Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG: innerdienstliche weisung, personalakte, einwilligung, persönlichkeitsrecht, begriff, arztbericht, daten, verarbeitung, zugang, erfüllung

Rechtsquellen:
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1;
SG § 29;
WBO § 17 Abs. 3 Satz 1, § 21 Abs. 1;
SPersAV § 4;
WBeauftrG § 3
Stichworte:
Maßnahme; Feststellungsantrag; Feststellungsinteresse; faktische Grundrechtsbe-
einträchtigung; Persönlichkeitsrecht; Personalakten; Gesundheitsunterlagen;
Arztbericht; Übermittlung; Zustimmung.
Leitsatz:
1. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann
sich im Einzelfall - unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art.
19 Abs. 4 GG) - daraus ergeben, dass die erledigte Maßnahme eine fortdauern-
de faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht.
2. Eine Weitergabe oder Übermittlung von Gesundheitsunterlagen eines Soldaten
an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Ver-
teidigung lässt § 29 Abs. 4 SG, der für Daten über medizinische und über psy-
chologische Untersuchungen und Tests die Grenzen der „befugten“ Datenver-
wendung und -verarbeitung regelt, nicht zu. Als besondere Schutzvorschrift
zugunsten der Persönlichkeitssphäre des Soldaten sperrt er als lex specialis
insbesondere den Rückgriff auf § 29 Abs. 3 Satz 5 SG.
BVerwG, Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 11. Dezember 2003
- BVerwG 1 WB 14.03 -
Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberfeldarztes. Er wandte
sich mit drei Eingaben an den Bundesminister der Verteidigung und jeweils paral-
lel an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (WBdBT) mit dem An-
trag, jede weitere Begutachtung seiner Auslandsdienstverwendungsfähigkeit zu
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untersagen und seine Verwendungsunfähigkeit für Auslandseinsätze auf Dauer
festzustellen. Als Anlage zu der abschließenden Auskunft gegenüber dem WBdBT
übersandte das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) - Fü San I 2 - die ent-
scheidungserheblichen fachärztlichen Befunde in einem als „Arztsache“ gekenn-
zeichneten verschlossenen Umschlag. Auf diese Übermittlungsform („als Arztsa-
che verschlossen“) war im Bezug der Auskunft gesondert hingewiesen worden.
Der Antragsteller beantragte die gerichtliche Entscheidung gegen die Übermitt-
lung eines ihn betreffenden Arztberichts der Inneren Abteilung des Bundeswehr-
krankenhauses (BwKrhs) Z. vom 7. Februar 2002 von diesem Krankenhaus an das
BMVg und sodann an den WBdBT.
Der Senat hat festgestellt, dass die Übermittlung dieses Arztberichts vom 7. Feb-
ruar 2002 durch das BMVg - Fü San I 2 - an den WBdBT rechtswidrig war, und den
Antrag im übrigen als unzulässig verworfen.
A u s d e n G r ü n d e n :
1. Der Antrag des Antragstellers, die Rechtswidrigkeit der Weitergabe und
Offenbarung des ihn betreffenden Arztberichts der Inneren Abteilung des BwKrhs
Z. vom 7. Februar 2002 an das BMVg - Fü San I 2 - festzustellen, ist unzulässig.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur
zulässig, wenn er sich entweder nach § 21 Abs. 1 WBO gegen Entscheidungen oder
Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung einschließlich der Entscheidun-
gen über Beschwerden oder weitere Beschwerden oder im Sinne des § 22 WBO
gegen Entscheidungen der Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Vorgesetzten
in vergleichbaren Dienststellungen über weitere Beschwerden richtet. Eine Maß-
nahme des Ministers im Sinne des § 21 Abs. 1 WBO liegt auch vor, wenn er unter
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der Bezeichnung „Bundesministerium der Verteidigung“ als oberste Dienstbehör-
de entscheidet oder handelt (Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl., § 21 RNr. 9 m.w.N.).
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die vom Antragsteller beanstandete
Übermittlung des Arztbriefes vom 7. Februar 2002 durch das BwKrhs Z. an das
BMVg - Fü San I 2 - ist nach dem Akteninhalt vom BMVg - Fü San I 2 - weder aus-
drücklich angeordnet noch in anderer Weise veranlasst worden. Damit fehlt es an
einer Weisung des Bundesministers der Verteidigung, die - als Maßnahme - trotz
ihres Charakters als innerdienstliche Weisung wegen möglicher Einwirkung in die
Rechtssphäre des Antragstellers, insbesondere in sein allgemeines Persönlich-
keitsrecht, ausnahmsweise durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts angefochten werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 15.
Februar 1973 - BVerwG 1 WB 147.71 - , vom 28. Februar
1974 - BVerwG 1 WB 43.71 - , vom 3. Septem-ber 1996
- BVerwG 1 WB 34.96 - und vom 30. August 2001 - BVerwG 1 WB 27.01 -
311 § 17 WBO Nr. 44 = NZWehrr 2002, 38>). Das BMVg - Fü San I 2 - hat mit
Schreiben vom 12. November 2002 lediglich den Abteilungsleiter (AbtLtr) I des
Sanitätskommandos (SanKdo) II zur Übersendung der dort über den Antragsteller
vorliegenden Begutachtungsunterlagen und der BA 90/5 aufgefordert. Hierauf hat
der AbtLtr I des SanKdo II mit Schreiben vom 15. November 2002 die in Teil I die-
ses Senatsbeschlusses näher bezeichneten Befunde und Unterlagen übersandt.
Auf Anfrage des Senats vom 27. August 2003, ob das BMVg - Fü San I 2 - zusätzlich
eine entsprechende Aufforderung an das BwKrhs Z. oder an das diesem vorgesetz-
te SanKdo I gerichtet habe, hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
mit Schreiben vom 5. September 2003 dargelegt, dass außer der Anforderung an
das SanKdo II vom 12. November 2002 seitens des BMVg - Fü San I 2 - keine weite-
ren Anforderungen erfolgt seien. Weder mit dem SanKdo I noch mit BwKrhs Z. sei
insoweit Kontakt aufgenommen worden.
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Mangels einer - auch mit einem Feststellungsantrag - anfechtbaren Maßnahme des
BMVg gegenüber dem BwKrhs Z. ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts insoweit als unzulässig zu verwerfen.
2. Soweit sich der Antrag gegen die Weitergabe und Offenbarung des Arztberichts
vom 7. Februar 2002 mit Schreiben des BMVg - Fü San I 2 - vom 26. November
2002 an den WBdBT richtet, ist der Feststellungsantrag hingegen zulässig.
Die beanstandete Übermittlung des Arztbriefes stellt eine anfechtbare Maßnahme
des Bundesministers der Verteidigung im Sinne des § 21 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 3
Satz 1 WBO dar. Der Begriff der Maßnahme schließt auch rein tatsächliche dienst-
liche Handlungen eines Vorgesetzten ein, die gegebenenfalls zu einer wehr-
dienstgerichtlichen Prüfung führen können, weil ihre Wirkung den antragstellen-
den Soldaten unmittelbar betrifft (Beschlüsse vom 26. August 1970 - BVerwG
1 WB 3.70 - und vom 3. September 1987 - BVerwG 1 WB
145.84, 1 WB 131.86, 1 WB 142.86 - ; vgl. ferner Bött-
cher/Dau, WBO, 4. Aufl. § 1 RNr. 99). Die als Anlage zu dem Schreiben vom
26. November 2002 vorgenommene Übermittlung des Arztbriefes vom 7. Februar
2002 stellt keine innerdienstliche Handlung des BMVg - Fü San I 2 - dar, sondern
dient im Außenverhältnis der Erfüllung der Auskunftspflicht gegenüber dem
WBdBT gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deut-
schen Bundestages (WBeauftrG). Sie entfaltet zugleich unmittelbare Wirkung ge-
genüber dem Antragsteller, weil sie gesundheitsbezogene Personalunterlagen be-
trifft, die durch das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG verankerte Recht auf
informationelle Selbstbestimmung besonders geschützt sind. Auf dieses Recht
kann sich der Antragsteller als Soldat gemäß § 6 SG berufen (BVerfG, Urteil vom
15. Dezember 1983 - 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 -
[42]>; BVerwG, Beschluss vom 3. September 1987 – BVerwG 1 WB 145.84, 1 WB
131.86, 1 WB 142.86 - ). Da der Antragsteller eine Verletzung seines all-
gemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Übermittlung seiner gesundheitsbezo-
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genen Personalunterlagen in dem Arztbericht vom 7. Februar 2002 ohne seine
Zustimmung geltend macht, erfüllt der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch
die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 WBO. Damit rügt der Antragstel-
ler die Verletzung von Vorgesetztenpflichten ihm gegenüber, die sich aus § 10
Abs. 3 SG ergeben. Die Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses und der
Schutz ärztlicher Gutachten über den Gesundheitszustand eines Soldaten vor un-
befugter Weitergabe an Dritte ist Teil der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten (Be-
schluss vom 13. Februar 1968 - BVerwG 1 WB 13.67 - ).
Da die Übermittlung des Arztbriefes vom 7. Februar 2002 mit der Übersendung
des Schreibens vom 26. November 2002 an den WBdBT erledigt ist, ist der An-
tragsteller zulässigerweise nach der auch im Wehrbeschwerdeverfahren entspre-
chend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu einem Fortset-
zungsfeststellungsverfahren übergegangen und hat im gerichtlichen Antragsver-
fahren nur noch einen Feststellungsantrag gestellt (vgl. hierzu Beschlüsse vom
4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - , vom 21. November
1995 - BVerwG 1 WB 53.95 -
Nr. 1> und vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 60.02 -).
Der Antragsteller hat auch das erforderliche besondere Feststellungsinteresse
dargetan.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das Fortsetzungsfeststellungsin-
teresse auf ein Rehabilitierungsinteresse (Beschlüsse vom 4. März 1976 - BVerwG
1 WB 54.74 - m.w.N. und vom 27. Februar 2003
- BVerwG 1 WB 60.02 - m.w.N.), auf eine Wiederholungsgefahr (Beschlüsse vom
25. März 1999 - BVerwG 1 WB 56.98 - und
vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 60.02 - m.w.N.) oder auf die Absicht ge-
stützt werden, einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser
nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (Beschlüsse vom 25. März 1999
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- BVerwG 1 WB 56.98 - , vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 86.00 -
und vom 14. Dezember 2000 - BVerwG 1 WB 102.00 -). Zusätzlich kann sich
- unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - ein
berechtigtes Feststellungsinteresse jedenfalls daraus ergeben, dass die erledigte
Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich
zieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90, 728/92, 802/95,
1065/95 - ; BVerwG, Urteile vom 21. November 1980
- BVerwG 7 C 18.79 - und vom 23. März 1999 - BVerwG 1
C 12.97 - sowie Beschluss vom 17. Dezember 2001 - BVerwG 6 B
61.01 - ; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 RNr. 91; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113
RNr. 146 m.w.N.).
Eine derartige fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung hat der An-
tragsteller unter Bezugnahme auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und seine
fehlende Zustimmung zur Übermittlung des Arztbriefes geltend gemacht. Dieses
Fortsetzungsfeststellungsinteresse hat er mit Schreiben seiner Bevollmächtigten
vom 12. Mai 2003 bekräftigt.
Der danach zulässige Feststellungsantrag ist auch begründet.
Die streitbefangene Übermittlung des Arztbriefes vom 7. Februar 2002 durch das
BMVg - Fü San I 2 - an den WBdBT war rechtswidrig und verletzt den Antragsteller
in seinen Rechten, weil sie ohne seine Zustimmung erfolgt ist.
Der Arztbrief der Inneren Abteilung des BwKrhs Z. gehört zu den Personalakten-
daten des Antragstellers im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG. Danach gehö-
ren zur Personalakte alle Unterlagen einschließlich der in Dateien gespeicherten,
die den Soldaten betreffen, soweit sie mit seinem Dienstverhältnis in einem un-
mittelbaren inneren Zusammenhang stehen. Hierzu gehören auch die Gesund-
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heitsunterlagen des Soldaten. Gemäß § 29 Abs. 9 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Per-
sonalaktenverordnung Soldaten - (SPersAV) dienen die Gesundheitsunterlagen des
Soldaten der personenbezogenen Dokumentation ärztlicher Aufzeichnungen über
Untersuchung, Behandlung und Begutachtung. Der Begriff der Gesundheitsunter-
lagen erstreckt sich auf sämtliche gesundheitsbezogenen Personalakten des Sol-
daten im materiellen Sinne, erfasst also nicht nur die Gesundheitspapiere im Sin-
ne der Nr. 119 ZDv 49/29, sondern zusätzlich die Krankenpapiere gemäß Nr. 120
ZDv 49/29 unter Einschluss der Mitteilungen von Ärzten mit Gebietsbezeichnung
und Krankenhäusern an den behandelnden Arzt. Dieser umfassende Begriff der
Gesundheitsunterlagen findet seine Grundlage in der Legaldefinition in § 29
Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 SG.
Die Gesundheitsunterlagen eines Soldaten unterliegen nach Maßgabe des § 29 SG
dem gesetzlichen Schutz vor unbefugter Einsichtnahme. § 29 SG enthält als be-
reichsspezifische Datenschutzbestimmung die einfachrechtliche Aus-gestaltung
des in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Rechts auf infor-
mationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. De-zember 1983 - 1
BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83 - ; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom
9. März 1988 - 1 BvL 49/86 -
die zu ihnen gehörenden Personalaktendaten mit einem besonderen gesetzlichen
Schutz: Sie sind vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsicht zu schützen
(§ 29 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SG). Personalaktendaten dürfen ohne Einwilligung des
Soldaten nur für Zwecke der Personalführung und -bearbeitung verwendet wer-
den; dies gilt auch für ihre Verarbeitung (Speicherung, Veränderung, Übermitt-
lung, Sperrung und Löschung) und Nutzung in automatisierten Dateien (§ 29 Abs.
1 Satz 4 SG). Zugang zur Personalakte dürfen nur Personen haben, die in Perso-
nalangelegenheiten zuständig sind, und nur soweit dies zu Zwecken der Personal-
führung und -bearbeitung erforderlich ist (§ 29 Abs. 3 Satz 1 SG). Ohne Einwilli-
gung des Soldaten darf die Personalakte an andere Stellen oder an Ärzte im Ge-
schäftsbereich des BMVg weitergegeben werden, soweit dies im Rahmen der
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Zweckbestimmung des Dienstverhältnisses erforderlich ist; für Auskünfte aus der
Personalakte gilt Entsprechendes (§ 29 Abs. 3 Satz 2 und 3 SG). Auskünfte an Stel-
len außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg dürfen nur mit Einwilligung des
Soldaten erteilt werden, es sei denn, dass zwingende Gründe der Verteidigung,
die Abwehr einer erheblichen Beeinträchtigung des Gemeinwohls oder der Schutz
berechtigter, höherrangiger Interessen Dritter dies erfordern (§ 29 Abs. 3 Satz 5
SG). Selbst wenn aber diese Voraussetzungen vorliegen, sind nach dem klaren
Wortlaut des § 29 Abs. 3 Satz 5 SG nur Auskünfte aus der Personalakte, nicht aber
Übermittlungen der Personalakte selbst oder einzelner Personalaktenteile zuläs-
sig.
Dieses so strukturierte Personalaktengeheimnis wird für die Gesundheitsunterla-
gen eines Soldaten durch besondere Schutzbestimmungen (vgl. Begründung zum
Regierungsentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vor-
schriften, BTDrucks 12/544, S. 23 zu § 29 SG Abs. 3; Vogelgesang, in: Fürst,
GKÖD, Bd. I, Teil 5 Wehrrecht, § 29 SG RNr. 5; Scherer/Alf, SG, 7. Aufl., § 29 RNr.
15) noch einmal besonders akzentuiert. Gesundheitsunterlagen sind während des
Wehrdienstverhältnisses stets als Teilakte vom zuständigen Truppenarzt zu führen
und von der übrigen Personalakte getrennt aufzubewahren; Zugang darf nur das
fachlich zuständige Sanitätspersonal und das diesem fachaufsichtlich vorgesetzte
Sanitätspersonal im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung haben (§ 29 Abs. 9 SG
i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SPersAV). Daten über medizinische und über
psychologische Untersuchungen und Tests dürfen nur im jeweiligen Dienst der
Bundeswehr und nur insoweit verarbeitet werden, als sie für die Beurteilung der
Dienst- und Verwendungsfähigkeit erforderlich sind (§ 29 Abs. 4 Satz 1 SG). Zuge-
lassen ist die Weitergabe der Ergebnisse solcher Untersuchungen und Tests an für
Personalangelegenheiten der Bundeswehr zuständige Stellen, soweit dies für
Zwecke der Personalführung und -bearbeitung erforderlich ist (§ 29 Abs. 4 Satz 2
SG; s. weiter § 4 Abs. 3 und § 9 SPersAV). Die die Dienst- und Verwendungsfähig-
keit bestimmenden ärztlichen Informationen können schließlich einer zentralen
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Stelle zur Erfüllung der ärztlichen Dokumentationspflicht und zum Zwecke der
Beweissicherung übermittelt und dort aufbewahrt werden (§ 29 Abs. 4 Satz 5 SG;
s. § 5 Abs. 3 Satz 5 SPersAV). Eine Weitergabe oder Übermittlung von Gesund-
heitsunterlagen an Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg lässt § 29
Abs. 4 SG, der für Daten über medizinische und über psychologische Untersu-
chungen und Tests die Grenzen der "befugten" Datenverwendung und
-verarbeitung regelt, nicht zu. Als besondere Schutzvorschrift zugunsten der Per-
sönlichkeitssphäre des Soldaten sperrt er als lex specialis insbesondere den Rück-
griff auf § 29 Abs. 3 Satz 5 SG.
Unter Beachtung dieser Rechtsgrundlagen war das BMVg - Fü San I 2 - nicht be-
rechtigt, den über den Antragsteller erstellten Arztbericht vom 7. Februar 2002
ohne dessen Zustimmung an den WBdBT zu übermitteln.
Zwar hatte der Antragsteller unter dem 28. Januar 2002 in einer Einverständnis-
erklärung die in Frage kommenden Krankenanstalten und Ärzte von ihrer Schwei-
gepflicht gegenüber den Ärzten des BMVg entbunden. Es kann offen bleiben, ob
mit dieser Entbindungserklärung gegenüber „dem mit der Angelegenheit befass-
ten Personenkreis“ auch der WBdBT gemeint war. Denn diese Einverständniser-
klärung hat der Antragsteller mit Schreiben an das BMVg vom 19. Februar 2002 in
vollem Umfang widerrufen und ergänzend diesen Widerruf auf alle anderen von
ihm zuvor gemachten Einverständniserklärungen zur Entbindung von der ärztli-
chen Schweigepflicht erstreckt. Diese ausdrückliche schriftliche Widerrufserklä-
rung des Antragstellers schließt die Annahme einer konkludenten Zustimmung zur
Übersendung des Arztberichts vom 7. Februar 2002 aus. Hiervon abgesehen lässt
aber auch das Verhalten des Antragstellers gegenüber dem BMVg - Fü San I 2 -
nicht den Schluss zu, er sei stillschweigend mit der Übermittlung dieses Arztbe-
richtes an Dritte einverstanden. Zwar hat der Antragsteller eine Klärung der Fra-
ge seiner Auslandsdienstverwendungsunfähigkeit durch den WBdBT gewünscht.
Gegenüber dem BMVg - Fü San I 2 - hat er jedoch weder schriftlich noch in sonsti-
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ger Weise zu erkennen gegeben, dass er einer Übersendung des Arztberichts vom
7. Februar 2002 zustimmen werde.
Für eine Übermittlung ohne Einwilligung des Antragstellers ergibt sich auch keine
Ermächtigung für das BMVg aus § 3 Nr. 1 Satz 1 WBeauftrG. Danach hat der
WBdBT die Befugnis, vom BMVg und allen diesem unterstellten Dienststellen und
Personen Auskunft und Akteneinsicht zu verlangen. Ob dieses Recht durch die
soeben zitierten spezialgesetzlichen Bestimmungen in § 29 Abs. 1, Abs. 3 und 4
SG, die eine Übermittlung der Personalakte bzw. eines Teils von ihr an Dritte au-
ßerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg ohne Zustimmung des Soldaten untersa-
gen, eingeschränkt wird, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn
der WBdBT hat nicht um die Übermittlung der Facharztbefunde ersucht, sondern
das BMVg - Fü San I 2 - mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 lediglich um Nach-
richt über den Abschluss der Angelegenheit gebeten.
Da die Übermittlung des Arztberichtes ohne Zustimmung des Antragstellers unzu-
lässig war, durfte sie auch in der gewählten Übermittlungsform als verschlossene
Arztsache nicht an den WBdBT gesandt werden.
Prof. Dr. Pietzner
Dr. Frentz
Dr. Deiseroth
Dr.
Pongratz
Walter