Urteil des BVerwG vom 24.06.2013

BVerwG: entziehung, psychologisches gutachten, verordnung, strafgericht, verwaltungsakt, erlass, anforderung, begriff, arzneimittel, kunst

BVerwG 3 B 71.12
Rechtsquellen:
FeV § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d
Stichworte:
Fahrerlaubnisentziehung; Entziehung der Fahrerlaubnis; strafgerichtliche Entziehung;
Fahrerlaubnisentziehung durch das Strafgericht; Neuerteilung einer Fahrerlaubnis;
Eignungszweifel; Alkoholproblematik; Alkoholmissbrauch; Beibringensanordnung; medizinisch-
psychologisches Gutachten.
Leitsatz:
Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ist - wie in § 14 Abs.
2 Nr. 1 FeV - auch die strafgerichtliche Entziehung nach § 69 StGB.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 71.12
VG Freiburg i. Br. - 07.10.2009 - AZ: VG 2 K 320/09
VGH Baden-Württemberg - 18.06.2012 - AZ: VGH 10 S 452/10
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juni 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 18. Juni 2012 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 500 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die geltend
gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2 Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen AA, B und BE. Er wurde
nach einer von ihm im Dezember 2005 unternommenen Trunkenheitsfahrt wegen fahrlässiger
Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit
vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr vom Strafgericht zu einer Geldstrafe verurteilt; ihm wurde
die Fahrerlaubnis entzogen und eine Wiedererteilungssperre von 11 Monaten angeordnet. Das
Amtsgericht ging von einer Blutalkoholkonzentration von 1,58 Promille zur Tatzeit aus. Als der
Kläger im Juli 2008 beim Landratsamt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis beantragte, wurde er
zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert. Dieser Aufforderung
kam er nicht nach. Daraufhin lehnte das Landratsamt seinen Neuerteilungsantrag gestützt auf §
11 Abs. 8 FeV ab. Seine nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das
Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil geändert, die
angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, über den Antrag des
Klägers auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden. Das Landratsamt habe nicht nach § 11 Abs. 8 FeV von der fehlenden
Eignung des Klägers ausgehen dürfen, da die Gutachtensanforderung nicht den formellen
Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV entsprochen habe. Der Kläger habe aber keinen Anspruch
auf die beantragte Fahrerlaubnis, da nicht ausgeräumte Eignungsbedenken die Anordnung der
Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderten. Eine solche
Beibringensanordnung sei zwar nicht nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, jedoch sowohl nach
§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d als auch nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV geboten.
3 Ist ein Urteil - wie hier - nebeneinander auf mehrere jeweils selbständig tragende
Begründungen gestützt, so kann eine Revision nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick
auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (ständige
Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 9. April 1981 - BVerwG 8 B 44.81 - Buchholz 310 § 132
VwGO Nr. 197).
4 Diese Voraussetzung erfüllt die Beschwerde nicht. Sie unternimmt zwar den Versuch, die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowohl hinsichtlich der Auslegung von § 13 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a FeV als auch hinsichtlich des Buchst. d darzulegen, deren Anwendung das
Berufungsurteil jeweils selbständig trägt. Doch ist schon allein in Bezug auf § 13 Satz 1 Nr. 2
Buchst. d FeV revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf nicht dargetan. Eine Revisionszulassung ist
bereits deshalb nicht gerechtfertigt.
5 Offen bleiben kann, ob die Beschwerdebegründung den Darlegungserfordernissen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO in Bezug auf diese Regelung deshalb nicht genügt, weil dort keine konkrete
Rechtsfrage formuliert wird. Auch wenn man dem Vorbringen sinngemäß entnimmt, der Kläger
halte die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV so zu
verstehen ist, dass mit der Formulierung „die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben
a bis c genannten Gründe entzogen war“ sowohl Entziehungen durch die Fahrerlaubnisbehörde
als auch durch ein Gericht erfasst werden, ist, auch ohne dass es hierfür erst noch der
Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte, klar, dass diese Frage in dem vom
Berufungsgericht angenommenen Sinne zu beantworten ist.
6 Der Wortlaut der Regelung lässt die vom Berufungsgericht befürwortete Auslegung ohne
Weiteres zu, nachdem auch in § 69 StGB von Entziehung der Fahrerlaubnis die Rede ist. Der
Einwand des Klägers, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c, auf die in Buchst. d als Grund für die
vorangegangene Fahrerlaubnisentziehung abgestellt wird, setzten ihrerseits stets eine
verwaltungsbehördliche Fahrerlaubnisentziehung voraus, ist offenkundig unzutreffend.
Umgekehrt sprechen Sinn und Zweck von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst d FeV eindeutig dafür, dass
die verwaltungsbehördliche und die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung gleichermaßen
gemeint sind. Grund für die Fahrerlaubnisentziehung war jeweils, dass deren Inhaber als
ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wurde. Das führt in dem durch § 13
Satz 1 Buchst. a bis c FeV gezogenen Rahmen zu fortbestehenden Eignungszweifeln und daher
nach Buchst. d zur Anforderung eines Fahreignungsgutachtens. Zudem hatte der
Verordnungsgeber das Urteil des Berufungsgerichts vom 18. Mai 2004 - 10 S 2796/03 - (VBlBW
2004, 428), in dem der Verwaltungsgerichtshof bereits in Bezug auf die damals noch
gleichlautende Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV zum Ergebnis gekommen war, dass sowohl
Fahrerlaubnisentziehungen durch die Verwaltungsbehörden als auch durch die Gerichte erfasst
seien, zum Anlass genommen, mit der Vierten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-
Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I S.
1338) nun auch den Wortlaut von § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV um eine entsprechende Klarstellung zu
ergänzen. Zur Begründung heißt es, den Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes könne
entnommen werden, dass sich der Gesetzgeber beim Erlass der Möglichkeiten der Entziehung
einer Fahrerlaubnis aufgrund von § 69 StGB und durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt der
Fahrerlaubnisbehörde bewusst gewesen sei. Wenn in der aufgrund von § 6 Abs. 1 StVG
erlassenen Fahrerlaubnis-Verordnung der Begriff der Entziehung der Fahrerlaubnis verwendet
werde, so sei davon auszugehen, dass damit beide Wege der Entziehung der Fahrerlaubnis
gemeint seien. Die Beschränkung des Begriffs der Entziehung der Fahrerlaubnis auf die
Feststellung der Fahrungeeignetheit in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren widerspräche
der Vorrangstellung, die der Gesetzgeber (vgl. § 3 Abs. 3 StVG) der im Rahmen eines
Strafverfahrens erfolgenden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis beimesse
(VkBl 2008 S. 567). Diese Gründe treffen in gleicher Weise auf die Parallelregelung in § 13 Satz
1 Nr. 2 Buchst. d FeV zu. Die Bestimmungen unterscheiden sich der Sache nach nur dadurch,
dass es bei § 13 FeV um die Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik und
bei § 14 FeV um die Klärung solcher Eignungsbedenken im Hinblick auf Betäubungsmittel und
Arzneimittel geht. Insofern kann auch daraus, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende
Ergänzung des Normtextes nicht auch in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vorgenommen hat,
nicht geschlossen werden, dass dort etwas Anderes gelten soll. Dementsprechend hat der Senat
§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV bereits in mehreren Fällen auch dann für anwendbar erachtet,
wenn die Fahrerlaubnisentziehung durch das Strafgericht erfolgt war (vgl. u.a. Urteile vom 28.
Juni 2012 - BVerwG 3 C 30.11 - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 10 = NJW 2012, 3669 juris Rn.
22 und vom 28. April 2010 - BVerwG 3 C 2.10 - BVerwGE 137, 10 <14> Rn. 18; zustimmend -
unter Bezugnahme auf das Berufungsurteil - auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer,
Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 13 FeV Rn. 26).
7 Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.
8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht
auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Kley
Liebler
Buchheister