Urteil des BVerwG vom 18.04.2013
BVerwG: abstrakte normenkontrolle, satzung, prinzip der prozessökonomie, grundsatz der gleichwertigkeit, öffentlich, wohnraum, kostenmiete, vermietung, vermieter, geldleistung
BVerwG 5 CN 1.12
Rechtsquellen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 § 144 Abs. 3 Satz 1
LWoFG § 19 Abs. 2, § 26 Abs. 1, § 32 Abs. 3 Satz 3, § 33 Abs. 1 Satz 1
Stichworte:
Antragsbefugnis; abstrakte Normenkontrolle; Eigentumsgarantie und Sozialwohnungen;
Gerichtsbarkeitsklausel; inzidente Prüfung; Landesrecht; Miethöhesatzung; Normenkontrolle,
abstrakte -; Normenkontrolle, verwaltungsgerichtliche -; Normenkontrolle, inzidente -;
Verwaltungsrechtsweg; Wohnungsbauförderung; Wohnraumförderung.
Leitsatz:
Ein Oberverwaltungsgericht entscheidet bei einer abstrakten Normenkontrolle schon dann „im
Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“ im Sinne von § 47 Abs. 1 VwGO, wenn sich im Einzelfall
verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg
gegeben und in denen die angegriffene Norm inzident zu prüfen ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 5 CN 1.12
VGH Baden-Württemberg - 14.12.2011 - AZ: VGH 3 S 2611/09
In der Normenkontrollsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, Dr. Fleuß und Hahn
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Antragstellerin zu 1 wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den
Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Parteien streiten über die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags gegen eine Satzung
zur Regelung der Miethöhe von öffentlich gefördertem Wohnraum.
2 Der baden-württembergische Gesetzgeber hat durch das Landesgesetz zur Förderung von
Wohnraum und Stabilisierung von Quartierstrukturen (Landeswohnraumförderungsgesetz -
LWoFG) vom 11. Dezember 2007 (GBl S. 581) die bisherige Kostenmiete für öffentlich geförderte
Wohnungen abgeschafft und stattdessen die Gemeinden in § 32 Abs. 3 Satz 3 LWoFG
ermächtigt, für die nach früherem Recht geförderten Wohnräume (Altförderungsfälle) durch
Satzung Höchstmieten für die Dauer der Wohnraumbindung festzulegen. Von dieser
Ermächtigung hat die Antragsgegnerin mit Satzung über die Höhe der zulässigen Mieten für
öffentlich geförderte Wohnungen und Personalfürsorgewohnungen (Miethöhesatzung - MHS)
vom 18. Dezember 2008, geändert durch Satzung vom 2. Juli 2009, Gebrauch gemacht. Diese
Satzung regelt in § 2 Höchstbeträge für die Jahre 2009 und 2010 sowie in § 3 die Frage der
künftigen Erhöhung ab dem Jahr 2011. Im Einzelnen wird die zulässige Miethöhe durch drei
Anlagen geregelt (Anlage A: Höchstmiete für öffentlich geförderte Wohnungen und
Personalfürsorgewohnungen, Anlage B: Höchstmiete für nachsubventionierte Wohnungen,
Anlage C: Höchstmiete für sonstige Wohnungen). Dabei wird der Höchstbetrag für die
Wohnungen nach Straßenzügen teils pro Quadratmeter Wohnfläche, teils als Prozentsatz der
ortsüblichen Vergleichsmiete festgesetzt.
3 Die Antragstellerinnen sind gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften, denen im
Bereich der Antragsgegnerin mehrere tausend öffentlich geförderte Wohnungen gehören. Sie
haben mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2009 Normenkontrollanträge gegen die gesamte
Satzung eingereicht und zur Begründung vor allem eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3
Abs. 1, 14 Abs. 1 GG geltend gemacht.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Normenkontrollanträge als unzulässig abgewiesen. Nach
§ 47 Abs. 1 VwGO könne der Verwaltungsgerichtshof nur „im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit“
über die Gültigkeit von Satzungen entscheiden. Dies setze voraus, dass sich aus der
Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben könnten, für die der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei. Zwar handele es sich bei der angegriffenen
Miethöhesatzung um eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Rechtsvorschrift. Sie habe
jedoch ebenso wie der von den Kommunen erstellte Mietspiegel rein privatrechtliche
Auswirkungen mit der Folge, dass für ihre Anwendung allein die ordentlichen Gerichte zuständig
seien. Der Zuordnung zum Bereich der Zivilgerichtsbarkeit stehe nicht entgegen, dass die
Miethöhesatzung öffentlich geförderten Wohnraum betreffe, weil das
Landeswohnraumförderungsgesetz die öffentlich geförderten Wohnungen ausdrücklich dem
Rechtsregime des Bürgerlichen Gesetzbuches unterstelle. Soweit in Anwendung des
Landeswohnraumförderungsgesetzes - etwa nach § 26 Abs. 1 Satz 1 LWoFG - auch
Verwaltungsakte bei überhöhten Mietpreisabreden ergehen könnten, sei die Miethöhesatzung
lediglich inzident als Vorfrage zu prüfen. Dies genüge jedoch nicht.
5 Zur Begründung ihrer Revision trägt die Antragstellerin zu 1 im Wesentlichen vor, dass der
Verwaltungsgerichtshof die Gerichtsbarkeitsklausel des § 47 Abs. 1 VwGO unrichtig ausgelegt
habe. Danach sei nur zu prüfen, ob sich aus der Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift
Rechtsstreitigkeiten ergeben könnten, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Bei
Überschreitung der in der Satzung festgelegten Miethöhe könnten nach § 26 Abs. 1 i.V.m. § 19
Abs. 2 LWoFG Geldleistungen erhoben oder nach § 33 Abs. 1 Satz 1 LWoFG ein
Förderungswiderruf ausgesprochen werden. Bei Anfechtung solcher Bescheide sei von den
Verwaltungsgerichten die Frage der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Satzung zu prüfen.
Es entspreche der Prozessökonomie, die Frage der Wirksamkeit der Miethöhesatzung in einem
einzigen Normenkontrollverfahren anstatt in vielen Parallelprozessen zu klären. Es treffe nicht
zu, dass Rechtsgrundlage der genannten belastenden Verwaltungsakte allein das
Landeswohnraumförderungsgesetz sei. Im Rahmen der Widerrufs- und Sanktionsregelungen der
§§ 26 Abs. 1, 33 Abs. 1 Satz 1 LWoFG sei die satzungsmäßige Miethöhe das für den Erlass der
Verwaltungsakte allein entscheidende Tatbestandsmerkmal und keine lediglich inzident zu
prüfende Vorfrage. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin zu 1 sei auch im Übrigen
zulässig und begründet. Deswegen könne ohne Zurückverweisung entschieden werden.
6 Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil und bezweifelt die Antragsbefugnis der
Antragstellerin zu 1.
II
7 Die zulässige Revision der Antragstellerin zu 1 ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht
auf der Verletzung von Bundesrecht (§137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil der Verwaltungsgerichtshof
den Normenkontrollantrag unter Verstoß gegen § 47 Abs. 1 VwGO als unzulässig abgewiesen
hat (1.). Da sich diese Entscheidung nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (2) und der
Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden kann, ist der
Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof
zurückzuverweisen (3).
8 1. Der Normenkontrollantrag erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwGO.
Die Normenkontrollgerichte sind nach § 47 Abs. 1 VwGO nur „im Rahmen ihrer Gerichtsbarkeit“
zur Kontrolle von untergesetzlichen Rechtsvorschriften berufen. Es muss sich also um Verfahren
handeln, für die der Verwaltungsgerichtsweg im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet ist.
Darüber hinaus ist im Rahmen dieser Gerichtsbarkeitsklausel zu prüfen, ob sich aus der
Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift Rechtsstreitigkeiten ergeben können, für die der
Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (Beschluss vom 27. Juli 1995 - BVerwG 7 NB 1.95 -
BVerwGE 99, 88 <96> = Buchholz 451.22 § 3 Abfallbeseitigung Nr. 1 S. 8). Von diesem
allgemein anerkannten Grundsatz ist der Verwaltungsgerichtshof zwar im Ansatz zutreffend
ausgegangen (a). Er hat ihn jedoch zu Unrecht dahingehend eingeschränkt, dass eine rein
inzidente Befassung der Verwaltungsgerichte nicht ausreicht (b).
9 a) Zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass es sich bei dem Rechtsstreit
um die Gültigkeit der Satzung der Antragsgegnerin über die Höhe der Mieten für öffentlich
geförderte Wohnungen und Personalfürsorgewohnungen vom 18. Dezember 2008, geändert
durch Satzung vom 2. Juli 2009 (Miethöhesatzung - MHS) um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO handelt. Streitigkeiten um die Gültigkeit einer von
der Verwaltung erlassenen Norm sind grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur. Fehlt - wie hier -
eine abdrängende Sonderzuweisung, ist unabhängig vom Inhalt der Norm der
Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. Urteil vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 -
BVerwGE 80, 355 <358 f.> = Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 238 S. 12).
10 Für die Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle kommt es - wie der
Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat - des Weiteren darauf an, ob die
Verwaltungsgerichte auch im Einzelfall mit der Anwendung der Norm befasst sein können. Der
Gesetzgeber wollte die Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte für abstrakte
Normenkontrollen durch die Formel „im Rahmen ihrer Gerichtsbarkeit“ begrenzen (vgl. BTDrucks
7/4324 S. 8). Im Regierungsentwurf (BTDrucks 3/55 S. 33) zur Verwaltungsgerichtsordnung vom
21. Januar 1960 (BGBl I S. 17) heißt es:
„Die Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte für die Normenkontrolle muss aber
noch eine weitere Einschränkung erfahren: Es ist sachlich nicht vertretbar, dass die
Oberverwaltungsgerichte für Landesrecht andere Gerichte für Streitigkeiten präjudizieren, zu
deren Entscheidung im Einzelfall letztere ausschließlich zuständig sind. Eine derartige
Überordnung der Oberverwaltungsgerichte liefe dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der
einzelnen Zweige der Gerichtsbarkeit zuwider und störte das gegenseitige Verhältnis. Eine
solche Position kann nur der Verfassungsgerichtsbarkeit kraft des ihr eigenen
Ausnahmecharakters zukommen. ‚Im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit’ bedeutet daher, dass die
Verwaltungsgerichte für Normenkontrolle soweit zuständig sind, als sie Streitigkeiten um die zu
kontrollierende Norm im Einzelfall zu entscheiden haben.
Für § 25 südd. VGG ist es streitig, ob die Normenkontrolle auch beantragt werden kann, wenn im
Einzelfall die Anfechtungsklage (Verpflichtungsklage) gegeben ist. Dies wird hier eindeutig für
zulässig erklärt, da nur auf diese Weise der prozessökonomische Zweck, durch eine einzige
Entscheidung eine Mehrzahl von Streitigkeiten zu vermeiden und dadurch die Gerichte zu
entlasten, erreicht werden kann.“
11 Die Gerichtsbarkeitsklausel dient damit der Abgrenzung gegenüber anderen gleichrangigen
Gerichtsbarkeiten. Sie verknüpft die sachliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte mit
der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Nur wenn die Verwaltungsgerichte
Streitigkeiten um die zu kontrollierende Norm im konkreten Einzelfall zu entscheiden haben, ist
auch die sachliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts für die abstrakte Normenkontrolle
gegeben. Nur dann kann die abstrakte Normenkontrolle die ihr zugedachte Entlastungsfunktion
für eine Mehrzahl verwaltungsgerichtlicher Streitigkeiten erfüllen.
12 b) Zu Unrecht nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, dass für die Zulässigkeit der abstrakten
Normenkontrolle die Möglichkeit einer rein inzidenten Befassung der Verwaltungsgerichte mit
der angegriffenen Norm nicht ausreicht. Eine Anwendung der angegriffenen Rechtsvorschrift ist
zum einen zu bejahen, wenn die von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden Verwaltungsakte
ihre Ermächtigungsgrundlage in der angegriffenen Rechtsvorschrift finden. Zum anderen liegt sie
vor, wenn die angegriffene Rechtsvorschrift im Zusammenhang mit den tatbestandlichen
Voraussetzungen einer Ermächtigungsnorm, die ihren Standort nicht in der angegriffenen
Rechtsvorschrift hat, (inzidenter) zu prüfen ist. Die gegenteilige Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichtshofs findet bereits im Wortlauf des § 47 Abs. 1 VwGO keine Stütze. Ebenso
wenig macht der Zweck der Gerichtsbarkeitsklausel, einen Übergriff der Verwaltungsgerichte in
ausschließlich anderen Gerichtsbarkeiten zugewiesene Rechtsbereiche zu verhindern, die vom
Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Einschränkung erforderlich. Sobald feststeht, dass die
angegriffene Norm in verschiedenen verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten geprüft und ggf.
angewandt werden muss, besteht keine ausschließliche Zuständigkeit anderer
Gerichtsbarkeiten mehr. Umgekehrt entsteht ein Bedürfnis, die vorgreifliche Frage nach der
Rechtswirksamkeit der Norm nicht in einer Mehrzahl von erstinstanzlichen
Verwaltungsprozessen jeweils inzident zu prüfen, sondern in einem abstrakten
Normenkontrollverfahren gleichsam zu konzentrieren. Daher widerspräche es dem
Entlastungszweck der Normenkontrolle, deren Zulässigkeit von der Frage abhängig zu machen,
ob die angegriffene Norm selbst Ermächtigungsgrundlage eines Verwaltungsakts sein kann oder
nur tatbestandliche Voraussetzung einer anderen Befugnisnorm darstellt.
13 Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs spricht ferner der systematische Vergleich
mit § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Die danach der abstrakten Normenkontrolle unterliegenden
Satzungen nach dem Baugesetzbuch - BauGB -, insbesondere die Bebauungspläne nach § 10
BauGB, enthalten ebenfalls regelmäßig keine Befugnisnormen, sondern ermächtigen die
Verwaltung nur im Zusammenspiel mit höherrangigen Normen zur Erteilung einer
Baugenehmigung oder zu einem anderen Verwaltungshandeln.
14 Das Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung der
Oberverwaltungsgerichte, die im Rahmen des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO die Möglichkeit einer rein
inzidenten Prüfung als ausreichend angesehen und insbesondere Normenkontrollanträge gegen
Sperrbezirksverordnungen zugelassen haben, auch wenn den Sperrbezirksverordnungen selbst
keine Ermächtigungsnorm zu entnehmen ist und die damit verbundenen Verbote auf der
Grundlage von Befugnisnormen des allgemeinen Polizeirechts durchgesetzt werden (vgl. VGH
Kassel, Urteil vom 31. Oktober 2003 - 11 N 2952/00 - NVwZ-RR 2004, 470; OVG Lüneburg,
Urteil vom 24. Oktober 2002 - 11 KN 4073/01 - NdsVBl 2003, 154; OVG Bautzen, Beschluss vom
15. Dezember 1998 - 3 S 428/94 -, SächsVBl 1999, 159; VGH Mannheim, Urteil vom 16. August
1978 - I 2576/77 - DÖV 1978, 848).
15 Dementsprechend reicht es auch im vorliegenden Fall aus, dass sich bei den
Verwaltungsgerichten Rechtsstreitigkeiten ergeben können, in denen die Rechtswirksamkeit der
Miethöhesatzung inzident zu prüfen ist. Verlangt der Vermieter einer nach altem Recht
geförderten Sozialwohnung ein über die satzungsmäßige Höchstmiete hinausgehendes Entgelt,
dann sieht das Landeswohnraumförderungsgesetz ein behördliches Einschreiten durch die
Erhebung einer Geldleistung nach § 26 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 2 LWoFG oder in Form eines
Förderungswiderrufs nach § 33 Abs. 1 LWoFG vor. Die Rechtswirksamkeit der in der Satzung
festgesetzten Höchstmiete ist in diesen Fällen bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der
entsprechenden Verwaltungsakte inzident zu prüfen. Ist die satzungsmäßige Festsetzung der
höchstzulässigen Miete rechtswirksam, dann ist die Erhebung einer Geldleistung nach § 26 Abs.
1 i.V.m. § 19 Abs. 2 LWoFG oder ein Förderungswiderruf nach § 33 Abs. 1 LWoFG grundsätzlich
möglich. Ist sie unwirksam, dann sind auch die entsprechenden Sanktionsbescheide
rechtsfehlerhaft. Aus diesen Gründen entspricht es auch dem von § 47 Abs. 1 VwGO verfolgten
Prinzip der Prozessökonomie, die abstrakte Normenkontrolle in Bezug auf die Miethöhesatzung
zuzulassen.
16 2. Die Entscheidung, den Normenkontrollantrag als unzulässig anzusehen, stellt sich auch
nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dieser genügt vielmehr auch im
Übrigen den Zulässigkeitsanforderungen des § 47 VwGO. Insbesondere besitzt die
Antragstellerin zu 1 die erforderliche Antragsbefugnis. An die Geltendmachung einer
Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen
als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Die Antragsbefugnis fehlt daher nur dann, wenn unter
Zugrundelegung des Antragsvorbringens Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig
nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (stRspr, vgl. Beschluss vom 29. Dezember
2011 - BVerwG 3 BN 1.11 - Buchholz 310 § 47 Nr. 183 Rn. 3; Urteil vom 24. September 1998 -
BVerwG 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <217> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 127 S. 112 f.).
17 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die Antragstellerin zu 1 als
Wohnungsbaugenossenschaft Eigentümerin zahlreicher öffentlich geförderter Wohnungen im
Bereich der Antragsgegnerin. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass sie durch die Satzung in
ihren Gleichbehandlungs- und Eigentumsrechten verletzt ist. Soweit die Antragsgegnerin
ausführt, die Antragstellerin zu 1 könne sich auf Grund der erhaltenen Subventionen nicht auf
den Grundrechtsschutz berufen, geht dies fehl. Das Bundesverfassungsgericht hat Eigentümern
von Sozialwohnungen ausdrücklich die Berufung auf Art. 14 GG gestattet (Beschluss vom 15.
Oktober 1996 - 1 BvL 44, 48/92 - BVerfGE 95, 64 <82 f.>). Der Rechtsgedanke des Verzichts auf
die Grundrechtsausübung mag zwar insoweit greifen, als die Antragstellerin zu 1 gegen Erhalt
der Wohnungsbauförderung auf eine Vermietung zu Marktbedingungen verzichtet und sich
stattdessen für einen bestimmten Zeitraum mit einer Vermietung nach dem damals geltenden
Prinzip der Kostenmiete einverstanden erklärt hat. Von einem entsprechenden Verzicht ist
jedoch nicht auszugehen, wenn - wie von der Antragstellerin zu 1 vorgetragen - die nunmehr
festgesetzte Höchstmiete das Niveau der Kostenmiete nach altem Recht unterschreitet. In
diesem Fall könnte die Mietpreisbindung die von Art. 14 GG gezogenen Grenzen jedenfalls dann
überschreiten, wenn sie auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter und zur Substanzgefährdung
der Mietsache führen würde (BVerfG, Beschluss vom 22. November 1994 - 1 BvR 351/91 -
BVerfGE 91, 294 <310>).
18 3. Das Bundesverwaltungsgericht kann über den zulässigen Normenkontrollantrag nicht
selbst nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der Sache entscheiden. Zum einen bedarf die
Frage, ob die festgesetzten Höchstmieten gleichheitswidrig sind oder zu unverhältnismäßigen
Beschränkungen des Eigentums der Antragstellerin zu 1 führen, tatrichterlicher Feststellungen.
Ob die festgesetzten Miethöhen das Niveau der nach früherem Recht maßgeblichen
Kostenmieten unterschreitet und zu dauerhaften Verlusten führt, kann ohne entsprechende
Tatsachenfeststellungen nicht beantwortet werden. Zum anderen obliegt die Überprüfung der
Vereinbarkeit der Satzung mit den Vorgaben des nicht revisiblen
Landeswohnraumförderungsgesetzes dem für die Auslegung des Landesrechts in erster Linie
berufenen Normenkontrollgericht (vgl. Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 -
BVerwGE 117, 313 <322> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 160 S. 100). Die Sache ist daher
gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung über
die Begründetheit des Normenkontrollantrags an den Verwaltungsgerichtshof
zurückzuverweisen.
19 Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Vormeier
Stengelhofen
Dr. Häußler
Dr. Fleuß
Hahn