Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

VG Prof: verlängerung der frist, öffentliche gewalt, subvention, staat, meisterprüfung, anteil, handwerk, arbeitsmarkt, geschlecht, gemeinschaftsrecht

Rechtsquellen:
GG
Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1
Rili
76/207/EWG Art. 2 Abs. 1, Abs. 4
EG
Art. 141 Abs. 4
Stichworte:
Maßgeblicher Zeitpunkt für Klage auf Subventionsgewährung;
verfassungswidrige Zweckbestimmung für Subvention im Haus-
haltsplan; Diskriminierung wegen des Geschlechts; Gleichbe-
rechtigungsgebot; Frauenförderung; Maßnahmen zur tatsächlichen
Durchsetzung der Gleichberechtigung; unterschiedliche Behand-
lung von Männern und Frauen bei Förderung der Betriebsgrün-
dung.
Leitsätze:
1. Zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die Beurteilung
einer Verpflichtungsklage auf Gewährung einer durch Richtli-
nien geregelten Subvention.
2. Eine verfassungswidrige Zweckbestimmung im Haushaltsplan
für eine im Übrigen nach Richtlinien zu vergebende Subvention
ist im Rechtsstreit über die Vergabe der Subvention nicht bin-
dend.
3. Der Auftrag des Grundgesetzes an den Staat, die tatsächli-
che Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern (Art. 3
Abs. 2 Satz 2 GG), rechtfertigt es, Frauen bei der Förderung
selbständiger Betriebsgründungen im Handwerk günstigere Bedin-
gungen einzuräumen als Männern. Eine solche Bevorzugung bedarf
nicht der Regelung durch Gesetz.
Urteil des 3. Senats vom 18. Juli 2002 - BVerwG 3 C 54.01
I. VG Aachen vom 17.03.1999 - Az.: 3 K 560/97 -
II. OVG Münster vom 31.10.2001 - Az.: 4 A 2241/99 -
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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
- 2 -
BVerwG 3 C 54.01
Verkündet
OVG 4 A 2241/99
am 18. Juli 2002
Riebe
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
- 3 -
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k ,
Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i , K i m m e l
und Dr. B r u n n
für Recht erkannt:
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2001
und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 17. März
1999 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine Meister-
gründungsprämie in Höhe von 20 000 DM, die das Land Nordrhein-
Westfalen nach Maßgabe der Richtlinien über die Gewährung von
arbeitsplatzschaffenden Existenzgründungshilfen für Handwerks-
meister/-innen (Meistergründungsprämie NRW) vergibt, von dem
Beklagten als Beliehenem des Landes zu Unrecht verweigert wor-
den ist.
Der Kläger legte am 28. Januar 1993 die Meisterprüfung als
KFZ-Mechaniker ab. Im August 1996 machte er sich mit einem
KFZ-Reparaturbetrieb selbständig. Unter dem 30. Mai 1996 bean-
tragte er beim Beklagten die Bewilligung der Meistergründungs-
prämie. Durch Bescheid vom 19. November 1996 lehnte der Be-
klagte den Antrag ab mit der Begründung, der Kläger habe die
Frist zur Selbständigmachung von zwei Jahren nach Bestehen der
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Meisterprüfung gemäß Ziffer 4.1.2 der genannten Richtlinien
vom 8. Dezember 1995 (MBl NW 1996 S. 233) nicht eingehalten.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Es verstoße gegen den
Gleichheitssatz des Art. 3 GG, dass Handwerksmeisterinnen in
der genannten Vorschrift eine Frist von fünf Jahren eingeräumt
werde, während Handwerksmeister nur eine Frist von zwei Jahren
hätten. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Bescheid vom
27. Januar 1997 unter Berufung auf die eindeutige Regelung der
Richtlinien zurück.
Der Kläger hat gegen die Versagung der Zuwendung Klage auf
Neubescheidung erhoben. Er hat vorgetragen, die generelle Ein-
räumung einer längeren Frist zur Niederlassung für Handwerks-
meisterinnen als für Handwerksmeister verletze das Verbot des
Art. 3 Abs. 3 GG, jemanden wegen seines Geschlechts zu benach-
teiligen oder zu bevorzugen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen,
die Einräumung einer längeren Frist für Handwerksmeisterinnen
sei als Maßnahme zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichbe-
rechtigung von Männern und Frauen sowie zur Beseitigung beste-
hender Nachteile nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt.
Im Bereich der Wirtschaft und insbesondere des Handwerks weise
die Stellung der Frauen in Nordrhein-Westfalen nach wie vor
massive Defizite auf. Während Frauen 51,4 % der Wohnbevölke-
rung ausmachten, liege ihr Anteil an den Erwerbstätigen bei
40,7 %. Von den Selbständigen insgesamt seien 25,7 % Frauen,
während der Anteil der selbständigen Frauen im Handwerk nur
bei 13,6 % liege. Dabei sei die Tendenz sogar fallend. Die Ur-
sachen für diesen Befund seien vielfältig. Zum einen spiele
eine Rolle, dass Männer wie Frauen die Meisterprüfung regelmä-
ßig um das 30. Lebensjahr ablegten. Traditionell seien die
Frauen gerade in dieser Lebensphase stärker durch Familien-
pflichten belastet als die Männer. Zum anderen seien die psy-
chologischen und die finanziellen Hemmnisse für eine Selbstän-
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digkeit bei Frauen größer als bei Männern. So fehle es weitge-
hend an selbständigen Frauen, die durch ihre Vorbildfunktion
die Anregung zur Selbständigkeit gäben. Die finanzielle Aus-
stattung der Frauen sei, nicht zuletzt wegen ihres geringeren
durchschnittlichen Einkommens, schlechter als bei Männern.
Auch sei die Bereitschaft zur Betriebsübergabe an eine Frau
geringer als an einen Mann. Die Landesregierung habe daher im
April 1994 ein Aktionsprogramm "Frau und Beruf" beschlossen.
Danach sollten in allen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsprogram-
men frauenspezifische Regelungen verankert werden. Bestehende
Regelungen sollten gegebenenfalls zu Gunsten von Frauen modi-
fiziert und neue Programme der Arbeitsmarkt- und Wirtschafts-
förderung mit frauenfördernden Regelungen versehen werden.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 17. März
1999 stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Einräumung einer
längeren Niederlassungsfrist für Männer als für Frauen sei
willkürlich, da sie generell an das Geschlecht und nicht an im
Einzelfall konkret festzustellende tatsächliche Benachteili-
gungen anknüpfe. Wie der Gleichheitsverstoß zu beheben sei,
müssten die zuständigen Behörden entscheiden.
Mit seiner Berufung hat der Beklagte sein erstinstanzliches
Vorbringen vertieft und ergänzt. Der Kläger hat das Urteil des
Verwaltungsgerichts verteidigt.
Durch Urteil vom 31. Oktober 2001 hat das Oberverwaltungsge-
richt die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dazu hat es
ausgeführt, maßgeblich für die Beurteilung des Klagebegehrens
sei die Sach- und Rechtslage zur Zeit der gerichtlichen Ent-
scheidung. Das folge aus dem allgemeinen Grundsatz, dass bei
Verpflichtungsklagen regelmäßig dieser Zeitpunkt entscheidend
sei. Das hier einschlägige materielle Recht enthalte keine ab-
weichende Regelung. Es gehe auch nicht an, hinsichtlich der im
Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden Umstände auf einen
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anderen Zeitpunkt abzustellen.
Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehe der Haus-
haltsplan des Landes einem Erfolg der Klage nicht entgegen, da
die darin enthaltenen Erläuterungen seit 1998 keine Differen-
zierung zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der Frist zur
Betriebsgründung mehr enthielten, sondern nur von einer "bal-
digen" Niederlassung sprächen.
Eine gesetzliche Regelung sei für die streitige Subventions-
vergabe nicht notwendig, da der allgemeine Gesetzesvorbehalt
hier grundsätzlich nicht gelte und die Frage, ob bei der Ver-
gabe der Meistergründungsprämie eine nach dem Geschlecht dif-
ferenzierende Fristenregelung getroffen werden solle, nicht
von grundlegender Bedeutung sei.
Die Förderpraxis des Beklagten, die für Männer und Frauen un-
terschiedliche Betriebsgründungsfristen anwende, sei rechts-
widrig, weil sie gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstoße. Sie
beinhalte eine Benachteiligung bzw. Bevorzugung wegen des Ge-
schlechts, da Männern allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehö-
rigkeit kürzere Fristen gesetzt würden, während Frauen allein
aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit ein längerer Zeitraum
zur Verfügung stehe. Die Ungleichbehandlung sei auch nicht
durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt. Danach sei der
Gesetzgeber zwar berechtigt, faktische Nachteile, die typi-
scherweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen aus-
zugleichen; Entsprechendes gelte für Ermessensentscheidungen
der Exekutive. In diesem Rahmen obliege es dem Beklagten, alle
für seine Entscheidung wesentlichen Umstände zu ermitteln. Das
sei nicht geschehen. Es sei nicht erkennbar, welche konkreten
faktischen Nachteile für Frauen durch die längere Niederlas-
sungsfrist ausgeglichen werden sollten. Ebenso bleibe unklar,
welche konkreten Nachteile sich hinter dem Begriff der Gleich-
stellungsdefizite verbergen würden.
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Nachvollziehbar sei allerdings, dass Frauen wegen Schwanger-
schaften und Mehrfachbelastungen durch Haushalt, Kinderbetreu-
ung und Beruf Nachteile erleiden könnten. Dass dies im Hand-
werk generell der Fall sei, erscheine aber zweifelhaft. Die in
den Richtlinien getroffene generelle Regelung könne nicht mit
der Notwendigkeit einer Typisierung gerechtfertigt werden,
weil Ermittlungen darüber fehlten, wie hoch der Anteil der
tatsächlich benachteiligten Frauen sei. Auf die Vereinbarkeit
der Förderpraxis des Beklagten mit dem Gemeinschaftsrecht kom-
me es nicht an.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der
Beklagte, das Berufungsgericht habe die Regeln für die verwal-
tungsgerichtliche Nachprüfung von Ermessensentscheidungen ver-
kannt und Art. 3 Abs. 2 GG verletzt.
Was den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach-
und Rechtslage angehe, sei es zwar richtig darauf abzustellen,
ob der Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ei-
nen Anspruch auf Neubescheidung habe. Ein solcher Anspruch
scheide aber aus, wenn die Behörde eine rechtmäßige Ermessens-
entscheidung getroffen und damit den Anspruch auf eine fehler-
freie Ermessensentscheidung erfüllt habe.
Im Übrigen habe das Berufungsgericht zu Unrecht die Rechtfer-
tigung der streitigen Förderpraxis durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2
GG verneint. Die vorliegenden Daten belegten eindeutig und
zwingend, dass Frauen im Bereich der Tätigkeit als selbständi-
ge Unternehmerinnen und insbesondere als selbständige Hand-
werksmeisterinnen in gravierender Weise faktisch strukturell
benachteiligt seien. Die Verlängerung der Niederlassungsfrist
für Frauen sei ein geeignetes Mittel, diese Nachteile zu ver-
mindern, denn durch die Verlängerung der Frist auf fünf Jahre
habe der Anteil der geförderten Frauen gegenüber den Männern
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von 16 auf 19 % gesteigert werden können. Zur Beseitigung der
entsprechenden Nachteile seien bevorzugende Regelungen zuläs-
sig. Diese hielten vorliegend die für Typisierungen geltenden
Grenzen ein.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsge-
richt beteiligt sich nicht an dem Verfahren.
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Entscheidung des
Berufungsgerichts, der Beklagte sei wegen Verstoßes gegen das
Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts nach Art. 3
Abs. 3 Satz 1 GG zur Neubescheidung des Zuwendungsantrages
verpflichtet, ist mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht vereinbar und
verletzt daher Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO).
1. Das Berufungsgericht sieht als maßgeblichen Zeitpunkt für
die zu berücksichtigende Sach- und Rechtslage den Termin sei-
ner eigenen mündlichen Verhandlung an. Es stützt sich dabei
auf den Grundsatz, dass für die Beurteilung von Verpflich-
tungsklagen dieser Zeitpunkt entscheidend sei, soweit das ma-
terielle Recht keine abweichende Regelung treffe. Letzteres
verneint es hier. Es gebe keine ausdrückliche Regelung, die
einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimme. Außerdem sei
das streitige Förderprogramm nach wie vor in Geltung. Diese
- allerdings missverständlichen - Ausführungen greift der Be-
klagte im Ergebnis zu Unrecht an.
1.1 Maßgeblich für die Entscheidung eines Gerichts sind die
Rechtsvorschriften, die sich im Zeitpunkt der Entscheidung für
die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen, und zwar
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gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine
Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage
handelt; dabei kann das insoweit maßgebende Recht seinerseits
auf früheres - d.h. außer Kraft getretenes - Recht verweisen
und dieses für anwendbar erklären (vgl. Urteil vom 3. November
1994 - BVerwG 3 C 17.92 - BVerwGE 97, 79 <82>). Dieser nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zwei-
felhafte Ausgangspunkt kann in Verfahren, in denen über die
Vergabe einer durch Richtlinien geregelten Subvention gestrit-
ten wird, zu Schwierigkeiten führen. Grundlage für die Beur-
teilung eines solchen Begehrens ist, da die Richtlinien als
solche keine Rechtsnormqualität aufweisen, regelmäßig in ers-
ter Linie der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG. Diese
Bestimmung unterliegt ihrerseits zwischen der Behördenent-
scheidung und der gerichtlichen Entscheidung regelmäßig keiner
Veränderung. Verändern kann sich aber der aufgrund des Gleich-
heitssatzes zu berücksichtigende Bezugsrahmen. Subventionsre-
gelungen erstreben häufig eine zeitlich begrenzte Einflussnah-
me des Staates auf bestimmte Entwicklungen. Ändern sich die
insoweit maßgeblichen Verhältnisse, so kann eine Änderung der
Vergabevoraussetzungen notwendig werden, ohne dass dies sich
auch zu Gunsten oder zu Lasten der unter den früheren Bedin-
gungen durchgeführten Vorhaben auswirken müsste. In solchen
Fällen ist daher stets die Prüfung notwendig, ob eine Änderung
der Vergabebedingungen bereits zuvor zur Förderung gestellte
Vorhaben erfasst und ob dies insbesondere im Hinblick auf den
Zuwendungszweck mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar
ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 113 Rn. 221). Dabei
geht es hinsichtlich des zu berücksichtigenden Sachverhalts
häufig nicht um die vom Berufungsgericht angesprochene Alter-
native der letzten Verwaltungsentscheidung oder der mündlichen
Verhandlung vor Gericht; vielfach kommt es vielmehr auf den
Zeitpunkt der Antragstellung oder der Durchführung des Vorha-
bens an.
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Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Fest-
stellungen hat zwischen Antragstellung und Entscheidung des
Berufungsgerichts eine für das vorliegende Verfahren relevante
Änderung der Vergabebedingungen nicht stattgefunden. Zwar ist
durch die Änderungsrichtlinie vom 17. Februar 1998 (MBl NW
1998 S. 385) die Niederlassungsfrist für Handwerksmeister
- die Frist für Handwerksmeisterinnen blieb unverändert bei
fünf Jahren - auf drei Jahre heraufgesetzt worden. Dies ist
hier jedoch ohne Bedeutung, da der Kläger auch diese Frist
nicht eingehalten hat.
1.2 Das Berufungsgericht hat die Aussage, maßgeblich sei die
Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhand-
lung, deshalb für entscheidungserheblich gehalten, weil der
Haushaltsplan des Jahres 1997, der zum Zeitpunkt der Wider-
spruchsentscheidung galt, in den Erläuterungen zu dem hier
maßgeblichen Titel die Festlegung der Niederlassungsfrist von
zwei Jahren für Handwerksmeister und von fünf Jahren für Hand-
werksmeisterinnen selbst enthielt. Die späteren Haushaltspläne
sprechen insoweit einheitlich von einer "baldigen" Betriebs-
gründung. Das Berufungsgericht meint, die genannte Vorgabe des
Haushaltsplanes sei für Behörden und Gerichte unbedingt ver-
bindlich und stünde, wenn es auf den Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung ankäme, einem Klageerfolg zwingend
entgegen.
Dem ist jedoch nicht zu folgen. Richtig ist, dass die Bereit-
stellung von Mitteln im Haushaltsplan Voraussetzung für eine
rechtmäßige Subventionsgewährung ist (vgl. Urteil vom 8. April
1997 - BVerwG 3 C 6.95 - BVerwGE 104, 220 <222>). Der Haus-
haltsplan ermächtigt die Exekutive zur Vergabe der vorgesehe-
nen Mittel. Das ändert aber nichts daran, dass die Regelungen
des Haushaltsplanes nur verwaltungsinterne Bedeutung haben.
Für die Rechtsstellung des Bürgers sind sie nicht unmittelbar
relevant. Außerdem ist auch der Haushaltsgesetzgeber an die
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Grundrechte, insbesondere also an Art. 3 GG gebunden. Die An-
nahme des Berufungsgerichts, eine Verletzung dieses Grund-
rechts etwa durch eine gleichheitswidrige Bestimmung des Be-
zieherkreises durch den Haushaltsgesetzgeber müsse von den
(Fach-)Gerichten hingenommen werden und sei für sie unbedingt
verbindlich, verletzt die Rechtsschutzgarantie des Art. 19
Abs. 4 GG. Danach steht demjenigen, der durch die öffentliche
Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen.
Dies verbietet die Annahme, ein Bürger könne sich gegen eine
behördliche Maßnahme, die seinen Anspruch auf Gleichberechti-
gung verletzt, nicht gerichtlich zur Wehr setzen, weil diese
Maßnahme der Behörde durch den Haushaltsplan vorgegeben ist.
Zwar hat das angerufene Gericht keine Möglichkeit, den Haus-
haltsplan dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten
Normenkontrolle nach Art. 100 GG zur Überprüfung seiner Ver-
fassungsmäßigkeit vorzulegen, weil der Haushaltsplan als sol-
cher nicht entscheidungserheblich sein kann (vgl. BVerfG, Be-
schluss vom 22. Oktober 1974 - 1 BvL 3/72 - BVerfGE 38, 121;
Sturm in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 100 Rn. 9). Daraus ist a-
ber nicht seine Unüberprüfbarkeit zu folgern. Vielmehr ist er
außer Betracht zu lassen, soweit er der Verwaltung verfas-
sungswidrige Vorgaben für die Mittelverwendung macht. Dies
gilt auch für eine etwaige verfassungswidrige Festlegung des
Zuwendungszwecks.
Das verhilft der Klage aber deshalb nicht zum Erfolg, weil die
vom Berufungsgericht beanstandete unterschiedliche Betriebs-
gründungsfrist für Männer und Frauen aus den folgenden Gründen
nicht verfassungswidrig ist:
2. Das Berufungsgericht stützt seine Entscheidung, der Kläger
habe einen Anspruch auf Neubescheidung, tragend auf die Aussa-
ge, die Festsetzung unterschiedlich langer Fristen für die Be-
triebsgründung bei Handwerksmeistern und Handwerksmeisterinnen
verletze das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1
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GG. Dies ist im Prinzip richtig. Der Beklagte macht die Verga-
be der Subvention bei Frauen und Männern von unterschiedlichen
Voraussetzungen abhängig. Dies stellt eine direkte Ungleichbe-
handlung wegen des Geschlechts dar, die Art. 3 Abs. 3 Satz 1
GG ausdrücklich untersagt.
Allerdings verstößt nicht jede Ungleichbehandlung, die an das
Geschlecht anknüpft, gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Nach der neueren
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können differen-
zierende Regelungen vielmehr zulässig sein, soweit sie zur Lö-
sung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Män-
nern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich
sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82
u.a. - BVerfGE 85, 191 <207>). Diese Voraussetzungen liegen
hier jedoch offenkundig nicht vor. Die Schwierigkeiten einer
Existenzgründung, die durch die Gewährung der Meistergrün-
dungsprämie abgemildert werden sollen, treten bei Männern und
Frauen auf. Das zeigt schon die Tatsache, dass beide Gruppen
gleichermaßen als Zuwendungsbegünstigte in Betracht kommen.
Frauen mögen dabei aus vielfältigen Gründen größere Probleme
haben als Männer. Es handelt sich aber keinesfalls um Proble-
me, die ihrer Natur nach nur bei Frauen oder bei Männern auf-
treten könnten.
3. Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ist jedoch
entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung durch
das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfer-
tigt. Das gilt sowohl für die materiellen Rechtfertigungsvo-
raussetzungen (3.1) als auch für die formellen Voraussetzun-
gen, d.h. für die Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Regelung
(3.2).
3.1 Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frauen
gleichberechtigt. Diese Bestimmung hat das Bundesverfassungs-
gericht seit langem als Gleichberechtigungsgebot verstanden.
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Sie enthalte den bindenden Auftrag für den Staat, für die Zu-
kunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchzusetzen,
und ziele auf die Angleichung der Lebensverhältnisse (vgl. Ur-
teil vom 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82 u.a. - a.a.O.). Seit
1994 ist dieses Gebot durch die Anfügung des Art. 3 Abs. 2
Satz 2 GG ausdrücklich normiert und konkretisiert. Danach för-
dert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberech-
tigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin. Auch diese Vorschrift ist dem Ziel
verpflichtet, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der
gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene
Rollenverteilungen zu überwinden (vgl. BVerfG, Beschluss vom
24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - BVerfGE 92, 91 <112>).
Das Berufungsgericht meint, diese Regelung komme hier nicht
zum Zuge, weil nicht dargetan sei, dass Handwerksmeisterinnen
bei der Gründung einer selbständigen Existenz etwa durch fami-
liäre Pflichten wesentlich größeren Belastungen ausgesetzt
seien als Handwerksmeister und dass deshalb die Einräumung ei-
ner längeren Niederlassungsfrist zum Ausgleich faktischer
Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, notwendig sei.
Darin liegt eine unzulässige Verengung der Regelung auf den
Nachteilsausgleich und damit auf den 2. Halbsatz des Art. 3
Abs. 2 Satz 2 GG. Einschlägig ist aber in erster Linie der
1. Halbsatz, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung
der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert. Dieses
Ziel verfolgen die in Rede stehenden Richtlinien mit ihrer vom
Kläger angegriffenen Differenzierung in sachgerechter und ver-
hältnismäßiger Weise.
Die Begünstigung der Frauen bei den Vergabebedingungen soll
dazu beitragen, die drastische Unterrepräsentanz der Frauen in
gehobenen Positionen der Wirtschaft insgesamt und konkret im
Bereich des Handwerks zu reduzieren. Die Regelung ist Teil des
im April 1994 von der Landesregierung beschlossenen Aktions-
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programms "Frau und Beruf", das vorsieht, in allen Arbeits-
markt- und Wirtschaftsprogrammen frauenspezifische Regelungen
zu verankern. Durchgängiges Ziel ist es dabei, die Chancen der
Frauen zur Erlangung einer ihren Fähigkeiten entsprechenden
Position im Wirtschaftsleben durch Fördermaßnahmen zu verbes-
sern. Hintergrund war die in vielen Untersuchungen getroffene
Feststellung, dass die gehobenen Positionen tatsächlich nach
wie vor weitgehend den Männern vorbehalten waren und sind.
Das Berufungsgericht hat die Angaben des Beklagten über die
massive Unterrepräsentanz von Frauen gegenüber Männern in der
selbständigen Handwerksausübung zwar nicht ausdrücklich posi-
tiv festgestellt. Es hat die entsprechenden Angaben aber refe-
riert und in den Gründen lediglich als nicht ausreichend zur
Rechtfertigung der Differenzierung angesehen. Daher bestehen
keine Bedenken, sie gemäß § 137 Abs. 2 VwGO im Revisionsver-
fahren zu berücksichtigen, zumal sie auch vom Kläger nicht in
Zweifel gezogen werden und überdies als allgemeinkundige Tat-
sachen i.S. des § 291 ZPO anzusehen sein dürften. Danach ma-
chen die Frauen in Nordrhein-Westfalen zwar 51,4 % der Wohnbe-
völkerung, aber nur 13,6 % der Selbständigen im Handwerk aus.
Zu Unrecht hält das Berufungsgericht diesen Befund für irrele-
vant, weil nicht dargetan sei, welche konkreten frauentypi-
schen Nachteile dafür verantwortlich seien. Damit übersieht
es, dass Einschränkungen der Chancengleichheit zwischen Män-
nern und Frauen in der Lebenswirklichkeit aus einer Vielzahl
von Umständen gespeist werden, die von einer stärkeren Inan-
spruchnahme durch Familienarbeit über eine geringere Finanz-
ausstattung wegen schlechterer Verdienstmöglichkeiten bis hin
zu schwer ausrottbaren Vorurteilen reichen können. Dazu gehö-
ren auch psychologische Hemmnisse, die sich aus dem Fehlen
weiblicher Vorbilder, der Abneigung von Männern, ihren Betrieb
einer Frau zu übertragen, oder aus einer gewissen Risikoscheu
ergeben können. Das jeweilige Gewicht derartiger Hemmnisse zu
- 15 -
ermitteln, dürfte oft kaum möglich sein. Dies erscheint aber
auch nicht notwendig, wenn der statistische Befund über die
ungleiche Verteilung der Chancen in der Lebenswirklichkeit so
massiv ist wie im vorliegenden Zusammenhang. Es ist nicht zu
bezweifeln, dass diese drastische Unterrepräsentanz Ausdruck
vielfältiger objektiver und subjektiver Hemmnisse für Frauen
ist, den Schritt in die selbständige Berufstätigkeit als Hand-
werksmeisterin zu tun. Es kann auch keinem Zweifel unterlie-
gen, dass die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG
eben darauf zielt, derartige Hemmnisse nach Möglichkeit zu be-
seitigen.
Die Aussetzung einer Subvention ist ein typisches Mittel, ein
vom Staat gewünschtes Verhalten des Bürgers anzuregen. Dieses
Mittel eignet sich besonders zur Überwindung psychologischer
Hemmnisse aber auch zur Behebung wirtschaftlicher Widerstände.
Dass beide Elemente bei der auffälligen Zurückhaltung von
Frauen gegenüber der selbständigen Handwerkstätigkeit eine
Rolle spielen, liegt zumindest sehr nahe. Der Beklagte hat
vorliegend nicht den Weg gewählt, allein eine Existenzgrün-
dungsprämie für Frauen auszusetzen. Er hat vielmehr eine sol-
che Prämie gleichermaßen für Männer und Frauen in Aussicht ge-
stellt, den Zugang für Frauen aber dadurch erleichtert, dass
er ihnen eine längere Frist für die Aufnahme einer selbständi-
gen Tätigkeit eingeräumt hat. Dies erscheint insbesondere un-
ter subventionsrechtlichen Gesichtspunkten als sachgerecht:
Grundlegendes Element jeder Subvention ist die so genannte An-
stoßfunktion, deren Gegenstück der so genannte Mitnahmeeffekt
ist. Angesichts der wesentlich größeren Bereitschaft der Män-
ner, sich als Handwerker selbständig zu machen, ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass ein in jedem Fall zur Selbständigkeit
entschlossener Handwerksmeister die Meistergründungsprämie
"mitnimmt", mit zunehmendem Abstand von der Meisterprüfung re-
lativ groß. Ziel der Richtlinien ist es daher, einen Anreiz
für eine möglichst schnelle Selbständigkeit nach Ablegung der
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Meisterprüfung zu geben. Dies rechtfertigt die Vorgabe einer
zeitlichen Befristung für die Selbständigkeit. Die deutlich
geringere Neigung von Frauen, sich im Handwerk selbständig zu
machen, rechtfertigt es hingegen, für sie die Anreizfunktion
zeitlich auszudehnen.
Die Rechtfertigung der streitigen Differenzierung durch das
Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG setzt voraus,
dass sie in jeder Hinsicht verhältnismäßig ist. Auch diese
Voraussetzung ist erfüllt.
Die Eignung ist gegeben, weil die Maßnahme mit ihrer Anreiz-
wirkung gerade auf die Überwindung wirtschaftlicher und psy-
chologischer Hemmnisse zielt. Sie erscheint auch erfolgreich,
weil durch die Verlängerung der Niederlassungsfrist der Anteil
der Frauen an den Zuwendungsempfängern von 15 % auf 19 % ge-
steigert werden konnte. Ein anderes gleich wirksames und das
Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG weniger
tangierendes Mittel ist nicht ersichtlich.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass sich
die Beeinträchtigung der Männer durch die Frauenförderung al-
lein auf die Tatsache der Ungleichbehandlung beschränkt. Sie
erleiden im Übrigen keinen Eingriff in ihre Rechtssphäre. Sie
sind vom Zuwendungsprogramm auch nicht völlig ausgeschlossen,
sondern werden nur bei einer Zugangsvoraussetzung strengeren
Anforderungen unterworfen. Vor allem ist der ihnen gegebenen-
falls entgehende Vorteil nicht von existenzieller Bedeutung.
Angesichts der üblichen Kosten für die Einrichtung eines Hand-
werksbetriebes hängt die Möglichkeit, sich selbständig zu ma-
chen, regelmäßig nicht entscheidend vom Erhalt einer Zuwendung
von 20 000 DM ab.
Hiernach werden die Ausführungen des Berufungsgerichts der Re-
gelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht gerecht. Sie verken-
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nen den dem Staat in dieser Bestimmung erteilten Gleichberech-
tigungsauftrag.
3.2 Unter den hier gegebenen Bedingungen konnte das Land den
Gleichberechtigungsauftrag durch bloße Richtlinien erfüllen;
es bedurfte dazu nicht eines förmlichen Gesetzes. In der
Literatur wird teilweise die gegenteilige Auffassung vertreten
(vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 3 Rn. 93). Auch das
Bundesverfassungsgericht spricht davon, das Gleichberechti-
gungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG berechtige den Gesetzgeber,
faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch
begünstigende Regelungen auszugleichen (vgl. Beschluss vom
24. Januar 1995 - 1 BvL 18/93 u.a. - a.a.O. S. 109). Es er-
scheint aber zweifelhaft, ob insbesondere das Bundesverfas-
sungsgericht damit die unbedingte Notwendigkeit einer gesetz-
lichen Regelung zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG festschrei-
ben wollte. Dies stünde nämlich nicht im Einklang mit den Aus-
sagen des Gerichts zum Umfang des Gesetzesvorbehalts im Rahmen
der sog. Wesentlichkeitstheorie. Danach ist der Gesetzgeber
verpflichtet, - losgelöst vom Merkmal des "Eingriffs" - in
grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der
Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugäng-
lich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen
(BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1975 - 2 BvR 883/73 u.a. -
BVerfGE 40, 237, <249>; Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL
8/77 - BVerfGE 49, 89 <126>; vgl. auch BVerwG, Urteil vom
15. November 1974 - BVerwG 7 C 12.74 - BVerwGE 47, 201). Geht
man hiervon aus, so besteht für die Annahme eines Gesetzesvor-
behalts keine Grundlage.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Gleichberech-
tigungsgebot einschließlich des Auftrags, die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern, in der Verfas-
sung selbst enthalten ist. Diese Bestimmung richtet sich an
alle Staatsgewalten (vgl. Scholz in: Maunz/Dürig/Herzog, GG
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, Art. 3 Abs. 2 Rn. 66). Sie ist daher auch von der
Exekutive - etwa im Rahmen der ihr obliegenden Ermessensent-
scheidungen - zu beachten. Angesichts dieser Grundentscheidung
der Verfassung erscheint es nicht vertretbar, allein dem Ge-
setzgeber die Entscheidung über Maßnahmen vorzubehalten, die
in Durchbrechung des Diskriminierungsverbots die tatsächliche
Durchsetzung der Gleichberechtigung zum Gegenstand haben, wenn
nicht die Bedeutung der Maßnahme im Übrigen das Tätigwerden
des Gesetzgebers gebietet. Das ist aber in Fällen der hier
vorliegenden Art nicht anzunehmen.
Diese Fälle sind - wie bereits ausgeführt - dadurch gekenn-
zeichnet, dass die Förderung der Frauen in keiner Weise mit
einem Nachteil für Männer verbunden ist. Anders als beispiels-
weise bei der Privilegierung von Frauen im öffentlichen
Dienst, die stets zu Lasten eines männlichen Konkurrenten
geht, handelt es sich bei der Förderung durch Vergabe finan-
zieller Zuwendungen um eingriffsneutrale Maßnahmen, die nie-
mandem einen Nachteil zufügen. Bei ihnen besteht daher verfas-
sungsrechtlich ebenso wie bei speziell frauenadressierten In-
formations- und Bildungsangeboten nur ein geringer Rechtferti-
gungsbedarf (vgl. Osterloh in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 3
Rn. 281; Eckertz-Höfer in: AK-GG, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 66). Es
erscheint vertretbar, unter diesen Voraussetzungen unmittelbar
in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eine ausreichende Rechtsgrundlage
für das Zurücktreten des Gleichbehandlungsanspruchs nach
Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG zu sehen. Die Notwendigkeit, für jeden
Förderungsakt zu Gunsten des unterrepräsentierten Geschlechts
eine gesetzliche Grundlage bereitzustellen, auch wenn Angehö-
rige des tatsächlich privilegierten Geschlechts keinerlei
Nachteil erleiden, würde dagegen die Realisierung des Gleich-
berechtigungsgebots wesentlich erschweren, ohne mit einem kon-
kreten rechtsstaatlichen Gewinn verbunden zu sein.
4. Das Berufungsgericht ist auf die Zulässigkeit der streiti-
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gen Differenzierung nach Gemeinschaftsrecht - von seinem
Standpunkt aus zu Recht - nicht näher eingegangen. Die Prüfung
ergibt aber, dass das Gemeinschaftsrecht dieser Differenzie-
rung nicht entgegensteht, so dass sich das Berufungsurteil
auch nicht im Ergebnis als zutreffend erweist (§ 144 Abs. 4
VwGO).
Einschlägig ist hier die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom
9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleich-
berechtigung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs
zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Auf-
stieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl 1976
Nr. L 39/40). Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie beinhaltet
der Grundsatz der Gleichberechtigung, dass keine unmittelbare
oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
- insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familien-
stand - erfolgen darf. Wie zu Art. 3 Abs. 3 GG ausgeführt,
liegt in der Bevorzugung der Frauen bei der Vergabe der Meis-
tergründungsprämie eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts.
Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie bestimmt aber - inhaltlich
gleichgerichtet mit Art. 141 Abs. 4 EG -, dass diese Richt-
linie nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit
für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tat-
sächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frau-
en hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich
des Aufstiegs, der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicher-
heit beeinträchtigen, entgegensteht. Der Europäische Gerichts-
hof hat sich mit diesen Grundsätzen mehrfach in Verfahren
befasst, in denen es um die Konkurrenzsituation mehrerer Be-
werber um Einstellung oder Aufstieg im öffentlichen Dienst
ging (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1995 - Rs C-450.93 - EuGHE
1995 I S. 3069 "Kalanke"; Urteil vom 11. November 1997
- Rs C-409.95 - EuGHE 1997 I S. 6383 "Marschall"; Urteil vom
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6. Juli 2000 - Rs C-407.98 - "Abrahamsson"). In diesen Urtei-
len hat der Europäische Gerichtshof eine bevorzugte Beförde-
rung von Frauen bei gleicher Qualifikation von Bewerbern un-
terschiedlichen Geschlechts für zulässig erachtet, wenn die
entsprechende Regelung eine "Öffnungsklausel" enthält, die die
Prüfung ermöglicht, ob nicht in der Person eines männlichen
Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Die Entscheidungen
sind nicht ohne weiteres übertragbar, weil sie von der hier
nicht vorliegenden Konkurrenzsituation zwischen bestimmten
Männern und Frauen ausgehen. Immerhin heißt es im Urteil
Marschall, Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie habe den bestimmten
und begrenzten Zweck, Maßnahmen zuzulassen, die zwar dem An-
schein nach diskriminierend seien, tatsächlich aber in der so-
zialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten besei-
tigen oder verringern sollen; so seien danach nationale Maß-
nahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich
des Aufstiegs zulässig, die Frauen spezifisch begünstigen und
ihre Fähigkeit verbessern sollen, auf dem Arbeitsmarkt mit an-
deren zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie
Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen (a.a.O.
Rz. 26 und 27). Diese Ausführungen lassen erkennen, dass För-
dermaßnahmen zu Gunsten von Frauen, die allein eine Verbesse-
rung von deren Ausgangssituation erstreben, ohne irgendwelche
Männer zu benachteiligen, ohne weiteres nach Art. 2 Abs. 4 der
Richtlinie zulässig sein sollen.
Hinzuweisen ist außerdem auf ein Urteil des Gerichtshofs vom
19. März 2002 (- Rs C-476.99 - "Lommers"), das sich mit der
bevorzugten Bereitstellung subventionierter Kindergartenplätze
an weibliche Beschäftigte eines Ministeriums durch diesen Ar-
beitgeber beschäftigt. Der Europäische Gerichtshof hat die ge-
nerelle Beschränkung der Vergabe der Kindergartenplätze an
Frauen für zulässig erachtet, dies allerdings unter dem Vorbe-
halt, dass die in der Regelung zu Gunsten der männlichen Beam-
ten vorgesehene Ausnahme "für Notfälle" dahin ausgelegt werde,
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dass sie allein erziehenden männlichen Beamten den Zugang zu
dem Kinderbetreuungssystem zu den gleichen Bedingungen eröffne
wie den weiblichen Beamten.
Als entscheidenden Maßstab hat der Gerichtshof hierbei den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen (a.a.O. Rz. 39).
Dazu hat er ausgeführt, es sei grundsätzlich Sache der natio-
nalen Gerichte, die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrund-
satzes zu überwachen (a.a.O. Rz. 40). Damit ist die gemein-
schaftsrechtliche Beurteilung nach demselben Maßstab vorzuneh-
men, der oben bei der Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG
zugrunde gelegt worden ist. Da die Beachtung des Verhältnismä-
ßigkeitsgrundsatzes nach dem genannten Urteil Sache des natio-
nalen Gerichts ist, besteht zu einer - auch von den Verfah-
rensbeteiligten nicht angeregten - Vorlage nach Art. 234 EG
kein Anlass.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick
Dr. Borgs-Maciejewski
Kimmel
Dr. Brunn
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfah-
ren auf 5 112,92 € festgesetzt.
Prof. Dr. Driehaus
van Schewick
Dr. Borgs-Maciejewski
Kimmel
Dr. Brunn