Urteil des BVerwG vom 02.10.2012

BVerwG: finanzhilfe, rechtsschutz, vernachlässigung, kultur, schulwesen, offenkundig, erhaltung, eigenschaft, schüler, revisionsgrund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 B 42.12
OVG 2 LB 240/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. Oktober 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 4. Juli 2012 wird zurückgewie-
sen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 3 545 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts-
sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine
Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine
konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage
des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren
zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur
Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom
20. Februar 2012 - BVerwG 6 B 38.11 - juris Rn. 11). Aus den Darlegungen der
Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall
erfüllt sind.
a) Die Klägerin macht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der
Frage geltend, „ob es gegen Art. 7 Abs. 4 GG verstößt, an die Erlangung der
Eigenschaft, Schüler einer staatlich anerkannten Ersatzschule in privater Trä-
gerschaft zu sein, Anforderungen zu stellen, die über den Bestand eines zivil-
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rechtlich wirksamen Vertrags mit dem Schulträger hinausgehen“ (S. 6 Be-
schwerdebegründung). Die Frage stellt sich vor dem Hintergrund, dass die Be-
klagte bei Auslegung des - für die Berechnung der Höhe von Finanzhilfen an
Ersatzschulträger bestimmenden - Begriffs des Schülers im Sinne von § 150
Abs. 2 Satz 2 NSchG auf die tatsächliche Unterrichtsteilnahme abstellt, wäh-
rend die Klägerin die Auffassung vertritt, es komme lediglich auf den durch Ab-
schluss eines Schulvertrags begründeten Schülerstatus an. Beide Vorinstanzen
haben sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und hiervon ausge-
hend verneint, dass die von der Beklagten verfügte - auf diese Auffassung zu-
rückgehende - Teilrücknahme einer zu Gunsten der Klägerin ergangenen Fi-
nanzhilfefestsetzung deren Rechte verletzt.
b) Zu Recht macht die Klägerin keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf in
Bezug auf die Auslegung von § 150 Abs. 2 Satz 2 NSchG als solchem geltend,
der als landesrechtliche Vorschrift nicht zum revisiblen Recht zählt (§ 137
Abs. 1 VwGO). Aber auch in Bezug auf die von der Klägerin aufgeworfene Fra-
ge nach der Vereinbarkeit der vorinstanzlichen Auslegung dieser Vorschrift mit
Art. 7 Abs. 4 GG ist kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf zu erkennen, der
die Zulassung der Revision rechtfertigen würde. Denn die Frage ist auf der
Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln
sachgerechter Gesetzesauslegung offenkundig zu verneinen (siehe zu diesem
prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B
72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13).
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - die der Senat sich zu
eigen gemacht hat - ist geklärt, dass aus Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG kein verfas-
sungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe folgt. Der
grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen Ersatzschulträgers ist nur darauf
gerichtet, dass der Gesetzgeber diejenigen Grenzen und Bindungen beachtet,
die seinem politischen Handlungsspielraum durch die Schutz- und Förderpflicht
zu Gunsten des Ersatzschulwesens als Institution gesetzt sind. Der gerichtliche
Rechtsschutz bezieht sich unter diesen Umständen auf die Prüfung einer Untä-
tigkeit, einer groben Vernachlässigung und eines ersatzlosen Abbaus getroffe-
ner Maßnahmen (BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 - 1 BvR 682, 712/88 -
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BVerfGE 90, 107 <117>; BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG
6 C 18.10 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138 Rn. 14). Der Gesetz-
geber vernachlässigt seine Pflicht gröblich, wenn bei weiterer Untätigkeit der
Bestand des Ersatzschulwesens evident gefährdet wäre (Urteil vom 21. De-
zember 2011 a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund liegt klar zu Tage, dass aus Art. 7 Abs. 4 GG keine
Vorgaben für die Auslegung eines für die Bestimmung der Höhe von Finanzhilfe
relevanten gesetzlichen Tatbestandsmerkmals - wie hier des Schülerbegriffs in
§ 150 Abs. 2 Satz 2 NSchG - folgen können, solange nicht bei einer bestimmten
Auslegung die Ersatzschule als Institution existentiell gefährdet wäre (vgl. zu
ähnlich gelagerten Fallkonstellationen: Beschlüsse vom 25. August 2011
- BVerwG 6 B 16.11 - juris Rn. 6 und vom 5. September 2012 - BVerwG 6 B
24.12 - noch unveröff.). Dass die vorinstanzlich vertretene Auslegung des Schü-
lerbegriffs in § 150 Abs. 2 Satz 2 NSchG zu einer solchen Konsequenz führen
könnte, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargetan.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung
des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Neumann
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