Urteil des BVerwG vom 25.02.2013

BVerwG: wider besseres wissen, rechtliches gehör, original, beweisantrag, bahn, rüge, wiederholung, kunst, gebärdensprache, zivilluftfahrt

BVerwG 4 A 5001.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 A 5001.12
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 -
BVerwG 4 A 5002.10 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
1 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Zu Unrecht macht der Kläger geltend, der Senat habe
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Er hat
keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens.
2 1. Der Kläger verweist zur Begründung seiner Anhörungsrüge zunächst auf die Ablehnung
seiner in der mündlichen Verhandlung als Anlage 6, 7, 9, 11 und 12 der Sitzungsniederschrift
gestellten Beweisanträge und macht unter Bezugnahme auf den in der mündlichen Verhandlung
auf Nachfrage gegebenen gerichtlichen Hinweis,
„dass der Senat als wahr unterstellt, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um
mindestens 15° divergierenden Flugrouten realisiert werden konnte und dass dies der
Planfeststellungsbehörde, der DFS und der damaligen Flughafenplanungsgesellschaft und der
jetzigen Beigeladenen bekannt war“ (Sitzungsniederschrift vom 3. Juli 2012, S. 10),
geltend, der Senat habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG Einschränkungen seiner
Wahrunterstellung vorgenommen. Er ist der Auffassung, es liege eine „bewusste Irreführung
künftiger Planbetroffener“ vor, der Senat verneine das Vorliegen einer arglistigen Täuschung
„letzten Endes wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit“ und habe im Hinblick auf die
„realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten“ „lediglich Vermutungen zu einer ...
fiktiven Untersuchung“ angestellt (Beschwerdebegründung S. 6 - 7). Einen Gehörsverstoß zeigt
der Kläger mit diesem Vortrag nicht auf.
3 Bereits der Ausgangspunkt der klägerischen Erwägungen ist unzutreffend. Entgegen der
Behauptung des Klägers (Beschwerdebegründung S. 7) muss die Planfeststellungsbehörde bei
der Entscheidung über die Zulassung des konkreten Vorhabens an dem landesplanerisch
festgelegten Standort nach der Rechtsprechung des Senats nicht alle realistischerweise in
Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen
(UA Rn. 50 - Unterstreichung nicht im Original). Die prognostische Flugroutenplanung muss
allerdings - gleichsam exemplarisch - Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der
für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden (UA Rn. 50). Eine von
bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist in aller Regel nicht
erforderlich (UA Rn. 51).
4 Mit seinem Vortrag wendet sich der Kläger der Sache nach lediglich gegen die tatrichterliche
Würdigung des Senats, der keinen Grund zur Beanstandung der mit der DFS abgestimmten
Grobplanung gesehen und im Einzelnen dargelegt hat, dass der Vorwurf des Klägers, der
Beklagte habe „wider besseres Wissen“ und „in kollusivem Zusammenwirken“ mit der
Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet ist (UA Rn. 97).
Von einem „Totalausfall der festzustellenden Tatsachen“ (Beschwerdebegründung S. 7) kann
keine Rede sein.
5 2. Der Vorwurf des Klägers, es treffe nicht zu, dass es für die 15°-Abweichung an beiden
Bahnen an jeder tatsächlichen Grundlage fehle (Beschwerdebegründung S. 8), zielt auf die
Ablehnung der als Anlage 7 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträge, zu denen der Senat zur
Begründung u.a. ausgeführt hat:
„Sollten sie (die Beweisbehauptungen) dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante
unabhängige Parallelbetrieb nicht nur um mindestens 15° divergierende, sondern von jeder
Bahn um mindestens 15° abknickende Abflugrouten erfordert, würde auch dieser Behauptung
jede tatsächliche Grundlage fehlen“ (Klammerzusatz nicht im Original).
6 Wie bereits im Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - (BVerwGE 141, 1 Rn. 159)
dargelegt, muss bei den Abflugrouten für den unabhängigen Bahnbetrieb davon ausgegangen
werden, dass die Flugwege um bis zu 15° nach Norden oder nach Süden abknicken, nicht aber
davon, dass sie von jeder Bahn um mindestens 15° abknicken. Das ergibt sich - wie in jener
Entscheidung dargelegt - aus dem Dokument 4444, auf das Anhang 14 Band I zum Chicagoer
Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt hinweist (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn.
155). Der Sache nach wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag wiederum nur gegen die dem
Tatsachengericht obliegende Würdigung des Sachverhalts und des technischen Regelwerks.
7 Unberechtigt ist die Rüge (Beschwerdebegründung S. 8), der Senat habe mit der Begründung,
„die Behauptung der Antragsteller, die fehlerhafte Grobplanung (mit geraden Abflugrouten) bilde
die Auswirkungen des Flugverkehrs nicht realistisch ab ..., sei eine dem Beweis nicht
zugängliche Rechtsbehauptung“, den Beweisantrag in unzutreffender Weise verkürzt, weil hinter
dem insoweit gezogenen rechtlichen Schluss auch die Tatsachenbehauptung stecke, „dass die
Grobplanung den sich aus der arglistigen Täuschung zu Lasten der Antragsteller ergebenden
Sachverhalt (gemeint ist wohl: die Fluglärmbelastungen unter Berücksichtigung divergierender
Flugrouten) gar nicht erfasst“ habe. Die Rüge gibt die Gründe für die Ablehnung des
Beweisantrags nicht korrekt wieder. Die fragliche Begründung war ausweislich der Niederschrift
der mündlichen Verhandlung (S. 9) für den Fall gegeben worden, dass die Behauptung, der
Beklagte habe der Abwägung „unrealistische“ gerade Flugrouten zugrunde gelegt, darauf
gerichtet gewesen sein sollte, zu beweisen, dass die DFS-Grobplanung mit geraden
Abflugrouten - generell - nicht geeignet sei, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch
abzubilden. Insoweit handelt es sich in der Tat um eine Rechtsfrage, die der Senat - wie
ausgeführt - in der Weise beantwortet hat, dass sich die Planfeststellungsbehörde auf die
Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken kann und dass die ausgehend von solchen
exemplarischen Flugrouten ermittelten Betroffenheiten in der Abwägung stellvertretend für
vergleichbare Betroffenheiten stehen können, die bei anderen Flugverfahren an ihre Stelle treten
würden.
8 3. Soweit sich der Kläger - wie sich aus der Bezugnahme auf Randnummer 74 f. des
angefochtenen Urteils ergibt - gegen die Ablehnung seines Beweisantrags nach Anlage 6 der
Sitzungsniederschrift wendet (Beschwerdebegründung S. 9), beschränkt sich sein Vortrag
wiederum auf Einwände gegen die materiellrechtliche Auffassung des Senats. Ebenso wenig
zeigt der Kläger mit seinem weiteren Einwand einer unzulässig vorweggenommenen
Beweiswürdigung (Beschwerdebegründung S. 10) einen Gehörsverstoß auf. Da das Gutachten
von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011 nach Auffassung des Senats zur Begründung des
Beweisantrags ungeeignet war, weil es - wie dargelegt - von unzutreffenden tatsächlichen
Annahmen ausgeht, bestand kein Anlass, dem Beweisantrag nachzugehen.
9 4. Der Vortrag des Klägers zur „Stellvertreterlösung“ (Beschwerdebegründung S. 10 f.)
erschöpft sich in einer Wiederholung seiner insbesondere verfassungsrechtlichen Einwände, die
der Senat zur Kenntnis genommen hat (UA Rn. 18, 50), und lässt jegliche Auseinandersetzung
mit dem angefochtenen Urteil vermissen.
10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr
ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Bumke
Petz