Urteil des BVerwG vom 02.10.1961

BVerwG (bundesrepublik deutschland, bundesverwaltungsgericht, beschwerde, erbrecht, nachlass, eigentum, eigentumserwerb, erbe, gegenstand, person)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 PKH 5.04 (7 B 137.04)
VG 9 K 960/99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K r a u ß und N e u m a n n
beschlossen:
Der Antrag der Kläger zu 1, 2, 4 und 5, ihnen Prozesskostenhil-
fe zu bewilligen und Rechtsanwalt L. beizuordnen, wird abge-
lehnt.
G r ü n d e :
Den Klägern kann die gewünschte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m.
§ 114 Satz 1 ZPO); denn es liegt kein geltend gemachter Revisionszulassungsgrund
vor. Es kann dahinstehen, ob die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) prozessordnungsgemäß dargelegt wird (§ 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO). Jedenfalls hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssa-
che nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bis-
her höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu-
grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungser-
heblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In
der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h.
näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bun-
desrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in
dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. u.a. Beschluss
vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).
Der Beschwerde lässt sich allenfalls sinngemäß die Frage entnehmen,
ob die Erben des vor In-Kraft-Tretens des Gesetzes über die Rechte der Ei-
gentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 verstor-
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benen Neubauern, dem zu seinen Lebzeiten Bodenreformgrundstücke ent-
eignet worden waren, Berechtigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind.
Diese Frage lässt sich ohne weiteres verneinen. Hierzu hat das Bundesverwaltungs-
gericht in seinem Beschluss vom 20. Mai 2003 - BVerwG 8 B 36.03 - (Buchholz 428
§ 2 VermG Nr. 73) folgendes ausgeführt:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die Be-
antwortung der Frage zunächst aus dem Vermögensgesetz selbst und erst im Weite-
ren aus einem - begrenzten - Rückgriff auf das einschlägige Erbrecht. Dabei ist da-
von auszugehen, dass die vom Vermögensgesetz erfassten Enteignungsmaßnah-
men dinglich wirksam sind und deshalb der entzogene Vermögensgegenstand in
Erbfällen vor dem In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes weder bei gesetzlicher
noch bei testamentarischer Erbfolge dem Nachlass angehörte. Da bei derartigen
Erbfällen das Gleiche auch für den Restitutionsanspruch gilt, entsteht dieser unmit-
telbar in der Person des Rechtsnachfolgers des verstorbenen Geschädigten. Der
vermögensrechtliche Rechtsnachfolgebegriff kann deshalb nicht davon abhängen,
wem das einschlägige Erbrecht den entzogenen Gegenstand oder den Restitutions-
anspruch zuweist; vielmehr sind beide Gegenstände in Erbfällen vor In-Kraft-Treten
des Vermögensgesetzes begrifflich und nach der Wertung des Vermögensgesetzes
dem Nachlass nicht zuzuordnen und damit dem Erbrecht an sich entzogen. Wenn
gleichwohl die als Anlage III zum Einigungsvertrag veröffentlichte Gemeinsame Er-
klärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen De-
mokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juli 1990 in
Nummer 3 mehrfach die "Erben" der ehemaligen Eigentümer als Restitutionsberech-
tigte bezeichnet, muss nach Sinn und Zweck von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG die Per-
son des Rechtsnachfolgers unter Ausblendung der wieder gutzumachenden Enteig-
nungsmaßnahme bestimmt, die Rechtsnachfolge in den entzogenen Gegenstand
also nur hypothetisch im Wege einer Fiktion ermittelt werden. Denn § 2 Abs. 1 Satz 1
VermG bezweckt ersichtlich, auf schuldrechtlichem Wege die Folgen der durch den
Vermögensentzug geschaffenen Unrechtslage wieder gutzumachen (Beschluss vom
7. September 1998 - BVerwG 8 B 118.98 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 40). § 2
Abs. 1 Satz 1 VermG sieht danach denjenigen Erben als Rechtsnachfolger an, der
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hinsichtlich des entzogenen Vermögenswertes in vollem Umfange in die Rechtsposi-
tion des Geschädigten eingetreten wäre.
Das Eigentum an Bodenreformgrundstücken konnte zwar auf den Erben des Boden-
reformeigentümers übergehen. Dessen Eigentumserwerb vollzog sich aber nicht al-
lein nach den Bestimmungen des bürgerlichen Erbrechts. Dessen Bestimmungen
wurden vielmehr durch die Vorschriften der Besitzwechselverordnungen überlagert.
Danach setzte der Eigentumserwerb des Erben die (erneute) staatliche Übertragung
des Bodenreformgrundstücks an ihn persönlich voraus. Dem Erben wuchs das Ei-
gentum an einem Bodenreformgrundstück bei Eintritt des Erbfalls nur belastet mit
einer Pflicht zur Rückgabe an den Bodenfonds zu. Erst mit der staatlichen Übertra-
gung trat der Erbe des Neubauern in dessen Rechtsposition als Bodenreformeigen-
tümer ein. Bis zu dieser Entscheidung des Staates hatte der Erbe (oder bei mehreren
Erben einer von ihnen) lediglich die tatsächliche Aussicht oder bestenfalls einen
Rechtsanspruch auf Erwerb des Eigentums an dem Bodenreformgrundstück (Be-
schluss vom 1. November 2001 - BVerwG 7 B 85.01 - m.w.N. - juris -).
Auch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1998
(BGHZ 140, 223) und des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Oktober 2000
(VIZ 2001, 111) werfen keinen Klärungsbedarf auf. Beide verhalten sich nicht zum
Rechtsnachfolgebegriff von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, sondern über Bodenreform-
grundstücke, die - weil durch keine Unrechtsmaßnahme im Sinne von § 1 VermG
betroffen - in den Nachlass fallen konnten. Zur Vererblichkeit, von der beide Gerichte
ausgehen, hatte im Übrigen schon das Oberste Gericht der DDR in seinem Urteil
vom 12. März 1953 ausgeführt, dass die Verordnungen über die Bodenreform eine
Vererbung nicht ausschlössen, aber eine Übertragung von Todes wegen kraft ge-
setzlicher oder testamentarischer Erbfolge noch eines staatlichen Aktes bedürfe bzw.
durch einen solchen bekräftigt werden müsse (Entscheidungen des OG in Zivilsa-
chen, 2. Band, 1954, Seite 115 <118 f.>).
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Ja-
nuar 2004 (NJW 2004, S. 923) ist hier - wie das Verwaltungsgericht zutreffend aus-
geführt hat - nicht einschlägig.
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Aus obigen Ausführungen ergibt sich auch, dass die von der Beschwerde behaupte-
te Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vorliegt und
es daher auch insoweit an einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache fehlt.
Mit den übrigen Ausführungen der Beschwerde wird kein Revisionszulassungsgrund
prozessordnungsgemäß dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Ausführungen
in dem Schriftsatz vom 7. Oktober 2004 sind nicht zu berücksichtigen, weil er erst am
11. Oktober 2004 und damit nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (§ 133
Abs. 3 Satz 1 VwGO) beim Verwaltungsgericht eingegangen ist.
Sailer
Krauß
Neumann