Urteil des BVerwG vom 27.09.2012

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BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 28.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Major …,
…,
,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 27. September 2012 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist
unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Köln
verwiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die schriftliche Zusicherung, dass der für ihn geltende
Zeitpunkt der Zurruhesetzung gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 6 SG der 30. April 2017
sei.
Der 1976 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes der Luftwaffe im Werdegang Fliegerischer Dienst. Er ist
unter anderem ausgebildeter Jagdbomberflugzeugführer für das Waffensystem
TORNADO. Am 13. September 1999 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufs-
soldaten mit der verwendungsbezogenen besonderen Altersgrenze der Voll-
endung des 41. Lebensjahres verliehen (BO 41). In der von ihm am gleichen
Tag unterzeichneten Belehrung wurde er darauf hingewiesen, dass er bei Vor-
liegen dienstlicher Gründe jederzeit in eine andere Verwendung übergeführt
werden könne, in der er der besonderen Altersgrenze seines Dienstgrades
unterliege. Er wurde am 19. November 2007 zum Major ernannt. Seit dem
2. August 2010 wird der Antragsteller beim … in …/USA verwendet. Dort war er
als Flug- und Waffenlehrberechtigter Stabsoffizier bei der Ausbildungsstaffel
eingesetzt; seit dem 1. Juli 2012 wird er auf dem nach Besoldungsgruppe
A 13/A 14 bewerteten Dienstposten als Waffenlehrberechtigter Stabsoffizier und
Fluggruppenführer seiner Einheit verwendet. Seine Dienstzeit würde unter Be-
rücksichtigung der verwendungsbezogenen besonderen Altersgrenze des
41. Lebensjahres mit Ablauf des 30. April 2017 enden.
Aufgrund der Erlasse des Bundesministeriums der Verteidigung „Weiterentwick-
lung Fliegerischer Dienst/Grundsätze für die Einstellung, Auswahl und Verwen-
dung von Offizieren des Truppendienstes der Luftwaffe in den Werdegängen
des Fliegerischen Dienstes (Jet)“ - Fü L I 1 Az 16-48-50 - vom 29. September
2010 und „Bedarfsdeckung im Fliegerischen Dienst (Jet)/Auswahlkonferenz
Fliegerischer Dienst (Jet)“ - PSZ I 5-Az 16-48-50/3344 - vom 1. Februar 2011
fand am 13. Dezember 2011 im Personalamt der Bundeswehr eine Auswahl-
konferenz statt, in der für die Berufssoldaten des Fliegerischen Dienstes (Jet)
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jeweils bis zur Vollendung des 36. Lebensjahres individuell entschieden wurde,
ob sie unter Berücksichtigung der verwendungsbezogenen Altersgrenze mit
Ablauf des 41. Lebensjahres zur Ruhe gesetzt werden sollten oder ob ihre wei-
tere Verwendung bis zur dienstgradbezogenen Altersgrenze beabsichtigt sei. In
dieser Auswahlkonferenz wurde der Antragsteller mit 36 weiteren Berufssolda-
ten seines Geburtsjahrganges betrachtet. Nach Mitteilung des Bundesministers
der Verteidigung - R II 2 - hatte der Führungsstab der Luftwaffe (BMVg Fü L I 2)
als Bedarfsträger dem Personalamt der Bundeswehr vorgegeben, dass zwölf
Luftfahrzeugführer und vier Waffensystemoffiziere im Geburtsjahrgang 1976
über die verwendungsbezogene Altersgrenze hinaus benötigt würden. Der An-
tragsteller sei aufgrund seines Eignungsgrades (gut geeignet) und seiner be-
sonderen Auslandsverwendung als Waffenlehrberechtigter Stabsoffizier als ei-
ner von elf leistungsstarken Luftfahrzeugführern bedarfsgerecht ausgewählt
worden.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2012 teilte das Personalamt der Bundeswehr dem
Antragsteller mit, dass ihm mit der Ernennung zum Berufsoffizier bekanntgege-
ben worden sei, dass er grundsätzlich mindestens bis zum Überschreiten seiner
jeweils gültigen dienstgradbezogenen besonderen Altersgrenze in den Streit-
kräften verwendet werden solle. Über die Möglichkeit einer Zurruhesetzung be-
reits nach Überschreiten der verwendungsbezogenen besonderen Altersgrenze
des 41. Lebensjahres werde bedarfs- und einzelfallbezogen in einer Auswahl-
konferenz Fliegerischer Dienst (Jet) regelmäßig bis zur Vollendung des
36. Lebensjahres entschieden. Diese Auswahlkonferenz Fliegerischer Dienst
(Jet) habe am 13. Dezember 2011 stattgefunden. Aufgrund des Ergebnisses
dieser Konferenz sei beabsichtigt, den Antragsteller nach Überschreiten der
verwendungsbezogenen besonderen Altersgrenze des 41. Lebensjahres in den
Streitkräften weiter zu verwenden. Seine voraussichtliche Verwendungsdauer
entspreche der gegenwärtigen Personalplanung und stehe unter dem Vorbehalt
einer gleichbleibenden Sach- und Rechtslage. Auf die Möglichkeit der Beteili-
gung der Vertrauensperson gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 SBG werde hinge-
wiesen.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. Februar
2012 Beschwerde ein und machte zu deren Begründung im Wesentlichen gel-
tend, dass eine Auswahlkonferenz für Soldaten im Alter von 36 Jahren zu spät
und daher nicht zumutbar sei. Während seiner bisherigen beruflichen Laufbahn
sei mit keinem Wort erwähnt worden, dass sein geplantes Dienstzeitende nicht
der 30. April 2017 sein könne. Dieses Datum sei ihm auch auf verschiedenen
Verfügungen immer wieder eröffnet worden. Darauf habe er seine persönliche
und berufliche Planung ausgerichtet. Es sei erforderlich, die Frage des richtigen
Zeitpunkts der Auswahlkonferenz im grundsätzlichen Interesse sämtlicher
Strahlflugzeugführer und Waffensystemoffiziere zu klären. Auch die Entschei-
dungsfindung und das Verfahren der Auswahlkonferenz seien für ihn nicht
nachvollziehbar. Mit dem Bescheid des Personalamts vom 18. Januar 2012 sei
ihm ein definitiver Zurruhesetzungszeitpunkt nicht genannt worden. Er bitte um
Mitteilung seines derzeit geplanten Zurruhesetzungszeitpunktes unter der Vo-
raussetzung des Erreichens des für seine Laufbahn geplanten Enddienstgrades
Oberstleutnant. Sollte dies mit dem angefochtenen Bescheid des Personalamts
nicht gemeint gewesen sein, bitte er um schriftliche Zusicherung des Zurruhe-
setzungszeitpunktes zum 30. April 2017 gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 6 SG.
Die Beschwerde hat der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - auf Bitte des
Antragstellers dem Senat zur Entscheidung vorgelegt und zu dem Antragsbe-
gehren mit Schriftsatz vom 8. Mai 2012 Stellung genommen.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens hat der Antragsteller sein Be-
schwerdevorbringen vertieft und erklärt, dass sich der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung gegen die Verfahrensweise der Auswahlkonferenz Fliegerischer
Dienst (Jet) richte.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unzulässig, weil die dem Auswahlverfahren zugrundelie-
genden Erlasse des Bundesministeriums der Verteidigung als dienstinterne
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Vorgaben an das Personalamt der Bundeswehr hinsichtlich der Durchführung
der strittigen Auswahlkonferenz keine nach der Wehrbeschwerdeordnung an-
fechtbaren Maßnahmen gegenüber dem Antragsteller darstellten. Soweit der
Antragsteller den aus seiner Sicht zu späten Zeitpunkt der Betrachtung im Alter
von 36 Jahren beanstande, sei für die rechtliche Bewertung der statusrechtli-
chen Entscheidung über den konkreten Zurruhesetzungszeitpunkt eines Be-
rufssoldaten nicht die Zuständigkeit der Wehrdienstsenate des Bundesverwal-
tungsgerichts gegeben. Da bereits kein Rechtsanspruch darauf bestehe, nach
Vollendung des 41. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt zu werden, könne
auch kein Rechtsanspruch auf eine diesbezügliche „frühzeitige Planungssicher-
heit“ eröffnet sein.
Unter Bezugnahme auf die rechtlichen Hinweise in den gerichtlichen Verfügun-
gen vom 2. August 2012 und vom 31. August 2012 hat der Antragsteller mit
Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. September 2012 klarstellend mit-
geteilt,
dass der Antrag auf Zusicherung des Zeitpunktes der Zur-
ruhesetzung als Sachantrag gestellt werden solle
und die Verweisung an das zuständige allgemeine Verwaltungsgericht bean-
tragt.
Mit der gerichtlichen Verfügung vom 31. August 2012 sind die Verfahrensbetei-
ligten zur Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige allgemeine Verwal-
tungsgericht angehört worden.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die
Beschwerde- und Verfahrensakte des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - …- sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile
A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Sachantrag des Antragstellers ist sachgerecht dahin auszulegen, dass er
die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidigung begehrt, ihm, dem An-
tragsteller, entsprechend dem in der Beschwerdebegründung vom 16. März
2012 gestellten Antrag den Zurruhesetzungszeitpunkt zum 30. April 2017 ge-
mäß § 45 Abs. 2 Nr. 6 SG schriftlich zuzusichern.
Für dieses Rechtsschutzbegehren ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienst-
gerichten (hier zum Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -) eröffnet,
sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten.
Nach § 82 Abs. 1 SG ist für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis
der Verwaltungsrechtsweg gegeben, soweit nicht gesetzlich ein anderer
Rechtsweg vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die
Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine
Verletzung seiner Rechte oder von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber
ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes
mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind.
Hiernach sind die allgemeinen Verwaltungsgerichte insbesondere für die in § 17
Abs. 1 Satz 1 WBO ausgenommenen vier Regelungsbereiche und ferner für
Streitigkeiten zwischen Soldaten und dem Dienstherrn aus Materien sachlich
zuständig, die im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes geregelt sind (soge-
nannte Statussachen, stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juli 2008 - BVerwG
1 WB 46.07 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 3 = juris Rn. 16 und vom 21. Juli 2010
- BVerwG 1 WB 56.09 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 6 = juris Rn. 20). Dazu ge-
hören u.a. Streitigkeiten über die Dauer des Wehrdienstverhältnisses (vgl. z.B.
Beschluss vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 21.06 - Rn. 23). Das ist auch
der Streitgegenstand des vorliegenden Falles, der sich auf die Frage konzen-
triert, ob der Antragsteller einen Anspruch darauf hat, dass für ihn die verwen-
dungsbezogene besondere Altersgrenze des 41. Lebensjahres nach § 45
Abs. 2 Nr. 6 SG (weiter) gilt und ob ihm insoweit ein Anspruch auf Zusicherung
eines bestimmten Endes seines Wehrdienstverhältnisses zusteht. Diese Strei-
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tigkeit betrifft eine Materie, die im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes wur-
zelt und deshalb nicht den Wehrdienstgerichten, sondern den allgemeinen Ver-
waltungsgerichten zur gerichtlichen Entscheidung zugewiesen ist.
Nachdem der Antragsteller und der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 -
sowie der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schreiben vom 31. August 2012
gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu angehört worden sind, ist deshalb der
Rechtsstreit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 WBO an
das gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO örtlich und sachlich zuständige Verwal-
tungsgericht Köln zu verweisen. Da der Antragsteller zurzeit nicht im Sinne des
§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO über einen (dienstlichen) Wohnsitz im Inland verfügt,
ist gemäß § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO das Verwaltungsgericht zuständig, in des-
sen Bezirk die Ausgangsbehörde ihren Sitz hat. Da das Personalamt der Bun-
deswehr als Ausgangsbehörde seinen Sitz in Köln hat, ist die örtliche Zustän-
digkeit des Verwaltungsgerichts Köln gegeben.
Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter entscheiden (Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 -
insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3 = juris Rn. 34 und
vom 29. August 2007 - BVerwG 1 WB 24.07 -).
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