Urteil des BVerwG vom 16.01.2013

BVerwG: beweisantrag, verfahrensmangel, verordnung, luftverkehr, zustand, hessen, vorrang, kritik, störfall, beweisergebnis

BVerwG 4 B 15.10
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 15.10
Hessischer VGH - 21.08.2009 - AZ: VGH 11 C 305/08.T
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Januar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil
des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. August 2009 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die auf die Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde
bleibt ohne Erfolg.
2 1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zeigt die
Beschwerde nicht auf.
3 a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
wann die einer Planungsentscheidung zu Grunde liegende Prognose der gerichtlichen
Überprüfbarkeit unterfällt, wenn ein Auseinanderklaffen zwischen Prognose und nachträglicher
tatsächlicher Entwicklung vorliegt (sog. fehlgeschlagene Prognose),
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht
zugänglich, weil ihre Beantwortung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt (vgl.
Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <276 f.>; Beschluss vom 25.
November 1991 - BVerwG 4 B 212.91 - Buchholz 406.11 § 33 BauGB Nr. 7). Dass die Klägerin
ihre Frage in das Gewand einer Grundsatzrüge kleidet, kann nicht darüber hinwegtäuschen,
dass es ihr darum geht, unter Bezugnahme auf Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der
Beigeladenen, im Jahr 2009 sei die Zahl der Fluggäste und das Frachtaufkommen rückläufig
gewesen, die tatrichterliche Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs zu entkräften, die
Nachfrage nach Luftverkehrsdienstleistungen am Flughafen Frankfurt Main werde weiter
wachsen. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung
lässt sich die grundsätzliche Bedeutung der Sache indes nicht darlegen.
4 b) In einem Revisionsverfahren rechtsgrundsätzlich klären lassen möchte die Beschwerde
ferner die Frage,
ob sich aus der „Abstandsliste 1998“ des Landes Nordrhein-Westfalen im Zusammenspiel mit
der Störfall-Verordnung ein strikt einzuhaltendes Abstandsgebot ergibt.
5 Die Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich mit dem Verwaltungsgerichtshof verneinen,
ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.
6 Der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 138) hat angenommen, dass sich weder aus der
Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (i.d.F. der Bek.
vom 8. Juni 2005, BGBl I S. 1598 - Störfall-Verordnung - 12. BImSchV) noch aus der dazu
ergangenen Vollzugshilfe noch aus der „Abstandsliste 1998“ des Landes Nordrhein-Westfalen
ein über § 50 BImSchG hinausgehendes, strengeres Abstandsgebot ergebe.
7 Hinsichtlich der 12. BImSchV hat er (juris Rn. 139) dies mit der Erwägung begründet, dass
deren § 1 ausdrückliche Regelungen für die Frage der Zulässigkeit von Luftverkehr im Umfeld
sog. Störfallbetriebe oder über die Folgen des Luftverkehrs für den Anlagenbetrieb nicht enthalte
und aus den Vorschriften der 12. BImSchV insbesondere auch kein Gebot zur Einhaltung eines
bestimmten Abstands zwischen den Grundstücken der Klägerin und dem geplanten Vorhaben
folge. Dass diese Auffassung zutrifft, liegt bereits nach dem eindeutigen Wortlaut der
einschlägigen Bestimmungen der 12. BImSchV auf der Hand. Die in den §§ 3 ff. geregelten
„Grundpflichten“ der Betreiber eines Störfallbetriebes betreffen ausschließlich technisch-
organisatorische Maßnahmen und Vorkehrungen, mit denen Störfälle verhindert und die
Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich gehalten werden sollen. Das gilt auch für die
in § 9 der 12. BImSchV geregelte Pflicht des Betreibers, einen Sicherheitsbericht zu erstellen,
auf die die Beschwerde abhebt. Allein für diese Pflicht soll nach dem Vortrag der Klägerin in den
Vollzugshilfen ein Abstand von 4 km benannt sein. Von einem in der 12. BImSchV geregelten
Abstand, der von Störfallbetrieben zwingend einzuhalten wäre, ist auch der Senat in seinem
Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV (Beschluss
vom 3. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 5.09 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 209 Rn. 15) nicht
ausgegangen.
8 Die „Abstandsliste 1998“ des Landes Nordrhein-Westfalen hat der Verwaltungsgerichtshof
(juris Rn. 140) bereits deshalb für unanwendbar gehalten, weil sie für das Bundesland Hessen
keine Geltung beanspruche und inhaltlich weder den Luftverkehr noch Flughäfen erfasse. Auch
diese Argumente erkennt die Beschwerde im Grundsatz an.
9 Sie ist allerdings der Auffassung, dass aus dem Zusammenspiel dieser Bestimmungen unter
dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und der Einheitlichkeit des Rechts ein absolut
einzuhaltendes Abstandsgebot herzuleiten sei; die „Abstandsliste“ erlange „weit über die
Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen hinaus Bedeutung“; eine Orientierung hieran sei
folglich auch für das Land Hessen nicht ausgeschlossen. Diese Erwägungen stellen die vom
Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsauffassung nicht in Frage. Eine nähere Begründung
dafür, warum ein vom Normgeber in der 12. BImSchV nicht geregeltes Abstandsgebot allein aus
Gründen der Rechtsklarheit und der Einheitlichkeit des Rechts dennoch gelten soll, liefert die
Beschwerde nicht; Gründe für ein entsprechendes, verfassungsunmittelbar wirksames
Abstandsgebot sind auch nicht ersichtlich. Fehlt es in der 12. BImSchV somit an einem
konkretisierungsbedürftigen Abstandsgebot, bedarf es auch nicht der Heranziehung der
„Abstandsliste“ als Orientierungshilfe zu dessen fachlich-technischer Konkretisierung.
10 c) Bezogen auf die Richtlinie 96/82/EG (sog. Seveso-II-Richtlinie) hält die Beschwerde für
rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig,
ob auf der Grundlage von Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie das Abstandsgebot auch im Rahmen
der Abwägung von Einzelfallentscheidungen zu beachten ist, wenn diese raumbedeutsam sind
(Planfeststellung eines Verkehrsflughafens),
ob Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie eine richtlinienkonforme Auslegung des § 50 BImSchG
gebietet,
ob die in der Seveso-II-Richtlinie enthaltenen Pflichten auch die Auswahl und Festlegung der
Landebahn eines internationalen Verkehrsflughafens umfassen,
ob die Seveso-II-Richtlinie für ihr unterfallende Betriebe Abwehrrechte gegenüber bestimmten
Nutzungen (Verkehrswege) zu Gunsten der Nachbarschaft begründet,
ob die Seveso-II-Richtlinie ein Risikominimierungsgebot enthält, das die zuständigen
innerstaatlichen Behörden verpflichtet, bei der Wahl zwischen mehreren Alternativstandorten
eines Verkehrsflughafens denjenigen auszuwählen und festzulegen, bei dem das Unfallrisiko für
die unter die Richtlinie fallenden Betriebe soweit wie möglich begrenzt wird,
ob sich aus dieser Norm (gemeint ist wohl: Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie) konkrete
Abstandsvorgaben ableiten lassen, und schließlich,
ob diese Norm eine strikte Abwägungsdirektive der Gestalt darstellt, dem Interesse des
Anlagenbetreibers uneingeschränkten Vorrang bei der vorzunehmenden Abwägung
einzuräumen.
11 Diese Fragen sind, soweit entscheidungserheblich, nicht bzw. jedenfalls nicht mehr
klärungsbedürftig.
12 Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob „auf der Grundlage von Art. 12 der Seveso-
II-Richtlinie das Abstandsgebot auch im Rahmen der Abwägung von Einzelfallentscheidungen
zu beachten ist, wenn diese raumbedeutsam sind (Planfeststellung eines Verkehrsflughafens)“,
ist anhand der in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG getroffenen Regelung dahin zu
präzisieren, ob die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, langfristig dem Erfordernis der Wahrung
eines angemessenen Abstands Rechnung zu tragen, auch bei der Planfeststellung eines
Verkehrsflughafens im Rahmen der Abwägung zu beachten ist. Diese Frage ist nicht
klärungsbedürftig. Für klärungsbedürftig gehalten hatte der Senat in seinem
Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (Beschluss vom 3. Dezember
2009 a.a.O. Vorlagefrage 1 und Rn. 24 ff.) die Frage, ob sich die in Art. 12 Abs. 1 der
Richtlinie 96/82/EG enthaltene Verpflichtung auch an Baugenehmigungsbehörden richtet, die
eine gebundene Entscheidung über die Zulassung eines Vorhabens zu treffen haben. Mit der
Entscheidung einer Baugenehmigungsbehörde ist die Entscheidung über die Planfeststellung
eines Verkehrsflughafens aber insoweit nicht vergleichbar, weil sie keine gebundene, sondern
eine Planungsentscheidung ist. Dass die sich aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG
ergebende Verpflichtung an Planungsträger gerichtet ist, die über die Nutzung von Flächen auf
der Grundlage einer Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Belange zu entscheiden
haben, ist nicht zweifelhaft und haben auch der Senat (Beschluss vom 3. Dezember 2009 a.a.O.)
und der Europäische Gerichtshof in seiner Vorabentscheidung (Urteil vom 15. September 2011 -
Rs. C 53/10 - juris Rn. 26 ff.) nicht in
Zweifel gezogen.
13 Damit ist auch die Frage beantwortet, ob die in der Seveso-II-Richtlinie enthaltenen Pflichten
die Auswahl und Festlegung der Landebahn eines internationalen Verkehrsflughafens
umfassen.
14 Dass die Vorschrift des § 50 BImSchG, die der Bundesgesetzgeber zur Umsetzung des Art.
12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG geändert hat (Fünftes Gesetz zur Änderung des
Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 19. Oktober 1998, BGBl I S. 3178; vgl. auch Beschluss
vom 3. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 25), gegebenenfalls richtlinienkonform auszulegen ist, ergibt
sich unmittelbar aus Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2011 a.a.O.
ff.>). Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 157) deshalb auch davon ausgegangen,
dass sich aus Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG keine über § 50 BImSchG hinausgehenden
Anforderungen ergeben.
15 Infolgedessen ist auch die Frage, ob die Seveso-II-Richtlinie ein Risikominimierungsgebot
enthält, das die zuständigen innerstaatlichen Behörden verpflichtet, bei der Wahl zwischen
mehreren Alternativstandorten eines Verkehrsflughafens denjenigen auszuwählen und
festzulegen, bei dem das Unfallrisiko für die unter die Richtlinie fallenden Betriebe soweit wie
möglich begrenzt wird, streng genommen nicht entscheidungserheblich, weil der
Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 133 ff., 141 ff.) die Abwägung der Planfeststellungsbehörde an
§ 50 BImSchG gemessen hat und deshalb für eine unmittelbare Heranziehung des Art. 12 Abs. 1
der Richtlinie 96/82/EG kein Raum ist. Die Grundsatzfrage ist deshalb so zu verstehen, dass die
Beschwerde klären lassen will, ob der Verwaltungsgerichtshof die Vorschrift des § 50 BImSchG
richtlinienkonform ausgelegt und angewandt hat. So verstanden ist die Frage nach der
Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht (mehr) klärungsbedürftig. Der
Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 157 f.) hat - ebenso wie zuvor bereits die
Planfeststellungsbehörde - die Auffassung vertreten, dass sich aus dem in die Abwägung
einzustellenden privaten Interesse der Klägerin kein Abstandsgebot und - in Bezug auf drohende
störfallrechtliche Auflagen - auch kein Verschlechterungsverbot herleiten lasse. Einer
Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, bei der Wahl zwischen mehreren
Alternativstandorten eines Verkehrsflughafens denjenigen auszuwählen und festzulegen, bei
dem das Unfallrisiko für die unter die Richtlinie fallenden Betriebe soweit wie möglich begrenzt
wird, hat er eine Absage erteilt. Diese Rechtsauffassung deckt sich mit der Auslegung des Art.
12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG durch den Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 15.
September 2011 a.a.O. ), der den Mitgliedstaaten insoweit einen
Wertungsspielraum zuerkennt.
16 Damit ist auch die von der Beschwerde aufgeworfene Frage in verneinendem Sinne
beantwortet, ob Art. 12 Abs. 1 der Seveso-II-Richtlinie eine strikte Abwägungsdirektive darstellt,
die die Planfeststellungsbehörde verpflichtet, dem Interesse des Anlagenbetreibers
uneingeschränkten Vorrang bei der vorzunehmenden Abwägung einzuräumen.
17 Durch die Vorabentscheidung geklärt ist ferner die Frage, ob sich aus Art. 12 der Seveso-II-
Richtlinie konkrete Abstandsvorgaben ableiten lassen. Auch diese Frage hat der Europäische
Gerichtshof (Urteil vom 15. September 2011 a.a.O. ) im Sinne des
Verwaltungsgerichtshofs entschieden: Welche Abstände „angemessen“ sind, ist im Unionsrecht
nicht geregelt. Vielmehr obliegt es - implizit - den zuständigen nationalen
Genehmigungsbehörden, die angemessenen Abstände im jeweiligen Einzelfall zu berechnen
und anhand aller maßgeblichen Faktoren festzulegen. Auch insoweit misst der Gerichtshof den
zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum zu.
18 Die Frage schließlich, ob die Seveso-II-Richtlinie für ihr unterfallende Betriebe Abwehrrechte
gegenüber bestimmten Nutzungen (Verkehrswege) zu Gunsten der Nachbarschaft begründet, ist
auf der Grundlage der durch die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bestätigten
Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr entscheidungserheblich. Denn
subjektive Abwehrrechte kommen nur im Fall der Verletzung einer Rechtsvorschrift in Betracht,
was der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 141 ff.) im Hinblick auf die mitgliedstaatliche
Umsetzung der Richtlinie in § 50 BImSchG gerade verneint hat.
19 2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) führen ebenfalls
nicht zur Zulassung der Revision.
20 Die Beschwerde rügt einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1
VwGO). Sie macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe die schriftsätzlich angekündigten
und im Termin zur mündlichen Verhandlung (Sitzungsniederschrift S. 43, VGH-Akte Bl. 1852)
gestellten Beweisanträge Nr. 4, 7, 8 und 9 der Klägerin in verfahrensfehlerhafter Weise
abgelehnt. Ein Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann, lässt sich dem
Beschwerdevorbringen indes nicht entnehmen.
21 a) Beweisantrag Nr. 4 zielt auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis
der Tatsache, „dass bei der Berechnung des Unfallrisikos für Ist-Zustand und Ausbaufall 2020
auch Unfälle ohne unmittelbare Todesfolge (externes Risiko) und Unfälle innerhalb des
Flughafenbereichs (internes Risiko) berücksichtigt werden müssen, denn dies erhöht das
Unfallrisiko im Ergebnis um zwei bis drei Zehnerpotenzen.“
22 Diesen Beweisantrag hat der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 113) aus drei Gründen
abgelehnt: Zum einen sei der Beweisantrag unerheblich; außerdem seien die vorliegenden
Gutachten durch das klägerische Vorbringen nicht erschüttert worden und stellten deshalb eine
ausreichende Grundlage für die gerichtliche Entscheidung dar; darüber hinaus werde mit dem
Beweisantrag auch lediglich die Rechtsfrage nach der hier erforderlichen Ermittlungstiefe
aufgeworfen, die jedoch einer Beweisaufnahme nicht zugänglich sei.
23 Insoweit ist der Beschwerdevortrag bereits unschlüssig. Die Beschwerde äußert sich lediglich
zu der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Unerheblichkeit des Beweisantrags. Sie
stellt sich insoweit auf den Standpunkt, dass nach der Definition der Internationalen
Zivilluftfahrtbehörde (ICAO), auf die das Gericht abgestellt habe, nicht nur tödliche Unfälle mit
einzubeziehen seien, sondern auch solche, die zu schweren Verletzungen führen. Hinsichtlich
der beiden anderen, jeweils selbständig tragenden Ablehnungsgründe macht die Beschwerde
einen Zulassungsgrund nicht geltend. Damit fehlt es bereits an der schlüssigen Behauptung,
dass das angegriffene Urteil auf dem dargelegten Verfahrensfehler beruhen kann.
24 b) Beweisantrag Nr. 7 hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gegenstand
zum Beweis der Tatsache, „dass die von O. & Co. im Gutachten G 16.2 vom 4. August 2006
ermittelte ‚verbesserte’ Unfallrate um zwei bis drei Zehnerpotenzen niedriger liegt als alle in
sonstigen vergleichbaren Datenbanken von Flugzeugherstellern und von der GfL veröffentlichten
Unfallraten.“
25 Diesen Beweisantrag hat der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn. 115) abgelehnt, weil seitens
der Klägerin die vorliegenden Gutachten nicht erschüttert und keinerlei Anknüpfungstatsachen
vorgebracht worden seien, aus denen sich ergeben könnte, dass die Beweisbehauptung
zutreffe. Ein Verfahrensmangel ist auch insoweit nicht in einer den Darlegungsanforderungen (§
133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügenden Weise dargetan.
26 Ob ein Tatsachengericht zusätzliche Sachverständigengutachten einholt, darf es gemäß § 98
VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich nach seinem tatrichterlichen
Ermessen entscheiden. Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn das Gericht es unterlässt, ein
weiteres Gutachten einzuholen, obwohl sich eine weitere Beweiserhebung aufdrängt, weil die
bereits vorliegenden Gutachten nicht geeignet sind, dem Gericht die für die richterliche
Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln (Beschluss vom 22.
Mai 2008 - BVerwG 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 20 m.w.N.). Das ist unter
anderem dann der Fall, wenn das Beweisergebnis der vorliegenden Gutachten durch
substantiierten Vortrag eines Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft
erschüttert wird.
27 Das hat der Verwaltungsgerichtshof gerade verneint. Die Beschwerde tritt dem nicht
substantiiert entgegen. Unsubstantiiert ist ihr Vorbringen zum einen deshalb, weil sie die
inhaltliche Kritik an den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs ihrer Verfahrensrüge
zusammenhanglos voranstellt, ohne zu erkennen zu geben, welche ihrer Kritikpunkte sich
konkret auf welchen Beweisantrag beziehen; der Bezug ergibt sich auch nicht ohne Weiteres
aus dem Beweisthema des Beweisantrags Nr. 7. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts,
darüber zu rätseln, in welcher Weise diese Zuordnung im Sinne der Beschwerde gegebenenfalls
vorzunehmen sein könnte. Zum anderen beschränkt sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, in
der Beschwerde ihren erstinstanzlichen Vortrag zu wiederholen, mit dem sich der
Verwaltungsgerichtshof bereits ausführlich auseinandergesetzt, insoweit aber jegliche
Anknüpfungstatsachen für eine Erschütterung der vorliegenden Gutachten vermisst hat. Den
Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist unter diesen Voraussetzungen nur
Genüge getan, wenn sich die Beschwerde mit den Gründen des angegriffenen Urteils unter
Angabe der betreffenden Stellen in einer für das Beschwerdegericht aus sich heraus
verständlichen Weise auseinandersetzt und darlegt, aus welchen Gründen die Schlussfolgerung
der Vorinstanz im Einzelnen unzutreffend sein soll. Die bloße Wiederholung des
erstinstanzlichen Vortrags genügt insoweit nicht.
28 c) Entsprechendes gilt für die Verfahrensrüge zu Beweisantrag Nr. 8, mit dem Einholung
eines Sachverständigengutachtens beantragt wurde zum Beweis der Tatsache, „dass das
Risiko-Delta beim Einzelrisiko zwischen dem Ist-Zustand und dem Planungsfall insbesondere
vor dem Hintergrund der planfallbedingten Zunahme der Flugbewegungszahlen um 200 000
nicht mit 1,64, sondern mit 2,5 einzuschätzen ist“, und den der Verwaltungsgerichtshof (juris Rn.
115) ebenfalls mangels Erschütterung der vorliegenden Gutachten abgelehnt hat. Auch insoweit
wäre es Sache der Beschwerde gewesen, unter Angabe der betreffenden Passagen in den
Gründen des angegriffenen Urteils nachvollziehbar darzulegen, welche ihrer Kritikpunkte sich
auf diesen Beweisantrag beziehen, und sich im Einzelnen damit auseinanderzusetzen, warum
die Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die vorliegenden Gutachten durch den
klägerischen Vortrag nicht erschüttert seien, unzutreffend sein soll.
29 d) Einen Verfahrensmangel, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann, zeigt die
Beschwerde schließlich auch hinsichtlich des abgelehnten Beweisantrags Nr. 9 (juris Rn. 152)
nicht auf, mit dem die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens erreichen will
zum Beweis der Tatsache, „dass das mit 1,6 angenommene Gruppenrisiko aufgrund der Wahl
eines mit 40 x 40 km zu großen Betrachtungsraums im Planfall zu gering errechnet wurde und
tatsächlich 2,5 beträgt.“ Auch insoweit wiederholt die Beschwerde im Wesentlichen lediglich
ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, dass die Größe 40 x 40 km „willkürlich zu
groß festgesetzt“ erscheine, und bemängelt unter Bezugnahme auf die Ausarbeitung des
Sachbeistands der Klägerin eine „nicht überzeugend begründete Sichtweise“. Auch damit
verfehlt sie die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
30 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertentscheidung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Petz