Urteil des BVerwG vom 03.03.1988

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Rechtsquellen:
SG § 10 Abs. 3;
Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung
von Soldaten vom 3. März 1988 i.d.F. vom 11. August 1998, Nr. 5 Buchst. a und c
Stichworte:
Versetzung; förderliche Verwendung; Verzicht auf laufbahnorientierte Förderung;
Ehefrau; Berufstätigkeit; Versetzungsstichtag; Dienstposten; Wegfall.
Leitsätze:
Der Verzicht eines Soldaten auf eine laufbahnorientierte Förderung schränkt das
Ermessen der personalbearbeitenden Stelle nicht derart ein, dass von einer aus
dienstlichen Gründen erforderlichen Versetzung abgesehen werden müsste.
BVerwG, Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 25. September 2002
- BVerwG 1 WB 30.02 -
Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels. Er wendet
sich gegen seine Versetzung auf einen förderlichen Dienstposten beim
Luftwaffenmaterialkommando (LwMatKdo) in K.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos.
A u s d e n G r ü n d e n :
Der Antrag ist unbegründet.
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Die angefochtene Versetzungsverfügung vom 23. April 2002 ist rechtmäßig und
verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. (wird ausgeführt)
Für eine Zuversetzung ist das dienstliche Bedürfnis nach Nr. 5 Buchst. a der
Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung
von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der hier anzuwendenden Fassung
vom 11. August 1998 (VMBl S. 242) gegeben, wenn ein Dienstposten frei ist und
besetzt werden muss. Für eine Wegversetzung liegt das dienstliche Bedürfnis
nach Nr. 5 Buchst. c der genannten Versetzungsrichtlinien regelmäßig vor, wenn
der Dienstposten des Soldaten weggefallen ist; Entsprechendes gilt, wenn der
Dienstposten zum Versetzungsstichtag wegfallen wird (vgl. Beschluss vom 16.
Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 12.96 -). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Stammdienststelle des Heeres (SDH) hat dem Antragsteller schon in ihrer
Vororientierung vom 11. März 2002 mitgeteilt, dass der Oberstabsfeldwebel
(OStFw)-Dienstposten im LwMatKdo zum 1. Juli 2002 oder früher zu besetzen und
auf diesem Dienstposten die Beförderung zum OStFw nach Erfüllung aller
Voraussetzungen möglich sei. Für den OStFw-Dienstposten im LwMatKdo ist der
Antragsteller uneingeschränkt geeignet und durch seine besonderen Ausbildungen
fachlich qualifiziert. Dem Antragsteller selbst war ausweislich seiner Schreiben an
die SDH vom 16. Februar 2002 und vom 29. April 2002 bekannt, dass der
Fliegerhorst umstrukturiert wird und er mit der Aufhebung seines bisherigen
Dienstpostens zu rechnen hat. Dieser Dienstpostenwegfall wird zum
Versetzungsstichtag 1. Oktober 2002, spätestens zum Ende des Jahres 2002
eintreten.
Die Ermessensentscheidung der SDH ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zwar hat der zuständige Vorgesetzte bei einer Verwendungsentscheidung gemäß §
10 Abs. 3 SG auch die persönlichen und familiären Belange des Soldaten unter
dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht in seine Überlegungen einzubeziehen. Er
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darf dabei aber davon ausgehen, dass ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch
auf eine bestimmte örtliche Verwendung hat (Beschlüsse vom 22. Juli 1992 -
BVerwG 1 WB 30.92 - , vom 3. September 1996 - BVerwG 1
WB 10.96 - und vom 30. August 2001 - BVerwG 1 WB 37.01 -
Nr. 45 = NVwZ 2001, 1410 [LS]>).
Der Antragsteller ist Berufssoldat. Seine jederzeitige Versetzbarkeit gehört zu
den von ihm freiwillig übernommenen Pflichten und damit zum prägenden Inhalt
seines Wehrdienstverhältnisses. Das Prinzip der jederzeitigen Versetzbarkeit ist
im Interesse der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte unabdingbar und hat für eine
hieran orientierte Personalführung, wie sie dem Bundesminister der Verteidigung
(BMVg) von Verfassungs wegen aufgetragen ist, ganz besondere Bedeutung
(Beschluss vom 6. Mai 1971 - BVerwG 1 WB 8.70 - ). Ein
Soldat muss es deshalb hinnehmen, wenn durch eine Versetzung seine
persönlichen Belange berührt werden und für ihn daraus Härten entstehen.
Soweit die damit verbundenen Schwierigkeiten und eventuellen Nachteile das
übliche Maß nicht überschreiten, hat das Interesse der Bundeswehr, den Soldaten
dort zu verwenden, wo er gebraucht wird, Vorrang vor persönlichen Belangen.
Dieses Interesse muss im Rahmen des dienstlich Möglichen nur dann zurücktreten,
wenn die mit der Versetzung verbundenen Nachteile für den Soldaten so
einschneidend sind, dass sie ihm unter Fürsorgegesichtspunkten nicht zugemutet
werden können (Beschlüsse vom 12. Juni 1996 - BVerwG 1 WB 21.95 -
236.1 § 10 Nr. 15 = NZWehrr 1996, 253 = ZBR 1996, 395> und vom 30. August 2001
- BVerwG 1 WB 37.01 - jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Zunächst steht die langjährige bisherige Verwendung des Antragstellers seit 1979
am Standort C. der Versetzung nicht entgegen. Als Berufssoldat musste er stets
mit einer Versetzung rechnen. Wenn ihm das über einen - ausnahmsweise -
langen Zeitraum erspart geblieben ist, kann er aus diesem für ihn günstigen
Umstand keine Rechte oder Vertrauensschutzgesichtspunkte herleiten, die
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geeignet wären, das Ermessen der SDH einzuschränken (Beschluss vom 26. April
1990 - BVerwG 1 WB 32.89 - ).
Schwerwiegende persönliche Gründe, die nach Nr. 6 der Versetzungsrichtlinien
einer Versetzung entgegenstehen könnten, hat der Antragsteller nicht
vorgetragen. Der von ihm geltend gemachte besondere Wunsch, den engen
Kontakt zu seinem Sohn innerhalb des Besuchsrechts fortzusetzen, ist
verständlich, kann jedoch auch an den Wochenenden im Rahmen der
Familienheimfahrten verwirklicht werden. Die von ihm außerdem angeführte
Ortsgebundenheit seiner Ehefrau als Gewerbetreibende in W. vermag die
Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung ebenfalls nicht in Frage zu stellen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich ein Berufssoldat zur
Rechtfertigung seines Wunsches, an einem bestimmten Standort oder in dessen
Nähe bleiben zu können, nicht auf die berufliche Situation seiner Ehefrau berufen
(Beschlüsse vom 3. September 1996 - BVerwG 1 WB 10.96 - m.w.N., vom 18.
Januar 1999 - BVerwG 1 WB 2.99 -
und vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 68.00 - m.w.N.). Die Berufstätigkeit
der Ehefrau eines Soldaten steht in keinem inneren Zusammenhang mit seinem
Wehrdienstverhältnis. Sie braucht deshalb bei der Gestaltung der dienstlichen
Verhältnisse des Soldaten grundsätzlich nicht berücksichtigt zu werden. Auf die
Frage, in welcher Form die Berufstätigkeit ausgeübt wird, kommt es dabei
rechtlich nicht an (Beschluss vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 68.00 -). Da
dem Antragsteller in der Versetzungsverfügung die Umzugskostenvergütung nicht
zugesagt worden ist, ist seine Ehefrau nicht zu einem Umzug nach K. genötigt.
In gleicher Weise ist vorhandenes Wohneigentum des Soldaten oder seiner Familie
nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht als
Versetzungshinderungsgrund anzuerkennen (Beschluss vom 30. August 2001 -
BVerwG 1 WB 37.01 - m.w.N.).
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Die darüber hinaus vom Antragsteller vorgetragene Verschlechterung seiner
wirtschaftlichen Verhältnisse erweist sich bei objektiver Betrachtung nicht als
derart gravierend, dass sie die SDH bzw. den BMVg aus Fürsorgegründen hätte
veranlassen müssen, von der dienstlich gebotenen Versetzung nach K. Abstand zu
nehmen. (wird ausgeführt) Diese Mehrbelastung liegt erheblich unter dem vom
Antragsteller als unzumutbar bezeichneten Betrag von monatlich 900 €.
Die Darlehenskosten für den Erwerb eines Eigenheims im Jahr 1999 in Höhe von
344 € müssen in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben. Nach ständiger
Rechtsprechung des Senats muss der jederzeit versetzbare Berufssoldat das mit
dem Erwerb von Wohneigentum verbundene finanzielle Risiko im Falle einer
Versetzung selbst tragen (Beschlüsse vom 26. April 1990 - BVerwG 1 WB 32.89 -
, m.w.N. und vom 11. Juni 1996 - BVerwG 1 WB 108, 111.95 -).
Die weitergehende Möglichkeit, umzugskostenrechtliche oder
trennungsgeldrechtliche Erstattungsleistungen des Dienstherrn in Anspruch zu
nehmen, hat der Antragsteller durch seinen unwiderruflichen Verzicht auf
Umzugskostenvergütung selbst ausgeschlagen.
In diesem Zusammenhang steht auch der vom Antragsteller im Schreiben seiner
Bevollmächtigten vom 22. Juli 2002 erklärte Verzicht auf eine
laufbahnorientierte Förderung der angefochtenen Versetzungsentscheidung nicht
entgegen. Ein derartiger Verzicht des Soldaten schränkt das Ermessen der
Personalführung nicht derart ein, dass von einer aus dienstlichen Gründen für
notwendig gehaltenen Versetzung abgesehen werden müsste (Beschlüsse vom 29.
August 1995 - BVerwG 1 WB 17.95 - und vom 3. September 1996 - BVerwG 1 WB
10.96 -). Hier hat die SDH dem Verzicht des Antragstellers auf Förderung in
Abwägung mit den dienstlichen Interessen ohne Rechtsverstoß keine vorrangige
Bedeutung beigemessen. Denn ihre Versetzungsentscheidung war maßgeblich
dadurch bestimmt, den durch seine vorangegangenen qualifizierten Ausbildungen
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besonders geeigneten und dienstlich verfügbaren Antragsteller auf den freien
Dienstposten beim LwMatKdo zu versetzen. Im Rahmen einer geordneten
Stellenbesetzung und sachgerechten Personalführung ist es militärisch
unerlässlich, freie Dienstposten sobald wie möglich mit geeigneten Soldaten
nachzubesetzen (Beschluss vom 3. September 1996 - BVerwG 1 WB 10.96 -,
m.w.N.).
Im Hinblick auf OStFw-Dienstposten am Standort C. hat der BMVg im Einzelnen
dargelegt, dass der Antragsteller für fünf dort konkret geplante Dienstposten
dieses Dienstgrades nicht das Anforderungsprofil bzw. die
Ausbildungsvoraussetzungen erfüllt. Der dort künftig einzurichtende OStFw-
Dienstposten Betriebsführungsfeldwebel und Datenverarbeiter, TE/ZE 171/201,
beruht zur Zeit nach Darlegung des BMVg lediglich auf einer Planungs-STAN, so
dass der Antragsteller schon deshalb gegenwärtig keinen Rechtsanspruch auf
alternative Berücksichtigung für diesen Dienstposten geltend machen kann.
Prof. Dr. Pietzner
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Mayer
Maiworm