Urteil des BVerwG vom 12.03.2008

BVerwG: zustand, tochtergesellschaft, erfüllung, gemeinde, verwirkung, wissentlich, behörde, öffentlich

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 21.08
OVG 1 KO 513/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. März 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn und
Dr. Jannasch sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberver-
waltungsgerichts vom 14. November 2007 wird zurückge-
wiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Be-
deutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
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1. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, „ob eine organi-
sationsrechtlich und konstitutionell bei einer Kommune angesiedelte Bauauf-
sichtsbehörde jederzeit und uneingeschränkt gegen einen baurechtswidrigen
Zustand mittels einer Baunutzungsuntersagung einschreiten kann, wenn der
Behörde bekannt ist oder bekannt sein müsste, dass eine privatrechtlich orga-
nisierte einhundertprozentige Tochtergesellschaft der Kommune sich selbst
über einen längeren Zeitraum wissentlich baurechtswidrig verhalten hat, oder
ob es ihr in solchen Fällen aufgrund des gesetzten Vertrauens gegenüber Drit-
ten verwehrt ist, gegen diesen baurechtswidrigen Zustand jederzeit einzuschrei-
ten.“
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Damit ist eine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht bezeichnet.
Unter welchen Voraussetzungen die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung bauli-
cher Anlagen untersagen kann, ergibt sich aus dem nicht revisiblen Landes-
recht. Das gilt auch für die Frage, unter welchen Voraussetzungen derjenige,
der bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften be-
nutzt, darauf vertrauen darf, dass die Bauaufsichtsbehörde hiergegen nicht ein-
schreiten werde (Beschluss vom 5. August 1991 - BVerwG 4 B 130.91 - juris
Rn. 7). Verwaltungsrechtliche Grundsätze - wie die hier in Rede stehende Ver-
wirkung - gehören nicht schon deshalb dem revisiblen Recht an, weil ihnen in
der Rechtsordnung allgemeine Geltung zukommt. Sie teilen vielmehr den
Rechtscharakter des Rechts, das sie ergänzen (Urteil vom 16. Mai 1991
- BVerwG 4 C 4.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102; Beschlüsse vom
11. Februar 1997 - BVerwG 4 B 10.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz
Nr. 144 und vom 19. September 2000 - BVerwG 4 B 65.00 - Buchholz 310
§ 137 Abs. 1 VwGO Nr. 15).
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2. Die Beschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob die
Verletzung einer Kommune in der nach Art. 28 GG geschützten Planungshoheit
durch die Aufhebung einer durch die Widerspruchsbehörde für rechtswidrig be-
fundenen Baunutzungsuntersagung möglich ist, wenn eine Kommune, die
zugleich im Rahmen der staatlichen Organisationsstrukturen untere Bauauf-
sichtsbehörde ist, sich einer privatrechtlich organisierten Eigengesellschaft zur
Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben bedient und diese eigene Tochtergesell-
schaft mit Wissen der Kommune selbst für einen längeren Zeitraum gegen sol-
che bauplanungsrechtlichen Vorgaben verstößt, mit denen die Nutzungsunter-
sagung gegenüber einem privaten Dritten maßgeblich begründet wurde.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass
zur Planungshoheit der Gemeinde nicht nur das Recht gehört, Bauleitpläne auf-
zustellen, zu ändern oder aufzuheben, sondern auch ein Abwehranspruch ge-
gen Baumaßnahmen, die ihren planerischen Festsetzungen widersprechen (Ur-
teil vom 27. November 1981 - BVerwG 4 C 36.78 - Buchholz 406.11 § 1 BBauG
Nr. 23 = BRS 38 Nr. 155). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausge-
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gangen (UA S. 12). Die Beschwerde stellt diese Rechtsprechung weder in Fra-
ge, noch zeigt sie einen weitergehenden Klärungsbedarf auf. Sie wiederholt
vielmehr ihre Auffassung, dass die Nutzungsuntersagung entgegen der Auffas-
sung des Oberverwaltungsgerichts rechtswidrig sei. Insoweit kommt eine Zu-
lassung der Revision - wie bereits dargelegt - schon deshalb nicht in Betracht,
weil es um die Auslegung und Anwendung des nicht revisiblen Landesrechts
geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Prof. Dr. Rojahn Dr. Jannasch Dr. Philipp