Urteil des BVerwG vom 13.08.2004

BVerwG (verhandlung, berlin, bundesverwaltungsgericht, sache, teil, anlage, wohnhaus, grundstück, gabe, gerichtskosten)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 1054.06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und Dr. Jannasch
beschlossen:
Der Beklagte wird verpflichtet, über eine weitergehende
Einschränkung des Nachtflugbetriebes in Teil A II 5.1.1,
über die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen in
Teil A II 5.1.3 und über die Grenzziehung des Entschädi-
gungsgebietes Außenwohnbereich in Teil A II 5.1.5 Nr. 2
des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004
i.d.F. vom 21. Februar 2006 unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Soweit der Planfeststellungsbeschluss diesen Verpflich-
tungen entgegensteht, wird er aufgehoben.
Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen
Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 tragen
die Kläger zu 1 und zu 2 jeweils ein Viertel sowie die Klä-
ger zu 18 und 19 als Gesamtschuldner ein Viertel.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 tragen jeweils ein
Achtel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kos-
ten der Kläger.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45 000 € fest-
gesetzt.
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G r ü n d e :
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten
vom 13. August 2004 zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld.
Sie haben mit ihrer am 20. Oktober 2004 erhobenen Klage die Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses und hilfsweise Planergänzung beantragt.
Die Klägerin zu 1 ist Miteigentümerin eines Wohnhauses auf dem Grundstück
V., 12527 Köpenick, …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Der Kläger zu 2
ist Eigentümer der Grundstücke E., W., 12527 Berlin-Schmöckwitz und W.,
12627 Berlin-Schmöckwitz, …. Die Kläger zu 18 und 19 sind zu je 1/2 Miteigen-
tümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in der R.straße 4 a,
15831 Mahlow, ….
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 haben nahezu
4 000 Personen Klagen erhoben, die in rund 60 Verfahren zusammengefasst
waren. Der beschließende Senat hat von der ihm durch § 93a Abs. 1 VwGO
eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vorab Musterverfahren durchzufüh-
ren und die übrigen Verfahren auszusetzen. Die Beteiligten aller Verfahren sind
dazu gemäß § 93a Abs. 1 Satz 1 VwGO angehört worden, die Beteiligten des
vorliegenden Verfahrens mit Schreiben vom 28. April 2005. Mit Beschluss vom
13. Juli 2005 - BVerwG 4 A 1040.04 - hat der Senat das vorliegende Verfahren,
zu dem seinerzeit noch die Klagen weiterer Personen gehörten, gemäß § 93a
Abs. 1 VwGO ausgesetzt.
Über die ausgewählten Musterklagen, die in vier Verfahren zusammengefasst
waren, ist auf die mündliche Verhandlung vom 7. bis 9., 14. bis 16. und 21. bis
23. Februar 2006 durch Urteile vom 16. März 2006 entschieden worden (vgl.
BVerwG 4 A 1001.04, BVerwG 4 A 1073.04, BVerwG 4 A 1078.04 und BVerwG
4 A 1075.04 – letzteres abgedruckt in BVerwGE 125, 116 ff.). Die Anfechtungs-
klagen wurden abgewiesen, die hilfsweise erhobenen Anträge auf Planergän-
zung hatten, soweit es um besseren Lärmschutz ging, teilweise Erfolg.
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Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 hat das Gericht die Kläger darauf hingewie-
sen, dass ihr Verfahren nach dem rechtskräftigen Abschluss der Musterverfah-
ren fortzuführen sei (Aktenzeichen BVerwG 4 A 1054.06), ggf. auch nach Maß-
gabe des § 93a Abs. 2 VwGO. Dem Schreiben war ein Abdruck des Urteils vom
16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - und des Protokolls über die mündliche
Verhandlung beigefügt; eine Übersendung der drei weiteren, nahezu inhalts-
gleichen Musterurteile hat der Senat den Klägern angeboten. Die Kläger und
der Beklagte haben übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt, soweit
der Planfeststellungsbeschluss durch die Musterurteile nicht aufgehoben wurde.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die beigezogenen Ver-
waltungsvorgänge sowie auf das Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A
1075.04 - (BVerwGE 125, 116 ff.) und das Protokoll der mündlichen Verhand-
lung in den Musterverfahren verwiesen.
II
1. Der Senat hat über die Klagen noch streitig zu entscheiden, soweit die Klag-
anträge nicht von der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Hauptbetei-
ligten erfasst sind. Dabei handelt es sich um die aus der Beschlussformel er-
sichtlichen - hilfsweise gestellten - Anträge auf Planergänzung, die in der Sache
den Klaganträgen entsprechen, die in den Musterurteilen Erfolg hatten.
1.1 Über diese Hilfsanträge kann der Senat nach Maßgabe des § 93a Abs. 2
Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Die
Voraussetzungen hierfür sind gegeben:
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Über die Musterklagen ist durch die Urteile vom 16. März 2006 rechtskräftig
entschieden worden. Die Beteiligten sind zu der gewählten Entscheidungsform
gehört worden. Ferner ist nach einstimmiger Auffassung des Senats der Sach-
verhalt im vorliegenden Verfahren geklärt. Die Grundstücke der Klägerin zu 1
sowie der Kläger zu 18 und 19 liegen innerhalb des in Anlage 2 zum Planfest-
stellungsbeschluss vom 13. August 2004 festgesetzten Nachtschutzgebietes,
jedoch außerhalb des Tagschutzgebietes und außerhalb der in der Anlage 3
festgesetzten Entschädigungsgebiete Außenwohnbereich und Übernahmean-
spruch. Die Grundstücke des Klägers zu 2 liegen innerhalb des Tagschutz- und
des Nachtschutzgebietes und außerhalb der Entschädigungsgebiete Außen-
wohnbereich und Übernahmeanspruch. Alle Grundstücke werden in erhebli-
chem Maße von nächtlichem Fluglärm betroffen sein; das Grundstück der Klä-
gerin zu 2 zudem von erheblichem Fluglärm zur Tagzeit.
Ferner ist der Senat einstimmig der Auffassung, dass die Sache gegenüber den
Musterverfahren keine wesentlichen Besonderheiten tatsächlicher oder rechtli-
cher Art aufweist. Von solchen Besonderheiten ist regelmäßig auszugehen,
wenn in den ausgesetzten Verfahren neue, in den Musterverfahren noch nicht
angesprochene Rechts- oder Tatsachenfragen aufgeworfen werden, deren Be-
antwortung das in den entschiedenen Verfahren gefundene Ergebnis in Zweifel
ziehen oder jedenfalls seine Übertragbarkeit als problematisch erscheinen las-
sen können (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kom-
mentar, Stand: April 2006, § 93a VwGO Rn. 20). Die Lärmwirkungen unter Be-
rücksichtigung der festgesetzten Schutzgebiete sind für die Kläger nicht anders
zu beurteilen als für die Kläger der Musterverfahren. Die Grund-stücke der dor-
tigen Kläger repräsentierten die gesamte Bandbreite der möglichen Lärmbelas-
tungen, nämlich von Grundstücken, die in keinem der vier Schutzgebiete (Tag-
schutzgebiet, Nachtschutzgebiet, Entschädigungsgebiete Außenwohnbereich
und Übernahmeanspruch) liegen über Grundstücke, die nur von einigen dieser
Schutzgebiete erfasst sind, bis hin zu Grundstücken, die in allen Schutzgebie-
ten liegen. Damit ist in den Musterurteilen auch über die Lärmbetroffenheiten
solcher (Wohn-)Grundstücke entschieden worden, die - wie die Grundstücke
der Kläger - innerhalb des Nachtschutzgebietes oder sowohl innerhalb des Tag-
und des Nachtschutzgebietes liegen.
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1.2 Die Kläger, die mit ihren Hilfsanträgen u.a. besseren Schallschutz und der
Sache nach auch Einschränkungen des nächtlichen Flugbetriebs begehrt ha-
ben, können aus den in den Musterurteilen dargelegten Gründen in demselben
Maße wie dort Planergänzung beanspruchen. Ihrer Klage war deshalb in dem
aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang stattzugeben.
2. Soweit die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt haben, war das Ver-
fahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustel-
len.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1, § 159
Satz 1 und 2 VwGO. Die Verteilung der Kostenlast entspricht der Kostenent-
scheidung in den Musterurteilen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf
§ 52 Abs. 1 GKG (je Kläger bzw. klagender Rechtsgemeinschaft 15 000 €).
Dr.
Paetow
Prof.
Dr.
Rojahn
Dr.
Jannasch
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