Urteil des BVerwG vom 29.02.2008
BVerwG: gespräch, hund, gefahr, gesellschaft, aussetzen, ausbildung, ausnahme, gegenüberstellung, zugehörigkeit, bedingung
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 5 B 113.07
OVG 2 A 4555/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Februar 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezem-
ber 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf Zulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen Divergenz zuge-
lassen werden. Die Beschwerde meint zu Unrecht, das Berufungsgericht wei-
che vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2003
- BVerwG 5 C 41.03 - (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 104) ab. Denn eine Ab-
weichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das Beru-
fungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Ent-
scheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung
der in dieser Norm genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz
abweicht (stRspr, Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 -
Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22 = NVwZ 2005, 447). In der Beschwer-
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debegründung fehlt es bereits an einer Gegenüberstellung derart voneinander
abweichender Rechtssätze. Vielmehr geht die Beschwerde selbst davon aus
(Beschwerdebegründung S. 1 Abs. 2, S. 2 Abs. 4), dass das Berufungsgericht
als Maßstab für den Nachweis des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum die
im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2003 angeführten
Anforderungen zugrunde gelegt hat. Zudem enthält der Beschluss des Beru-
fungsgerichts keinen Rechtssatz, der von einem Rechtssatz in diesem Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.
Soweit die Beschwerde rügt (Beschwerdebegründung S. 2 Abs. 4), der vom
Berufungsgericht angelegte Maßstab aus dem Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts vom 13. November 2003 sei im vorliegenden Verfahren „unangemes-
sen streng und fehlerhaft“, macht sie gerade keine Abweichung geltend, son-
dern spricht sich für eine Differenzierung aus.
Soweit sie weiter rügt (Beschwerdebegründung S. 3 Abs. 1 und 5, S. 4 Abs. 1),
das Berufungsgericht habe die kulturellen und schulischen Aktivitäten der Klä-
gerin als nicht ausreichende Indizien und ihre guten deutschen Sprachkennt-
nisse als nicht geeignetes Indiz außer Acht gelassen, obwohl es der durch Ur-
teil vom 13. November 2003 belegten Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts entspricht, ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum „auf ver-
gleichbare Weise“ im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG anhand von Indizien
nachzuweisen, macht sie lediglich geltend, die Rechtssätze des Bundesverwal-
tungsgerichts seien „fehlerhaft angewendet“ worden, bezeichnet aber keine
Divergenz (Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - a.a.O.).
Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätz-
licher Bedeutung zugelassen werden. Denn die von der Beschwerde aufgewor-
fene Frage (Beschwerdebegründung S. 4 Abs. 5), „wie der unbestimmte
Rechtsbegriff ‚Bekenntnis auf vergleichbare Weise’ gesetzeskonform auszule-
gen ist“, ist nicht klärungsbedürftig. Zum einen ist bereits geklärt, dass „um ein
Bekenntnis ‚auf andere Weise’ auszufüllen, … die Indizien für den Willen der
Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe nach Gewicht, Aussagekraft und
Nachweisbarkeit der Nationalitätenerklärung entsprechen und in einer Weise
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- über das unmittelbare familiäre Umfeld hinaus - nach außen hin hervorgetre-
ten sein (müssen), die der Nationalitätenerklärung nahe kommt“, und dass da-
für Umstände von Bedeutung sind, „die (den) Willen …, der deutschen Volks-
gruppe und keiner anderen anzugehören, nach außen hin, z.B. in der Lebens-
führung oder in gesellschaftlichen, sozialen oder kulturellen Aktivitäten, unzwei-
felhaft … zu Tage treten lassen“ (Urteil vom 13. November 2003 a.a.O.) Zum
anderen besteht entgegen der Beschwerde kein weiterer Klärungsbedarf.
Ein weiterer Klärungsbedarf ergibt sich nicht aufgrund der Auffassung des Be-
rufungsgerichts, gute Deutschkenntnisse seien „nicht geeignet, als Indiz für den
Willen, dem deutschen Volkstum anzugehören, und damit als Bekenntnis selbst
herangezogen zu werden, weil die jetzige Fassung des § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3
BVFG die deutsche Sprache als Bestätigungsmerkmal für das Bekenntnis ver-
langt, ein Bekenntnis also voraussetzt“. Es überzeugt schon nicht, zur Eignung
als Indiz für ein Bekenntnis ein solches Indiz mit dem Bekenntnis selbst gleich-
zusetzen („Deutschkenntnisse … als Indiz … und damit als Bekenntnis selbst
…). Auch wenn Kenntnisse der deutschen Sprache als ein Indiz für das Be-
kenntnis zum deutschen Volkstum in Betracht kommen - nach § 6 Abs. 2
Satz 2 BVFG muss das Bekenntnis zum deutschen Volkstum durch die Vermitt-
lung der deutschen Sprache bestätigt werden, was nach § 6 Abs. 2 Satz 3
BVFG nur festgestellt ist, wenn ein einfaches Gespräch auf Deutsch geführt
werden kann -, sind deutsche Sprachkenntnisse als Indiz nur insofern von Be-
deutung, als sie zwar (mit Ausnahme nach § 6 Abs. 2 Satz 4 BVFG) notwendi-
ge, nicht aber hinreichende Bedingung für ein Bekenntnis zum deutschen
Volkstum sind. Wie es einerseits erforderlich ist, ein einfaches Gespräch auf
Deutsch führen zu können (§ 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG), reicht andererseits allein
der Umstand, dass eine Person aufgrund familiärer Vermittlung ein einfaches
Gespräch auf Deutsch führen kann, noch nicht für die Annahme aus, die Per-
son habe sich durch ein nach außen hin erkennbares Verhalten zum deutschen
Volkstum bekannt (Urteil vom 13. November 2003 a.a.O. unter 2.2). Nach den
nicht angegriffenen und damit bindenden tatsächlichen Feststellungen des Be-
rufungsgerichts (BA S. 6 Abs. 2) standen „alle vorgebrachten Aktivitäten“ der
Klägerin und damit auch ihr Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlich-
keit mit der schulischen Ausbildung im Zusammenhang und war nicht erkenn-
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bar, dass die Klägerin in der Öffentlichkeit Deutsch als Angehörige der deut-
schen Volksgruppe gesprochen hat.
Ein weiterer Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin
meint, es bestehe die Gefahr, dass die Anforderungen an ein Bekenntnis zum
deutschen Volkstum in vergleichbarer Weise „den Betroffenen in eine von der
jeweiligen Gesellschaft verurteilte Situation drängen“ und dass „die Betroffenen
sich dem Vorwurf unerlaubter deutschnationaler Umtriebe aussetzen müssen“
(Beschwerdebegründung S. 5). Denn diese Gefahren bestehen in einem Viel-
völkerstaat nicht, wenn sich die Angehörigen einer Volksgruppe unter Achtung
der nationalen Gesetze als Angehörige ihrer Volksgruppe bekennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Hund Schmidt Fricke
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