Urteil des BVerwG vom 10.12.2003

BVerwG: gebäude, grundeigentümer, grundeigentum, siloanlage, vertreter, antragsrecht, nutzungsrecht, interessenkonflikt, entzug, rückgriff

Rechtsquellen:
GG
Art. 14 Abs. 1
LwAnpG
§ 56 Abs. 1, § 58 Abs. 1, § 59 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 2, § 64
FlurbG §§
27
ff.
SachenRBerG § 15 Abs. 1, § 28 Satz 2, § 31, § 32, § 53 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 1,
§ 61 Abs. 1, § 68 Abs. 1
ErbbauVO
§ 20 Nr. 3
Stichworte:
Bodenneuordnung nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz; Anordnungsbe-
schluss; Antragsbefugnis des Gebäudeeigentümers; gestuftes Verfahren; Wertermitt-
lung; Bodenordnungsplan; Landabfindung; Grundeigentum; Gebäudeeigentum; Sa-
chenrechtsbereinigung; Ankaufsrecht; Erbbaurechtsbestellung; Einrede der geringen
Restnutzungsdauer; Abschluss eines Mietvertrags.
Leitsatz:
Der Grundeigentümer kann die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens nicht ver-
hindern, indem er die Einrede der geringen Restnutzungsdauer (§ 31 Abs. 1
SachenRBerG) erhebt.
Urteil des 9. Senats vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 9 C 5.03
I. OVG Bautzen vom 18.10.2002 - Az.: OVG F 7 D 13/01 -
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IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 5.03
Verkündet
OVG F 7 D 13/01
am 10. Dezember 2003
Oertel
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2003
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r , Prof. Dr. R u b e l ,
Dr. E i c h b e r g e r und Dr. N o l t e
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen
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Oberverwaltungsgerichts (Flurbereinigungsgericht) vom
18. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens ein-
schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
G r ü n d e :
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens "Ge-
treidesiloanlage in G., W. Straße". Er ist Eigentümer der Flurstücke ... und ... (Flur 1
der Gemarkung G.). Der Vater des Klägers hatte diese Flurstücke im Jahre 1967 als
Genossenschaftsbauer in eine LPG eingebracht, deren Rechtsnachfolgerin die Bei-
geladene ist. Zugunsten der Beigeladenen ist Gebäudeeigentum an insgesamt 16
Getreidesilos im Grundbuch eingetragen, die teilweise auf dem südlichen Teil des
Flurstücks ... stehen. Auf dem Flurstück ... befindet sich eine Mistplatte mit Jauche-
grube, die zu einem auf dem Nachbargrundstück errichteten Rinderstall gehört. Hier-
für gibt es keine Grundbucheintragung.
Mit Schreiben vom 29. Januar 1992 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigela-
denen, die Agrargemeinschaft G. i.G., beim damaligen Staatlichen Amt für ländliche
Neuordnung (ALN) L. u.a. für die auf dem Flurstück ... befindliche Siloanlage die Zu-
sammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum. Dem schloss sich die Beigela-
dene mit Schreiben vom 3. November 1993 an. Der Kläger stellte am 28. März 1995
seinerseits einen Antrag auf Anordnung des Bodenordnungsverfahrens mit dem Ziel,
im Gegenzug für eine Übertragung des Eigentums an dem Flurstück ... einen Abriss
der baulichen Anlagen auf dem Flurstück ... zu erlangen. Nachdem Gespräche mit
dem Ziel einer gütlichen Einigung ergebnislos verlaufen waren, ordnete das inzwi-
schen zuständige ALN W. mit Beschluss vom 28. März 2000 die Durchführung der
Bodenordnung für die genannten sowie weitere Flurstücke an.
Gegen die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens legte der Kläger Widerspruch
ein, zu dessen Begründung er vortrug, die Entscheidung sei ohne Berücksichtigung
der Restnutzungsdauer der Baulichkeiten ergangen. Nach der analog anzuwenden-
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den Regelung des § 31 Abs. 1 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes
(SachenRBerG) könne der Grundstückseigentümer die dauerhafte Zusammenfüh-
rung von Grund- und Gebäudeeigentum verweigern, wenn die Restnutzungsdauer
der vom Nutzer errichteten Anlage weniger als 25 Jahre betrage. Die Siloanlage wei-
se eine Restnutzungsdauer von 25 Jahren nicht mehr auf.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2001 wies das ALN W. den Widerspruch des Klägers
zurück und führte im Wesentlichen aus: Angesichts der unterschiedlichen gesetzli-
chen Zielrichtungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes und des Sachen-
rechtsbereinigungsgesetzes verbiete sich ein Rückgriff auf § 31 Abs. 1
SachenRBerG. Die mit dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz angestrebte Wieder-
herstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe erfordere eine
Eigentumsneuordnung auch in den Fällen, in denen dem Sondereigentum nur ein
geringer Restwert beizumessen sei. Erst im weiteren Verfahrensstadium, nämlich bei
der Wertermittlung bzw. bei Erlass des Bodenordnungsplans und der darin zu re-
gelnden Zuweisung des zusammengeführten Eigentums, könne eine geringe Rest-
nutzungsdauer berücksichtigt werden.
Der Kläger hat daraufhin Klage beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht (Flurbe-
reinigungsgericht) erhoben und unter Wiederholung seiner Rechtsauffassung bean-
tragt,
den Bodenordnungsbeschluss des Staatlichen Amtes für ländliche Neuord-
nung W. vom 28. März 2000 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom
19. Februar 2001 aufzuheben, soweit darin die Flurstücke ... und ... der Ge-
markung G., Flur 1, einbezogen worden sind.
hinsichtlich des Flurstücks ... stattgegeben, im Übrigen die Klage aber abgewiesen.
Zur Begründung hat das Flurbereinigungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:
Die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens für das Flurstück ... sei rechtswidrig
erfolgt, weil sich in Ansehung der darauf befindlichen Mistplatte mit Jauchegrube kein
Gebäudeeigentum feststellen lasse. Die Klage könne dagegen keinen Erfolg haben,
soweit sie das Flurstück ... betreffe. Insofern seien sämtliche Voraussetzungen für
die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens gegeben. Der Kläger berufe sich ohne
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Erfolg darauf, dass die Siloanlage eine Restnutzungsdauer von unter 25 Jahren auf-
weise. Eine derartige Einschränkung des Rechts zur Neuordnung der Eigentumsver-
hältnisse kenne das Landwirtschaftsanpassungsgesetz nicht. § 31 Abs. 1
SachenRBerG könne im Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz
keine Berücksichtigung finden. Der Wortlaut des § 64 LwAnpG biete für eine Ein-
schränkung der Befugnis zur Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens nach
Maßgabe des § 31 SachenRBerG keinen Anhaltspunkt. Eine entsprechende Anwen-
dung erscheine auch nicht deshalb veranlasst, weil das Sachenrechtsbereinigungs-
gesetz wie auch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz in Gestalt der Bereinigung
auseinander fallender Eigentumsrechte an Boden- und Gebäude- bzw. Anlagenei-
gentum eine vergleichbare Zielsetzung verfolgten. Die Zielsetzung des Landwirt-
schaftsanpassungsgesetzes gehe ausweislich seines § 3 deutlich über das Sachen-
rechtsbereinigungsgesetz hinaus, diene es doch im Gegensatz zu letzterem der
Entwicklung einer vielfältig strukturierten Landwirtschaft und der Schaffung der Vo-
raussetzungen für die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Land-
wirtschaftsbetriebe. Demgegenüber räume § 31 Abs. 1 SachenRBerG dem Eigentü-
mer eines Grundstücks gegenüber dem Begehren auf Abschluss eines Erbbaurechts
oder Grundstückskaufvertrages durch den Nutzer eines Grundstücks, auf dem jener
ein Gebäude errichtet habe, die Einrede ein, dass die Restnutzungsdauer des Ge-
bäudes weniger als 25 Jahre betrage. Für diesen Fall könne der Nutzer vom Grund-
stückseigentümer nur noch den Abschluss eines Mietvertrages über die erforderliche
Funktionsfläche verlangen, dessen Laufzeit nach der Restnutzungsdauer des Ge-
bäudes zu bestimmen sei. Damit regle § 31 SachenRBerG eine vollkommen andere
Situation, als sie im Falle der Anwendung des § 64 LwAnpG bestehe. Hier stelle sich
nämlich lediglich die Frage, ob ein Bodenordnungsverfahren durchzuführen sei oder
nicht. Mit welchen Folgen das sich anschließende Bodenordnungsverfahren für die in
Rede stehenden Eigentumsrechte dann abgeschlossen werde, bleibe durch den Bo-
denordnungsbeschluss vollkommen offen. Ob das Grundeigentum in dem zur
zweckentsprechenden Nutzung des Gebäudes erforderlichen Maße dem Gebäude-
eigentümer zugesprochen werde oder umgekehrt das Gebäude auf den Grund-
stückseigentümer übergehe, sei eine erst im Verlaufe des Bodenordnungsverfahrens
zu klärende Frage. Sie werde durch den Anordnungsbeschluss nicht präjudiziert und
beurteile sich nach den berechtigten Interessen der Beteiligten unter Berücksichti-
gung der agrarstrukturellen Belange.
- 6 -
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein vorinstanzliches Vorbringen. Er beantragt,
das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2002 zu
ändern und den Bodenordnungsbeschluss des Staatlichen Amtes für ländliche
Neuordnung vom 28. März 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom
19. Februar 2001 aufzuheben, soweit darin das Grundstück ... der Gemarkung
G., Flur 1, einbezogen worden ist.
Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und beantra-
gen,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht weist darauf
hin, dass der Bodeneigentümer im Bodenordnungsverfahren durch seinen Anspruch
auf wertgleiche Abfindung nach § 58 Abs. 1 LwAnpG geschützt sei, während es im
Fall der Sachenrechtsbereinigung bei Ausübung des Ankaufsrechts zu einem unmit-
telbaren Entzug der Flächen komme, der unverhältnismäßig wäre, wenn nicht durch
§ 31 SachenRBerG ein Interessenausgleich herbeigeführt werde.
II.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg; sie ist unbegründet.
Das angefochtene Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht. Der Einleitung des Bo-
denordnungsverfahrens steht nicht entgegen, dass der Kläger die Einrede erhoben
hat, die auf dem Flurstück ... aufstehende Siloanlage habe eine Restnutzungsdauer
von weniger als 25 Jahren. Das Flurbereinigungsgericht hat zutreffend angenom-
men, dass § 31 Abs. 1 SachenRBerG bei der Einleitung des Bodenordnungsverfah-
rens nicht zu berücksichtigen ist.
Nach § 64 LwAnpG, der die Voraussetzungen für die Einleitung des Bodenord-
nungsverfahrens regelt, erfolgt dessen Anordnung "auf Antrag des Eigentümers der
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Fläche oder des Gebäudes". Die Antragsbefugnis ist nach § 57 LwAnpG "auf der
Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln". Entsteht Streit über die Ei-
gentumslage, weil diese sich nicht aus den Grundbucheintragungen ergibt, ist die
Antragsbefugnis des Antragstellers von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urteil
vom 2. September 1998 - BVerwG 11 C 4.97 - BVerwGE 107, 177 <185>). Zu die-
sem Zweck ist die Eigentumslage zur Zeit der DDR auf der Grundlage der insoweit
für den Beitritt erlassenen Vorschriften nachzuzeichnen. Letztere ordnen, soweit es
um LPG-Gebäudeeigentum geht, in Art. 233 § 2b Abs. 2 EGBGB die Anlegung eines
Gebäudegrundbuchblatts und damit die Geltung des Immobiliarsachenrechts der
Bundesrepublik Deutschland an (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 9. März 1999
- BVerwG 3 C 21.98 - Buchholz 115 SonstWiedervereinigungsrecht Nr. 21). Soweit
demnach - wie hier - der Nutzer landwirtschaftlicher Gebäude oder Anlagen als An-
tragsteller nach § 64 LwAnpG auftritt, richtet sich seine Antragsbefugnis somit da-
nach, ob er sein Gebäudeeigentum nachweisen kann. Das setzt voraus, dass er
entweder zu Recht im Gebäudegrundbuch eingetragen ist oder diese Eintragung
nachträglich beanspruchen kann, wenn sie bislang noch nicht erfolgt ist. Weiterge-
hende Anforderungen an die Antragsbefugnis stellt § 64 LwAnpG nicht.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 29. Juli 2002 - BVerwG 9 C 1.02 -
(Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 9, S. 7) eine der Antragsbefugnis auf
der Grundlage einer entsprechenden Anwendung des § 5 Abs. 2 SachenRBerG ab-
gelehnt und dieses Ergebnis damit begründet, § 64 LwAnpG regele die Anordnungs-
befugnis für das Bodenordnungsverfahren "abschließend"; das "in § 64 LwAnpG klar
begrenzte Antragsrecht" sei deswegen nicht auszudehnen. Diese Überlegung steht
aber auch der vom Kläger geforderten der Antragsbefugnis entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend
darauf aufmerksam gemacht, dass die Restnutzungsdauer landwirtschaftlicher Ge-
bäude und Anlagen ein häufiger Streitpunkt zwischen dem Grundeigentümer und
dem Gebäudeeigentümer ist. Der "in § 64 LwAnpG enthaltene Gestaltungsauftrag"
(so BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997 - BVerwG 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128
<134>) verlangt von den zuständigen Behörden, dass sie im Interesse einer Struk-
turverbesserung des ländlichen Raums in den neuen Bundesländern die Aufspaltung
zwischen Gebäude- und Grundeigentum zügig überwinden. Wenn sie den Streit über
die Restnutzungsdauer austragen müssten, bevor sie einen Anordnungsbeschluss
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erlassen dürften, würde die Erfüllung dieses Gestaltungsauftrags ohne Notwendigkeit
ernsthaft behindert. Die in der Praxis zu bewältigenden Schwierigkeiten sind in die-
sem Bereich ohnehin groß genug (vgl. Laudemann, Probleme der Antragsbefugnis
zur Einleitung des Bodenordnungsverfahrens gemäß § 64 LwAnpG, RdL 2002, 1 ff.).
Das Bodenordnungsverfahren ist dreistufig ausgestaltet. Zumindest auf seiner ersten
Stufe - der Anordnung des Bodenordnungsverfahrens (vgl. § 56 Abs. 1 LwAnpG) -
weist dieses Regelungssystem keine Lücke auf, die eine entsprechende Anwendung
des § 31 Abs. 1 SachenRBerG erforderlich machen könnte. Dem Anordnungsbe-
schluss folgt auf der nächsten Stufe die Feststellung der Ergebnisse der Wertermitt-
lung (vgl. § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. §§ 27 ff. FlurbG). Dem folgt auf der dritten Stu-
fe der Bodenordnungsplan (vgl. § 59 Abs. 1 LwAnpG), der insbesondere die Ent-
scheidung über die Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum trifft.
Nach Einleitung des Bodenordnungsverfahrens bieten die weiteren Verfahrensstufen
Raum für die Berücksichtigung der Restnutzungsdauer der landwirtschaftlichen Ge-
bäude oder Anlagen, die in das Verfahren einbezogen worden sind. Soweit dem Ge-
bäudeeigentümer nicht ein Nutzungsrecht zusteht, das ihn zu einem Neubau berech-
tigen würde (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 75), führt eine geringe Restnutzungsdauer
notwendig zu einer Erhöhung des Bodenwertes, die im Rahmen der Wertfestsetzung
dem Bodeneigentümer zugute kommt. In diesem Fall wird die zuständige Behörde
außerdem auch unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Restnutzungsdauer prüfen
müssen, ob bei der im Bodenordnungsplan zu treffenden Zuteilungsentscheidung
nicht dem Bodeneigentümer gegenüber dem Gebäudeeigentümer Vorrang einzu-
räumen ist, weil gewichtigere Belange dafür sprechen, Boden- und Gebäudeeigen-
tum in seiner Hand zu vereinigen.
Ein Verzicht auf die entsprechende Anwendung des § 31 Abs. 1 SachenRBerG bei
der Entscheidung über die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens begegnet auch
- etwa unter dem Aspekt des Art. 14 Abs. 1 GG - keinen verfassungsrechtlichen Be-
denken. Wie der erkennende Senat entschieden hat (Urteil vom 17. Dezember 1998
- BVerwG 11 C 5.97 - BVerwGE 108, 202 <215>), wollte der Gesetzgeber des Land-
wirtschaftsanpassungsgesetzes bei der Zusammenführung von Gebäude- und
Grundeigentum keinem der beiden Rechtsinhaber eine Präferenzstellung einräumen.
Die im Schrifttum geäußerte Kritik, dass Eigentümer von baulichen Anlagen mit ge-
- 9 -
ringer Restnutzungsdauer im Bodenordnungsverfahren die Grundeigentümer dem-
gegenüber zwingen könnten, "ihren unvermehrbaren und zeitlich unbegrenzt nutzba-
ren Boden" zu "opfern" (so Kuchs, Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz und seine
Folgen, RdL 2003, 88 <90>), geht fehl (vgl. Fritzsch, Flurneuordnungsverfahren bei
Gebäuden und Anlagen mit geringer Restnutzungsdauer, RdL 2003, 169 <170 f.>)
und rechtfertigt die Heranziehung des § 31 Abs. 1 SachenRBerG auf der Stufe der
Anordnung des Bodenordnungsverfahrens nicht. Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu
bemerken:
Nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG kann der Grundstückseigentümer den Abschluss
eines Erbbaurechtsvertrages (vgl. § 32 SachenRBerG) oder eines Grundstückskauf-
vertrages (vgl. § 61 Abs. 1 SachenRBerG), den der Nutzer (vgl. § 9 SachenRBerG)
von ihm nach seiner Wahl verlangen kann (vgl. § 15 Abs. 1 SachenRBerG), dann
verweigern, wenn das vom Nutzer errichtete Gebäude oder die bauliche Anlage öf-
fentlichen Zwecken dient oder land-, forstwirtschaftlich oder gewerblich genutzt wird,
dem Nutzer ein Nutzungsrecht nicht bestellt wurde und die Restnutzungsdauer des
Gebäudes oder der baulichen Anlage in dem Zeitpunkt, in dem der Nutzer Ansprü-
che nach Kapitel 2 des Gesetzes geltend macht, weniger als 25 Jahre beträgt. Der
Gesetzgeber hat mit dieser Regelung zwei unterschiedliche Zielrichtungen verfolgt,
die beide nichts mit der Situation zu tun haben, die für das Bodenordnungsverfahren
kennzeichnend ist.
Die Gesetzesbegründung (BTDrucks 12/5992, S. 75) führt für die Einrede der gerin-
gen Restnutzungsdauer zunächst den Gedanken an, dass "eine Verdinglichung des
Nutzungsrechts dem Nutzer keine Vorteile bietet, da ein Erbbaurecht mit kurzer
Laufzeit nicht mehr vernünftig beleihbar ist (vgl. § 20 Nr. 3 ErbbauVO)". Die genannte
Vorschrift gehört zu den Regelungen über die Mündelhypothek und besagt, dass die
planmäßige Tilgung dieser Hypothek "spätestens zehn Jahre vor Ablauf des Erbbau-
rechts endigen" muss. Ein Erbbaurecht mit weniger als 25 Jahren Restlaufzeit ist aus
diesem Grunde kaum noch ein geeignetes Beleihungsobjekt. Die Bestellung eines
Erbbaurechts wäre "untunlich" (so BTDrucks 12/5992, S. 130). Die Regelung ist im
Übrigen im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 53 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG
zu sehen, die für land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Zwecken dienen-
de Gebäude oder bauliche Anlagen eine Nutzungsdauer von 50 Jahren vorgibt. Die-
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se Frist, die der Laufzeit des zu bestellenden Erbbaurechts zugrunde zu legen ist,
soll ungefähr der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Neubaus entsprechen (vgl.
BTDrucks 12/5992, S. 145). Auf Verlangen des Grundeigentümers ist nach § 53
Abs. 3 Satz 1 SachenRBerG eine verkürzte Laufzeit nach der Restnutzungsdauer zu
vereinbaren, wenn diese weniger als 50 Jahre, jedoch mehr als 25 Jahre beträgt.
Insofern wird hier wieder auf die Frist des § 31 Abs. 1 SachenRBerG abgestellt.
Mit einem Rückgriff auf diesen Regelungszusammenhang ist eine Einschränkung der
Antragsbefugnis des Gebäudeeigentümers zur Anordnung des Bodenordnungsver-
fahrens nicht zu rechtfertigen. Denn der Gesetzgeber wollte insoweit lediglich einer
Eigentümlichkeit des Erbbaurechts Rechnung tragen. Der Nutzer, der einen An-
spruch auf Erbbaurechtsbestellung (vgl. § 32 SachenRBerG) geltend macht, wird
durch die Einrede der geringen Restnutzungsdauer, die der Grundeigentümer erhe-
ben kann, letztlich im eigenen wohlverstandenen Interesse darauf verwiesen, gemäß
§ 31 Abs. 2 SachenRBerG den Abschluss eines Mietvertrages zu verlangen, dessen
Laufzeit nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes zu bemessen ist. Eine Parallele
im Bodenordnungsverfahren, die einen überzeugenden Grund dafür liefern könnte,
entsprechend der geringen Restnutzungsdauer das Antragsrecht nach § 64 LwAnpG
einzuschränken, ist insoweit nicht ersichtlich.
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Eine Lücke in dem System der Bodenneuordnung, die es durch eine entsprechende
Anwendung des § 31 Abs. 1 SachenRBerG zu überwinden gilt, ist somit allenfalls mit
Rücksicht auf die - weitere - gesetzgeberische Erwägung in Betracht zu ziehen, die
dafür maßgebend war, auch das Ankaufrecht des Nutzers (vgl. § 61 Abs. 1
SachenRBerG) auszuschließen. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, dass
"der Bodenwertanteil des Nutzers bei kurzer Restlaufzeit eines ihm zu gewährenden
Nutzungsrechts nur gering ist (vgl. dazu Nr. 5.2.3.1 der Wertermittlungsrichtlinien
1991)". Bei einem "sehr kleinen Bodenwertanteil" sei es aber geboten, dem Nutzer
das Ankaufsrecht zu versagen (vgl. BTDrucks 12/5992, S. 75). Der auf den Nutzer
entfallende Bodenwertanteil rechtfertige dann das Ankaufsrecht nicht (vgl. BTDrucks
12/5992, S. 130). Hieran knüpft - unausgesprochen - die Revision an, wenn sie da-
rauf hinweist, der Kläger müsse hier mit einem Entzug seines Eigentums an dem
Flurstück 46/1 rechnen, wenn das Bodenordnungsverfahren erst einmal angeordnet
worden sei. Diesen Einwand räumt das Flurbereinigungsgericht nicht überzeugend
aus, wenn es darauf hinweist, die Frage, ob das Grundeigentum dem Gebäudeei-
gentümer zugesprochen werde oder ob umgekehrt das Gebäude auf den Grundei-
gentümer übergehe, werde durch den Anordnungsbeschluss nicht präjudiziert. Denn
die Antragstellung des Gebäudeeigentümers hat in der Tat regelmäßig zur Folge,
dass der Grundeigentümer weichen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1997
- BVerwG 11 C 2.97 - a.a.O. <133>). Der umgekehrte Fall, dass der Gebäudeeigen-
tümer sich abfinden lassen muss, wird in der Praxis eher die Ausnahme bleiben.
Dennoch ist die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts, auf eine Heranziehung
des § 31 Abs. 1 SachenRBerG zu verzichten, im Ergebnis zu billigen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht betont in seiner
Stellungnahme mit Recht, dass der Grundeigentümer im Bodenordnungsverfahren
- anders als in der Sachenrechtsbereinigung - nicht gegen seinen Willen auf einen
Geldzahlungsanspruch verwiesen werden kann, weil er nach § 58 Abs. 1 LwAnpG
einen Anspruch auf wertgleiche Landabfindung hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. De-
zember 1998 - BVerwG 11 C 5.97 - a.a.O. <206 ff.>). Eine Enteignung findet somit
nicht statt. Gelingt es der Flurneuordnungsbehörde nicht, entsprechendes Tausch-
land zu ermitteln und bereit zu stellen, ist das Verfahren nach § 64 LwAnpG einzu-
stellen (zutreffend Fritzsch, a.a.O., S. 170). Damit ist nach § 28 Satz 2 SachenRBerG
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der Weg zur Sachenrechtsbereinigung und zur Anwendung von § 31 Abs. 1
SachenRBerG frei. Die zuletzt genannte Vorschrift verhindert dann, dass der Gebäu-
deeigentümer durch ein Verlangen nach § 61 Abs. 1 SachenRBerG den Bodeneigen-
tümer zum Verkauf seines Grundeigentums zwingen kann, obwohl die Restnut-
zungsdauer der landwirtschaftlichen Gebäude oder Anlagen weniger als 25 Jahre
beträgt. Dem Gebäudeeigentümer soll in diesem Fall das Ankaufsrecht versagt blei-
ben. Der Grundeigentümer ist nur zum Abschluss eines befristeten Mietvertrags ver-
pflichtet (vgl. § 31 Abs. 2 SachenRBerG), so dass er zu späterer Zeit seine Eigen-
tumsrechte wieder in vollem Umfang ausüben kann. Wie der Vertreter des Bundesin-
teresses beim Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt, hat der Gesetzgeber
auf diese Weise versucht, den Interessenkonflikt zwischen Gebäudeeigentümer und
Grundeigentümer einer Lösung zuzuführen, die unverhältnismäßige Ergebnisse der
Sachenrechtsbereinigung vermeidet. Das Bodenordnungsverfahren ist zwar eben-
falls von dem genannten Interessenkonflikt geprägt, führt diesen aber auf anderen
Wegen zu einem angemessenen Ausgleich, so dass zumindest auf der Verfahrens-
stufe des Anordnungsbeschlusses für eine Heranziehung des § 31 Abs. 1
SachenRBerG kein Raum bleibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Hien
Vallendar
Prof. Dr. Rubel
Dr. Eichberger
Dr. Nolte
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Zugrundelegung des vom Flurbereini-
gungsgericht gewählten Ansatzes (1 250 €/ha bei 0,547 ha des Flurstücks ...) für das
Revisionsverfahren auf 683,75 € festgesetzt (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 2
GKG).
Hien
Vallendar
Prof. Dr. Rubel