Urteil des BVerwG vom 19.12.2007

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BVerwG 2 B 35.07
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 35.07
Niedersächsisches OVG - 11.01.2007 - AZ: OVG 5 LC 318/05
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Dezember 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Heitz
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. Januar 2007 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 22 000 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist
unbegründet.
2 Das Berufungsgericht hat den mit der Berufung weiter verfolgten Anspruch auf Geldausgleich
und hilfsweise Schadensersatz wegen Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens
zurückgewiesen.
3 Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine analoge Anwendung der §§ 45, 46
BBesG komme wegen des im Besoldungsrecht geltenden Analogieverbots (vgl. §§ 2, 51 BBesG)
nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall sei jedoch nicht
gegeben, da bereits keine unbewusste Regelungslücke anzunehmen sei. Im Übrigen fehlten
selbst bei einer analogen Anwendung die in § 46 BBesG genannten haushaltsrechtlichen
Voraussetzungen, da dem Dienstposten des Klägers keine Planstelle der Besoldungsgruppe A
11 zugeordnet sei. Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht herleiten.
4 Der hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung
stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Dienstherr seine
ihm gegenüber dem Kläger obliegende Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt habe. Im Übrigen
habe der Kläger nicht gegenüber dem Dienstherrn zu erkennen gegeben, dass er die
Umsetzung auf einen seinem Statusamt entsprechenden Dienstposten begehre.
5 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache,
wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts
aufwirft, deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwartende Klärung der Erhaltung der
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts zu
dienen geeignet ist. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer, diese
Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE
13, 90 <91>; stRspr).
6 Die Beschwerde wirft unter Nr. 1 als rechtsgrundsätzlich bedeutsam die Frage auf, wann ein
extremer Ausnahmefall vorliegt, der eine analoge Anwendung der §§ 45, 46 BBesG rechtfertigt.
Sie hält diesen bei Beamten, die über zehn Jahre auf einem höherwertigen Dienstposten
eingesetzt werden, für gegeben.
7 Diese Frage rechtfertigt nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Es
ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass Besoldungsleistungen dem Vorbehalt des
Gesetzes unterliegen. Demzufolge können Besoldungsansprüche nicht auf eine analoge
Anwendung besoldungsrechtlicher Vorschriften gestützt werden (Urteile vom 14. Mai 1964 -
BVerwG 2 C 133.60 - BVerwGE 18, 293, 295 f., vom 20. Juni 1996 - BVerwG 2 C 7.95 -
Buchholz 240 § 2 BBesG Nr. 8, vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 34.02 - Buchholz 11 Art. 33
Abs. 5 GG Nr. 79, vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <310> und vom
21. Juni 2007 - BVerwG 2 C 17.06 - DokBer B 2007, 323, stRspr). Es ist außerdem in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass von dem durch Art. 33 Abs. 5 GG
verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG)
nur ausnahmsweise abgewichen werden kann. Nur bei einer planwidrigen sachlichen Lücke im
Beamtenbesoldungsrecht kann eine dem Willen des Gesetzes folgende entsprechende
Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen in Betracht kommen (Urteile vom 24. November
1960 - BVerwG 2 C 6.58 - BVerwGE 11, 263 <264> und vom 28. Dezember 1971 - BVerwG 6 C
17.68 - BVerwGE 39, 221 <228>). Es liegt auf der Hand und bedarf daher keiner Klärung in
einem Revisionsverfahren, dass mit Einführung einer Regelung für die Besoldung bei
Wahrnehmung höherwertiger Dienstposten durch die §§ 45, 46 BBesG von einer
Regelungslücke nicht gesprochen werden kann. Im Übrigen hat das Berufungsgericht für die
Revisionsinstanz bindend, da nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen (vgl. § 137 Abs. 2
VwGO), festgestellt, dass die in § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG genannten haushaltsrechtlichen
Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach der genannten Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts kommt aber eine analoge Anwendung nur entsprechend dem Willen
des Gesetzgebers und nicht gegen dessen erklärten Willen in Betracht (vgl. die Hervorhebung
im Urteil vom 28. Dezember 1971 - BVerwG 6 C 17.68 - a.a.O. S. 229).
8 Unter Nr. 2 wirft die Beschwerde als rechtsgrundsätzlich die Fragen auf, ob der Dienstherr
seine Fürsorgepflicht verletzt, wenn ein Beamter die Tätigkeiten eines höherwertigen
Dienstpostens bei Beibehaltung des statusrechtlichen Amtes für einen Zeitraum von mehr als
zehn Jahren ausüben muss, bzw. ob es dem Dienstherrn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht
erlaubt sein kann, einen Beamten dauerhaft auf einem Amt im funktionellen Sinne einzusetzen,
ohne ihn statusrechtlich zu befördern. Die Beschwerde hält eine dauerhafte Trennung von Amt
und Funktion für unzulässig. Das Berufungsgericht habe sich hiermit nicht befasst, sondern
einen Anspruch auf Beförderung geprüft, den er nicht geltend gemacht habe.
9 Zur Klärung dieser vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen bedarf es ebenfalls keiner
Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie sind hier nicht entscheidungserheblich, weil auch
ihre Beantwortung im Sinne des Klägers nicht dazu führen kann, dass diesem ein
Schadensersatzanspruch zusteht. Zwar können sich aus rechtswidrigen Entscheidungen des
Dienstherrn auch Schadensersatzansprüche ergeben. Deren Voraussetzungen richten sich aber
nach den allgemeinen Vorschriften (Urteil vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 2 C 39.99 -
BVerwGE 112, 308). Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn kommt als Prüfungsmaßstab nur in
Betracht, wenn der Sachbereich nicht durch spezielle Normen geregelt ist. Dies ist hinsichtlich
der Frage, ob einem Beamten wegen des Einsatzes auf einem höherwertigen Dienstposten
zusätzliche Besoldungsleistungen gewährt werden, seit Inkrafttreten der §§ 45, 46 BBesG im
Jahr 1997 der Fall. Diese Vorschriften ergeben - dies sieht auch die Beschwerde - einen solchen
Anspruch nicht. Sie sehen unter den aufgeführten Voraussetzungen, die hier nicht vorliegen,
einen Anspruch auf Gewährung einer Zulage vor. Ansonsten wird dem Beamten auferlegt, den
höherwertigen Dienstposten aufgrund seiner Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf wahrzunehmen
(§ 54 Satz 1 BBG, § 62 Satz 1 NBG; vgl. Urteile vom 21. Dezember 2000 - BVerwG 2 C 39.99 -
a.a.O. S. 310 und vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 61.03 - BVerwGE 122, 65 <69> =
Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 23; Beschluss vom 24. Oktober 1989 - BVerwG 2 B 112.89 -
Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 46, stRspr).
10 Im Übrigen wäre die sinngemäß gestellte Frage nach einer Rechtswidrigkeit des Handelns
des Dienstherrn als Voraussetzung eines öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruches in
einem Revisionsverfahren hier auch wegen der Schadensabwendungspflicht nicht
entscheidungserheblich. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, tritt die Ersatzpflicht
für rechtswidriges staatliches Handeln nach dem auch im Beamtenrecht geltenden
Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB dann nicht ein, wenn der Verletzte mögliche, auch
formlose, Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung, insbesondere
gerichtlichen Rechtsschutz nach Durchführung des Vorverfahrens, ohne hinreichenden Grund
nicht in Anspruch genommen hat (vgl. Urteile vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE
107, 29 <31> m.w.N., vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 2 C 22.97 - Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG
Nr. 2 und vom 1. April 2004 - BVerwG 2 C 26.03 - Buchholz 237.8 § 10 RhPLBG Nr. 1, stRspr).
Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen hat der Kläger zu keiner Zeit
Einwendungen gegen den Einsatz auf dem höherwertigen Dienstposten erhoben. Das
Berufungsgericht hat hierzu festgestellt, dass der Kläger schon nicht gegenüber dem Dienstherrn
zu erkennen gegeben habe, dass er die Umsetzung auf einen seinem Statusamt
entsprechenden Dienstposten begehre. Dies habe der Kläger wahrscheinlich unterlassen, weil
er sich Beförderungschancen versprochen habe. Der Kläger könne der Beklagten nicht
vorwerfen, dass sie ihn nicht von sich aus - gegen seinen vermeintlichen Willen - auf einen
solchen Dienstposten umgesetzt habe.
11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus § 52
Abs. 1 und 3, § 45 Abs. 1, § 47 GKG.
Groepper
Dr. Heitz
Thomsen