>; BVerwG, Urteil vom 1.
September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 33 Rn. 22; Beschluss vom
3. Juni 2011 - BVerwG 2 B 13.11 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12 Rn. 6; Urteil vom 26.
September 2012 - BVerwG 2 C 45.10 - NVwZ-RR 2013, 118 Rn. 11 ).
Demzufolge verstößt die Gewährung einer Stellenzulage erst dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG,
wenn der Zulagentatbestand in typisierender Weise an ein generelles Merkmal, etwa die
Tätigkeit bei einer Organisationseinheit anknüpft, obwohl die Typisierung von den tatsächlichen
Verhältnissen eindeutig nicht mehr gedeckt ist.
20 Daher kann der Gesetzgeber eine Stellenzulage für Beamtengruppen gewähren, die bei
Organisationseinheiten tätig sind, die typischerweise mit vollzugspolizeilich geprägten
Tätigkeitsfeldern befasst sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR
380/08 - BVerfGK 14, 548 Rn. 11; BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 a.a.O. Rn. 11; Beschluss
vom 3. Juni 2011 a.a.O. Rn. 7). Dies führt zwangsläufig dazu, dass auch Beamte des
Polizeivollzugsdienstes, deren konkreter Aufgaben- und Tätigkeitsbereich nicht
vollzugspolizeilich geprägt ist, in den Genuss der Zulage gelangen. Es ist daher aus Gründen
der Gleichbehandlung nicht zwingend geboten, diejenigen Beamten des Polizeivollzugsdienstes
von der Zulagengewährung auszunehmen, die angesichts des konkreten Zuschnitts ihres
Dienstpostens nicht mit hoheitlichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet sind. Auch die Tatsache,
dass Angehörige des Bundeskriminalamts im Zeitraum ihrer Abordnung an eine deutsche
Auslandsvertretung weiterhin die Polizeizulage erhalten, begründet daher keinen
Gleichheitsverstoß zu Lasten des Klägers. Auf der Grundlage der nach § 137 Abs. 2 VwGO
bindenden, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des
Verwaltungsgerichtshofs bietet der Sachverhalt keinen Anlass anzunehmen, dass die
Anknüpfung an das typisierende Merkmal „Zugehörigkeit zu einer vollzugspolizeilich geprägten
Organisationseinheit“ nicht mehr gerechtfertigt ist.
21 Da die Zollverwaltung in ihrer Gesamtheit nicht schwerpunktmäßig auf die Wahrnehmung
vollzugspolizeilicher Aufgaben ausgerichtet ist, war der Gesetzgeber dagegen nicht verpflichtet,
auch diese Beamtengruppe in eine generell-typisierende Regelung einzubeziehen. Es liegt
vielmehr ein ausreichender Sachgrund dafür vor, die Zulagenberechtigung für Zollbeamte an die
vollzugspolizeiliche Prägung der konkreten Verwendung des einzelnen Beamten zu knüpfen.
22 4. Bei Anwendung dieser Maßstäbe nimmt ein Zollverbindungsbeamter bei einer deutschen
Auslandsvertretung keine vollzugspolizeilichen Aufgaben im Sinne von Nr. 9 Abs. 1 Satz 1 der
Vorbemerkungen wahr.
23 Nach der maßgeblichen Aufgabenbeschreibung der Dienstvorschrift für den Einsatz von
Zollverbindungsbeamten des Zollkriminalamts in der Fassung vom 15. Juni 2000 werden die
Zollverbindungsbeamten vom Zollkriminalamt zur Förderung der internationalen
Zusammenarbeit der deutschen Zollverwaltung mit den Zoll- und Polizeibehörden der
Gastländer entsandt. Sie sollen die zuständigen deutschen Behörden bei ihren
Ermittlungsverfahren mit Bezug auf das Gastland sowie die Behörden des Gastlandes bei ihren
Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland unterstützen. Vorgesehen sind
im Einzelnen insbesondere die Informationsgewinnung und der Informationsaustausch durch
Kontakt mit unterschiedlichen Stellen, die Auswertung vorhandener Unterlagen, die Mitwirkung
in Fahndungs- und Rechtshilfeangelegenheiten sowie die Betreuung deutscher Beamter bei
Dienstreisen.
24 Auch die vorgesehene Anwesenheit bei Vernehmungen von Tatverdächtigen und Zeugen,
Durchsuchungen und anderen Ermittlungsmaßnahmen hat keinen vollzugspolizeilichen
Charakter. Die Dienstvorschrift sieht ausdrücklich vor, dass eine aktive Mitarbeit nicht zulässig
ist. Zollverbindungsbeamte haben sich vielmehr jeglicher hoheitlicher Tätigkeit zu enthalten (Nr.
2.1 der Dienstvorschrift). Der Zollverbindungsbeamte hat damit weder die Befugnis zur
Anwendung unmittelbaren Zwangs noch überhaupt das Recht, eigenständige
Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen. Er ist an entsprechenden Vorgängen durch Behörden
des Gastlandes nur durch seine Anwesenheit beteiligt. Selbst eine Mitwirkung - etwa durch
eigene Fragen - ist ihm nach dem eindeutigen Wortlaut der Dienstvorschriften nicht gestattet.
25 Daraus folgt, dass der Zollverbindungsbeamte nicht in schwierigen Situationen unter
physischer und psychischer Belastung schnell und eigenverantwortlich einschneidende
Maßnahmen bis hin zum Schusswaffengebrauch zu treffen und hierbei notfalls Leben und
Gesundheit einzusetzen hat. Er nimmt vielmehr nur passiv an den Ermittlungsmaßnahmen
Anderer teil. Eine dem Polizeivollzugsdienst vergleichbare Belastungssituation, die mit der
Zulage abgegolten werden könnte, ist mit dem Dienstposten daher nicht verbunden.
26 Es reicht nicht aus, dass Zollverbindungsbeamte in die Ermittlungsmaßnahmen der Behörden
des Gastlandes eingebunden sind. Auch insoweit fehlt es bereits an der Befugnis,
entsprechende Maßnahmen selbst umsetzen oder vollziehen zu dürfen.
27 Schließlich folgt auch aus der Befugnis, zur Eigensicherung eine Waffe tragen zu dürfen,
nicht die Zulagenberechtigung aus Nr. 9 der Vorbemerkungen. Die Berechtigung geht nicht auf
die spezifischen Aufgaben und Tätigkeitsbereiche des Klägers zurück, sondern resultiert aus der
im jeweiligen Gastland vorherrschenden Sicherheitslage. Die Schutzvorkehrungen rechtfertigen
daher nicht die Annahme eines vollzugspolizeilich geprägten Dienstpostens. Andernfalls wäre
etwa in Afghanistan annähernd jede Verwendung als vollzugspolizeilich zu qualifizieren. Dies ist
mit dem dienstposten- und aufgabenbezogenen Verständnis der Stellenzulage nach § 42 Abs. 1
Satz 1 BBesG aber nicht vereinbar. Eine dem Polizeivollzugsdienst vergleichbare Lage liegt
hinsichtlich des Waffentragens nur vor, wenn die Schusswaffe erforderlichenfalls zur
Durchsetzung unmittelbaren Zwangs eingesetzt werden muss.
28 Belastungen, die ihre Ursache in der Sicherheitslage des Gastlandes haben, werden von der
Polizeizulage nicht erfasst. Vielmehr stehen für derartige, von der wahrgenommenen Funktion
unabhängige Sonderlagen der Auslandszuschlag (§ 53 Abs. 1 Satz 1 BBesG) und der
Auslandsverwendungszuschlag (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BBesG) zur Verfügung, die mit gestaffelten
Dienstortstufen der jeweiligen Belastungssituation Rechnung zu tragen suchen (vgl. zur
unterschiedlichen Ausrichtung von Polizeizulage und Erschwerniszulage auch Beschluss vom
3. Juni 2011 - BVerwG 2 B 13.11 - Buchholz 240 § 47 BBesG Nr. 12 Rn. 11). Der nach
Afghanistan abgeordnete Kläger etwa erhielt hierdurch auch Zuschläge, die deutlich höher
bemessen sind, als die Polizeizulage nach Nr. 9 der Vorbemerkungen.
29 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Domgörgen
Dr. Heitz
Thomsen
Dr. Hartung
Dr. Kenntner