Urteil des BVerwG vom 13.02.2007

BVerwG (stand der technik, beschwerde, begründung, zulassung, planung, antrag, rechtssatz, antragsteller, kenntnis, 1995)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 BN 16.07 und 4 VR 1.07
VGH 8 N 06.2040
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Mai 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Dr. Jannasch
beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwal-
tungsgerichtshofs vom 13. Februar 2007 wird zurückge-
wiesen.
Der Antrag des Antragstellers auf Außervollzugsetzung
des Bebauungsplans Nr. 118a „Kommunale Entlastungs-
straße Holzkirchen-Nord, Bauabschnitt 02“ des Antrags-
gegners wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens und des Eilverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 10 000 € und für das Eilverfahren auf
5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Das Normenkontrollgericht hat den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit
des Bebauungsplans Nr. 118a „Kommunale Entlastungsstraße Holzkirchen-
Nord, Bauabschnitt 02“ des Antragsgegners mit einer doppelten Begründung
abgelehnt. Der Antrag sei zum einen unzulässig, weil der Antragsteller nicht
antragsbefugt sei. Der Antrag sei zum anderen unbegründet, da der Bebau-
ungsplan nicht an Mängeln leide, die zu seiner Unwirksamkeit führten.
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Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begrün-
dungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsicht-
lich jeder dieser Begründungen mit Erfolg ein Revisionszulassungsgrund gel-
tend gemacht wird (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH
28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur be-
züglich einer Begründung ein Zulassungsgrund vorliegt, kann diese Begrün-
dung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfah-
rens ändert. Die Beschwerde, die dies zutreffend erkennt, macht gegen beide
Begründungen des Normenkontrollurteils Gründe für die Zulassung der Revisi-
on geltend. Sie scheitert bereits daran, dass sie in Bezug auf die erste Begrün-
dung keinen Grund für die Zulassung der Revision darlegt (dazu a und b). Dar-
über hinaus zeigt sie auch hinsichtlich der zweiten Begründung einen Grund für
die Zulassung der Revision nicht auf (dazu unter c bis e).
a) Die Frage, ab welchem Grad eine Lärmbelastung oder eine (relative) Lärm-
zunahme) ungeachtet der sonstigen Gegebenheiten des Einzelfalles in die pla-
nerische Abwägung einzustellen ist und für sich genommen die Antragsbefug-
nis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründet, rechtfertigt nicht die Zulassung
der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn auf sie lässt sich antworten,
ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Nach Maßgabe des § 41 BImSchG hat ein Planungsträger sicherzustellen,
dass durch die geplante Straße keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem Stand der
Technik vermeidbar sind. Dies gilt unabhängig davon, auf welcher rechtlichen
Grundlage der Bau der Straße beruht, also auch dann, wenn die Straße auf-
grund einer nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB getroffenen Festsetzung angelegt
wird (vgl. Beschluss vom 17. Mai 1995 - BVerwG 4 NB 30.94 - NJW 1995,
2572). § 41 BImSchG i.V.m. der zu ihrer Durchführung erlassenen Verkehrs-
lärmschutzverordnung (16. BImSchV vom 12. Juni 1990, BGBl I S. 1036) setzt
der Planung insoweit eine strikte, im Wege der planerischen Abwägung nicht
überwindbare äußerste Grenze, als die Werte der Verkehrslärmschutzverord-
nung nicht überschritten werden dürfen (vgl. Urteil vom 28. Januar 1999
- BVerwG 4 CN 5.98 - BVerwGE 108, 248 <256>). Das bedeutet freilich nicht,
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dass eine Planung stets abwägungsgerecht ist, wenn die Grenzwerte - wie
hier - eingehalten werden. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass
eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte
grundsätzlich zum Abwägungsmaterial gehört und damit die Antragsbefugnis
des Betroffenen begründet. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig
oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er
nicht in die Abwägung eingestellt werden und die Antragsbefugnis entfällt (vgl.
Urteil vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 4 CN 1.98 - NVwZ 2000, 807 <808>).
Ob vermehrte Verkehrslärmbeeinträchtigungen mehr als geringfügig zu Buche
schlagen, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen. Im Beschluss
vom 19. Februar 1992 - BVerwG 4 NB 11.91 - (NJW 1992, 2844) hat der Senat
darauf hingewiesen, dass sich die Schwelle der Abwägungsrelevanz bei Ver-
kehrslärmerhöhungen nicht allein durch einen Vergleich von Lärmmesswerten
markieren lässt. Selbst eine Lärmzunahme, die, bezogen auf einen rechnerisch
ermittelten Dauerschallpegel, für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist,
kann nach dieser Entscheidung zum Abwägungsmaterial gehören. Daraus lässt
sich indes nicht im Umkehrschluss folgern, dass Lärmerhöhungen oberhalb der
Hörbarkeitsschwelle stets als Abwägungsposten zu berücksichtigen sind. Es
bedarf vielmehr einer wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter
Berücksichtigung der jeweiligen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des
jeweiligen Gebiets (Beschluss vom 19. August 2003 - BVerwG 4 BN 51.03 -
BRS 66 Nr. 59).
Die Frage, ob unabhängig von den Umständen des Einzelfalls ein Lärmzu-
wachs immer dann abwägungserheblich ist, wenn die Orientierungswerte der
DIN 18005 überschritten werden, knüpft an einen Sachverhalt an, den das
Normenkontrollgericht nicht festgestellt hat. Gleiches gilt für die Frage, ob eine
planbedingte Vervielfachung des Lärmpegels stets abwägungserheblich ist.
Das Normenkontrollgericht hat sich weder dazu geäußert, ob der von der Ent-
lastungsstraße ausgehende Lärm für sich allein oder im Zusammenwirken mit
anderen Lärmquellen die Werte der DIN 18005 übersteigt, noch hat es festge-
stellt, dass sich der Lärm, dem das Anwesen des Antragstellers ausgesetzt
sein wird, wie behauptet um das Sechs- bis Achtfache erhöht. Nach der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revi-
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sion wegen grundsätzlicher Bedeutung aber aus, wenn die Vorinstanz eine Tat-
sache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen
Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht,
dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer
Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschlüsse vom
28. Dezember 1998 - BVerwG 9 B 197.98 - juris und vom 28. November 2005
- BVerwG 4 B 66.05 - ZfBR 2006, 159). Im Übrigen hat der Senat bereits ge-
klärt, dass die Werte der DIN 18005 lediglich eine Orientierungshilfe für die
Bauleitplanung sind und deshalb von ihnen abgewichen werden darf. Entschei-
dend ist, ob die Abweichung im Einzelfall noch mit dem Abwägungsgebot des
§ 1 Abs. 7 BauGB vereinbar ist. Auch der zulässige Grad der Abweichung rich-
tet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles (Beschluss vom
18. Dezember 1990 - BVerwG 4 N 6.88 - BRS 50 Nr. 25; Urteil vom 22. März
2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen).
Mit der Frage, ob § 1 Abs. 7 BauGB neben dem materiellen Anspruch auf
sachgerechte Abwägung aller von der Planung Betroffenen das Recht darauf
beinhaltet, dass auch die für die Planung sachlich zuständige Behörde hierüber
befindet, möchte die Beschwerde geklärt wissen, ob das Tätigwerden eines
unzuständigen Planungsträgers den Abwägungsvorgang fehlerhaft macht und
eine Rechtsverletzung des von der Planung Betroffenen begründen kann. Die-
se Frage ist mit dem Normenkontrollgericht in dessen Urteil vom 23. Oktober
1990 - 8 B 89.2278 - (NVwZ 1991, 590) ohne weiteres zu bejahen.
Zum Zweck der Prüfung, ob das Normenkontrollgericht die Antragsbefugnis des
Antragstellers, gemessen an den vorstehenden Rechtssätzen, zu Recht ver-
neint hat, kann die Revision nicht zugelassen werden. § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO dient nicht dazu, die Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung einer
revisionsgerichtlichen Kontrolle zuzuführen. Eine dem § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO vergleichbare Regelung enthält das Revisionszulassungsrecht nicht.
b) Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das
angefochtene Urteil weicht nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung
ab.
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Die Beschwerde meint, die Aussage im Normenkontrollurteil, bei dieser Sach-
lage, d.h. der Unterschreitung der Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverord-
nung, sei die auf das Grundstück des Antragstellers zukommende Lärmbelas-
tung von vornherein objektiv so geringwertig, dass sie nicht abwägungsrelevant
und deshalb auch nicht in die Abwägung des Antragsgegners habe eingestellt
werden müssen, stehe im Widerspruch zu Rechtssätzen des Bundesverwal-
tungsgerichts in dessen Entscheidungen vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 4 CN
1.98 - (a.a.O.), 19. August 2003 - BVerwG 4 BN 51.03 - (a.a.O.) und vom
8. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 19.04 - (BauR 2005, 829). Das trifft nicht zu. Die
Beschwerde lässt außer Acht, dass das Normenkontrollgericht die Abwägungs-
entscheidung des Antragsgegners nicht allein mit der Begründung gebilligt hat,
die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung würden eingehalten. Die
Vorinstanz ist vielmehr auch der Frage nachgegangen, ob der Antragsteller an-
tragsbefugt ist, weil die Planung „ohne Rücksicht auf Grenzwerte“ in jedem Fall
eine Erhöhung des Verkehrslärms in der Umgebung zur Folge haben wird. Dies
hat es verneint. Seine diesbezügliche Einschränkung, nicht jede planbedingte
Verkehrszunahme begründe eine Antragsbefugnis, sondern nur Veränderun-
gen, die die Geringsfügigkeitsschwelle überschritten, steht im Einklang mit dem
Urteil des Senats vom 21. Oktober 1999 - BVerwG 4 CN 1.98 - und dem Be-
schluss vom 8. Juni 2004 - BVerwG 4 BN 19.04 -, die ihrerseits nicht dem Be-
schluss des Senats vom 18. März 1994 - BVerwG 4 NB 24.93 - (NVwZ 1994,
683) widersprechen. In diesem Beschluss hat der Senat lediglich für den be-
sonderen, hier nicht vorliegenden Fall, dass die Anwohner einer Erschließungs-
straße für ein neues Baugebiet mit (zusätzlichem) Verkehrslärm belastet wer-
den, erkannt, dass ihnen der Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO
a.F. nicht schon deshalb abzusprechen sei, weil die Verkehrslärmerhöhung
geringfügig sei oder weil sie mit einer solchen Entwicklung hätten rechnen
müssen (vgl. Beschluss vom 28. November 1995 - BVerwG 4 NB 38.94 -
Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 109). Zu dem Beschluss vom 19. August 2003
- BVerwG 4 BN 51.03 - besteht keine Divergenz, weil das Normenkontrollge-
richt einen Rechtssatz des Inhalts, eine Lärmverdoppelung könne kein Indikator
für eine mehr als geringfügige Betroffenheit sein, nicht aufgestellt hat. Der Be-
fund, angesichts der prognostizierten Lärmimmissionen scheide zumindest eine
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Fehlgewichtung der Belange des Antragstellers ohne weiteres aus, ist eine tat-
richterliche Würdigung des Sachverhalts und kein Rechtssatz. Schon von daher
scheidet eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 24. September 1998
- BVerwG 4 CN 2.98 - (NJW 1999, 592) aus.
c) Die als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, nach welchen
objektiv feststellbaren Merkmalen die tatsächliche Bedeutung einer Straße für
die durch sie vermittelten Verkehrsbeziehungen zu bestimmen ist, führt nicht
zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie kein Bun-
desrecht betrifft. Die von der Beschwerde angegriffene entscheidungserhebli-
che Einstufung der geplanten Entlastungsstraße als Kreisstraße beruht auf
Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayStrWG. Ob diese Vorschrift vom Normenkontrollgericht
zutreffend angewandt worden ist, entzieht sich nach § 173 VwGO i.V.m. § 560
ZPO der revisionsgerichtlichen Kontrolle.
d) Die behauptete Divergenz zum Beschluss des Senats vom 8. Oktober 1999
- BVerwG 4 B 53.99 - (NVwZ-RR 2000, 253) liegt nicht vor. Den Rechtssatz,
dass eine Planstraße dann als Bundes- bzw. Staatsstraße einzustufen ist,
„wenn der Planungsträger mit ihr das Ziel verfolgt, zur Entlastung einer Ge-
meinde und innerörtlichen Verkehrsberuhigung über den vorhandenen Netzzu-
sammenhang hinaus eine zusätzliche Verknüpfung mit dem Bundes- bzw.
Staatsstraßennetz zu schaffen, um den darauf laufenden überregionalen Ver-
kehr soweit als möglich um den Ort herumzulenken“, enthält der Beschluss
nicht.
Das Normenkontrollurteil weicht auch nicht von der Senatsentscheidung vom
18. März 2004 - BVerwG 4 CN 4.03 - (BVerwGE 120, 239) ab. Das Normen-
kontrollgericht hat einen Rechtssatz des Inhalts, über eindeutige textliche Fest-
setzungen eines Bebauungsplans könne sich mit Hilfe der Planbegründung
hinweggesetzt werden, weder ausdrücklich noch stillschweigend formuliert. Auf
die Begründung zum angefochtenen Bebauungsplan hat die Vorinstanz des-
halb abgestellt, weil die Straßenklasse aus den zeichnerischen oder textlichen
Festlegungen des Plans nicht unmittelbar hervorgehe. Dieser rechtliche Ansatz
entspricht dem Senatsurteil vom 18. März 2004.
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e) Die Zulassung der Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO wegen eines Verfahrensmangels geboten.
Die Rüge, das Normenkontrollgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend
aufgeklärt und dadurch gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, ist unschlüssig.
Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO. Die Beschwerde beschränkt sich auf die Beanstandung, dass der Ver-
waltungsgerichtshof die Verkehrsbedeutung der geplanten Entlastungsstraße
für das Bundesfernstraßennetz einerseits und das Kreisstraßennetz anderer-
seits nicht konkret ermittelt habe. Sie zeigt aber nicht auf, welche für geeignet
und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht ge-
kommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unter-
bliebenen Sachverhaltsaufklärungen voraussichtlich getroffen worden wären.
Die Beschwerde moniert ferner als Verfahrensfehler, dass sich das Erstgericht
in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht mit dem Ein-
wand des Antragstellers auseinandergesetzt habe, die Straßenbaulastvereinba-
rung des Antragsgegners mit dem Landkreis Miesbach sei rechtswidrig, da letz-
terer keine Alternativtrassen geprüft habe. Sie sieht in dem Versäumnis offen-
bar einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach in dem Urteil die
Gründe anzugeben sind, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen
sind.
Die Rüge geht fehl. Die Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat vor
allem den Zweck sicherzustellen, dass das Gericht alle wesentlichen Gesichts-
punkte berücksichtigt und sich damit auseinandersetzt. Eine fehlende Ausei-
nandersetzung mit Ausführungen der Parteien rechtfertigt freilich nicht den
Schluss darauf, dass das Gericht sie nicht zur Kenntnis genommen und in Er-
wägung gezogen hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht
das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kennt-
nis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflich-
tet, jedes (rechtliche) Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich
zu bescheiden. Nur dann, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass ein Gericht
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seiner Pflicht, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu er-
wägen, nicht nachgekommen ist, liegt ein Rechtsverstoß vor. Davon kann hier
keine Rede sein. Wie sich aus dem Tatbestand des Urteils ergibt, hat der Ver-
waltungsgerichtshof die Ansicht des Antragstellers, die Straßenbaulastverein-
barung sei mangels Alternativenprüfung rechtswidrig, erfasst. Er hat sie auch in
den Entscheidungsgründen nicht aus dem Blick verloren. Sein Befund, dass die
Übertragung der Straßenbaulast „auch“ mit Blick auf die finanziellen Lasten für
den gemeindlichen Haushalt keinen durchgreifenden Bedenken begegne, lässt
erkennen, dass er sich bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung
nicht auf die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit der Gemeindeordnung beschränkt
hat.
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6
VwGO bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Für den erstrebten Eilrechtsschutz ist kein
Raum mehr, weil die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision die Rechtskraft des Normenkontrollurteils zur Folge hat (§ 133
Abs. 5 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitfestsetzung
ergibt sich für das Beschwerdeverfahren aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1
GKG und für das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO aus § 53 Abs. 3 Nr. 2,
§ 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Paetow Gatz Dr. Jannasch
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