Urteil des BVerwG vom 08.01.2007

BVerwG: verfahrensmangel, verwaltungsgerichtsbarkeit, rechtsschutz, abgabenordnung, abgabenrecht, rechtskraft, willkür

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 63.06
VGH 4 B 05.1687
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2007
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. h.c. Hien,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 10. August 2006 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 308 324 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
Die auf eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde
ist zwar statthaft, weil sie sich gegen einen Beschluss, mit dem eine Berufung
verworfen wurde, richtet (§ 130a VwGO i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Sie
hat jedoch keinen Erfolg.
Die Beschwerde macht geltend, die Berufung sei mit Beschluss vom 10. August
2006 zu Unrecht als unzulässig verworfen worden. Unter Verstoß gegen die
Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts sei die Berufung im Beschluss vom
23. Mai 2006 zu Unrecht nicht zugelassen worden, weil der Streitgegenstand
nicht teilbar gewesen sei und deshalb die Berufung insgesamt und nicht nur in
Höhe von 0,50 € hätte zugelassen werden müssen. Darin liege ein Verfah-
rensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Wenn die Berufung zulässig sei,
hätte das Verfahren durch Urteil abgeschlossen werden müssen. Damit wendet
sich die Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 23. Mai 2006, mit dem die Berufung nur in Höhe von 0,50 € zu-
gelassen wurde, weil das Verwaltungsgericht insoweit die Rundungsvorschrift
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des § 239 Abs. 2 Satz 1 AO übersehen hatte. Im Übrigen - im Hinblick auf noch
streitige 308 324 € - wurde die Zulassung abgelehnt.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde damit einen Verfahrensmangel i.S.v.
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet hat. Jedenfalls kann die Beschwerde den
Beschluss vom 10. August 2006 mit dieser Begründung schon deswegen nicht
erfolgreich angreifen, weil es dem Revisionsgericht verwehrt ist, den Beschluss
vom 23. Mai 2006 auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Nach § 152 Abs. 1
VwGO sind Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur in
den im Gesetz genannten Fällen anfechtbar. Die Überprüfung einer die Beru-
fungszulassung ablehnenden Entscheidung gehört nicht dazu. Das Bundes-
verwaltungsgericht kann weder auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin noch
im Revisionsverfahren prüfen, ob der Antrag zu Recht abgelehnt worden ist
(vgl. Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 6 B 8.99 - Buchholz 310 § 124a
VwGO Nr. 8, Beschluss vom 13. Juni 2001 - BVerwG 3 B 64.01 - juris). Hält
das Berufungsgericht nur einen Teil der angefochtenen Entscheidung für zu-
lassungsfähig, gilt nichts anderes.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin gleichwohl gegen die
erstinstanzliche Entscheidung Berufung eingelegt hat, weil sie meint, es habe
ein teilbarer Streitgegenstand nicht vorgelegen, weshalb die Berufung auch
nicht nur teilweise habe zugelassen werden dürfen. Die Korrektur einer Nichtzu-
lassungsentscheidung des Berufungsgerichts und damit die Durchbrechung der
gemäß § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO eingetretenen Rechtskraft der erstinstanz-
lichen Entscheidung durch das Revisionsgericht ist vom Gesetzgeber nicht vor-
gesehen.
Inwieweit bei willkürlichen Entscheidungen anderes gelten kann, kann offen
bleiben. Denn eine willkürliche Entscheidung liegt nicht vor. Die Vorinstanz ver-
tritt ersichtlich zur Frage der Teilbarkeit des Streitgegenstands eine andere
Rechtsauffassung. Darin liegt keine Willkür.
Soweit die Beschwerde hilfsweise eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG als
Folge der Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichte mit der Begrün-
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dung geltend macht, die Vorinstanzen hätten „das für die Streitsache notwendi-
ge Rechtsverständnis zum anzuwendenden Abgabenrecht vermissen lassen“,
fehlt es an der erforderlichen Darlegung eines der in § 132 Abs. 2 VwGO ge-
nannten Zulassungsgründe (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das gilt auch dann,
wenn man dem Beschwerdevorbringen die Frage entnehmen wollte, ob „mit der
Zuweisung eines Rechtsstreits, für welchen die Vorschriften der Abgabenord-
nung anzuwenden sind, an die Verwaltungsgerichtsbarkeit, den Rechtssuchen-
den der nach Art. 19 Abs. 4 GG gegebene Rechtsschutz nicht gewährleistet
ist“. Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt dieser
Frage auch nicht mit Blick auf die von der Beschwerde angesprochene Vorla-
gepflicht nach Art. 100 GG zu. Denn ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmä-
ßigkeit der kritisierten Rechtswegzuweisung wurden von der Beschwerde nicht
aufgezeigt, so dass es diesbezüglich der Klärung in einem Revisionsverfahren
nicht bedarf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Dr. h.c. Hien Vallendar Buchberger
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