Urteil des BVerwG vom 11.12.2012
BVerwG: verkehrsmittel, konkretisierung, bundespolizei, verfügung, mitwirkungsrecht, uniform, erfüllung, genehmigung, dringlichkeit, arbeitsbedingungen
BVerwG 6 P 2.12
Rechtsquellen:
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 1
Stichworte:
Mitwirkung des Personalrats bei Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen; Konkretisierung
einer höherrangigen Verwaltungsvorschrift.
Leitsatz:
Die an ihre Beschäftigten gerichtete Anordnung einer Dienststelle, mit welcher in einer
innerdienstlichen Angelegenheit eine höherrangige Verwaltungsvorschrift konkretisiert wird,
unterliegt der Mitwirkung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 P 2.12
VG Dresden - 19.11.2009 - AZ: VG 8 K 181/09
Sächsisches OVG - 21.07.2011 - AZ: OVG PB 8 A 753/10
In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Hahn
und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Sächsischen
Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I
1 Unter dem 10. November 2008 traf der Beteiligte folgende Anordnung:
„Betreff Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen;hier Insbesondere für Dienstreisen
Bezug
Anlage - 2 -
Die Haushaltslage ist angespannt. Dieses gilt insbesondere auch für die für den Betrieb von
Landfahrzeugen zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.
Bei der Überprüfung der Fahrtnachweise habe ich festgestellt, dass Dienstkraftfahrzeuge in
häufig auch für Einzeldienstreisen und fiskalische Fahrten genutzt wurden.
Zur Regelung dieser Fahrten, ordne ich ab sofort folgendes an:
1) Einzeldienstreisen mit günstiger Anbindung an das Streckennetz der DB AG, wie z.B.
Dresden, Leipzig, Chemnitz, Halle, Potsdam, Berlin, Erfurt, usw. sind grundsätzlich mit
öffentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen.
2) Fiskalische Fahrten sind auf ein Minimum zu reduzieren.
3) Polizeivollzugsbeamte prüfen in dem Bewusstsein, Repräsentanten der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland zu sein, verstärkt die Nutzung
öffentlicher Verkehrsmittel in Uniform.
4) Der als Anlage 1 beigefügte ‚Antrag auf Nutzung eines Dienstkraftfahrzeuges’ ist ab sofort für
die genannten Fahrten zu verwenden.
Berechtigt zur Genehmigung von Dienstreisen mit Dienstkraftfahrzeugen sind:
Für den ÜPR, die GleiB, die StSt ÖA/B, IR und C/QM der Präsident/Vizepräsident;
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stabsbereiche die Stabsbereichsleiter o.V.i.A.
Der Sachbereich 37 ist nur befugt, bei genehmigten Anträgen Dienstfahrzeuge zur Verfügung zu
stellen.
Schließlich füge ich einen Auszug aus der PDV 700 (Bundespolizei) bei.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stabes der Bundespolizeidirektion Pirna sind in
geeigneter Weise von dieser Verfügung in Kenntnis zu setzen.“
2 Mit Schreiben vom 11. November 2008 machte der Antragsteller geltend, die Anordnung
unterliege gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG seiner Mitwirkung. Dem trat der Beteiligte mit
Schreiben vom 2. Dezember 2008 im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, bei der
Anordnung handele es sich um eine nicht mitwirkungsbedürftige Weisung, welche die sparsame
und wirtschaftliche Nutzung von Haushaltsmitteln zum Ziele habe.
3 Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der
Beteiligte durch Erlass der Verwaltungsanordnung vom 10. November 2008 das
Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG verletzt und das
Mitwirkungsverfahren nachzuholen hat. Die Beschwerde des Beteiligten hat das
Oberverwaltungsgericht aus folgenden Gründen zurückgewiesen: Das Schreiben des Beteiligten
vom 10. November 2008 sei eine Verwaltungsanordnung im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1
BPersVG. Denn es enthalte allgemeine Vorgaben für alle Bediensteten, die einen Dienstwagen
zu nutzen beabsichtigten. Es sei als konkrete Anordnung mit verbindlicher Wirkung für die
Beschäftigten erlassen worden. Wenn das Schreiben eine bloße Konkretisierung der
Dienstanweisung PDV 700 der Bundespolizei sei, so stehe dies seiner Einordnung als
Verwaltungsanordnung nicht entgegen. Es würden eigenständige Regelungen vorgegeben,
etwa durch das vorgesehene Antragsformular und inhaltliche Vorgaben für bestimmte Dienstorte.
Die Anordnung vom 10. November 2008 betreffe die innerdienstlichen Angelegenheiten der
Beschäftigten. Sie beziehe sich nicht auf die Aufgabenerfüllung der Dienststelle, sondern regele
ausschließlich das Verhalten der Beschäftigten. Indem die Berechtigung zu einer
Inanspruchnahme eines Dienstwagens geregelt werde, seien allein die Arbeitsabläufe und die
Arbeitsbedingungen in der Dienststelle betroffen.
4 Der Beteiligte trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Beim Schreiben vom 10.
November 2008 handele es sich allein um eine Wiedergabe und allenfalls teilweise
Konkretisierung der PDV 700. Die Benennung bekanntermaßen günstiger
Verkehrsanbindungen konkretisiere lediglich die Regelung in der PDV 700, wonach die
gegenüber der Benutzung anderer Verkehrsmittel entstehenden Mehrkosten zur Dringlichkeit
des Dienstgeschäfts oder zur Zeitersparnis in einem vertretbaren Verhältnis stehen müssten. Die
Rechtsstellung der Beschäftigten sei regelmäßig nicht im Sinne des Mitwirkungstatbestandes
berührt, wenn lediglich eine Konkretisierung bestehender dienstlicher Verpflichtungen
vorgenommen werde. Bei der Anordnung vom 10. November 2008 gehe es ebenso wie in der
PDV 700 um die Sicherstellung der Nutzung von Dienstfahrzeugen als Einsatzmittel zur
Erfüllung der der Bundespolizei gesetzlich übertragenen Aufgaben. Wegen des Primats als
Einsatzmittel komme die Nutzung für fiskalische Fahrten und für Einzeldienstreisen allenfalls
sekundär in Betracht. Billige man der Personalvertretung ein Beteiligungsrecht zu, so erhalte
diese Einfluss auf die Nutzung von Dienstfahrzeugen als Einsatzmittel. Eine derartige
Einwirkung auf die Erfüllung der der Dienststelle gesetzlich übertragenen Aufgaben sei der
Personalvertretung nicht einzuräumen.
5 Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Anträge abzulehnen.
6 Der Antragsteller beantragt,
die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
7 Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
II
8 Die zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten ist nicht begründet. Der Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung
einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Der Beteiligte hat mit
seiner Anordnung vom 10. November 2008 zur Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen das
Mitwirkungsrecht bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen verletzt. Er ist daher
verpflichtet, das Mitwirkungsverfahren nachzuholen.
9 1. Rechtsgrundlage für das streitige Mitwirkungsrecht ist § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Danach
wirkt der Personalrat mit bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle
für die innerdienstlichen, sozialen und persönlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres
Geschäftsbereichs. Der in der Vorschrift enthaltene Vorbehalt wegen Beteiligung der
Spitzenorganisationen nach § 118 BBG greift hier offensichtlich nicht ein.
10 a) Der Begriff „Verwaltungsanordnung“ beschreibt in seiner personalvertretungsrechtlichen
Bedeutung jede Regelung, welche die Dienststelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Rechte
als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen ihren Beschäftigten, jedenfalls aber gegenüber
einer unbestimmten Anzahl ihrer Beschäftigten trifft, ohne dass es auf ihre Form ankommt (vgl.
Beschlüsse vom 19. Mai 2003 - BVerwG 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 6,
vom 1. September 2004 - BVerwG 6 P 3.04 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 13 S. 2 f., vom
16. April 2008 - BVerwG 6 P 8.07 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 9, vom 11. Mai 2011 -
BVerwG 6 P 4.10 - Buchholz 251.6 § 75 NdsPersVG Nr. 6 Rn. 23 und vom 7. Februar 2012 -
BVerwG 6 P 26.10 - juris Rn. 10).
11 b) Beim Merkmal der „innerdienstlichen Angelegenheiten“ handelt es sich um einen Auffang-
und Oberbegriff. Aufgefangen werden Angelegenheiten, die nicht als persönliche
Angelegenheiten oder soziale Angelegenheiten qualifiziert werden können. Zugleich ist
„innerdienstliche Angelegenheit“ ein Oberbegriff, welcher allen Beteiligungstatbeständen in den
Katalogen nach §§ 75 bis 79 BPersVG zugrunde liegt. Es handelt sich dabei um
Entscheidungen im internen Bereich von Regierung und Verwaltung, durch welche die
Beschäftigten in ihren spezifischen Interessen als Beamte und Arbeitnehmer berührt werden
(vgl. Beschlüsse vom 19. Mai 2003 a.a.O. S. 4 und S. 6 sowie vom 16. April 2008 a.a.O. Rn. 11).
12 Eine Maßnahme verliert ihren innerdienstlichen Charakter nicht durch den Zusammenhang
mit der Erledigung der Amtsaufgabe. Für innerdienstliche Maßnahmen ist nicht untypisch, dass
durch sie behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrages
geschaffen werden. Hat eine innerdienstliche Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die
Erledigung des Amtsauftrages, so ist dem nicht durch Ausschluss jeglicher Beteiligung, sondern
dadurch Rechnung zu tragen, dass die Angelegenheit nicht der Letztentscheidungsbefugnis der
der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf (vgl. Beschlüsse vom 19. Mai
2003 a.a.O. S. 4, vom 16. April 2008 a.a.O. Rn. 13 und vom 11. Mai 2011 a.a.O. Rn. 25). Die
Beteiligung des Personalrats bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen nach § 78 Abs.
1 Nr. 1 BPersVG ist auf Mitwirkung beschränkt. Damit ist das Letztentscheidungsrecht der
obersten Dienstbehörde sichergestellt (§ 72 Abs. 4 Satz 2 BPersVG; vgl. dazu Gerhold, in:
Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand:
Juli 2012, § 72 Rn. 32; Ilbertz/Widmaier/Sommer, Bundespersonalvertretungsgesetz, 12. Aufl.
2012, § 72 Rn. 23; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Band V, K § 72 Rn. 19; Weber, in:
Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012 § 72 Rn. 51; Altvater, in:
Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 72 Rn.
17).
13 c) Eine Verwaltungsanordnung im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG muss eigenständige
Gestaltungswirkung haben. Dieses Erfordernis versteht sich schon deswegen, weil sich der
Mitwirkungskatalog - ebenso wie die Mitbestimmungskataloge - auf Maßnahmen der Dienststelle
im personalvertretungsrechtlichen Sinne beziehen (vgl. §§ 69, 72 BPersVG).
Verwaltungsanordnungen müssen daher auf Veränderung des bestehenden Zustandes in
Bezug auf Beschäftigungsverhältnis oder Arbeitsbedingungen gerichtet sein. Eine lediglich
norminterpretierende Verwaltungsvorschrift ist daher keine mitwirkungsbedürftige
Verwaltungsanordnung im Sinne von § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG (vgl. Beschluss vom 7. Februar
2012 a.a.O. Rn. 13 und Rn. 18 f.).
14 Ebenso liegt es, wenn eine nachgeordnete Dienststelle - etwa in Form einer eigenständigen
Bekanntmachung - die Verwaltungsvorschrift einer übergeordneten Dienststelle lediglich
wiederholt. Abweichendes gilt dagegen, wenn sie von der übergeordneten Dienststelle
belassene Entscheidungsspielräume ausfüllt und damit die höherrangige Verwaltungsvorschrift
konkretisiert. Andernfalls ergäbe sich eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Beteiligungslücke.
Die übergeordnete Dienststelle ist befugt, gesetzlich oder tarifvertraglich nicht abschließend
geregelte innerdienstliche Angelegenheiten für ihren Geschäftsbereich zu gestalten. Sie kann
dies durch eine Verwaltungsvorschrift tun, die sich in ihrem Regelungsbereich abschließende
Wirkung zumisst. In diesem Fall ist allein die bei ihr gebildete Stufenvertretung zur Beteiligung
berufen (§ 82 Abs. 1 BPersVG). Wegen des abschließenden Charakters der Anordnung ist für
eine zusätzliche Beteiligung von Personalvertretungen bei nachgeordneten Dienststellen kein
Raum. Die übergeordnete Dienststelle kann aber auch eine Rahmenregelung treffen, die auf
Ausfüllung im nachgeordneten Bereich angelegt ist. In diesem Fall ist die Stufenvertretung bei
der Rahmenregelung und sind die örtlichen Personalräte bei der Konkretisierung zu beteiligen.
Nur dann ist die Beteiligung in gleicher Weise effektiv wie im erstgenannten Fall.
15 Der Senatsbeschluss vom 2. Januar 1986 - BVerwG 6 P 16.82 - (Buchholz 238.31 § 80
BaWüPersVG Nr. 2) steht nicht entgegen. Wenn es dort heißt, die Konkretisierung bestehender
dienstlicher Verpflichtungen berühre regelmäßig nicht die Rechtsstellung der Beschäftigten, so
bezieht sich diese Bemerkung nach ihrem Kontext auf die Wahrnehmung des Amtsauftrages
durch die Beschäftigten, im entschiedenen Fall die Durchführung von Zweitkorrekturen und die
Anfertigung von Aufgabenvorschlägen im Abitur durch Gymnasiallehrer (Beschluss vom 2.
Januar 1986 a.a.O. S. 3 f.). Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang nicht, weil die
Mitwirkung nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG von vornherein auf Verwaltungsanordnungen in
innerdienstlichen Angelegenheiten begrenzt ist.
16 d) Der Senat hat in den zitierten aktuellen Entscheidungen zur Mitwirkung bei der
Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG und vergleichbaren
Bestimmungen in den Landespersonalvertretungsgesetzen Stellung genommen und dabei
angeknüpft an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 -
(BVerfGE 93, 37 <68 ff.>) zur Einschränkung der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst durch das
demokratische Prinzip nach dem Maßstab von Schutzzweck- und Verantwortungsgrenze. Die
vor dieser Entscheidung ergangene ältere Senatsrechtsprechung zur Mitwirkung bei
Verwaltungsanordnungen, die zum Teil von einem abweichenden Verständnis der
innerdienstlichen Maßnahme ausging, ist damit überholt.
17 2. In Anwendung der vorbezeichneten Grundsätze erweist sich die Anordnung des Beteiligten
vom 10. November 2008 als mitwirkungsbedürftige Verwaltungsanordnung im Sinne von § 78
Abs. 1 Nr. 1 BPersVG (a)). Sie betrifft eine innerdienstliche Angelegenheit (b)) und hat eine
eigenständige Gestaltungswirkung (c)).
18 a) Durch diese Anordnung hat der Beteiligte in Wahrnehmung der dem Bund als Dienstherr
und Arbeitgeber zukommenden Aufgaben und Rechte eine Regelung gegenüber den
Mitarbeitern des Stabes der Bundespolizeidirektion Pirna getroffen. Diese Aussage trifft auch auf
die Zuständigkeitsregelung zu. Dadurch werden Rechte und Pflichten nicht nur für diejenigen
Amtspersonen begründet, denen die Befugnis zur Genehmigung von Dienstreisen mit
Dienstkraftfahrzeugen übertragen wird, sondern auch für alle von der Anordnung erfassten
Beschäftigten, die ihre Anträge von eben diesen Amtspersonen genehmigen lassen müssen.
19 b) Durch die Anordnung wird eine innerdienstliche Angelegenheit der betroffenen
Beschäftigten geregelt. Es handelt sich um eine verwaltungsinterne Entscheidung, durch welche
die betroffenen Beschäftigten in ihren spezifischen Interessen der Beamten und Arbeitnehmer
berührt werden. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Dienstkraftfahrzeuge für
Dienstreisen benutzt werden dürfen, betrifft die Rechtsbeziehung zwischen den Beschäftigten
und ihrem Dienstherrn bzw. Arbeitgeber. Aufgaben und Befugnisse der Bundespolizei nach dem
Bundespolizeigesetz werden durch die Anordnung vom 10. November 2008 nicht geregelt.
20 Die Anordnung verliert ihren innerdienstlichen Charakter nicht dadurch, dass zwischen der
Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen für Dienstreisen und der Erledigung des bundespolizeilichen
Amtsauftrages ein Zusammenhang besteht (vgl. zur Rahmenweisung für das Führen von
Dienstkraftfahrzeugen als Selbstfahrer im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
Verteidigung: Beschluss vom 19. Mai 2003 - BVerwG 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG
Nr. 19 S. 4 f.). Der Bedeutung dieser Frage dafür, ob für polizeiliche Einsätze in hinreichendem
Maße Dienstkraftfahrzeuge zur Verfügung stehen, ist durch das Letztentscheidungsrecht der
obersten Dienstbehörde Rechnung getragen (§ 72 Abs. 4 Satz 2, § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG).
21 Allerdings ist der Dienststellenleiter befugt, beteiligungsfrei zu regeln, dass die der Dienstelle
zur Verfügung stehenden Dienstfahrzeuge ausschließlich für polizeiliche Einsätze genutzt
werden dürfen. In diesem Fall ist die vorgesehene Ressourcenverwendung Teil der polizeilichen
Aufgabenerfüllung; spezifische Beschäftigteninteressen werden dabei nicht berührt. So liegt es
hier jedoch nicht. Der Anordnung vom 10. November 2008 liegt zwar die Erwägung zu Grunde,
dass die Dienstfahrzeuge vorrangig den polizeilichen Einsätzen dienen. Sie lässt jedoch Raum
dafür, dass die Fahrzeuge - unter Beachtung jenes Grundsatzes und unter im Vergleich zur
bisherigen Praxis deutlich einschränkenden Voraussetzungen - jedenfalls im Einzelfall noch der
Nutzung für Dienstreisen zugänglich sind. So sollen Einzeldienstreisen mit günstiger Anbindung
an das Streckennetz der Bahn „grundsätzlich“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt
werden; die Zielorte mit einer derartigen günstigen Anbindung werden nicht abschließend
aufgezählt (Nr. 1 der Anordnung). Fiskalische Fahrten sollen „auf ein Minimum“ reduziert werden
(Nr. 2 der Anordnung). Polizeivollzugsbeamte sollen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in
Uniform „verstärkt prüfen“ (Nr. 3 der Anordnung). Für die Nutzung von Dienstfahrzeugen für
Dienstreisen wird ein formularmäßiges Antragsverfahren eingeführt (Nr. 4 und Anl. 1 der
Anordnung). Damit hat der Beteiligte insgesamt eine Regelung getroffen, die zwar einen
deutlichen Aufgabenbezug aufweist, aber noch offen ist für die Berücksichtigung spezifischer
Beschäftigteninteressen in Zusammenhang mit der ausnahmsweisen Nutzung der Fahrzeuge für
Dienstreisen. Daran knüpft die Beteiligungspflicht an.
22 c) Die Anordnung vom 10. November 2008 hat eigenständige Gestaltungswirkung.
23 aa) Es handelt sich dabei nicht um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift.
Namentlich befasst sie sich nicht mit der Auslegung des Bundesreisekostengesetzes (BRKG)
vom 26. Mai 2005, BGBl I S. 1418. Dieses regelt Art und Umfang der Reisekostenvergütung der
Beamten des Bundes (§ 1 Abs. 1 BRKG). Für diese Zwecke definiert es Dienstreisen und
schreibt vor, dass diese grundsätzlich angeordnet oder genehmigt werden müssen und nur
durchgeführt werden sollen, wenn sie aus dienstlichen Gründen notwendig sind (§ 2 Abs. 1
BRKG). Es befasst sich nicht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigte
Dienstkraftfahrzeuge für Dienstreisen nutzen dürfen. Dies ist Gegenstand der Anordnung vom
10. November 2008.
24 bb) Diese wiederholt nicht lediglich die einschlägigen Bestimmungen der PDV 700, sondern
konkretisiert diese mit eigenständiger Gestaltungswirkung.
25 In der PDV 700 heißt es:
„3. Kraftfahrbetrieb
3.1 Allgemeine Hinweise
3.1.1 Grundsätze
Dienstfahrzeuge (Kraftfahrzeuge und Anhänger) sind wichtige Einsatzmittel zur Erfüllung der der
Bundespolizei gesetzlich übertragenen Aufgaben.
Dienstfahrzeuge dürfen im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben verwendet bzw. eingesetzt
werden, wenn
- es die Auftrags- und Einsatzlage erfordert,- die gegenüber der Benutzung anderer
Verkehrsmittel entstehenden Mehrkosten zur Dringlichkeit des Dienstgeschäftes oder zur
Zeitersparnis in einem vertretbaren Verhältnis stehen.
Die Nutzung des Einsatzmittels „Dienstfahrzeug“ als Beförderungsmittel für Dienstreisen ist stets
besonders zu prüfen. Dabei ist die Zweckgebundenheit der Haushaltsmittel zu beachten [§ 14
Bundeshaushaltsordnung (BHO)]....
3.1.2 Wirtschaftlicher Einsatz der Dienstfahrzeuge
Die Gebote und Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind stets zu beachten ...
Der Einsatz von Dienstfahrzeugen ist straff zu koordinieren ...“.
26 Nach den vorgenannten Bestimmungen der PDV 700 ist der Einsatz von Dienstfahrzeugen
trotz dadurch entstehender Mehrkosten gerechtfertigt, wenn dies wegen Dringlichkeit des
Dienstgeschäftes oder aus Gründen der Zeitersparnis vertretbar ist. Die offene, unbestimmte
Begriffe verwendende Formulierung lässt Spielraum für die Verwaltungspraxis in den
nachgeordneten Dienststellen. Namentlich der Begriff der „Vertretbarkeit“ gibt zu erkennen, dass
bei vergleichbaren Fällen unter Umständen Raum für verschiedene Lösungen bleibt. Dieser
Entscheidungsspielraum wird durch die in der PDV 700 weiter betonten haushaltsrechtlichen
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckgebundenheit nicht nachhaltig
eingeschränkt.
27 Demgemäß lässt sich die Regelung in Nr. 1 der Anordnung des Beteiligten vom 10.
November 2008 nicht zwingend aus den genannten Bestimmungen der PDV 700 herleiten. In
Nr. 1 der Anordnung wird zugrunde gelegt, dass Einzeldienstreisen mit dem Dienstkraftfahrzeug
zu den dort genannten Großstädten im Vergleich zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Mehrkosten verursachen. Diese Annahme ergibt sich nicht aus der PDV 700. Ob sie zutrifft, ist
vor Ort zu klären und kann daher Gegenstand der Verhandlungen zwischen Antragsteller und
Beteiligtem sein. Dasselbe gilt für die Vertretbarkeitsfrage, für welche die PDV 700 lediglich den
Rahmen bereitstellt, der durch gestaltende generelle Regelungen im nachgeordneten Bereich
ausfüllbar ist. Demgemäß hat der Beteiligte in Nr. 1 seiner Anordnung entschieden, dass in den
dort näher bezeichneten Fällen die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen für Einzeldienstreisen
grundsätzlich als nicht vertretbar anzusehen ist.
28 Einen vergleichbar konkretisierenden Charakter haben die weiteren Bestimmungen der
Anordnung vom 10. November 2008. Nr. 3 der Anordnung drückt - über eine unverbindliche
Empfehlung hinausgehend - die Erwartung aus, dass Polizeivollzugsbeamte verstärkt öffentliche
Verkehrsmittel in Uniform nutzen, um damit beim Publikum ein verstärktes Sicherheitsgefühl
auszulösen. Damit ist ein Aspekt angesprochen, welcher über die Vorgaben in den genannten
Bestimmungen der PDV 700 hinausgeht. Dies stellt zugleich einen weiteren Beleg für die
eigenständige Gestaltungswirkung der Anordnung dar.
29 Mit der in Nr. 4 sowie in Anlage 1 der Anordnung getroffenen Formularregelung hat der
Beteiligte sein Verfahrensermessen ausgeübt, ohne dass die PDV 700 dazu eine zwingende
Vorgabe enthält. Mit seiner Zuständigkeitsregelung zur Genehmigung von Dienstreisen mit
Dienstkraftfahrzeugen hat der Beteiligte schließlich von seiner Übertragungsbefugnis in Nr. 2.1.1
der Verwaltungsvorschrift des Bundespolizeipräsidiums vom 7. April 2008 Gebrauch gemacht.
30 3. Da der Beteiligte somit das Mitwirkungsrecht des Antragstellers nach § 78 Abs. 1 Nr. 1
BPersVG verletzt hat, war dies durch gerichtliche Entscheidung auszusprechen. Da der
Antragsteller einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Nachholung des
Mitwirkungsverfahrens hat (vgl. Beschlüsse vom 11. Mai 2011 - BVerwG 6 P 4.10 - Buchholz
251.6 § 75 NdsPersVG Nr. 6 Rn. 36 sowie vom 14. Juni 2011 - BVerwG 6 P 10.10 - Buchholz
251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 17 Rn. 10 m.w.N), ist dem durch einen weiteren gerichtlichen
Ausspruch Rechnung zu tragen.
Neumann
Büge
Dr. Graulich
Hahn
Prof. Dr. Hecker