Urteil des BVerwG vom 20.11.2003

BVerwG: raumordnung, normenkontrolle, genehmigung, flughafen, start, rechtsverordnung, begriff, hessen, auflage, rechtsform

Rechtsquellen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2
ROG § 3 Nr. 2, § 4 Abs. 1, 3 und 5
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3
Stichworte:
Normenkontrolle; Rechtsvorschrift; Regionalplan; Ziele der Raumordnung; verbindli-
che Vorgaben; Außenrechtswirksamkeit; abstrakt-generelle Regelung.
Leitsätze:
In einem Regionalplan enthaltene Ziele der Raumordnung sind Rechtsvorschriften
im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.
Sie können vom Zieladressaten zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht
werden, auch wenn der Landesgesetzgeber für den Regionalplan keine Rechtssatz-
form vorgibt.
Urteil des 4. Senats vom 20. November 2003 - BVerwG 4 CN 6.03
I. VGH Kassel vom 16.08.2002 - Az.: VGH 4 N 336/02 -
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 4 CN 6.03
Verkündet
VGH 4 N 336/02
am 20. November 2003
Salli-Jarosch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Normenkontrollsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a , Prof. Dr. R o j a h n ,
G a t z und Dr. J a n n a s c h
für Recht erkannt:
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
16. August 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückver-
wiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentschei-
dung vorbehalten.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den Regional-
plan Südhessen 2000. Sie ist eine Stadt mit rund 19 000 Einwohnern im unmittelba-
ren Einwirkungsbereich des Flughafens Frankfurt/Main und hat nach dem Landes-
entwicklungsplan Hessen 2000 und nach dem Regionalplan Südhessen 2000 die
Funktion eines Mittelzentrums, in dem u.a. überörtlich bedeutsame Infrastrukturein-
richtungen zu erhalten und ggf. auszubauen sind. Sie unterhält neben einem Kran-
kenhaus und zwei Alten(pflege)heimen mehrere Kindertagesstätten. Sie ist überdies
Eigentümerin von Grundstücken, die allgemeinen und besonderen Wohnzwecken
(Unterbringung von sozial schwachen Mietern und von Obdachlosen) dienen. Als
Zielgröße für die Siedlungsentwicklung ist eine Einwohnerzahl von 23 500 vorgese-
hen. Zu diesem Zweck soll bis 2015 eine Fläche von rund 20 Hektar innerhalb der
Kernstadt weiterentwickelt werden. Außerdem soll die Siedlungsentwicklung im Be-
reich des Ortsteils Wicker vorangetrieben werden. Für die Bereiche "Nord I bis V"
sind Bebauungspläne vorhanden, deren Realisierung weithin noch aussteht. Die Be-
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reiche "Nord X", "Nord XI" und "Erweiterung Nord-West-Gebiet" sind im Flächennut-
zungsplan als Wohnbauflächen dargestellt.
Die Antragstellerin sieht sich durch folgende Planaussagen in dem am 10. Dezember
1999 beschlossenen Regionalplan Südhessen 2000 in ihrer Planungshoheit beein-
trächtigt:
Nach der als Ziel der Raumordnung gekennzeichneten Nr. 5.2-2 wird der bereits in
einer früheren Fassung des Regionalplans aus Gründen des Lärmschutzes festge-
legte, durch ein differenziertes System von Bauverboten abgesicherte Siedlungsbe-
schränkungsbereich auf alle Gebiete erweitert, die unter Zugrundelegung von
430 000 Flugbewegungen und des gegenwärtigen Bahnensystems am Flughafen
Frankfurt/Main von einer 60 dB(A)-Isophone umschlossen werden. Hierzu gehören
auf dem Gebiet der Antragstellerin auch Bereiche, die überplant, aber noch nicht
vollständig bebaut sind, sowie Flächen, die im Flächennutzungsplan als Wohnbau-
flächen dargestellt werden.
Unter der Nr. 7.4-1 wird folgende Planaussage getroffen:
"Zur Sicherung der internationalen Anbindungsqualität der Rhein-Main-Region ist der
Flughafen Frankfurt/Main in seiner Bedeutung als internationaler Großflughafen zu
erhalten und zu stärken. Die genaue planerische Aussage für die erforderlichen
Schritte und Maßnahmen lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht treffen. Dies
ist erst nach Abschluss des Mediationsverfahrens und der nachfolgenden Entschei-
dung der Hessischen Landesregierung und des Hessischen Landtags möglich. Eine
eventuelle Kapazitätserweiterung des bestehenden Start- und Landebahnsystems
für den Flughafen Frankfurt/Main setzt ein Raumordnungsverfahren voraus. Darin ist
die Vereinbarkeit einer eventuellen Erweiterung mit den Erfordernissen der Raum-
ordnung zu prüfen. Sollten sich daraus Siedlungs- und sonstige Flächenrestriktionen
ergeben, sind diese in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang in einem Ände-
rungsverfahren zum Regionalplan zu bearbeiten und verbindlich festzusetzen. Mit
Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes der DB AG ist eine intensive Verknüpfung
zwischen Schienen- und Luftverkehr zur Beförderung von Passagieren und Gütern
sowie zur weiteren Optimierung des Flughafens Frankfurt/Main anzustreben."
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Durch Beschluss vom 14. November 2000 genehmigte die Hessische Landesregie-
rung den Regionalplan mit vier "Ausnahmen und Auflagen". Die Nebenbestimmung
Nr. 3 hat in Absatz 1 folgenden Wortlaut:
"Der Regionalplan Südhessen wird mit folgender Auflage versehen: Gemäß Ziffer
7.4-1 wird der erforderliche Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main in einem Ände-
rungsverfahren zum Regionalplan erarbeitet und verbindlich festgelegt. Dabei sind
die Vorgaben des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 zu beachten: 'Der Flugha-
fen Frankfurt/Main soll auch künftig den zu erwartenden Entwicklungen gerecht wer-
den und seine Funktion als bedeutende Drehscheibe im internationalen Luftverkehr
sowie als wesentliche Infrastruktureinrichtung für die Rhein-Main-Region erfüllen.
Hierzu ist eine Erweiterung über das bestehende Start- und Landebahnsystem hi-
naus zu planen und zu realisieren. Die Verknüpfung mit dem Schienenfern- und dem
Regionalverkehr ist auszubauen. Die Zusammenarbeit mit dem Flughafen Hahn in
Rheinland-Pfalz ist zu vertiefen.’"
Das Normenkontrollgericht hat den Landesentwicklungsplan auf die Normenkontroll-
anträge verschiedener Städte und Gemeinden hin für nichtig erklärt, soweit er den in
die Nebenbestimmung aufgenommenen Satz enthält: "Hierzu ist eine Erweiterung
über das bestehende Start- und Landebahnsystem hinaus zu planen und zu realisie-
ren."
Den Antrag der Antragstellerin, den Regionalplan oder hilfsweise die Nrn. 5.2-2 und
7.4-1 im Wege der Normenkontrolle für nichtig zu erklären, hat der Verwaltungsge-
richtshof mit Urteil vom 16. August 2002 als unstatthaft abgelehnt. Zur Begründung
hat er u.a. ausgeführt: Der Regionalplan Südhessen 2000 sei keine Rechtsvorschrift
im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Die Regionalpläne würden in Hessen in ei-
nem gesetzlich geordneten förmlichen Verfahren erstellt und durch Bekanntmachung
im Staatsanzeiger in Kraft gesetzt. Hierdurch erhielten sie jedoch keinen Normcha-
rakter. Sie entfalteten aus sich selbst heraus keine rechtlichen Wirkungen, sondern
erschöpften sich, Flächennutzungsplänen vergleichbar, darin, Unterstützung und
einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten zu sein.
Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, fehle die Normqualität, denn der Regio-
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nalplan Südhessen 2000 weise keine abstrakt-generellen Regelungen auf. Soweit er
Zielfestlegungen enthalte, treffe er konkret-individuelle Regelungen für bestimmte
Teilräume oder Standorte. Er nehme dadurch zwar Einfluss auf die planerischen
Entscheidungen einer Mehrzahl von Planungsträgern, diese Folge beruhe aber maß-
geblich auf der "Dinglichkeit" der jeweiligen Maßnahme. In diesem Punkt glichen
raumordnungsrechtliche Zielbestimmungen den Schutzbereichanordnungen, die in
der Rechtsprechung als Allgemeinverfügungen und nicht als Rechtsnormen einge-
stuft würden. Dass Zielfestsetzungen häufig noch einer weiteren Umsetzung durch
Vollzugsakte bedürften, besage nichts, da dieses Merkmal für "sachenrechtliche Zu-
standsregelungen" nicht untypisch sei. Auch die Rechtsschutzgarantie (Art. 19
Abs. 4 GG) lasse nicht auf eine Rechtssatzqualität schließen. Über die Möglichkeit
hinaus, Zielaussagen im Rahmen von Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen inzi-
dent überprüfen zu lassen, könnten Gemeinden Feststellungsklagen erheben.
Die Antragstellerin trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Revision vor:
Das Normenkontrollgericht habe dem Regionalplan zu Unrecht die Rechtsnormquali-
tät abgesprochen. Jedenfalls die in dem Plan enthaltenen Zielfestlegungen wiesen
die Merkmale von Rechtssätzen auf. Ihre Bedeutung erschöpfe sich nicht darin, im
Rahmen der Anwendung anderer Normen als Tatbestandsvoraussetzungen eine
Rolle zu spielen. Sie zeichneten sich vielmehr durch eigene Außenrechtsverbindlich-
keit aus. Sie seien nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 ROG zu beachten. Dadurch höben
sie sich von den Darstellungen eines Flächennutzungsplans deutlich ab. Dies liege
für die Nr. 5.2-2 auf der Hand, aus der sich ergebe, dass die Gemeinden die in der
Karte dargestellten Siedlungsbeschränkungsbereiche bei der Bauleitplanung zu be-
achten hätten und die Ausweisung neuer Wohnbaugebiete nicht zulässig sei. Dies
treffe aber auch für die Nr. 7.4-1 des Regionalplans zu. Ob sich diese Planaussage
bereits in der am 10. Dezember 1999 von der Regionalversammlung beschlossenen
Fassung Verbindlichkeit beigemessen habe, könne dahinstehen. Denn jedenfalls
habe die Landesregierung insoweit mit der Nr. 3 der Genehmigung eine eigenständi-
ge Regelung getroffen, die einen Verbindlichkeitsanspruch begründe. Die angegrif-
fenen Planaussagen hätten abstrakt-generellen Charakter. Von ihrer Funktion her
verbiete sich eine Parallele zu Verwaltungsakten. Der Verwaltungsgerichtshof werde
ihrer Wirkung nicht gerecht, wenn er sie auf eine Stufe mit dinglichen Allgemeinver-
fügungen stelle. Unter dem Aspekt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes könne
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es nicht damit getan sein, die Gemeinden auf die Möglichkeit der im Verhältnis zur
Normenkontrolle subsidiären Feststellungsklage zu verweisen. Da die übrigen Zuläs-
sigkeitsvoraussetzungen erfüllt seien, habe der Verwaltungsgerichtshof den Normen-
kontrollantrag nicht als unzulässig verwerfen dürfen. Weder die Antragsbefugnis
noch das Rechtsschutzbedürfnis biete Anlass zu Zweifeln. Auch in der Sache habe
das Normenkontrollgericht den Antrag nicht ablehnen dürfen. Der Regionalplan sei
formell rechtswidrig. Vor Erteilung der Genehmigung hätte sie, die Antragstellerin,
erneut beteiligt und angehört werden müssen. Der Genehmigungsbeschluss der
Landesregierung begegne aus mehreren Gründen rechtlichen Bedenken. Dem Re-
gionalplan hafteten auch materiellrechtliche Mängel an. Die Erweiterung des Sied-
lungsbeschränkungsbereichs verstoße gegen Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie sei nicht
erforderlich und genüge nicht den Anforderungen des Abwägungsgebots. Auch die
Nr. 7.4-1 sei in der Fassung der Nr. 3 der Genehmigung rechtswidrig. Die von der
Landesregierung eingefügte Zielfestlegung entbehre der gesetzlichen Grundlage. Im
Übrigen leide sie an einem Abwägungsfehler, da sie das zuvor von der Regionalver-
sammlung abgestimmte und abgewogene Geflecht von Planaussagen völlig miss-
achte und einseitig dem Ziel des Flughafenausbaus unterordne.
Die Antragstellerin beantragt:
"1. Ziff. 5.2-2 des Regionalplans Südhessen 2000 in der Fassung der Ziff. 2
der Genehmigung zum Regionalplan durch die Hessische Landesregierung
vom 14. November 2000 (Staatsanzeiger 2001, S. 614) ist nichtig.
2. Ziff. 7.4-1 des Regionalplans in der Fassung der Ziff. 3 der Genehmigung
durch die Hessische Landesregierung ist nichtig.
Hilfsweise zu 2:
Ziff. 3 der Genehmigung des Regionalplans durch die Hessische Landes-
regierung ist nichtig.
Hilfsweise:
Der Regionalplan Südhessen 2000 in der Fassung der Genehmigung der
Hessischen Landesregierung vom 14. November 2000 ist nichtig."
Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung bean-
tragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es führt aus: Die Antragstellerin habe ihre Anträge umgestellt. Hierin sei eine teilwei-
se Antragsrücknahme zu sehen. Im Hinblick auf die verbliebenen Antragsgegen-
stände sei die Revision unbegründet. Der Regionalplan weise weder ganz noch teil-
weise die Merkmale einer Rechtsvorschrift auf. Das Raumordnungsgesetz lasse die
Frage der Rechtsform offen. Das Landesrecht sehe von einer rechtsförmlichen Re-
gelung ab. Der Regionalplan sei, dem Flächennutzungsplan vergleichbar, nicht aus
sich selbst heraus verbindlich. Die Bindungswirkungen, die er entfalte, würden über
die Tatbestandsmerkmale anderer Normen vermittelt. Die Eigenschaft, ohne Rechts-
norm zu sein, Wirkungen gegenüber anderen Behörden und juristischen Personen
des öffentlichen Rechts zu erzeugen, teilten raumordnerische Planaussagen mit an-
deren hoheitlichen Maßnahmen. Der Regionalplan habe keinen generell-abstrakten
Charakter. Soweit er Zielfestlegungen enthalte, handele es sich um konkrete stand-
ortbezogene Regelungen, die sich ähnlich wie bei einer Allgemeinverfügung an ei-
nen bestimmbaren Adressatenkreis richteten. Das enge Verständnis des Verwal-
tungsgerichtshofs begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Nor-
menkontrolle zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes nicht unabdingbar sei.
Der Antrag, die Nr. 7.4-1 des Regionalplans für nichtig zu erklären, sei unstatthaft,
da es am Merkmal einer Zielfestlegung fehle. Außerdem sei die Antragsbefugnis zu
verneinen. Die Antragstellerin fühle sich durch eine in der Nr. 3 der Genehmigung
enthaltene Regelung beeinträchtigt, in der eine Bestimmung des Landesentwick-
lungsplans wörtlich zitiert werde, die inzwischen vom Verwaltungsgerichtshof für
nichtig erklärt worden sei. Eine Rechtsverletzung sei insoweit mithin ausgeschlossen.
Jedenfalls fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis.
Die Regionalversammlung Südhessen hat keinen Antrag gestellt. Sie macht geltend:
Bei den im Regionalplan enthaltenen Zielfestlegungen handele es sich nicht um die
Regelung von Einzelfällen. Die Aussagen auf dieser Planungsebene besäßen einen
allgemeinen Charakter, da sie einen Rahmen bildeten, der auf der unteren Pla-
nungsstufe von den Planungsträgern weiter ausgefüllt und konkretisiert werden kön-
ne. Die Merkmale einer Rechtsnorm erfüllten sie auch deshalb, weil sie einen abs-
trakten und generellen Regelungsgehalt aufwiesen. Zielförmige Planaussagen seien
auf der nachfolgenden Planungsebene als verbindliche Vorgaben hinzunehmen. Sie
hätten den Charakter von Außenrechtsvorschriften. Der Adressatenkreis sei nicht auf
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bestimmte Personen beschränkt. Er schließe Träger eigener Rechte und Pflichten
ein. Auch unter Rechtsschutzgesichtspunkten sei die Normenkontrolle unverzichtbar.
Nur auf diesem Wege könnten die Gemeinden sich frühzeitig Klarheit darüber ver-
schaffen, welchen Bindungen sie unterlägen. Ihnen sei es nicht zumutbar, kosten-
trächtige konkretisierende Maßnahmen in Gang zu setzen, um im Rahmen einer
daraufhin erhobenen Anfechtungs- oder Feststellungsklage das streitige Ziel der
Raumordnung zum Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung machen zu können. Ge-
rade Zielfestlegungen, durch die gemeindliche Planungen beeinträchtigt oder gar
gänzlich abgeschnitten würden, sollten unabhängig vom Konkretisierungsgrad der
Bauleitplanung überprüfbar sein. Diese Möglichkeit eröffne nur das Normenkontroll-
verfahren.
II.
1. Die Revision der Antragstellerin ist zulässig. Das Ministerium für Wirtschaft, Ver-
kehr und Landesentwicklung geht davon aus, dass sich der Streitstoff im Revisions-
verfahren infolge teilweiser Antragsrücknahme im Vergleich mit dem erstinstanzli-
chen Verfahren reduziert habe. Das trifft nicht zu. Die Antragstellerin verfolgt ihre
ursprünglichen prozessualen Ansprüche weiter. Sie hat lediglich die Reihenfolge von
Haupt- und Hilfsantrag vertauscht.
2. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Normenkontrollurteil verletzt Bun-
desrecht. Zu Unrecht spricht der Verwaltungsgerichtshof der nicht durch förmlichen
Rechtssatz erfolgten Festlegung von Zielen der Raumordnung (§ 3 Nr. 2 ROG) den
Charakter einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ab. Die Sa-
che ist deshalb an die Vorinstanz zur Klärung der Frage zurückzuverweisen, ob es
sich bei den umstrittenen regionalplanerischen Aussagen um derartige Zielfestle-
gungen und damit um Rechtsvorschriften handelt, die Gegenstand der verwaltungs-
gerichtlichen Normenkontrolle sein können.
2.1 Das Normenkontrollgericht hält den Antrag der Antragstellerin für unstatthaft,
weil es sowohl dem Regionalplan Südhessen 2000 als Gesamtregelwerk als auch
einzelnen in diesem Plan enthaltenen Regelungen, wie etwa der Nr. 5.2-2 oder der
Nr. 7.4-1, jegliche Rechtsnormqualität abspricht. Diese Rechtsauffassung unterliegt
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der revisionsgerichtlichen Prüfung. Der Regionalplan Südhessen 2000 gehört freilich
ebenso wie die in ihm enthaltenen Einzelregelungen dem irrevisiblen Landesrecht
an. Gleichwohl ist ein bundesrechtlicher Bezug nicht von der Hand zu weisen. Das
Normenkontrollgericht leitet die Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags daraus
her, dass es sowohl beim Regionalplan als auch bei etwaigen in diesem Planwerk
getroffenen Zielfestlegungen am Merkmal der Rechtsvorschrift im Sinne des § 47
Abs. 1 Nr. 2 VwGO fehle. Der Landesgesetzgeber bestimmt, ob und inwieweit er von
der Möglichkeit Gebrauch macht, über die in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO genannten
Bestimmungen hinaus andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechts-
vorschriften der Normenkontrolle zu unterwerfen. Der Hessische Gesetzgeber hat
mit § 15 Abs. 1 HessAGVwGO eine Öffnungsklausel geschaffen, die an den in § 47
Abs. 1 Nr. 2 VwGO verwendeten Begriff der Rechtsvorschrift anknüpft. Was hierun-
ter zu verstehen ist, ist eine Frage des Bundesrechts.
Der Bundesgesetzgeber sieht davon ab, den Begriff der Rechtsvorschrift über die in
§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Merkmale hinaus zu definieren. Danach kom-
men als Gegenstand einer Normenkontrolle nur landesrechtliche Vorschriften in Be-
tracht, die im Range unter dem Landesgesetz stehen. Dazu gehören zweifelsfrei
Satzungen und Rechtsverordnungen. Dem stehen Vorschriften gleich, die dadurch
Rechtsnormqualität erlangt haben, dass sie unabhängig von ihrem materiellen Ge-
halt durch Satzung oder Rechtsverordnung für verbindlich erklärt worden sind (vgl.
BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 7 NB 2.88 - BVerwGE 81,
128; vgl. auch Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - BVerwGE 80,
355). Ob zum Kreis der Rechtsvorschriften auch Regelungen gehören können, die
nicht förmlich als Norm erlassen worden sind, lässt der Gesetzgeber offen. Sinn und
Zweck des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO legen indes ein weites Verständnis nahe. Die
Normenkontrolle dient der Rechtsklarheit und der ökonomischen Gestaltung des
Prozessrechts (vgl. Bericht des Bundestagsrechtsausschusses BTDrucks III/1094
S. 6 zu § 46 des Entwurfs einer VwGO). Ihr Zweck liegt darin, durch eine einzige
Entscheidung eine Reihe von Einzelklagen zu vermeiden und dadurch die Verwal-
tungsgerichte zu entlasten (so die Begründung zum Regierungsentwurf einer VwGO,
BTDrucks III/55 a.a.O.). Durch sie wird ggf. einer Vielzahl von Prozessen vorge-
beugt, in denen die Gültigkeit einer bestimmten Rechtsvorschrift als Vorfrage zu prü-
fen wäre. Überdies ist sie geeignet, den individuellen Rechtsschutz zu verbessern.
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Das Bundesverwaltungsgericht trägt der Grundtendenz, die in § 47 Abs. 1 VwGO
zum Ausdruck kommt, dadurch Rechnung, dass es auch Regelungen, die anhand
formeller Kriterien nicht oder nicht eindeutig als Rechtsnormen zu qualifizieren sind,
vom Kreis der Rechtsvorschriften nicht von vornherein ausschließt (vgl. BVerwG,
Urteile vom 18. September 1985 - BVerwG 2 C 48.84 - BVerwGE 72, 119, vom
6. November 1986 - BVerwG 3 C 72.84 - BVerwGE 75, 109 und vom 26. Januar
1996 - BVerwG 8 C 19.94 - NJW 1996, 2046; Beschlüsse vom 15. September 1987
- BVerwG 7 N 1.87 - NVwZ 1988, 1119 und vom 25. November 1993 - BVerwG 5 N
1.92 - BVerwGE 94, 335).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist es entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofs für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags der Antrag-
stellerin unschädlich, dass der hessische Gesetzgeber, anders als für den als
Rechtsverordnung zu erlassenden Landesentwicklungsplan (§ 5 Abs. 4 HLPG 1994),
für die Regionalpläne, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 HLPG dazu bestimmt sind, die Zie-
le der Raumordnung für die Entwicklung der Planungsregion unter Beachtung der
Vorgaben des Landesentwicklungsplans festzulegen, keine bestimmte Rechtsform
vorsieht. Das Raumordnungsgesetz gibt den Ländern für die Raumordnung zwar in
den §§ 7 bis 17 einen Rahmen vor, der u.a. auch die Verpflichtung umfasst, für das
Gebiet eines jeden Landes einen zusammenfassenden und übergeordneten Plan
(§ 8 Abs. 1) und in den Ländern, deren Gebiet die Verflechtungsbereiche mehrerer
zentraler Orte oberster Stufe umfasst, Regionalpläne (§ 9 Abs. 1) aufzustellen. Der
Bundesgesetzgeber überlässt indes den Ländern die Entscheidung, in welchen
Rechtsformen sie dieser Aufgabe nachkommen.
Der Umstand allein, dass der hessische Landesgesetzgeber für Regionalpläne keine
bestimmte Rechtsform zur Verfügung stellt, schließt nicht aus, dass der Regional-
plan Südhessen 2000 zumindest in Teilen Elemente enthält, die von ihrem materiel-
len Gehalt und ihrem Regelungsanspruch her als Rechtsvorschriften im Sinne des
§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu qualifizieren sind. Die Antragstellerin wendet sich mit
ihrem Normenkontrollantrag gegen einzelne Regelungen, die sie als Zielfestlegun-
gen wertet. Es begegnet keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken, die Normen-
kontrolle auf dieses Angriffsziel zu beschränken. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO setzt nicht
voraus, dass alle in einem Plan oder sonstigen Rechtsakt enthaltenen Einzelrege-
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lungen ein und dieselbe rechtliche Qualität aufweisen. Vielmehr ist für jede Regelung
gesondert zu prüfen, ob sie den Kriterien genügt, die für eine Rechtsvorschrift unab-
dingbar sind. Insoweit unterscheiden sich Raumordnungspläne nicht von sonstigen
Normzusammenhängen, bei denen es ebenfalls Regelungen mit unterschiedlichem
Rechtscharakter geben kann. So hat der Senat angenommen, dass eine einzelne
durch Gesetz geänderte Norm einer landesrechtlichen Rechtsverordnung, für die der
Gesetzgeber aufgrund einer "Entsteinerungsklausel" die Rückkehr zum einheitlichen
Verordnungsrang angeordnet hat, ungeachtet des Umstandes, dass die übrigen Be-
stimmungen Gesetzesrang haben, eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1
Nr. 2 VwGO sein kann (vgl. Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 -
BVerwGE 117, 313 = NVwZ 2003, 730). Ferner entspricht es der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts, dass den Gegenstand einer Normenkontrolle die
Teile eines Abfallwirtschaftsplans bilden können, die im Sinne des § 29 Abs. 4
KrW-/AbfG für verbindlich erklärt worden sind (vgl. Beschluss vom 20. Dezember
1988 - BVerwG 7 NB 2.88 - a.a.O.). Auch ist anerkannt, dass nur diejenigen Rechts-
vorschriften einer (Abfallwirtschafts-)Satzung der Normenkontrolle unterliegen, für
die der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, nicht aber auch die Bestimmungen, die
inhaltlich dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzurechnen sind (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 27. Juli 1995 - BVerwG 7 NB 1.95 - BVerwGE 99, 88). Nach den in der Recht-
sprechung zu diesem Problemkreis entwickelten Grundsätzen kommt es mithin nicht
entscheidend darauf an, ob dem Regionalplan Südhessen 2000 insgesamt Rechts-
normqualität beizumessen ist. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob dieser Plan jeden-
falls in einzelnen Teilen den Anforderungen entspricht, die an Rechtsvorschriften im
Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zu stellen sind. Als hierfür tauglicher Anknüp-
fungspunkt eignen sich vor allem Zielfestlegungen, die vom Gesetzgeber nicht bloß
als verbindliche Vorgaben gekennzeichnet, sondern darüber hinaus als abstrakt-
generelle Regelungen mit einem Außenwirksamkeitsanspruch ausgestattet werden.
2.2.1 Der Bundesgesetzgeber umschreibt den Begriff der Ziele in § 3 Nr. 2 ROG
einheitlich für die Raumordnung im Bund und in den Ländern. Danach handelt es
sich um verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder
bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abge-
wogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur
Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Der Gesetzgeber grenzt mit dieser
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Definition die Ziele von den Grundsätzen der Raumordnung ab, die nach § 3 Nr. 3
ROG als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen
zu dienen bestimmt sind. Soweit er in diesem Zusammenhang maßgeblich auf das
Unterscheidungsmerkmal der abschließenden Abwägung abhebt, bringt er zum Aus-
druck, dass die Ziele als landesplanerische Letztentscheidungen anders als die
Grundsätze der Raumordnung nicht ohne weiteres im Wege der Abwägung über-
windbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 -
BVerwGE 90, 329).
2.2.2 Diesen besonderen Wirkungsmechanismus stellt auch das Normenkontrollge-
richt nicht in Abrede. Wenn es den Zielen der Raumordnung gleichwohl den Rechts-
satzcharakter abspricht, dann beruht dies nicht zuletzt auf der Annahme fehlender
Außenwirksamkeit. Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen. Richtig an der Argumenta-
tion des Normenkontrollgerichts ist, dass Ziele der Raumordnung nach der Konzep-
tion des Raumordnungsgesetzes nicht gegenüber jedermann unmittelbare Geltung
beanspruchen. Nach § 4 Abs. 1 ROG sind sie von öffentlichen Stellen bei ihren
raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten. Dazu zählen nach § 3
Nr. 5 ROG Behörden des Bundes und der Länder, kommunale Gebietskörperschaf-
ten, bundesunmittelbare und die der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körper-
schaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. § 4 Abs. 3 ROG
erstreckt die Beachtenspflicht unter bestimmten Voraussetzungen auf die in dieser
Vorschrift bezeichneten Personen des Privatrechts. Die Rechtsbindungen, die diese
Regelungen erzeugen, sind in dem Sinne strikt, dass die Adressaten die Ziele der
Raumordnung zwar je nach Aussageschärfe konkretisieren und ausgestalten, sich
über sie aber nicht im Wege der Abwägung hinwegsetzen dürfen (vgl. BVerwG, Be-
schluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 - a.a.O.). Außerhalb des An-
wendungsbereichs des § 4 Abs. 1 und 2 ROG sind die Ziele der Raumordnung nach
§ 4 Abs. 4 ROG nach Maßgabe der einschlägigen fachrechtlichen Vorschriften zu
berücksichtigen, es sei denn, dass der Fachgesetzgeber von der ihm durch § 4
Abs. 5 ROG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, weitergehende Bin-
dungswirkungen anzuordnen.
Entgegen der Ansicht des Normenkontrollgerichts können auch Regelungen mit be-
schränktem Adressatenkreis Außenwirkungen auslösen (vgl. BVerwG, Beschluss
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vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 7 NB 2.88 - a.a.O.). Zielaussagen sind dieser
Normkategorie zuzurechnen. Zum Kreis der öffentlichen Stellen, die nach § 4 Abs. 1
ROG Ziele der Raumordnung zu beachten haben, gehören nicht nur in das behördli-
che Funktions- und Weisungsverhältnis eingebundene nachgeordnete Verwaltungs-
träger, sondern auch Behörden des Bundes und kommunale Gebietskörperschaften,
die der Planungsbehörde als Träger eigener Rechte und Pflichten gegenüberstehen.
Bei § 4 Abs. 3 ROG, der auch bestimmte Personen des Privatrechts der Zielbindung
unterwirft, tritt dieser durch das Raumordnungsrecht vermittelte Außenrechtsbezug
noch deutlicher zu Tage. Hieraus hat der Senat bereits im Beschluss vom 7. März
2002 - BVerwG 4 BN 60.01 - (Buchholz 406.13 § 5 ROG Nr. 3) gefolgert, dass Ziele
der Raumordnung den "Charakter von Außenrechtsvorschriften" haben. Hiervon ab-
zurücken, besteht kein Anlass. Die Senatsentscheidungen, die das Normenkontroll-
gericht für seine gegenteilige Ansicht ins Feld führt, rechtfertigen nicht die Schlüsse,
die es aus ihnen zieht.
So behandelt und verneint das vom Verwaltungsgerichtshof zitierte Urteil vom
20. Januar 1984 - BVerwG 4 C 43.81 - (BVerwGE 68, 311) nur die Frage, ob Ziele
der Raumordnung und Landesplanung gegenüber privaten Dritten Außenwirkung
entfalten, die ein im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässiges
Vorhaben errichten möchten. Diese Aussagen können nicht unbesehen für die Frage
nutzbar gemacht werden, ob Ziele der Raumordnung Rechtsvorschriften im Sinne
des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind, gegen die sich Gemeinden im Wege der Normen-
kontrolle zur Wehr setzen können. Überdies hat sich die Rechtslage grundlegend
verändert. Seinerzeit gehörten die "Ziele der Raumordnung und Landesplanung" im
Rahmen des § 35 BBauG ausschließlich zu den im Beispielskatalog des Absatzes 3
Satz 1 als potentielles Zulassungshindernis aufgeführten öffentlichen Belangen. In-
zwischen haben die Ziele in § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB einen Bedeutungszu-
wachs erfahren, der es nicht mehr ohne weiteres erlaubt, sie mit den in § 35 Abs. 3
Satz 1 BauGB genannten sonstigen öffentlichen Belangen auf eine rechtliche Stufe
zu stellen (vgl. zu § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB, BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2001
- BVerwG 4 C 4.00 - BVerwGE 115, 17; zu § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, BVerwG, Ur-
teile vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - ZfBR 2003, 469 und - BVerwG 4 C
4.02 - ZfBR 2003, 464). Diese Vorschriften verleihen den Zielen der Raumordnung
rechtliche Wirkungen auch gegenüber Privaten, eine Möglichkeit, die § 4 Abs. 5
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ROG dem Fachgesetzgeber eröffnet. In diesem Punkt kann also das Senatsurteil
vom 20. Januar 1984 (a.a.O.) als durch die weitere Rechtsentwicklung überholt an-
gesehen werden. Auch das Raumordnungsrecht selbst kennt nunmehr eine Bin-
dungswirkung von Zielfestlegungen gegenüber Privaten, nämlich soweit diese nach
§ 4 Abs. 3 ROG Zieladressaten sind.
Die vom Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Senatsbeschluss vom
20. Juli 1990 - BVerwG 4 N 3.88 - (NVwZ 1991, 262) gezogene Parallele zum Flä-
chennutzungsplan geht ebenfalls fehl. Nach der Rechtsprechung des Senats sind
die Darstellungen des Flächennutzungsplans keine Rechtsvorschriften, die nach
§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht werden
können. Diese Aussage beruht auf der Erkenntnis, dass der Flächennutzungsplan
vom Gesetzgeber im Unterschied zum Bebauungsplan, der verbindliche Festsetzun-
gen enthält, ursprünglich lediglich als ein vorbereitender Plan konzipiert worden ist,
dessen unmittelbare rechtliche Wirkungen sich auf den innergemeindlichen Bereich
beschränken und inhaltlich im Anpassungsgebot des § 8 Abs. 2 BauGB erschöpfen.
Indessen trifft diese Charakterisierung, so allgemein formuliert, heute nicht mehr ein-
schränkungslos zu. Der Gesetzgeber hat mit § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB eine Rege-
lung geschaffen, die zur Folge hat, dass die Darstellungen des Flächennutzungs-
plans unter den dort genannten Voraussetzungen unmittelbar auf die Vorhabenzu-
lassung durchschlagen. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfüllt der Flächen-
nutzungsplan mithin eine dem Bebauungsplan vergleichbare Funktion (vgl. BVerwG,
Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 4 C 15.01 - BVerwGE 117, 287). Auch
wenn der Gedanke, für die Ausweisung von Konzentrationsflächen auf der Grundla-
ge des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Möglichkeit einer Normenkontrolle zu eröffnen,
nicht fern liegen mag, gilt für sonstige Darstellungen des Flächennutzungsplans un-
verändert, dass es am Tatbestand einer verbindlichen Regelung gegenüber dem
Bürger fehlt. Im Unterschied hierzu handelt es sich bei den Zielen der Raumordnung
um verbindliche Vorgaben, die typischerweise über die Verwaltungssphäre hinaus im
Außenrechtsverhältnis rechtliche Wirkungen entfalten.
2.2.3 Nach Ansicht des Normenkontrollgerichts weisen Zielaussagen auch deshalb
nicht die Merkmale einer Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auf,
weil sie sich nicht als abstrakt-generelle Regelungen qualifizieren lassen sollen. In-
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des erweisen sich auch die für diese Auffassung angeführten Argumente als nicht
stichhaltig. Der Verwaltungsgerichtshof greift zu kurz, wenn er Zielfestlegungen als
konkret-individuelle Regelungen charakterisiert, die sich auf einen bestimmten Teil-
raum oder Standort beziehen. Diese Sichtweise wird dem Regelungsgehalt von Ziel-
aussagen nicht gerecht. Träfe sie zu, so wären nicht nur die Festsetzungen eines
Bebauungsplans, sondern beispielsweise auch die in einer Landschaftsschutz-, einer
Wasserschutz- oder einer sonstigen Polizeiverordnung getroffenen Anordnungen als
konkret-individuelle Regelungen einzustufen. Dies aber liefe erkennbar der Zuord-
nung zuwider, die der Gesetzgeber gewählt hat. Das geltende Recht legt eher einen
Gegenschluss nahe. Erkennt der Gesetzgeber sogar den verbindlichen Festsetzun-
gen eines Bebauungsplans ausdrücklich einen Normcharakter zu, so liefe es auf ei-
nen Wertungswiderspruch hinaus, den verbindlichen Zielfestlegungen, die als ge-
samtplanerische Abwägungsentscheidungen die gleiche Struktur aufweisen (vgl. § 7
Abs. 5 bis 8 ROG), diese Qualität nur deshalb abzusprechen, weil sie auf der der
gemeindlichen Planungsstufe übergeordneten überörtlichen Planungsebene ange-
siedelt sind. Das Bundesverfassungsgericht geht deshalb unter Hinweis darauf, dass
Zielaussagen den Festsetzungen in Bebauungsplänen vergleichbar sind, davon aus,
dass es sich um Regelungen mit Normcharakter handelt, die tauglicher Gegenstand
einer Kommunalverfassungsbeschwerde im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG
sein können (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76,
107 <114>).
Neben systematischen Gesichtspunkten lassen sich auch normstrukturelle Erwä-
gungen dafür anführen, dass Zielfestlegungen als generell-abstrakte Regelungen
einzustufen sind. Zielförmige Planaussagen erschöpfen sich nicht in punktuellen Re-
gelungen. Sie mögen, jeweils isoliert betrachtet, die Annahme einer konkret-indivi-
duellen Maßnahme nahe legen. Indes dürfen sie nicht aus dem Gesamtzusammen-
hang herausgelöst und in ein Bündel scheinbar selbständiger Einzelregelungen aus-
einander dividiert werden. Auch wenn sich das Planwerk als Ganzes nicht auf einen
gemeinsamen rechtsnormativen Nenner bringen lässt, ist dem Umstand Rechnung
zu tragen, dass die einzelnen Planaussagen Teil eines vielfältig aufeinander bezo-
genen und untereinander abgestimmten Planungsgeflechts sind. Die Raumordnung
ist als Gesamtplanung mehr als die Summe projektbezogener, planfeststellungser-
setzender Planungsakte. Ihr Sinn ist es gerade, im Interesse der Gesamtentwicklung
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die unterschiedlichen Raumansprüche zu koordinieren und mögliche Konflikte aus-
zugleichen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 ROG). Die Raumordnungspläne erfüllen nach § 7
Abs. 1 ROG die Aufgabe, die Grundsätze der Raumordnung für den jeweiligen Pla-
nungsraum zu konkretisieren. Zielfestlegungen dienen hierbei als geeignetes Mittel,
um für die Planungsträger, die es angeht, einen an den Erfordernissen der Raum-
ordnung ausgerichteten Handlungsrahmen für zukünftige Planungsfälle zu schaffen.
Ihr generell-abstrakter Charakter äußert sich in diesem Planungssystem sinnfällig
darin, dass der lediglich nach Gattungsmerkmalen bezeichnete Adressatenkreis für
eine unbestimmte Vielzahl eigener Planungsentscheidungen Bindungen unterworfen
wird (so NRWVerfGH, Urteil vom 15. Dezember 1989 - VerfGH 5/88 - NVwZ 1990,
456; ähnlich BayVGH, Beschluss vom 12. September 1990 - 4 N 88.1300 -
NVwZ-RR 1991, 332; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11. April 1986 - 6 C
17/83 - OVGE 39, 409). Als Elemente eines auf den Planungsraum bezogenen Ge-
samtkonzepts dienen die Zielaussagen insbesondere dem Zweck, die Raumstruktur
nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 und 3 ROG zu gestalten. Die einzelnen Raumfunktio-
nen auszutarieren, kann nur das Ergebnis einer Betrachtung sein, die nicht allein auf
die Gegebenheiten vor Ort abstellt, sondern der gesamträumlichen Situation Rech-
nung trägt.
Vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung kann mithin den Zielen der Raumord-
nung nicht, wie der Verwaltungsgerichtshof meint, ein "dinglicher" Charakter zuge-
sprochen werden, wie er für sachenrechtliche Zustandsregelungen des öffentlichen
Rechts, etwa für die Widmung kennzeichnend ist. Auch das im Normenkontrollurteil
herangezogene Urteil des erkennenden Senats vom 7. September 1984 - BVerwG
4 C 16.81 - (BVerwGE 70, 77) rechtfertigt keine gegenteiligen Schlüsse. Die dort
vorgenommene Charakterisierung der Schutzbereichsanordnung nach § 2 des
Schutzbereichsgesetzes als Verwaltungsakt (Allgemeinverfügung) erklärt sich aus
den Besonderheiten dieses Rechtsbereichs, insbesondere auch aus dem Willen des
historischen Gesetzgebers, die Anordnung nicht als Rechtsverordnung ausgestalten
zu wollen (vgl. Urteil vom 7. September 1984 a.a.O. S. 79).
3. Weisen Zielfestlegungen nach allem die Eigenschaften auf, die § 47 Abs. 1 Nr. 2
VwGO für eine Rechtsvorschrift voraussetzt, so hätte das Normenkontrollgericht al-
lenfalls den (ursprünglichen) Hauptantrag der Antragstellerin mit der Begründung als
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unstatthaft ablehnen dürfen, der Regionalplan Südhessen 2000 als solcher habe
keine Rechtsnormqualität. Den Hilfsantrag (und jetzigen Hauptantrag) ebenso zu
behandeln, ließ sich dagegen nicht mit der Erwägung rechtfertigen, auch einzelne
Zielaussagen schieden als Angriffsziel einer Normenkontrollklage von vornherein
aus.
4. Das angefochtene Urteil des Normenkontrollgerichts erweist sich nicht im Sinne
des § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig, auch wenn das Ministeri-
um für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung auf dem Standpunkt steht, dass
der Normenkontrollantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgelehnt worden
sei.
4.1 Das Ministerium spricht den im Regionalplan Südhessen 2000 unter den
Nrn. 5.2-2 und 7.4-1 getroffenen Regelungen sowohl für sich genommen als auch
zusammen mit dem Genehmigungsbeschluss der Hessischen Landesregierung den
Charakter von Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO auch des-
halb ab, weil sie nicht die Merkmale von Zielfestlegungen im Sinne des § 3 Nr. 2
ROG aufweisen. Der Senat sieht keinen Anlass, im Rahmen eines Revisionsverfah-
rens aufzuklären, welcher Regelungsgehalt den Nrn. 5.2-2 und 7.4-1 des Regional-
plans bei isolierter Betrachtung oder bei einer Zusammenschau mit der Genehmi-
gungsentscheidung der Landesregierung beizumessen ist. Es handelt sich um
Rechtsakte, die dem irrevisiblen Recht zuzurechnen sind. Allerdings können Fragen
des Landesrechts vom Revisionsgericht geprüft werden, wenn sich die Vorinstanz
mit ihnen nicht befasst hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 1994 - BVerwG
3 C 17.92 - BVerwGE 17, 79 und vom 30. August 2001 - BVerwG 4 CN 9.00 -
BVerwGE 115, 77). § 144 Abs. 3 VwGO lässt es auch in diesen Fällen zu, in der Sa-
che selbst zu entscheiden. Der Senat sieht indes davon ab, sein Ermessen in dieser
Richtung auszuüben. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich anhand des § 47 Abs. 1
Nr. 2 VwGO auf die Prüfung beschränkt, ob der Normenkontrollantrag statthaft ist.
Alle durch das Landesplanungsrecht aufgeworfenen weiteren Fragen hat er unerör-
tert gelassen. Er ist nicht der Rechtsnatur der Nrn. 5.2-2 und 7.4-1 nachgegangen.
Er hat nicht untersucht, welche Folgerungen sich aus den im Genehmigungsbe-
schluss enthaltenen "Ausnahmen und Auflagen" ergeben. Schließlich hat er sich
nicht mit den zahlreichen Argumenten auseinander gesetzt, aus denen sich nach
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Ansicht der Antragstellerin ergibt, dass die angegriffenen Regelungen weder formell
noch materiell mit den Anforderungen höherrangigen Rechts in Einklang stehen. Das
Revisionsverfahren ist nicht der rechte Ort, alle diese Fragen zu prüfen und zuguns-
ten oder zulasten der Antragstellerin oder des Antragsgegners zu klären.
4.2 Auch ansonsten erweist sich das angefochtene Urteil nicht im Sinne des § 144
Abs. 4 VwGO als richtig. Der Antragstellerin lässt sich die Antragsbefugnis nicht ab-
sprechen. Wie der Senat im Urteil vom 24. September 1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -
(BVerwGE 107, 215) dargelegt hat, sind an die Geltendmachung einer Rechtsverlet-
zung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine höheren Anforderungen zu stellen als
nach § 42 Abs. 2 VwGO. Danach ist die Klagebefugnis nur dann zu verneinen, wenn
die Verletzung eigener Rechte offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise
möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Februar 1994 - BVerwG 1 C 24.92 -
BVerwGE 95, 133, vom 30. März 1995 - BVerwG 3 C 8.94 - BVerwGE 98, 118 und
vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93). Die Antragstellerin
trägt hinreichend substantiiert Tatsachen vor, die es als möglich erscheinen lassen,
dass sie durch die Entscheidung, die Flughafenerweiterung über das bestehende
Start- und Landebahnsystem hinaus zu planen und zu realisieren sowie den Sied-
lungsbeschränkungsbereich auszudehnen, unzumutbar in ihrer Planungshoheit be-
schränkt wird.
4.3 Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin lässt sich ebenfalls nicht in Zwei-
fel ziehen. Diesem Zulässigkeitserfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats schon dann genügt, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gericht-
liche Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden gegebenenfalls von Nutzen sein
kann. Unnütz wird das Normenkontrollgericht nur dann in Anspruch genommen,
wenn der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des Normenkontrollverfahrens kei-
ne reale Chance hat, den von ihm geltend gemachten Nachteil abzuwenden (vgl.
BVerwG, Beschlüsse vom 18. Juli 1989 - BVerwG 4 N 3.87 - BVerwGE 82, 225, vom
25. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 50.92 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 79 und vom
26. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 3.93 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 80). Weisen Plan-
aussagen in einem Regionalplan die Merkmale von Zielfestlegungen auf, die sich auf
bestimmte Gemeindegebietsteile auswirken, so liegt das Interesse, sie auf ihre Gül-
tigkeit überprüfen zu lassen, schon deshalb nahe, weil die Gemeinde nur so in der
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Lage ist, sich unmittelbar Klarheit darüber zu verschaffen, ob sie einer Beachtens-
pflicht unterliegt oder nicht (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. März 1989 - BVerwG
4 NB 10.88 - BVerwGE 81, 307 und vom 7. März 2002 - BVerwG 4 BN 60.01 -
a.a.O.). Ohne Erfolg weist das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesent-
wicklung auf die Besonderheit hin, dass die "Auflage", die die Hessische Landesre-
gierung im Genehmigungsbeschluss der Nr. 7.4-1 des Regionalplans beigefügt hat,
in ihrem Kern wörtlich mit der Zielfestlegung Nr. 7.4 im Landesentwicklungsplan
übereinstimmt, die der Verwaltungsgerichtshof in anderem Zusammenhang für nich-
tig erklärt hat. Die Antragstellerin wendet sich im anhängigen Rechtsstreit nicht ge-
gen Bestimmungen des Landesentwicklungsplans, sondern gegen Regelungen des
Regionalplans. Die Antwort auf die Frage, ob die von ihr angegriffene Planaussage
einen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist oder sich darin erschöpft, den Lan-
desentwicklungsplan zu zitieren, liegt nicht auf der Hand. Solange die Nr. 7.4-1 des
Regionalplans Südhessen 2000 in Verbindung mit der "Auflage" Nr. 3 im Genehmi-
gungsbeschluss der Hessischen Landesregierung nicht förmlich aufgehoben worden
ist, kann einem nachgeordneten Planungsträger nicht das Interesse abgesprochen
werden, klären zu lassen, ob insoweit eine Beachtenspflicht besteht oder nicht.
5. Der Senat ist nicht in der Lage, im Sinne des § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in
der Sache selbst zu entscheiden und dem Normenkontrollantrag der Antragstellerin
ganz oder teilweise stattzugeben. Das Normenkontrollgericht hat, wie bereits ausge-
führt, keine Feststellungen getroffen, die ihm in der einen oder anderen Richtung
eine ausreichende Grundlage für eine eigene Sachentscheidung bieten. Nach § 144
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist vielmehr das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Normenkontrollge-
richt zurückzuverweisen.
Dr. Paetow Halama Prof. Dr. Rojahn
Gatz Dr. Jannasch
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B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 50 000 € fest-
gesetzt.
Dr. Paetow Halama Prof. Dr. Rojahn
Gatz Dr. Jannasch