Urteil des BVerwG vom 12.06.2012

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BVerwG 1 WNB 2.12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WNB 2.12
Truppendienstgericht Süd 6. Kammer - 24.08.2011 - AZ: TDG S 6 BLa 01/10
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 12. Juni 2012 beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der
Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 24.
August 2011 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die statthafte, fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde hat keinen
Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) sind nicht
ordnungsgemäß dargelegt bzw. liegen nicht vor.
2 Gemäß § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO muss in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde
die grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache dargelegt oder die Entscheidung, von
welcher der Beschluss abweicht, oder der Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung
beruhen kann, bezeichnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des
Bundesverwaltungsgerichts unterliegt die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach
§ 22b Abs. 2 Satz 2 WBO denselben Anforderungen, wie sie von den Revisionssenaten des
Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung an die Begründung einer
Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gestellt werden (Beschlüsse vom
1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 = NZWehrr 2009, 258,
vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 WNB 7.10 - Buchholz 450.1 § 22b WBO Nr. 2 = NZWehrr 2010,
252 und vom 21. Januar 2011 - BVerwG 1 WNB 1.11 -).
3 1. Die Beschwerde beanstandet in Nr. 1 und 2 der Beschwerdebegründung, dass in Abschnitt
I. der angefochtenen Entscheidung Teile des früheren Verfahrensablaufs und das
diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers unrichtig wiedergegeben seien; das Gericht sei
daher bei seiner Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Diese Rüge
angeblich unrichtiger tatsächlicher Feststellungen des Truppendienstgerichts zum Vorbringen
des Antragstellers und zu dessen gerichtlicher Würdigung richtet sich gegen die Rechtsfindung
des Gerichts, nicht aber gegen das prozessuale Verfahren. Etwaige Unrichtigkeiten oder Lücken
bei der Wiedergabe des tatsächlichen Vorbringens des Antragstellers können grundsätzlich
nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht werden,
sondern nur durch einen fristgebundenen Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung der
Entscheidung nach Maßgabe des § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. §§ 119, 120 VwGO (ebenso zum
Revisionszulassungsrecht: Beschlüsse vom 14. April 1999 - BVerwG 2 BN 1.98 - juris Rn. 5,
vom 29. Oktober 2009 - BVerwG 9 B 41.09 - juris Rn. 4 und vom 9. Dezember 2010 - BVerwG 4
B 49.10 - juris Rn. 6 jeweils m.w.N.).
4 2. Mit der Behauptung unzureichender Sachverhaltsfeststellung beanstandet die Beschwerde
außerdem einen Verstoß des Truppendienstgerichts gegen den Grundsatz der Gewährung
rechtlichen Gehörs. Damit macht die Beschwerde einen Verfahrensmangel im Sinne des § 22a
Abs. 2 Nr. 3 WBO geltend. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der Gewährung
rechtlichen Gehörs gilt auch im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren (Beschlüsse vom
26. Oktober 2010 - BVerwG 1 WNB 4.10 - und vom 11. Mai 2011 - BVerwG 1 WNB 3.11 -).
Gegen diesen Grundsatz hat das Truppendienstgericht in dem angegriffenen Beschluss
indessen nicht verstoßen.
5 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der
Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. - auch zum
Folgenden - BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 96
= juris Rn. 12 und vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 - juris Rn. 10 jeweils mit zahlreichen
weiteren Nachweisen; BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 2011 - BVerwG 1 WNB 3.11 -). Dabei ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht Rechnung trägt. Das Gericht ist
nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen;
insbesondere begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den
Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts
teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst
dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht
tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen
oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen
etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines
Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht,
sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist.
6 Diese Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind hier nicht
erfüllt.
7 Das Vorbringen in Nr. 1 und 2 der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde betrifft
ausschließlich Vorgänge zum Vorschlag des Antragstellers im Rahmen des kontinuierlichen
Verbesserungsprogramms (KVP) aus den Jahren 2000 bis einschließlich 2007. Diese Vorgänge
waren für die angefochtene Entscheidung des Truppendienstgerichts jedoch nicht erheblich. Sie
waren vielmehr Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids des Kommandeurs des
Waffensystemkommandos der Luftwaffe vom 9. Dezember 2008, mit dem der Kommandeur die
zuvor ergangenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und den Leiter der ...gruppe ...
angewiesen hatte, über den KVP-Vorschlag des Antragstellers neu zu entscheiden.
8 Gegenstand der angefochtenen Entscheidung und für die Entscheidungsgründe des
Truppendienstgerichts erheblich war hingegen ausschließlich der Beschwerdebescheid des
Kommandeurs des ...regiments ... vom 26. Januar 2010, mit dem das neu eingeleitete Verfahren
der Prüfung des KVP-Vorschlags vorgerichtlich abgeschlossen worden ist. Im Hinblick auf
dieses Verfahren hat sich das Truppendienstgericht entscheidungstragend auf die Erwägung
gestützt, dass der Rechtsweg gegen KVP-Entscheidungen - außer bei Rechtsverstößen gegen
das Willkürverbot - ausgeschlossen und eine Wehrbeschwerde nicht zulässig sei. Einen Verstoß
gegen das Willkürverbot hat es nicht als gegeben erachtet.
9 Gegen diese tragende rechtliche Erwägung des Truppendienstgerichts legt die Beschwerde in
Nr. 3 bis 5 der Begründung keine Zulassungsgründe dar. Vielmehr wendet sie sich nach Art
einer Berufungsbegründung gegen die Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts. Damit wird
ein gesetzlicher Zulassungsgrund nicht dargelegt. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im
Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 WBO
(Beschlüsse vom 4. Dezember 2009 - BVerwG 1 WNB 4.09 -, vom 21. Januar 2011 - BVerwG 1
WNB 1.11 - und vom 11. Mai 2011 - BVerwG 1 WNB 3.11 -).
10 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Frentz
Dr. Langer
Dr. Burmeister