Urteil des BVerwG vom 06.12.1996
VG Prof: gewässer, treu und glauben, grundsatz der freien beweiswürdigung, einstellung des verfahrens, rücknahme der klage, fischzuchtanlage, abwasser, klagerücknahme, rohrleitung, absonderung
Rechtsquellen:
AbwAG
§§ 1, 2 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1, § 9 Abs. 1
WHG
§ 1 Abs. 1
ZPO
§ 269 Abs. 3
Stichworte:
Klagerücknahme, Abwasserabgabe; Fischzucht; Bruthaus; Kaskade; Trommelfilter;
Fischzuchtbecken; Einleiten von Abwasser; Absonderung; Gewässer, unterirdische
Führung …, Gewässerfunktion; natürlicher Wasserkreislauf, Durchflussprinzip;
Produktionskreislauf.
Leitsätze:
1. Eine Bindung an eine Klagerücknahmeerklärung tritt nicht ein, wenn sie für das
Gericht und für den Prozessgegner sogleich als Versehen offenbar gewesen und
deshalb nach Treu und Glauben als unwirksam zu behandeln ist (im Anschluss an
BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 8 C 33.95 - Buchholz 310 § 126
VwGO Nr. 3).
2. Fischzucht unterliegt nicht der Abwasserabgabe, wenn sie in einem Gewässer
betrieben wird.
3. Die ein Gewässer kennzeichnende Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt
wird durch eine im Durchflussprinzip betriebene Fischzuchtanlage, die die natürliche
Gewässerfunktion unter Verwendung technischer Anlagen intensiv nutzt,
grundsätzlich nicht unterbrochen.
Urteil des 9. Senats vom 15. Juni 2005 – BVerwG 9 C 8.04
I. VG Meiningen vom 21.11.2002 - Az.: VG 8 K 465/00.Me -
II. OVG Weimar vom 21.06.2004 - Az.: OVG 4 KO 1093/03 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 8.04
OVG 4 KO 1093/03
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In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R u b e l ,
Prof. Dr. E i c h b e r g e r , Dr. N o l t e und D o m g ö r g e n
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
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Die Revision gegen das Urteil des Thüringer
Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2004 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Abwasserabgaben für die Jahre
1993 bis 1996.
Die Kläger sind Gesellschafter einer Forellenzuchtanlage. Die Wasserversorgung
erfolgt auf der Grundlage der wasserrechtlichen Erlaubnis des
Landesverwaltungsamtes vom 10./26. November 1991, die eine dem früheren
Betreiber der Anlage aufgrund von Festlegungen in einem wasserrechtlichen
Vorbescheid vom 14. September 1981 erteilte wasserrechtliche
Nutzungsgenehmigung der Staatlichen Gewässeraufsicht vom 22. April 1988 ersetzt
hat. Mit Bescheiden vom 30. Oktober 1997 setzte das Staatliche Umweltamt Suhl
gegenüber den Klägern für die Jahre 1993, 1994 und 1995 jeweils eine
Abwasserabgabe i.H.v. 45 045 DM und für 1996 i.H.v. 45 585 DM fest. Den
hiergegen erhobenen Widerspruch der Kläger, mit dem sie in erster Linie geltend
machten, ihr Betrieb unterliege nicht der Abwasserabgabe, weil die Fischzucht in
einem Gewässer betrieben werde, wies das Landesverwaltungsamt zurück. Zur
Begründung heißt es im Widerspruchsbescheid: Die Kläger seien
abwasserabgabepflichtig, weil sie Abwässer in ein Gewässer einleiteten, nicht jedoch
Fischzucht in einem Gewässer betrieben. Für den Gewässerbegriff sei der natürliche
Zusammenhang zum Wasserkreislauf entscheidend. Dieser natürliche
Zusammenhang sei hier vor allem deshalb unterbrochen, weil die Fischzucht zum
Teil in Rinnenanlagen stattfinde, die sich in Gebäuden befänden. Der Verlust der
Gewässereigenschaft nach der Wasserentnahme und dem Durchfließen der
Gebäude und Behältnisse werde durch die anschließende Aufzucht der Fische in
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Erdbecken nicht wiederhergestellt. Darüber hinaus entfalte die bestandskräftige
wasserrechtliche Erlaubnis eine verbindliche Feststellungswirkung nicht nur für die
Berechnung der Abwasserabgabe, sondern auch für das Vorliegen einer
Abwassereinleitung in ein Gewässer.
Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben, die sie auf eine Anfrage des
Verwaltungsgerichts, veranlasst durch ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten
der Kläger in einem anderen zwischen den Beteiligten geführten Verfahren, wieder
zurückgenommen haben. Nach Einstellung des Verfahrens haben die Kläger
sinngemäß seine Fortführung begehrt, weil die Klagerücknahme auf einem
erkennbaren Versehen beruht habe.
Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren fortgesetzt und die angefochtenen
Bescheide durch Urteil vom 21. November 2002 aufgehoben.
Die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht
durch Urteil vom 21. Juni 2004 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die erstinstanzlich erhobene Klage sei nicht wirksam zurückgenommen worden, weil
die vom Prozessbevollmächtigten der Kläger erklärte Klagerücknahme auf einem
auch für das Gericht offenkundigen Versehen beruht habe und deswegen
ausnahmsweise widerruflich gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe die
Bescheide auch zu Recht aufgehoben, weil die Kläger nicht abwasserabgabepflichtig
im Sinne der §§ 1 und 9 Abs. 1 AbwAG seien. Sie leiteten kein Abwasser in ein
Gewässer ein, sondern betrieben Fischzucht in einem Gewässer. Ein Einleiten von
Abwasser in ein Gewässer liege nicht vor, wenn das Abwasser in einem Gewässer
entstehe. Die Entstehung von Abwasser erfordere eine Absonderung von Wasser
aus dem natürlichen Wasserhaushalt. Eine solche Absonderung finde hier nicht statt.
Vielmehr sei das die Fischzuchtanlage der Kläger durchlaufende Wasser
durchgängig als Gewässer einzustufen. Weder die Anlage als Ganzes noch einzelne
ihrer Teile unterbrächen die Verbindung des durchfließenden Wassers zum
natürlichen Wasserhaushalt. Der Großteil der Anlage bestehe aus Fischbecken und
dem Karpfenteich, die anderen Teichen vergleichbar seien und in denen die
natürlichen Gewässerfunktionen erhalten blieben. Die unterirdische Führung des
Wassers in Betonrohren über eine Strecke von ca. einem Kilometer vom
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Quellbereich der Lache bis zum Gelände der Fischzuchtanlage und die Führung des
Wassers durch das überdachte Bruthaus bewirkten keine Unterbrechung des
Zusammenhangs mit dem natürlichen Wasserkreislauf. In der unterirdischen
Zuführung fließe das Wasser im natürlichen Gefälle und erfahre keinen Zufluss von
Abwasser und keine technische Behandlung. Auch im Bruthaus werde das Wasser
lediglich in natürlichem Gefälle geführt und durchfließe das Haus in verhältnismäßig
kurzer Zeit. Die Anlage simuliere damit natürliche Bedingungen, wie sie für das
Aufwachsen der Brut von Forellen in dafür geeigneten natürlichen Gewässern
gegeben seien. Die Einwirkungen auf die natürliche Wasserqualität unterschieden
sich nicht signifikant von den Einwirkungen, die für Fischzucht in Gewässern typisch
seien. Auch betrage der Anteil des Wasservolumens im Bruthaus nur 2,29 % des
Gesamtvolumens der Anlage. Die Führung des Wassers über eine Kaskade führe
ebenfalls nicht zu einer Absonderung des Wassers vom natürlichen Wasserhaushalt,
weil sie sich, selbst soweit das Wasser mittels Pumpen über die Kaskade geführt
werde, nicht von natürlichen Kaskaden unterscheide. Schließlich unterbreche auch
der einer Flusskläranlage vergleichbare Trommelfilter, der keine nachteiligen
Auswirkungen auf die Wasserqualität habe, nicht die Gewässereigenschaft. Eine
Heranziehung der Kläger zur Abwasserabgabe wäre im Übrigen auch mit dem
Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, weil in der behördlichen Praxis zur Fischzucht
genutzte, im Nebenschluss zu einem Gewässer angelegte Teichanlagen
grundsätzlich als Gewässer eingestuft und nicht zur Abwasserabgabe veranlagt
würden. Eine unterschiedliche Behandlung sei nicht gerechtfertigt. Der
wasserrechtlichen Erlaubnis komme keine bindende Tatbestandswirkung für eine
Abwasserabgabenpflicht dem Grunde nach zu. Eine Bindungswirkung ergäbe sich
nur hinsichtlich der darin festgelegten Überwachungswerte.
Mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beklagte
geltend, das Berufungsgericht habe bei der Bewertung der Fischzuchtanlage der
Kläger die durch Rechtsprechung und Literatur aufgestellten Grundsätze nicht
ausreichend beachtet. Die gebotene Gesamtbetrachtung der Anlage müsse zu dem
Ergebnis führen, dass die Kläger eine technische Produktionsanlage betrieben, aus
der Abwasser in ein Gewässer eingeleitet werde. Allein zum Betrieb einer intensiven
Fischzucht werde Wasser aus dem Quellbereich der Lache entnommen. Das Wasser
des Quellgebietes, das die Anlage speise, würde ohne die Rohrleitung in die ein paar
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Meter vom Quellgebiet entfernt liegende Werra einfließen. Auch weise das Wasser
durch die Entnahme und das Führen in einer einen Kilometer langen Rohrleitung,
durch das Pumpen über eine Kaskade, durch die Verwendung im Bruthaus zum
Aufziehen von Jungfischen und in den Fischbecken zur intensiven Aufzucht von
Forellen sowie durch die anschließende Reinigung in einem Trommelfilter keine
Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt auf, da es zu einem bestimmten Zweck
gefasst werde. Die intensive Produktion führe zu einer qualitativen Verschlechterung
des Wassers. Darüber hinaus sei auch die Bewertung der einzelnen Anlagenteile
durch das Berufungsgericht fehlerhaft und zum Teil nicht nachvollziehbar. Ein
Verstoß gegen das Willkürverbot durch eine Abgabenerhebung gegenüber den
Klägern sei nicht ersichtlich. Die technische Prägung der Anlage mache eine
intensive Fischhaltung überhaupt erst möglich. In Gewässern sei eine vergleichbare
Fischdichte nicht zulässig. Dass intensiv betriebene Fischzuchten wirtschaftlich
wesentlich ertragreicher seien als extensiv genutzte Fischteiche, stelle ein sachliches
Unterscheidungskriterium dar. Als Verfahrensfehler rügt die Revision schließlich, das
Berufungsgericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verletzt, indem es
nicht hinreichend aufgeklärt habe, ob und in welchem Maße eine qualitative
Veränderung des Wassers in der Fischzuchtanlage erfolge.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Schlussantrag des
Berufungsklägers und Revisionsklägers im Berufungsverfahren zu erkennen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Revision
aus den vom Beklagten dargelegten Erwägungen für begründet.
II.
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Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheidet (vgl. § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141
Satz 1 VwGO), ist nicht begründet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung
des Beklagten ohne Verstoß gegen revisibles Recht zurückgewiesen.
1. Das Oberverwaltungsgericht war aufgrund der vom Kläger im erstinstanzlichen
Verfahren erklärten Klagerücknahme nicht an einer Entscheidung in der Sache
gehindert. Zwar beendet eine Rücknahme der Klage das Verfahren gemäß § 173
Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO unmittelbar und rückwirkend zum
Zeitpunkt der Klageerhebung mit der Folge, dass eine Sachentscheidung des
Gerichts nicht mehr ergehen darf und eine dennoch ergangene Sachentscheidung
unwirksam ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 8 C 33.95 -
Buchholz 310 § 126 VwGO Nr. 3 S. 2; ThürOVG, Beschluss vom 24. November 2000
- 3 ZKO 530/00 - ThürVBl 2001, 213, jeweils m.w.N.). Von der Klagerücknahme der
Kläger konnte jedoch keine verfahrensbeendende Wirkung ausgehen, weil sie als
unwirksam zu behandeln ist.
Allerdings muss aus Gründen der Rechtssicherheit die Loslösung von
Prozesshandlungen und insbesondere von einer Klagerücknahme auf besondere
Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Auf dieser Grundlage ist in der Rechtsprechung
als Fallgruppe anerkannt, dass die Prozesserklärung für das Gericht und für den
Prozessgegner sogleich als Versehen offenbar gewesen und deshalb nach Treu und
Glauben als unwirksam zu behandeln ist (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1996
- BVerwG 8 C 33.95 - a.a.O. S. 4 m.w.N.).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klagerücknahmeerklärung des
Prozessbevollmächtigten der Kläger wurde durch eine entsprechende gerichtliche
Anfrage veranlasst, bei der der Berichterstatter ersichtlich irrtümlich davon ausging,
dass es sich bei dieser Sache um das zugehörige Hauptsacheverfahren eines
Eilverfahrens zwischen denselben Beteiligten handelte, in dem der
Prozessbevollmächtigte der Kläger zuvor im Hinblick auf die Aufhebung des dort
angefochtenen Bescheides die Antragsrücknahme erklärt hatte. Bei diesem
Verwaltungsakt handelte es sich jedoch um einen abwasserrechtlichen
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Kostenbescheid, der zum Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens in keinem
Zusammenhang stand. Die dennoch abgegebene verfahrensbeendende Erklärung
war für das Gericht und für den Prozessgegner als Versehen unmittelbar erkennbar.
Denn die Wortwahl ("nochmals … uneingeschränkt") ließ bei auch nur oberflächlicher
Befassung eindeutig erkennen, dass sich die Erklärung nicht auf das vorliegende
Verfahren beziehen konnte. An dieser, auf das irrtümliche Handeln des Gerichts
zurückgehenden und für Gericht und Beklagten ohne weiteres als Versehen
erkennbaren Erklärung müssen sich die Kläger nicht festhalten lassen.
2. Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das
Betreiben von Fischzucht in einem Gewässer nicht der Abwasserabgabenpflicht
unterliegt, weil hierbei nicht, wie es § 1 und § 9 Abs. 1 AbwAG fordern, Abwasser in
ein Gewässer eingeleitet wird.
Der Abgabentatbestand des Einleitens von Abwasser in ein Gewässer kann durch
Veränderungen des Wassers in einem Gewässer, wie sie sich durch dort betriebene
Fischzucht ergeben können, nicht erfüllt werden (ebenso Dahme in: Sieder-Zeitler-
Dahme-Knopp, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, Stand
1. Dezember 2004, § 2 AbwAG Rn. 6, 15; Köhler, Abwasserabgabengesetz, 1999,
§ 2 Rn. 11; Nisipeanu, Abwasserabgabenrecht, 1997, S. 30). Beides steht vielmehr
in einem Verhältnis der Ausschließlichkeit. Denn wie sich insbesondere aus § 2
Abs. 2 AbwAG ergibt, wonach unter "Einleiten" das unmittelbare Verbringen des
Abwassers in ein Gewässer zu verstehen ist, setzt der Abgabentatbestand eine
Absonderung des Abwassers vom Gewässer voraus. Die das Abwasser
kennzeichnende Eigenschaftsveränderung des Wassers durch häuslichen,
gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch (vgl. § 2 Abs. 1 AbwAG)
muss mithin außerhalb des Gewässers stattfinden.
3. Ebenfalls zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Kläger
Fischzucht in einem Gewässer betreiben.
a) Zur Bestimmung des Gewässerbegriffs nimmt § 1 AbwAG auf § 1 Abs. 1 WHG
Bezug. Nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift ist unter einem - hier allein in Betracht
kommenden - oberirdischen Gewässer das ständig und zeitweilig in (natürlichen oder
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künstlichen) Betten fließende oder stehende Wasser zu verstehen, wobei es in den
natürlichen Wasserkreislauf eingebunden sein muss (BVerwG, Beschluss vom
16. Juli 2003 - BVerwG 7 B 61.03 - Buchholz 445.4 § 1 WHG Nr. 6 S. 1), weil nur
dann eine Steuerung des Wassers nach Menge und Güte mit dem im
Wasserhaushaltsgesetz vorgesehenen wasserwirtschaftlichen Instrumentarium
möglich ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 8. Auflage 2003, § 1
Rn. 4). Die Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf setzt die Teilhabe an der
Gewässerfunktion voraus; sie ist gegeben, wenn natürliche Prozesse wie
Verdunstung, Versickerung, Auffangen von Regenwasser und Auffangen von
aufsteigendem Grundwasser stattfinden (vgl. etwa Czychowski/Reinhardt, a.a.O.;
Knopp in: Sieder-Zeitler-Dahme-Knopp, a.a.O. § 1 WHG Rn. 4). Anderenfalls handelt
es sich um vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondertes Wasser, nicht jedoch um
ein Gewässer. Davon ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
Nicht jede Einschränkung der Gewässerfunktion hebt die Gewässereigenschaft auf.
Das ist für technische Anlagen und Bauwerke sowie für eine teilweise Verrohrung
eines Gewässers in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt
(BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 43.73 - BVerwGE 49, 293
<298 f.>; Urteil vom 27. November 1992 - BVerwG 8 C 55.90 - Buchholz 401.64 § 9
AbwAG Nr. 3 S. 4). Deswegen bedarf es einer wertenden Beurteilung, ob die
Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt unterbrochen wird. Gegenstand dieser
wertenden Beurteilung müssen, wenn es sich wie bei der Fischzuchtanlage der
Kläger um eine Mehrzahl von anlagenbezogenen Einschränkungen der
Gewässerfunktion handelt, die jeweiligen Teile der Anlage, aber auch - wie das
Oberverwaltungsgericht nicht verkannt hat - die Anlage als Ganzes sein. Inhaltlich ist
danach zu fragen, ob die natürliche Gewässerfunktion noch dominiert oder aufgrund
des Umfangs oder der Art der Einschränkung überwiegend verloren gegangen ist.
Von einem Verlust der Gewässerfunktion wird grundsätzlich bei gewerblichen
Anlagen auszugehen sein, soweit sie die Gewässerfunktion nicht lediglich nutzen,
sondern durch selbstständige und eigengesetzliche Funktionen wie etwa die
Einbeziehung in einen industriellen Produktionskreislauf weitgehend verdrängen oder
ersetzen. Dagegen tritt ein Verlust der Gewässereigenschaft nicht schon dadurch
ein, dass die Gewässerfunktion - etwa als Entstehungs- und Entwicklungsraum für
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Lebewesen zu dienen - durch Eingriffe oder technische Anlagen optimiert wird. Das
muss jedenfalls dann gelten, wenn die Gewässerfunktion nicht - insbesondere durch
einen Kreislaufbetrieb des Wassers - anderen, gewässerfremden Einflüssen oder
Gesetzlichkeiten unterworfen wird, sondern nur in besonderer Weise genutzt wird.
Dabei ist es, weil der Gewässerbegriff künstliche Veränderungen des Wasserbettes
nicht ausschließt, unerheblich, ob derart optimierte Bedingungen in naturbelassenen
Gewässern ohne menschliche Eingriffe anzutreffen wären.
Deswegen reicht eine mit einer intensiven Nutzung der Gewässerfunktion
verbundene Belastung des Wassers allein nicht für die Annahme aus, die
Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt sei unterbrochen. Einer
entsprechenden, insbesondere vom Vertreter des Bundesinteresses geforderten
engen Auslegung des Gewässerbegriffes vermag sich der Senat nicht
anzuschließen. Die Zielsetzung des Abwasserabgabengesetzes, die Reinhaltung der
Gewässer zu bewirken (vgl. etwa BTDrucks 7/2272, S. 22), rechtfertigt es angesichts
der bereits dargelegten klaren Abgrenzung in § 1 AbwAG nicht, den
Anwendungsbereich des Abwasserabgabengesetzes zu Lasten des
Wasserhaushaltsgesetzes auszuweiten. Denn das Wasserhaushaltsgesetz enthält
selbst hinreichende Eingriffsmechanismen, um Gewässerverschmutzungen
unmittelbar entgegenzuwirken. Die bei Gewässern zur Verfügung stehenden weit
reichenden behördlichen Handlungsmöglichkeiten (vgl. §§ 28 ff. WHG) wären im
Übrigen bei Verneinung der Gewässereigenschaft nicht eröffnet.
b) Diese Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht in revisionsgerichtlich nicht zu
beanstandender Weise auf den vorliegenden Fall angewandt.
aa) Eine Betrachtung der einzelnen Teile der Fischzuchtanlage der Kläger lässt eine
Unterbrechung der Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt nicht erkennen. Das
hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt.
Die ca. 1 km lange unterirdische Führung des Wassers in Betonrohren bis zum
Gelände der Fischzuchtanlage dient ausschließlich der Zuleitung des Wassers. Dass
es sich insoweit um einen künstlichen Wasserlauf handelt, steht der
Gewässereigenschaft ebenso wenig entgegen wie die kurzzeitige unterirdische
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Führung, weil insoweit keine naturfremden Einwirkungen auf das Wasser, etwa durch
den Zufluss von Abwasser oder die technische Behandlung des Wassers, stattfinden.
Der Einschätzung, die Gewässereigenschaft werde durch die Rohrleitung nicht
unterbrochen, lässt sich auch nicht entgegenhalten, es habe bereits vor Beginn der
Rohrleitung kein Gewässer bestanden. Denn wie sich aus den dem
wasserwirtschaftlichen Vorbescheid vom 14. September 1981 beigefügten und vom
Beklagten in dem den Abwasserabgabenbescheid des Beklagten für 1997
betreffenden Parallelverfahren ausdrücklich in Bezug genommenen Karten ergibt,
befindet sich der Einlauf der Rohrleitung in beträchtlicher Entfernung von der
Lachenquelle und schließt an einen von der Quelle heranführenden Bachlauf an.
Dass es sich insoweit um ein künstlich geschaffenes Wasserbett handeln mag, ist für
die Gewässereigenschaft wiederum ohne Bedeutung.
Dasselbe gilt für den Einwand des Beklagten, das Bruthaus stelle einen technisch
geprägten Zweckbau dar, in dem es zu Veränderungen der Wasserqualität komme.
Maßgeblich ist insoweit, dass es sich um Einwirkungen handelt, die der Fischzucht
dienen und insoweit die natürliche Gewässerfunktion nutzen und intensivieren,
jedoch nicht verdrängen oder aufheben. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn das
Wasser - wie hier - die Anlage in natürlichem Gefälle in verhältnismäßig kurzer Zeit
durchfließt und sich eine Kreislaufführung auf Ausnahmefälle von
Niedrigwasserlagen beschränkt. Auch die künstliche Kaskade bewirkt lediglich eine
Intensivierung der Gewässerfunktion, indem sie dem Wasser Sauerstoff zuführt und
sich insoweit nicht von natürlichen Kaskaden oder Wasserfällen unterscheidet. Nichts
anderes gilt für die Fischzuchtbecken. Der Umstand, dass die Bedingungen für die
Fischzucht durch dichten Fischbesatz und die Zugabe von Futter und Medikamenten
in einer ohne menschliches Zutun in der Natur nicht erreichten Weise optimiert
werden, ändert nichts daran, dass es sich auch insoweit lediglich um die - besonders
intensive - Nutzung der natürlichen Gewässerfunktion handelt. Dazu gehört es auch,
dass aufgrund dieser Nutzung sich ergebende Wasserbelastungen durch einen
Trommelfilter wieder reduziert werden.
bb) Der Einwand des Beklagten, die Berufungsentscheidung beschränke sich auf
eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Anlagenteile und lasse die erforderliche
Gesamtbetrachtung der Anlage vermissen, trifft nicht zu. Das
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Oberverwaltungsgericht hat vielmehr eine solche Gesamtbetrachtung vorgenommen
und dabei nicht lediglich auf den (insbesondere räumlichen und zeitlichen) Umfang
der in der Fischzuchtanlage der Kläger erfolgenden Einschränkungen der
Gewässerfunktion abgestellt, sondern auch die Art dieser Einschränkungen, z.B. die
künstliche Belüftung oder die Fütterung, gewürdigt, jedoch noch als Ausprägung der
traditionellen, in Gewässer betriebenen Fischzucht aufgefasst und gegenüber einem
industriellen Produktionskreislauf mit Wasserveränderung abgegrenzt. Es ist
deswegen zum Ergebnis gelangt, dass im größten Teil der Fischzuchtanlage die
natürliche Gewässerfunktion erhalten bleibt (UA S. 24). Diese Einschätzung wird
durch den Hinweis des Beklagten auf die technische Ausgestaltung und den allein
auf die Fischzucht bezogenen Nutzungszweck der Anlage nicht in Frage gestellt.
Denn durch die bloße Technisierung und Intensivierung der Zucht wird die
Verbindung zum natürlichen Wasserhaushalt nicht unterbrochen, sondern vielmehr
eine wesentliche Gewässerfunktion, nämlich als Entstehungs- und Entwicklungsraum
für Lebewesen zu dienen, durch Optimierung der natürlichen Bedingungen
besonders genutzt. Insofern besteht jedenfalls bei einer - wie hier - auf dem
Durchflussprinzip beruhenden Fischzucht ein wesentlicher Unterschied zu
technischen Anlagen, in denen die Gewässerfunktion nicht genutzt, sondern durch
einen hiervon unabhängigen Produktionskreislauf ersetzt wird. Die Einbeziehung der
mit einer Fischzucht verbundenen Wasserbelastung steht - wie dargelegt - dieser
Beurteilung nicht entgegen. Anhaltspunkte, dass sie ein Ausmaß erreicht hätte, das
Anlass zu der Annahme einer Unterbrechung des Zusammenhangs mit dem
natürlichen Wasserhaushalt geben könnte, sind weder erkennbar noch vom
Beklagten geltend gemacht worden, obwohl ihm dies aufgrund der vorliegenden
Messergebnisse aus der behördlichen Überwachung gegebenenfalls möglich
gewesen wäre. Auf dieser Grundlage musste sich dem Oberverwaltungsgericht auch
keine weitere Sachaufklärung im Hinblick auf den Umfang der Verschmutzung
aufdrängen. Die insoweit vom Beklagten erhobene Verfahrensrüge greift deswegen
nicht durch.
c) Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht durch die den Klägern im Jahre
1991 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis nicht gehindert gesehen, die
Gewässereigenschaft ihrer Fischzuchtanlage zu bejahen. Zwar mögen die in dieser
Erlaubnis enthaltenen Formulierungen für eine abweichende Beurteilung der
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Gewässereigenschaft durch die damals zuständige Behörde sprechen. Das wäre für
die Frage der Erfüllung des Abwasserabgabetatbestandes jedoch ohne Bedeutung.
Denn eine über die wasserrechtliche Gestaltungswirkung hinausgehende, andere
rechtliche Zusammenhänge erfassende Feststellungswirkung könnte der Erlaubnis
nur aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift zukommen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom
17. Oktober 1989 - BVerwG 1 C 18.87 - BVerwGE 84, 11 <14>). Daran fehlt es hier
aber. § 4 Abs. 1 AbwAG misst der wasserrechtlichen Erlaubnis eine
Bindungswirkung nur im Hinblick auf die Festlegung von Überwachungswerten und
die Jahresschmutzwassermenge bei. Die Feststellung der rechtlichen
Voraussetzungen der Abgabenpflicht wird hierdurch weder gebunden noch ersetzt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Storost Prof. Dr. Rubel Prof. Dr. Eichberger
Dr. Nolte Domgörgen
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 92 400,67 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).
Dr. Storost Prof. Dr. Rubel Dr. Nolte