Urteil des BVerwG vom 14.03.2017

BVerwG ()

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 1.09
(BVerwG 9 B 28.08)
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Kläger gegen den Beschluss vom
5. Dezember 2008 - BVerwG 9 B 28.08 - wird zurückge-
wiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Kläger
auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen
der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Daraus
folgt jedoch nicht, dass es sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungs-
gründen ausdrücklich befassen muss. Daher ist es grundsätzlich verfehlt, aus
der Nichterwähnung einzelnen Vorbringens in den gerichtlichen Entschei-
dungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthal-
tenen Argumenten befasst. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Ge-
hör kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände deutlich ergeben,
dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht ernsthaft in Erwägung gezogen
hat, etwa weil es auf den wesentlichen Kern des Vorbringens der Beteiligten
nicht eingeht, sofern dieses Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Ge-
richts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG,
Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>, und
vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 <187 f.>; Beschlüsse
vom 25. November 1999 - BVerwG 9 B 70.99 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3
VwGO Nr. 64 und vom 18. August 2008 - BVerwG 8 B 46.08 - juris). Ein sol-
cher Fall liegt hier nicht vor.
1. Die Kläger rügen, der Senat habe ihren Hinweis auf fehlende wissenschaftli-
che Erkenntnisse zu der Möglichkeit übergangen, die Situation des prioritären
Lebensraumtyps „Auwald“ unter Brücken durch ein Auseinanderziehen der
Richtungsfahrbahnen zu verbessern. Dies zeige die Annahme des Senats, die
Kläger hätten nicht hinreichend dargelegt, dass auch das von ihnen für richtig
gehaltene Gutachten von F. die unter Beweis gestellte Frage der Überlebens-
fähigkeit von Auwaldbeständen unter Brücken nicht abschließend kläre und
daher weiterer Aufklärungsbedarf bestehe. Hierbei übersehen die Kläger je-
doch, dass die Frage, ob der Fortbestand des Lebensraumtyps „Auwald“ unter
Brücken durch ein Auseinanderziehen der Richtungsfahrbahnen gesichert wer-
den kann, nach dem Rechtsstandpunkt des Senats für den Erfolg der Aufklä-
rungsrüge unerheblich war. Denn der Senat ist davon ausgegangen, dass die
angefochtene Entscheidung der Vorinstanz auf die selbständig tragende Fest-
stellung gestützt ist, eine bestehende auwaldartige Vegetation könne unterhalb
von Brückenbauwerken - auch solchen in Ost-West-Ausrichtung - überleben,
wenn für eine ganzjährige Durchfeuchtung gesorgt werde (vgl. Urteil des Baye-
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rischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Oktober 2007 - 8 A 06.40024 -
Rn. 145, 150 f.); die Annahme der Vorinstanz, die Situation von Auwaldbestän-
den unter Brücken könne durch ein Auseinanderziehen der Richtungsfahrbah-
nen verbessert werden, stellt daneben lediglich eine weitere, die Entscheidung
stützende Erwägung dar (vgl. a.a.O. Rn. 152 - „Im Übrigen …“). Hinsichtlich der
maßgeblichen Feststellung der Vorinstanz zur Überlebensfähigkeit von Au-
waldbeständen unterhalb von Brücken auch mit nicht auseinander gezogenen
Richtungsfahrbahnen hat die Beschwerdebegründung jedoch ausdrücklich un-
ter Bezugnahme auf die Untersuchung von F. geltend gemacht, dass durch die
Ost-West-Ausrichtung der Autobahnbrücken dort keine auwaldartige Vegetati-
on mehr existieren könne. Daher fehlt es an der für einen Erfolg der Aufklä-
rungsrüge notwendigen Darlegung, welche zusätzlichen Erkenntnisse ein weite-
res Gutachten zu dieser Frage erbringen kann.
2. Die Kläger machen außerdem geltend, die Aufklärungsrüge habe sich nicht
nur auf das kleinflächige Verschwinden von Auwaldbeständen unterhalb der
geplanten Brücken bezogen, sondern sei vor allem darauf gestützt worden,
dass dann auch die Biotopvernetzungsfunktion des Auwaldsystems selbst ver-
loren gehe. Dieses Vorbringen habe der Senat nicht berücksichtigt. Denn an-
sonsten hätte er die Entscheidungserheblichkeit der beantragten Beweiserhe-
bung nicht mit Blick darauf verneinen können, dass die Vorinstanz den Verlust
der Auwaldbestände unterhalb der geplanten Brücken wegen fehlender Aus-
wirkungen auf das Auwaldsystem unterstellt habe. Diese Gehörsrüge kann
schon deshalb nicht durchdringen, weil der Senat eine Verletzung der gerichtli-
chen Aufklärungspflicht nicht allein wegen fehlender Entscheidungserheblich-
keit der beantragten Beweiserhebung, sondern unabhängig davon auch wegen
fehlender Darlegung des Aufklärungsbedarfs (siehe 1.) verneint hat, so dass
die Zurückweisung der Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision jedenfalls nicht auf dem behaupteten Verstoß gegen den Anspruch
auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruhte. Im Übrigen liegen keine besonde-
ren Umstände vor, aus denen auf eine Nichtberücksichtigung des Vorbringens
der Kläger geschlossen werden könnte. Im Gegenteil hat der Senat die Gründe,
aufgrund derer die Vorinstanz Auswirkungen des - unterstellten - kleinflächigen
Verlustes von Auwaldbeständen unterhalb der vorgesehenen Brücken auf das
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geschützte Auwaldsystem selbst verneint hat, ausdrücklich benannt und weiter
ausgeführt, dass die Beschwerde auch insoweit lediglich ihre abweichende
Einschätzung des Sachverhalts derjenigen der Vorinstanz gegenüber gestellt
habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfest-
setzung bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400
der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz ergibt.
Dr. Storost
Dr. Christ
Prof. Dr. Korbmacher
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