Urteil des BVerwG vom 16.05.2013

BVerwG: gutachter, gebot der sachgerechtigkeit, pauschalierung, angemessener zeitraum, anteil, aufteilung, rüge, bestätigung, gestaltungsspielraum, aufklärungspflicht

BVerwG 9 B 6.13
Rechtsquellen:
ABMG (a.F.) § 3 Abs. 2 Satz 1
MautHV (a.F.) § 1
Stichworte:
LKW-Maut; Mautsatz; Differenzierung; Sachgerechtigkeit; Achszahl; Wegekosten; Ermittlung;
Achsklasse; Gestaltungsspielraum; Typisierung; Pauschalierung; Verwaltungspraktikabilität.
Leitsatz:
Bei der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG a.F. (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG n.F.) gebotenen
„sachgerechten“ Differenzierung der Mautsätze nach der Achszahl der mautpflichtigen
Fahrzeuge steht dem Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum zu, soweit es nicht nur um
die rechnerische Ermittlung und Verteilung der von der Achszahl abhängigen Wegekosten,
sondern um die Aufteilung der Fahrzeuge in Achsklassen geht. Insoweit kann die
Zusammenfassung mautpflichtiger Fahrzeuge verschiedener Achszahl in einer Achsklasse mit
gleichem Mautsatz trotz unterschiedlicher Kostenverantwortlichkeit unter den Gesichtspunkten
der Typisierung, Pauschalierung und Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein (im Anschluss
an Urteil vom 4. August 2010 - BVerwG 9 C 6.09 - BVerwGE 137, 325 Rn. 25, 29 und 40).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 6.13
VG Köln - 04.05.2007 - AZ: VG 25 K 6356/05
OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 25.10.2012 - AZ: OVG 9 A 2054/07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
beschlossen:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25.
Oktober 2012, berichtigt durch Beschluss vom 9. Januar 2013, wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 22,41 €
festgesetzt.
Gründe
1 Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zwar rechtfertigt das Beschwerdevorbringen nicht die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (1.) oder wegen
Divergenz (2.). Die Beschwerde macht jedoch erfolgreich einen Verfahrensmangel geltend (3.).
Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache
an das Oberverwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
2 1. Die Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greifen nicht durch.
3 a) Die Frage,
„Folgt aus dem Erfordernis der sachgerechten Berücksichtigung der Anzahl der Achsen in § 3
Abs. 2 ABMG, dass der Verordnungsgeber keinen Spielraum für die Gestaltung der
Gebührentatbestände mehr hat?“,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn die einschlägigen Maßstäbe sind bereits dem
Urteil vom 4. August 2010 zu entnehmen - BVerwG 9 C 6.09 - (BVerwGE 137, 325 = Buchholz
401.84 Benutzungsgebühren Nr. 109; jeweils Rn. 29), mit dem die Rechtssache an das
Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wurde.
4 aa) Soweit es um die rechnerische Ermittlung und Verteilung der Wegekosten auf die beiden
nach der einschlägigen Mauthöheverordnung - MautHV - vom 24. Juni 2003 (BGBl I 2003 S.
1001; nunmehr Anlage zu § 14 BFStrMG) maßgeblichen Achsklassen geht, sind die Mautsätze
in dem Umfang zwischen den Achsklassen zu differenzieren, in dem eine eindeutige und
quantifizierbare Korrelation zwischen bestimmten Kosten nach § 3 Abs. 2 Satz 2 ABMG a.F. (§ 3
Abs. 2 Satz 2 BFStrMG n.F.) von einigem Gewicht und der unterschiedlichen Anzahl von Achsen
mautpflichtiger Fahrzeuge hergestellt werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner
bereits klargestellt, dass das Gesetz dem Verordnungsgeber insoweit keinen
Gestaltungsspielraum lässt. Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht
ausgegangen. Es ist nicht erkennbar, dass die vorliegende Rechtssache Gelegenheit zur
Fortentwicklung dieser Rechtsprechung geben könnte. Das gilt auch, soweit die Grundsatzrüge
Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage sehen sollte, ob eine „monokausale“ Korrelation zwischen
bestimmten Kosten und der Achszahl vorliegen muss. Das Oberverwaltungsgericht weist zu
Recht darauf hin, dass ein solches Erfordernis auf der Grundlage des Urteils vom 4. August 2010
zu verneinen ist. So fehlt es an einer eindeutigen und quantifizierbaren Korrelation zwischen den
für Gewichtsklassen der Fahrzeuge ermittelten Kapazitätskosten und der Achszahl nicht bereits
deshalb, weil diese Kosten nur indirekt über eine Äquivalenzziffer auf die Achszahl bezogen
werden können (vgl. Urteil vom 4. August 2010 - BVerwG 9 C 6.09 - Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 109 Rn. 34 ) oder
weil die Achszahl ausweislich des Wegekostengutachtens mit Blick auf Fahrzeuglänge,
Beschleunigung und Sicherheitsabstand ein lediglich „brauchbares Orientierungsmaß“ für den
dynamischen Flächenverbrauch und damit die Kapazitätskosten darstellt (Urteil vom 4. August
2010 a.a.O. Rn. 32). Auch die vom Gewicht der Fahrzeuge abhängigen Kosten, die zunächst
nach Achskategorien und Gewichtsklassen ermittelt wurden, konnten nur aufgrund von
Wertungen (Gewichtung nach der AASHO-Funktion) der Anzahl der Achsen zugeordnet werden
(Urteil vom 4. August 2010 a.a.O. Rn. 27).
5 bb) Dagegen steht dem Verordnungsgeber bei der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG a.F. (§ 3 Abs.
2 Satz 1 BFStrMG n.F.) gebotenen „sachgerechten“ Differenzierung der Mautsätze nach der
Achszahl der mautpflichtigen Fahrzeuge ein Gestaltungsspielraum zu, soweit es nicht nur um die
rechnerische Ermittlung und Verteilung der von der Achszahl abhängigen Wegekosten, sondern
um die Aufteilung der Fahrzeuge in Achsklassen geht. So ist schon auf der Grundlage des
Urteils vom 4. August 2010 (a.a.O. siehe insbesondere Rn. 25) ersichtlich und bedarf nicht der
Klärung in einem weiteren Revisionsverfahren, dass der Verordnungsgeber bei der
Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage (Einteilung der Achsklassen) freier ist als bei der
Ermittlung des Gebührensatzes nach Maßgabe der Kostenverursachung (Verteilung der
Wegekosten auf bereits vorgegebene Achsklassen). Nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung können Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und
Pauschalierungen insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen durch
Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die
durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit - hier die Zusammenfassung von
Fahrzeugen in einer Achsklasse mit einheitlichem Mautsatz trotz unterschiedlicher
Kostenverantwortlichkeit - noch in einem angemessenen Verhältnis zu den
erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der „Ausnahmen“ gering ist
(Beschlüsse vom 28. März 1995 - BVerwG 8 N 3.93 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr.
75 S. 36 m.w.N. und vom 30. April 2009 - BVerwG 9 B 60.08 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 57
Rn. 5; zur Typisierungsbefugnis vgl. auch BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 - 1 BvL 11/94 u.a. -
BVerfGE 100, 138 <174> und Beschluss vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310
<319>). Die Berücksichtigung dieser Aspekte bei der Einteilung der Achsklassen entspricht dem
Gebot der „Sachgerechtigkeit“ nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG a.F. (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG
n.F.), zumal es bei der Ausgestaltung der Mauterhebung ebenfalls um die Regelung von
Massenvorgängen geht. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass dem Normgeber bei der
Bewältigung komplexer Sachverhalte, die mit der Einführung eines neuen Massenverfahrens
(wie hier zur Erhebung streckenbezogener Mautgebühren für schwere Nutzfahrzeuge) bei noch
ungenügender Datenbasis verbunden ist, ein angemessener Zeitraum zur Sammlung von
Erfahrungen eingeräumt werden muss, innerhalb dessen er sich mit gröberen Typisierungen und
Generalisierungen begnügen darf (BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 909/82 u.a. -
BVerfGE 75, 108 <162>; Kammerbeschluss vom 17. November 2004 - 2 BvL 10/02 - NVwZ
2005, 440).
6 Übereinstimmend hat das Oberverwaltungsgericht eine Befugnis des Verordnungsgebers zur
Typisierung und Pauschalierung bei der Gestaltung der Achsklassen unterstellt und
angenommen, dass er hierbei Gründe der Verwaltungspraktikabilität berücksichtigen darf.
Insoweit verfehlt die von der Beschwerde aufgeworfene Frage bereits die maßgebliche
Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts.
7 b) Nicht zur Zulassung der Revision führt auch die Frage:
„Kann der Vortrag eines als Parteigutachter in das Verfahren eingeführten Sachverständigen, der
durch das Gericht als Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger vernommen wird,
dem Beteiligten als eigener Vortrag zugerechnet werden oder handelt es sich gegebenenfalls
um eine neue Tatsachenfeststellung, zu der auch dem Beteiligten, der den Sachverständigen als
Parteigutachter eingeführt hat, die Möglichkeit der weiteren Äußerung gegeben werden muss?“
8 Es fehlt bereits an einer hinreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Die
Beschwerde zeigt nicht auf, dass die angefochtene Entscheidung auf als Vorbringen der
Beklagten gewertete Aussagen der vom Gericht in der mündlichen Verhandlung als Zeugen,
sachverständige Zeugen und Sachverständige vernommenen - von der Beklagten beauftragten -
Gutachter Prof. Dr. T. und Dr. S. gestützt ist. Das ist im Übrigen auch nicht erkennbar. Soweit das
Oberverwaltungsgericht von einem neuen Vorbringen der Beklagten nach Zurückverweisung der
Rechtssache durch das Bundesverwaltungsgericht zur Frage der Berücksichtigung der
Kapazitätskosten bei der Achszahldifferenzierung, der Verteilung der Gewichtsklassen innerhalb
der Achsklasse 1 und einer überproportionalen Belastung der Achsklasse 1 mit
gewichtsabhängigen Kosten ausgegangen ist, hat es sich nicht auf die Aussagen von Prof. Dr. T.
und Dr. S. in der mündlichen Verhandlung, sondern auf die von diesen Gutachtern verfassten
schriftlichen Stellungnahmen vom 17. Juni 2011 und vom 23. Januar 2012 gestützt, die beide
von der Beklagten vorgelegt worden waren. Soweit das angefochtene Urteil hierzu ergänzend
auf Ausführungen der Gutachter in der mündlichen Verhandlung verweist, wird ausdrücklich
festgestellt, dass die Beklagte sich diese Angaben zu eigen gemacht habe; diese Feststellung
greift die Beschwerde als solche nicht an. Davon abgesehen ist die Grundsatzrüge auch deshalb
nicht tragfähig, weil die Beschwerde zum einen die Richtigkeit der Angaben der Gutachter zu
den oben genannten Punkten nicht in Abrede stellt, und weil das Oberverwaltungsgericht zum
anderen die Befugnis zur erneuten Überprüfung der achszahlbezogenen Verteilung der Kosten
nach Zurückverweisung der Rechtssache nicht nur aus einem neuen Tatsachenvorbringen der
Beklagten, sondern auch aus fehlenden rechtlichen Vorgaben in der Revisionsentscheidung
hergeleitet hat.
9 Soweit das Oberverwaltungsgericht außerdem darauf abstellt, dass die Mauthöheverordnung
„unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags der Beklagten“ unwirksam ist, bezieht sich dies
offenkundig nicht maßgeblich auf Vorbringen der Gutachter Prof. Dr. T. und Dr. S. in der
mündlichen Verhandlung, sondern auf Berechnungen in Excel-Dateien, die vom
Oberverwaltungsgericht im Wege des Augenscheins ausgewertet wurden. Auf die Angabe der
beiden Gutachter in der mündlichen Verhandlung, aus der Tabelle könne abgelesen werden,
dass zweiachsige Fahrzeuge bei einer eigenen Achsklasse mit einem niedrigeren Mautsatz zu
belegen wären, stellt das Oberverwaltungsgericht nur zur Bestätigung der eigenen Auswertung
der Excel-Tabellen ab. Im Übrigen ist die Grundsatzrüge auch insoweit nicht
entscheidungserheblich, weil die Richtigkeit der insoweit von den genannten Gutachtern in der
mündlichen Verhandlung gemachten Angaben nicht bestritten wird.
10 Soweit das Oberverwaltungsgericht die Annahme, es seien keine Rechtfertigungsgründe für
die Achsklasseneinteilung erkennbar, auch auf die Ausführungen von Prof. Dr. T. und Dr. S.
gestützt haben sollte, hat es diese nicht als eigenes Vorbringen der Beklagten gewertet. Denn im
angegriffenen Urteil wird klargestellt, dass das Gericht seine Überzeugung, ausschlaggebend für
die Einteilung in die beiden Achsklassen sei letztlich (nur) eine entsprechende Vorgabe des
Bundesverkehrsministeriums gewesen, aufgrund der Befragung der beiden Sachverständigen
(sowie der Zeugin Dr. I.) in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat. Ob der Beklagten unter
Beachtung der Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs noch die Möglichkeit zu einer
diesbezüglichen weiteren Äußerung hätte eingeräumt werden müssen, ist eine Frage des
Einzelfalls, die nach Maßgabe der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu
beantworten ist, aber keinen darüber hinausgehenden allgemeinen Klärungsbedarf erkennen
lässt.
11 c) Ebenfalls nicht durchzudringen vermag die Beschwerde mit der Frage:
„Ist die Behörde, die eine Gebührenzahlung des Gebührenschuldners entgegengenommen hat,
im Erstattungsprozess darlegungspflichtig dafür, dass der Verordnungsgeber sich bei der
Regelung des maßgeblichen Gebührentatbestandes im Rahmen des ihm zustehenden
Ermessens gehalten hat?“
12 Es ist bereits zweifelhaft, ob die Frage in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren
geklärt werden kann. Sie ist jedenfalls weder entscheidungserheblich noch klärungsbedürftig.
13 Soweit es um die maßgebliche Aussage des Oberverwaltungsgerichts geht, die in der
Achsklasse 1 zusammengefassten zwei- und dreiachsigen Fahrzeuge stellten mit Blick auf ihre
Kostenanteile keine homogene Gruppe dar, spielt die Darlegungslast der Beklagten keine Rolle.
Das Oberverwaltungsgericht stützt diese Aussage nämlich, wie bereits ausgeführt, auf eine
eigene Auswertung der von Dr. S. vorgelegten Excel-Dateien zur Kostenverteilung. Das gilt auch
für die weitere Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die jeweiligen Anteile der zwei- und
dreiachsigen LKW an der Gesamtfahrleistung dieser in der Achsklasse 1 zusammengefassten
Fahrzeuge seien so groß, dass allein die Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung von
Gebührentatbeständen einen einheitlichen Mautsatz trotz unterschiedlicher Kostenverursachung
nicht rechtfertigen könne. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Annahme nicht außerdem mit
einer unzureichenden Darlegung seitens der Beklagten begründet.
14 Zwar geht das Oberverwaltungsgericht bei der Frage, ob Gründe der
Verwaltungspraktikabilität die Zusammenfassung der zwei- und dreiachsigen Fahrzeuge in einer
Achsklasse mit demselben Mautsatz rechtfertigen, von einer unzureichenden Darlegung durch
die Beklagte aus. Es ist jedoch weder hinreichend dargetan noch sonst ersichtlich, dass sich in
diesem Zusammenhang in einem Revisionsverfahren zu klärende Fragen zur Darlegungslast
(treffender: Mitwirkungslast) stellen könnten. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
muss ein Beteiligter die in seinen Erkenntnisbereich bzw. in seine Sphäre fallenden Tatsachen
substantiieren, um Anlass zu weiterer gerichtlicher Sachverhaltsermittlung zu geben (vgl. Urteil
vom 7. November 1986 - BVerwG 8 C 27.85 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 181 S. 50 m.w.N.).
Es liegt auf der Hand, dass es danach Sache der Behörde ist aufzuzeigen, welche
verwaltungspraktischen Gründe für die Pauschalierung eines Gebührentatbestandes
maßgeblich sind. Einen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde auch nicht mit ihrem Hinweis auf
den allgemeinen Rechtsgrundsatz auf, wonach jeder Beteiligte die Beweislast für das Vorliegen
der Tatsachen trägt, aus denen er eine für ihn günstige Rechtsfolge herleitet, hier also der Kläger
für das Vorliegen der Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruchs.
Dieser Rechtsgrundsatz greift erst im Falle der Nichterweislichkeit von Tatsachen trotz
Ausschöpfung aller geeigneten und zumutbaren Aufklärungsmöglichkeiten (vgl. Urteil vom 13.
April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51). Die von der
Beschwerde aufgeworfene Frage betrifft jedoch die Reichweite der gerichtlichen
Aufklärungspflicht mit Blick auf Umstände, die zur Sphäre eines Beteiligten gehören.
15 2. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht hinreichend bezeichnet (§
133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
16 a) Die Beschwerde meint zum einen, das Oberverwaltungsgericht habe abweichend vom
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2007 - BVerwG 4 B 2.07 -
(Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 74) den Rechtssatz aufgestellt, dass § 144 Abs. 6 VwGO keine
Bindung an die rechtliche Beurteilung des Zurückverweisungsurteils normiere. Das trifft nicht zu.
Das Oberverwaltungsgericht hat eine solche Bindungswirkung ausdrücklich angenommen, wie
die Beschwerde selbst einräumt. Es trifft auch nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht nur
scheinbar von einer Bindung ausgegangen ist, sich bei seinen weiteren Ausführungen jedoch
tatsächlich von der gegenteiligen Auffassung hat leiten lassen und damit konkludent einen
abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Mit der Erwägung, die Aussagen des
Bundesverwaltungsgerichts zur Sachgerechtigkeit der Achsklasseneinteilung ließen Raum für
eine erneute Überprüfung nach Zurückverweisung der Rechtssache, hat das
Oberverwaltungsgericht gerade zu erkennen gegeben, dass es von einer Bindung an die
Rechtsaussagen des Revisionsurteils ausgeht, soweit diese reichen. Im Weiteren rügt die
Beschwerde der Sache nach eine fehlerhafte Anwendung des § 144 Abs. 6 VwGO. Eine
Divergenz kann damit nicht aufgezeigt werden.
17 Soweit das Oberverwaltungsgericht eine umfassende Prüfungsbefugnis auch damit
begründet hat, dass die Beklagte nach der Zurückverweisung mit neuen, für die
Sachgerechtigkeit der achszahlbezogenen Anlastung der Wegekosten relevanten Tatsachen
hervorgetreten sei, ist eine Divergenz ebenfalls nicht erkennbar. Abgesehen von der fehlenden
Entscheidungserheblichkeit dieser Alternativbegründung ist weder dargetan noch ersichtlich,
dass die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung einem in dem von der Beschwerde
genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz widerspricht. Ob
die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, nach der Zurückverweisung sei von einem
geänderten Sachvortrag der Beklagten auszugehen, auf Verfahrensfehlern beruht, wie die
Beschwerde meint, spielt im Zusammenhang mit der Divergenzrüge keine Rolle.
18 b) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht weiche von einem Rechtssatz des
Bundesverfassungsgerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts ab, wonach es nicht der
gerichtlichen Kontrolle unterliegt, „ob der Verordnungsgeber bei der Festsetzung der Mautsätze
die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat, da dem
Verordnungsgeber insoweit ein Gestaltungsermessen zusteht“, geht fehl. Weder dem von der
Beschwerde in Bezug genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juni
1977 - 2 BvR 499/74 und 1042/75 - (BVerfGE 45, 142 <162 f.>) noch dem weiter genannten
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 1988 - BVerwG 7 C 115.86 - (BVerwGE
80, 355 <370 f.>) kann ein solcher auf die Festsetzung der Mautsätze bezogener Rechtssatz
entnommen werden. Auch soweit sich die Divergenzrüge der Sache nach auf den in diesen
Entscheidungen enthaltenen Rechtssatz beziehen sollte, dass das mit Rechtsetzungsakten der
Exekutive typischerweise verbundene normative Ermessen erst dann rechtswidrig ausgeübt
wird, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung und der
hiernach zu berücksichtigenden Interessen schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig
ist, bleibt sie ohne Erfolg. Das folgt schon daraus, dass das Bundesverfassungsgericht und das
Bundesverwaltungsgericht hierbei nicht dieselbe Rechtsvorschrift zur Anwendung gebracht
haben wie das Oberverwaltungsgericht, nämlich § 3 Abs. 2 Satz 1 ABMG a.F. (vgl. Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 S. 14).
Davon abgesehen übersieht die Beschwerde, dass das Oberverwaltungsgericht, soweit es nicht
um die Verteilung der Wegekosten auf vorgegebene Achsklassen geht, sondern um deren
Einteilung, eine Befugnis des Verordnungsgebers zur Typisierung und Pauschalierung sowie
zur Berücksichtigung verwaltungspraktischer Bedürfnisse unterstellt. Die Beschwerde zeigt nicht
auf, dass diese Rechtsauffassung in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung steht,
was im Übrigen auch nicht ersichtlich ist.
19 3. Die Beschwerde hat aber Erfolg, weil (jedenfalls) ein von ihr geltend gemachter
Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruhen
kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
20 a) Allerdings sind nicht alle Verfahrensrügen tragfähig.
21 aa) Das gilt einmal, soweit die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und der
Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1, 2 VwGO) in der Ablehnung des Antrags der Beklagten auf
Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung sieht,
„dass es bezogen auf die kapazitätsabhängigen Kosten sachgerecht und nicht eine inhomogene
Gruppenbildung ist, wenn zweiachsige Fahrzeuge mit einer Äquivalenzziffer von 2,5 mit den
dreiachsigen Fahrzeugen mit einer Äquivalenzziffer von 3,63 in der Achsklasse 1
zusammengefasst wurden, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Unterschied der
Äquivalenzziffer durch gegenläufige gewichtsabhängige Kosten gegebenenfalls beeinflusst
wird.“
22 (1) Das Oberverwaltungsgericht hat aufgrund einer auf die eigene Sachkunde gestützten
Auswertung der von Dr. S. vorgelegten Excel-Dateien als geklärt angesehen, dass die
behauptete Homogenität nicht vorliegt, weil die zweiachsigen LKW in einem „wesentlich“
geringeren Umfang für die umzulegenden Kapazitätskosten verantwortlich seien als die
dreiachsigen LKW, ohne dass dies durch einen überdurchschnittlichen Anteil der zweiachsigen
Fahrzeuge an den gewichtsabhängigen Kosten ausgeglichen werde. Den Excel-Dateien könne
entnommen werden, dass die dreiachsigen LKW einen um 7,1 % höheren Anteil an den
Kapazitätskosten hätten als die zweiachsigen LKW (nach Äquivalenzziffern gewichteter
Fahrleistungsanteil der Dreiachser innerhalb der Achsklasse 1 von 36,4 % gegenüber einem
tatsächlichen Fahrleistungsanteil von 29,3 %). Zwar hätten die zweiachsigen LKW
demgegenüber einen überdurchschnittlichen Anteil an den gewichtsabhängigen Kosten. Mit
einem gewichteten Fahrleistungsanteil von 28,2 % würden den dreiachsigen LKW jedoch nur
1,1 Prozentpunkte weniger Kosten angelastet, als es ihren tatsächlichen Fahrleistungen (29,3 %)
entspreche. Zudem machten die gewichtsabhängigen Kosten nur 17,4 % der unter den
mautpflichtigen Fahrzeugen zu verteilenden Kosten aus, während der Anteil der
Kapazitätskosten 43,7 % betrage.
23 Die Beschwerde zeigt nicht auf, weshalb das Oberverwaltungsgericht den Sachverhalt
bezogen auf die den Zwei- und Dreiachsern anzulastenden Kosten weiter hätte aufklären
müssen. Die insoweit erhobene Rüge fehlender Sachkunde des Gerichts kann schon deshalb
nicht durchdringen, weil die Richtigkeit der gerichtlichen Feststellungen nicht in Abrede gestellt
wird. Zwar können aus den vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Zahlen zur
unterschiedlichen Anlastung der Kapazitätskosten und der gewichtsabhängigen Kosten nicht
unmittelbar die Mautsätze abgeleitet werden, die bei einer Aufteilung der Achsklasse 1 für zwei-
und dreiachsige LKW anzusetzen wären. Die Klärung dieser Frage war indes nicht Gegenstand
des Beweisantrags der Beklagten. Dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Klärung dieser
Frage hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar. Im Übrigen kann den von der
Beschwerde vorgelegten Erläuterungen von Dr. S. und Prof. Dr. T. vom 21. Dezember 2012 (S.
5) entnommen werden, dass die vom Oberverwaltungsgericht festgestellte Inhomogenität der
Gruppe der zwei- und dreiachsigen LKW bei der Verursachung von Wegekosten sich auch in
unterschiedlichen Mautsätzen widerspiegeln würde. Danach betrüge der Unterschied des
mittleren Mautsatzes zwischen zwei- und dreiachsigen Fahrzeugen bei der Variante, die nach
Angaben der Beschwerde der vom Kläger angebrachten Kritik an der Auswahl der
Referenzfahrzeuge Rechnung trägt, 12,7 %.
24 Aus diesen Ausführungen folgt zugleich, dass das Oberverwaltungsgericht entgegen der
Auffassung der Beschwerde nicht deshalb fehlerhaft von einer weiteren Klärung der Frage der
Homogenität der in der Achsklasse 1 zusammengefassten Fahrzeuge unter dem Aspekt der
Verursachung achszahlbezogener Kosten abgesehen hat, weil es die Darlegungs- bzw.
Mitwirkungslast der Beklagten verkannt hat.
25 (2) Die Beschwerde vermisst ferner eine Klärung der Frage, ob die Zusammenfassung der
Zwei- und Dreiachser in einer Achsklasse mit demselben Mautsatz bei dem vom
Oberverwaltungsgericht festgestellten Unterschied der achszahlbezogenen Kostenverursachung
gleichwohl unter den Gesichtspunkten der Typisierung und Pauschalierung (etwa geringer Anteil
der dreiachsigen LKW an der Fahrleistung aller mautpflichtigen Fahrzeuge) und der
Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt ist. Diese Frage war jedoch ebenfalls nicht Gegenstand
des Beweisantrags der Beklagten. Zu der der Sache nach erhobenen Rüge, dass sich eine
Klärung dieser Frage jedenfalls hätte aufdrängen müssen, wird auf die Ausführungen unter 3. b)
verwiesen.
26 bb) Die Beschwerde legt nicht nachvollziehbar dar, weshalb es gegen § 86 Abs. 1 VwGO
verstoßen sollte, dass das Oberverwaltungsgericht die von Dr. S. vorgelegten Excel-Dateien als
Vortrag der Beklagten gewertet hat. So bestreitet die Beschwerde nicht die Richtigkeit der vom
Gericht unter Auswertung der Excel-Dateien getroffenen Feststellungen zu den Anteilen der
zwei- und dreiachsigen LKW an den Kapazitätskosten und den gewichtsabhängigen Kosten.
Das gilt auch für die vom Oberverwaltungsgericht zur Bestätigung seiner Auswertung der Excel-
Tabellen herangezogene Aussage von Prof. Dr. T. und Dr. S., diesen Tabellen könne
entnommen werden, dass bei einer eigenen Achsklasse der zweiachsigen Fahrzeuge deren
Mautsatz insbesondere wegen der niedrigeren Äquivalenzziffern geringer wäre als nach der
Mauthöheverordnung. Die von der Beklagten nunmehr vorgelegten Erläuterungen vom 21.
Dezember 2012 bestätigen im Gegenteil die Richtigkeit dieser Aussage.
27 cc) Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, es verstoße gegen § 86 Abs. 1 VwGO sowie
das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs, dass das Oberverwaltungsgericht die Excel-
Tabellen in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen habe, ohne zuvor einen
entsprechenden Beweisbeschluss zu fassen. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist gemäß § 98
VwGO i.V.m. § 358 ZPO nur erforderlich, wenn die Beweisaufnahme - wie etwa im Falle des §
96 Abs. 2 VwGO - ein besonderes Verfahren erfordert, und außerdem bei der Parteivernehmung
(§ 98 VwGO i.V.m. § 450 ZPO). Im Übrigen genügt es, wenn nach dem erkennbaren Willen des
Gerichts in der mündlichen Verhandlung eine Beweisaufnahme erfolgt (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 18. Auflage, § 98 Rn. 6 m.w.N.). Die Beschwerde macht nicht geltend, nach den
Umständen der mündlichen Verhandlung sei nicht erkennbar gewesen, ob das
Oberverwaltungsgericht die Excel-Tabellen nur zur Unterstützung des Gedächtnisses des
Zeugen Dr. S. herangezogen oder diese Unterlagen in Augenschein genommen habe. Für eine
solche Unklarheit gibt im Übrigen auch das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 25.
Oktober 2012 nichts her. Danach wurden die Excel-Dateien offenkundig nicht nur „hilfsweise“ zur
Bestätigung der Aussagen von Dr. S. und Prof. Dr. T. herangezogen; vielmehr haben die
Gutachter umgekehrt den Inhalt dieser Unterlagen erläutert, die das Oberverwaltungsgericht im
Übrigen ausdrücklich als Beiakte zu den Gerichtsakten genommen hat. Auch der Kläger hat in
der mündlichen Verhandlung im Einzelnen zum Inhalt der Excel-Datei Stellung genommen.
Davon abgesehen ist auch in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Beschwerde die
Richtigkeit der Aussagen, die das Oberverwaltungsgericht den Excel-Dateien entnommen hat,
nicht bestreitet. Somit ist nicht erkennbar, dass der geltend gemachte Verfahrensfehler
entscheidungserheblich wäre.
28 dd) Die Beschwerde meint ferner, das Oberverwaltungsgericht habe dadurch gegen § 86 Abs.
1 VwGO verstoßen, dass es die beiden Parteigutachter der Beklagten in unterschiedlichen
Funktionen als Zeugen, sachverständige Zeugen und Sachverständige vernommen habe, ohne
dies durch formale Akte (Beweisbeschlüsse) kenntlich zu machen; deren Aussagen seien daher
nicht verwertbar. Auch diese Rüge muss ohne Erfolg bleiben. Es ist weder nachvollziehbar
dargelegt noch sonst erkennbar, dass die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten
Verfahrensfehler beruht. Die in der Beschwerde bezeichnete Würdigung der Angaben der
Gutachter im Urteil des Oberverwaltungsgerichts betreffen die Aufteilung der Wegekosten nach
der bestehenden Achsklasseneinteilung. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht aus den
Angaben der Gutachter den für die Beklagte günstigen Schluss gezogen, dass bei der
achszahlbezogenen Differenzierung der Mautsätze die hierfür relevanten Kosten - insbesondere
auch die Kapazitätskosten - berücksichtigt wurden. Soweit die Beschwerde darauf abstellen
sollte, dass die Kapazitätskosten bei der achszahlbezogenen Verteilung der Wegekosten nicht
hätten berücksichtigt werden dürfen, weil es an einer „signifikanten monokausalen Korrelation“
zwischen diesen Kosten und der Achszahl fehle, greift sie der Sache nach die Rechtsauffassung
des Oberverwaltungsgerichts an, dass ein „faktischer sachlogischer Zusammenhang“ genüge.
Die Annahme fehlender Homogenität zwischen den in der Achsklasse 1 verbundenen Zwei- und
Dreiachsern hat das Oberverwaltungsgericht im Übrigen - wie bereits ausgeführt - maßgeblich
aus den in Augenschein genommenen Excel-Tabellen hergeleitet und die Angaben der
Gutachter Prof. Dr. T. und Dr. S. hierzu in der mündlichen Verhandlung lediglich als Bestätigung
dieser Interpretation gewertet. Davon abgesehen hat die Beschwerde die Richtigkeit dieser
Aussage mit den von ihr vorgelegten Erläuterungen vom 21. Dezember 2012 selbst eingeräumt,
wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde.
29 ee) Der Beschwerde kann überdies nicht darin gefolgt werden, dass das angefochtene Urteil
auf einer gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßenden aktenwidrigen Feststellung des
Sachverhalts beruht.
30 Die Rüge der Aktenwidrigkeit ist bereits nicht entscheidungserheblich. Sie betrifft die
Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die Beklagte ihr Vorbringen nach
Zurückverweisung der Sache in wesentlichen Teilen geändert habe, was eine umfassende
Prüfung sämtlicher Berechnungen des Wegekostengutachtens eröffne. Das
Oberverwaltungsgericht hat eine solche Prüfungsbefugnis jedoch außerdem damit begründet,
dass die rechtlichen Vorgaben des Revisionsurteils dem nicht entgegenstünden. Die
Feststellung einer Änderung des Sachvortrags der Beklagten ist auch sonst nicht relevant
geworden. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungstragend darauf
abgestellt, dass die Angaben der Gutachter der Beklagten deshalb nicht mehr glaubhaft sind.
31 Im Übrigen ist weder hinreichend dargetan noch sonst ersichtlich, dass zwischen den in der
angegriffenen Entscheidung getroffenen Feststellungen und dem insoweit unumstrittenen
Akteninhalt ein offensichtlicher Widerspruch besteht (vgl. Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG
4 B 61.08 - NVwZ 2009, 910 Rn. 3
Nr. 34>). Das Oberverwaltungsgericht hat die Feststellung, bis zum Zeitpunkt der
Revisionsentscheidung sei nach dem Vorbringen der Beklagten davon auszugehen gewesen,
dass die Kapazitätskosten bei der Achszahldifferenzierung nicht berücksichtigt worden seien, zu
Recht auf Angaben des Gutachters Prof. Dr. T. gestützt, die dieser ausweislich des
Zurückverweisungsurteils vom 4. August 2010 - BVerwG 9 C 6.09 - (Buchholz 401.84
Benutzungsgebühren Nr. 109 Rn. 34 ) in der
mündlichen Verhandlung vom selben Tage gemacht hat. Nach diesen Angaben sind die
Kapazitätskosten zwar entsprechend den jeder Gewichtsklasse der Fahrzeuge zugeordneten
Äquivalenzziffern zwischen der Gruppe der mautpflichtigen und der mautfreien Fahrzeuge
aufgeteilt worden. Eine Verteilung der Kapazitätskosten innerhalb der Gruppe der
mautpflichtigen Fahrzeuge nach der Anzahl der Achsen entsprechend diesen Daten sei jedoch
nicht erfolgt, weil diese Kosten hierfür kaum eine Rolle spielten. Soweit die Beschwerde auf
abweichende Aussagen im Wegekostengutachten und in der Stellungnahme von Dr. S. vom 6.
Juni 2009 verweist, greift sie der Sache nach die Sachverhaltswürdigung des
Oberverwaltungsgerichts an. Zudem benennt sie keine Textstelle, die eine Berücksichtigung der
Kapazitätskosten bei der achszahlbezogenen Differenzierung der Mautsätze belegen könnte.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat sich Dr. S. ausweislich der Niederschrift in der
mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 2012 auch in dem Sinne von seiner Stellungnahme
vom 6. Juni 2009 distanziert, dass er die dortige Angabe, wonach für die Differenzierung nach
Achsklassen nur 9 % der Gesamtkosten - und zwar die gewichtsabhängigen Kosten -
maßgeblich waren, als „missverständlich“ bezeichnet hat. Hinsichtlich der Darstellung des
Vorbringens der Beklagten zur Anlastung der gewichtsabhängigen Kosten im angegriffenen
Urteil benennt die Beschwerde wiederum keine dem widersprechende Textstellen aus den
vorliegenden Akten, sondern stellt lediglich der Sachverhaltswürdigung des
Oberverwaltungsgerichts ihre eigene Einschätzung entgegen.
32 b) Zu Recht rügt die Beschwerde jedoch eine unzureichende Klärung der Frage, ob es
hinreichend gewichtige Gründe insbesondere der Verwaltungspraktikabilität gibt, die die vom
Verordnungsgeber vorgenommene Einteilung der mautpflichtigen Fahrzeuge in nur zwei
Achsklassen von bis zu drei Achsen und ab vier Achsen als „sachgerecht“ im Sinne des § 3 Abs.
2 Satz 1 ABMG a.F. (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG n.F.) erscheinen lassen. Nach den von der
Beklagten vorgelegten Stellungnahmen ihrer Parteigutachter und deren Angaben in der
mündlichen Verhandlung hätte sich dem Oberverwaltungsgericht eine Klärung dieser Frage
aufdrängen müssen. Insoweit liegt daher ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nach § 86
Abs. 1 VwGO vor.
33 Die Gutachter Prof. Dr. T. und Dr. S. hatten in der mündlichen Verhandlung bekundet, dass
aus ihrer Sicht die vom Bundesverkehrsministerium vorgegebene Achsklasseneinteilung mit
Blick auf eine einfache Überprüfbarkeit und Zuordnung bei der Kontrolle der Mautentrichtung
anhand äußerlich erkennbarer Merkmale - wie bereits bisher bei der zeitbezogenen Eurovignette
- sinnvoll gewesen sei (Sitzungsniederschriften vom 17. Oktober 2012 S. 12 und vom 25.
Oktober 2012 S. 5). In ihrer Stellungnahme vom 17. Juni 2011 S. 3 ff. hatten sie u.a. ausgeführt,
dass die beiden Achsklassen in etwa die Fahrzeuggruppen der schweren LKW ohne Anhänger
(„Solo-LKW“) und die der Last- und Sattelzüge abbildeten. Lediglich hinsichtlich dieser beiden
Fahrzeuggruppen hätten auch Erkenntnisse zu den jeweiligen Fahrleistungen als Grundlage für
eine Verteilung der Kosten vorgelegen. Ferner hatten die Gutachter angedeutet, dass wegen der
„schmalen Datenbasis“ (keine direkt verwertbaren Daten zu achszahlbezogenen Fahrleistungen
und Wegekosten) der achszahlbezogenen Mautsatzdifferenzierung gegenüber der
Differenzierung der Mautsätze nach Emissionen nur untergeordnete Bedeutung zukommen
sollte (Stellungnahme vom 23. Januar 2012 S. 2). Schließlich wurde auf den geringen
Fahrleistungsanteil der Fahrzeuge der Achsklasse 1 verwiesen, der eine weitere Unterteilung
dieser Achsklasse als nicht naheliegend erscheinen lasse (Sitzungsniederschrift vom 17.
Oktober 2012 S. 4). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der der Stellungnahme vom
17. Juni 2011 beigefügten Tabelle (S. 9) entnommen werden konnte, dass der Anteil der LKW
der Achsklasse 1 an den Fahrleistungen aller mautpflichtigen LKW im Jahr 2003 nur bei 13,3 %
lag.
34 Diese Angaben werden entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht dadurch
entwertet, dass das Bundesverkehrsministerium entschieden hatte, die bereits bei der
zeitbezogenen Eurovignette praktizierte Achsklasseneinteilung beizubehalten. Das gilt auch für
den Hinweis des Oberverwaltungsgerichts, die Zeugin Dr. I. habe die Bildung der beiden
Achsklassen als willkürlich bezeichnet. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober
2012 hat die Zeugin diese Äußerung nicht mit Blick auf andere Möglichkeiten der
Achsklasseneinteilung gemacht, sondern aufgrund ihrer Auffassung, von einer
achszahlbezogenen Differenzierung der Mautsätze hätte wegen der Unterschiedlichkeit der
nach diesem Kriterium zusammenzufassenden Fahrzeuge und falscher Anreize überhaupt
abgesehen werden sollen, zumal diese Differenzierung unionsrechtlich nicht geboten sei.
35 Nach allem hätte Anlass bestanden zu klären, ob es - insbesondere in der Einführungsphase
des neuen Mautsystems - hinreichend gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität gab, die
eine Zusammenfassung der Zwei- und Dreiachser in einer Achsklasse gerade auch wegen des
geringen Fahrleistungsanteils derselben als gerechtfertigt erscheinen lassen, zumal dann, wenn
der Unterschied des Mautsatzes bei einer Aufteilung der Achsklasse 1 tatsächlich keine
besondere Größenordnung erreichen würde, wie dies den von der Beklagten im
Beschwerdeverfahren vorgelegten Erläuterungen von Dr. S. und Prof. Dr. T. vom 21. Dezember
2012 (S. 5) entnommen werden kann. In diesen Erläuterungen wird außerdem ergänzend etwa
auf den Gesichtspunkt der Kontinuität der bereits seit 1994 mit der zeitabhängigen
Mauterhebung („Eurovignette“) praktizierten und bewährten Differenzierung des Mautsatzes
nach diesen beiden Achsklassen sowie darauf verwiesen, dass der Anteil der in der Achsklasse
1 zusammengefassten LKW an allen mautpflichtigen Fahrleistungen im Jahr 2005 nur noch 6,3
% betrug bei abnehmender Tendenz (S. 5 f.).
36 Die genannten Aspekte einer „sachgerechten“ Typisierung und Pauschalierung des
achszahlbezogenen Mautsatzes unter besonderer Berücksichtigung verwaltungspraktischer
Gründe sind nunmehr näher zu klären. Zu den weiteren im Urteil des Oberverwaltungsgerichts
als problematisch angesehenen Punkten wird vorsorglich angemerkt: Auch gegen eine
Mautsatzdifferenzierung nach Gewichtsklassen statt nach Achszahlen sowie eine
achszahlbezogene Verteilung nicht nur der gewichts- und kapazitätsabhängigen Kosten,
sondern außerdem der LKW-systemspezifischen Kosten können Gründe von erheblichem
Gewicht - beispielsweise eine zum maßgeblichen Zeitpunkt beschränkte Datenbasis oder eine
Geringfügigkeit der achszahlbezogenen Kostenverursachung - sprechen (vgl.
Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober 2012 S. 4 und Stellungnahme vom 23. Januar 2012 S. 15
zur Berücksichtigung der systemspezifischen Kosten; Sitzungsniederschrift vom 25. Oktober
2012 S. 6, Stellungnahme vom 17. Juni 2011 S. 6 und Erläuterungen vom 21. Dezember 2012 S.
3 f., 7 zu einer alternativen Differenzierung nach Gewichtsklassen). Was die Auswahl des
Differenzierungskriteriums angeht, hat sich der Gesetzgeber im Übrigen in § 3 Abs. 2 Satz 1
ABMG a.F. (ebenso nunmehr § 3 Abs. 2 Satz 1 BFStrMG n.F.) ausdrücklich für eine
Differenzierung nach der Anzahl der Achsen und damit gegen eine Differenzierung nach
Gewichtsklassen entschieden. Hinsichtlich der vom Kläger kritisierten Auswahl der für die
Berechnung maßgeblichen „repräsentativen“ Fahrzeugarten wird zu prüfen sein, ob auch
insoweit verwaltungspraktische Gründe tragfähig sind oder ob sich die Mautsatzspreizung bei
einer Berücksichtigung dieses Punktes in einer Weise vergrößern würde, dass etwaige für die
derzeitige Achsklasseneinteilung sprechende Gründe in Verbindung mit der Geringfügigkeit des
Fahrleistungsanteils der Achsklasse 1 zurücktreten müssten. Der nach Angaben der Beklagten
bei Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten Kritikpunkte sich ergebende Unterschied
des Mautsatzes bei Aufteilung der Achsklasse 1 (siehe Erläuterungen vom 21. Dezember 2012
S. 5) lässt eine solche Steigerung der Mautsatzspreizung jedenfalls nicht erkennen.
37 c) Nach allem kann letztlich dahinstehen, ob außerdem die Ablehnung der Schriftsatzfrist
gegen das rechtliche Gehör verstößt, wie die Beschwerde als weiteren Verfahrensfehler geltend
macht. Allerdings spricht einiges dafür, dass das Oberverwaltungsgericht der Beklagten
Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung hätte gewähren müssen, nachdem das Gericht in der
mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2012 darauf hingewiesen hatte, dass es nach
Auswertung der Excel-Tabellen zu dem vorläufigen Ergebnis fehlender Sachgerechtigkeit der
Achsklasseneinteilung gelangt sei. Dieser Hinweis dürfte für die Beteiligten überraschend
gewesen sein. Die Sachgerechtigkeit der Achsklasseneinteilung war ausweislich der
Niederschriften über die mündliche Verhandlung am 17. und 25. Oktober 2012 nicht Gegenstand
der Befragung und Erörterung, insbesondere auch nicht in Bezug auf die von Dr. S. vorgelegten
Excel-Tabellen. Diese Dateien wurden vielmehr ausdrücklich vorgelegt um zu belegen, dass bei
der Berechnung der achszahlbezogenen Mautsatzdifferenzierung sämtliche
Allokationsprinzipien - und damit insbesondere auch die Kapazitätskosten - berücksichtigt
worden waren (vgl. Anmerkungen von Dr. S. zur Übergabe der Dateien vom 18. Oktober 2012).
Daher kann der Beklagten wohl auch nicht entgegen gehalten werden, dass sie seit
Übersendung der Excel-Dateien ausreichend Zeit zur Vorbereitung gehabt habe. Schließlich
dürfte jedenfalls bezogen auf den Aspekt der Rechtfertigung der Achsklasseneinteilung aus
verwaltungspraktischen Gründen angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten
Erläuterungen vom 21. Dezember 2012 auch nicht fernliegend sein, dass sich die Versagung der
Schriftsatzfrist entscheidungserheblich ausgewirkt haben kann.
38 Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3
GKG.
Dr. Bier
Dr. Christ
Dr. Bick