Urteil des BVerwG vom 20.12.2012

BVerwG: beweisantrag, gemeinde, beteiligter, bebauungsplan, unterlassen, hundesteuer, gebärdensprache, kunst, vorbescheid, presse

BVerwG 4 B 20.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 20.12
VG Koblenz - 17.03.2011 - AZ: VG 1 K 1128/10.KO
OVG Rheinland-Pfalz - 08.03.2012 - AZ: OVG 1 A 10803/11
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Dezember 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Decker
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. März 2012 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Kläger hält für
grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob bei einer grundsätzlich erlaubten Abstandnahme des
Planungsträgers von einer abschließenden Konfliktbewältigung der ungeklärten
Erschließungssituation im Bebauungsplan und Verweisung auf nachfolgende Fachplanungen,
welche anschließend in eine das Stadium der Planreife gemäß § 33 Abs. 1 BauGB erreichende
Bebauungsplanänderung münden und ein hinreichendes Erschließungskonzept beinhalten,
gleichwohl noch keine Erschließungspflicht der Gemeinde aus rechtstreuem Verhalten
begründen und nach wie vor auch eine negative Beurteilungsprognose der Erschließbarkeit
rechtfertigen“. Diese Frage bedarf der Auslegung. Der Sache nach geht es dem Kläger
offensichtlich darum, klären zu lassen, ob eine Erschließungspflicht einer Gemeinde und damit
korrespondierend ein Erschließungsanspruch eines Bauantragstellers besteht, wenn bei einem
als unwirksam erkannten Bebauungsplan das zur Heilung des Mangels eingeleitete
Bebauungsplanänderungsverfahren das Stadium der Planreife i.S.d. § 33 Abs. 1 BauGB erreicht
hat. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Vorhaben des
Klägers nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht nach § 33 BauGB, sondern
als Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB zu beurteilen ist (UA S. 9). Dass in einem
solchen Fall eine Erschließungspflicht der Gemeinde nicht besteht, liegt auf der Hand. Zudem
fehlt es nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts an dem zur Begründung einer
gemeindlichen Erschließungspflicht erforderlichen Erschließungsangebot des Klägers oder
eines Dritten an die beigeladene Gemeinde (Beschluss vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 7.91 -
Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 30 ).
3 2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der
Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung
derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem
ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts oder Bundesverfassungsgerichts
widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996,
712; stRspr). Er ist hier nicht dargelegt. Der Kläger beanstandet, dass das
Oberverwaltungsgericht die im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2007 -
BVerwG 4 BN 10.07 - genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Konfliktverlagerung
auf ein nachfolgendes Genehmigungsverfahren fehlerhaft verneint habe. Die unrichtige
Anwendung eines höchstrichterlichen Rechtssatzes, so sie denn vorläge, begründet aber keine
Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 -
BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr).
4 3. Schließlich liegen auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
nicht vor.
5 a) Die Beschwerde ist der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht habe seine
Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, indem es nicht durch „sachverständige
Feststellung“ hat prüfen lassen, „ob es tatsächlich durch die seitens der beigeladenen
Ortsgemeinde beabsichtigte weitere Fachplanung nicht zu bewerkstelligen war, eine
Erschließung des Plangebietes technisch möglich und wirtschaftlich machbar zu erreichen“. Ein
entsprechender Beweisantrag sei mit Schriftsatz vom 7. Februar 2012 gestellt worden; dem sei
das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen.
6 Ein Aufklärungsmangel ist hiermit nicht dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden
Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht,
die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Der Beweisantrag ist
förmlich spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen (Beschluss vom 11. August 1999 -
BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19). Die Aufklärungsrüge dient
nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der
Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein
Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (stRspr; vgl.
Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223 f.> = Buchholz 448.0 § 17
WPflG Nr. 7 S. 8 f.; Beschluss vom 10. Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - Buchholz 401.65
Hundesteuer Nr. 7 S. 10 f.). Soweit der Kläger auf den im Schriftsatz seines Bevollmächtigten
vom 7. Februar 2012 enthaltenen Beweisantrag verweist, ist darauf hinzuweisen, dass es sich
hierbei nur um die Ankündigung eines Beweisantrages bzw. um eine Beweisanregung handelt,
die die Folgen des § 86 Abs. 2 VwGO nicht auszulösen vermag.
7 Die Tatsache, dass ein Beweisantrag nicht gestellt wurde, ist allerdings dann unerheblich,
wenn sich dem Tatsachengericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere
Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen. Das setzt aber den schlüssigen Vortrag
voraus, dass das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung Anlass zur weiteren
Aufklärung hätte sehen müssen (stRspr; z.B. Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 7 B
45.10 - juris Rn. 13); dieser materiell-rechtliche Standpunkt ist auch dann maßgeblich, wenn er
rechtlichen Bedenken begegnen sollte (Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 -
BVerwGE 106, 115 <119>; Beschlüsse vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - NVwZ 2005,
447 <449> und vom 20. Dezember 2010 - BVerwG 5 B 38.10 - juris Rn. 18). Diese
Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Sie legt nicht dar, warum sich dem
Oberverwaltungsgericht von seiner Rechtsauffassung ausgehend eine weitere Sachaufklärung
hätte aufdrängen müssen, sondern beurteilt die Frage der weiteren Sachaufklärung aus Sicht der
Klagepartei.
8 b) Die weiteren Rügen, das Oberverwaltungsgericht hätte seine Prüfung nicht darauf
beschränken dürfen, ob ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (richtig:
Vorbescheid) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden habe, sondern hätte
darüber hinaus die im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage erhebliche Fragestellung
beurteilen müssen, ob während des Verfahrens irgendwann einmal ein entsprechender
Rechtsanspruch bestanden habe, sowie das Oberverwaltungsgericht habe die aus den
Verfahrensakten ersichtliche 1. Planänderung des Bebauungsplans „Vor dem Dörnchen“ außer
Acht gelassen, greifen ebenfalls nicht durch. Soweit damit überhaupt ein Verfahrensfehler und
nicht ein solcher des materiellen Rechts behauptet wird, liegen jedenfalls die Voraussetzungen
des - einzig in Betracht kommenden - § 138 Nr. 6 VwGO offensichtlich nicht vor (Beschluss vom
5. Juni 1998 - BVerwG 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32 ).
9 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Decker