Urteil des BVerwG vom 29.06.2011

BVerwG: fristverlängerung, besoldung, ausgleichszahlung, unterordnung, ausnahme, beförderung, kunst, bundesgesetz, anhörung, gebärdensprache

BVerwG 1 WB 35.11
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 35.11
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. Juni 2011 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht M. verwiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich im Verfahren BVerwG 1 WB 3.11 dagegen, dass eine
Festlegung seiner individuellen Förderperspektive in der Perspektivkonferenz 2008 wegen eines
gegen ihn anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens zurückgestellt wurde.
2 Mit Schriftsatz vom 28. April 2011 beantragte er außerdem,
1. ihn zum 1. Oktober 1997 zum Oberstleutnant i.G. (A 14), zum 1. Oktober 2000 zum
Oberstleutnant i.G. (A 15), zum 1. Oktober 2005 zum Oberst i.G. (A 16) und zum 1. Oktober 2009
zum Oberst i.G. (B 3) zu befördern sowie die Bruttogehaltsdifferenz zwischen der jeweils
aktuellen Besoldung in den o.g. Zeiträumen zur beantragten (fiktiven) Besoldungsgruppe zu den
in den jeweiligen Zeiträumen geltenden Besoldungstabellen der Bundesbesoldungsordnung
angeführten Sätzen als steuerfreie Ausgleichszahlung nachzuzahlen,
2. hilfsweise, ihn zum 1. Oktober 2008 zum Oberst i.G. (A 16) zu befördern sowie die
Bruttogehaltsdifferenz zwischen der aktuellen Besoldung (A 15) zur beantragten (fiktiven)
Besoldungsgruppe (A 16) zu den in dem zu betrachtenden Zeitraum geltenden
Besoldungstabellen der Bundesbesoldungsordnung angeführten Sätzen als steuerfreie
Ausgleichszahlung nachzuzahlen, und
3. ihn sofort zum Oberst i.G. (A 16) zu befördern.
3 Der Senat hat mit Beschluss vom 29. Juni 2011 das Verfahren hinsichtlich dieser weiteren
Anträge von dem Verfahren BVerwG 1 WB 3.11 abgetrennt; der abgetrennte Teil des Begehrens
des Antragstellers ist Gegenstand des vorliegenden, unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 WB
35.11 fortgeführten Verfahrens.
4 Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 11. Mai 2011 zu der Absicht angehört, den
Rechtsstreit, soweit er die mit Schriftsatz vom 28. April 2011 gestellten weiteren Anträge betrifft,
an das Verwaltungsgericht M. zu verweisen. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
und der Bundeswehrdisziplinaranwalt haben mit Schreiben vom 17. Mai bzw. 20. Mai 2011 der
Verweisung zugestimmt. Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 27. Mai 2011 um eine
Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten, die ihm bis zum 24. Juni 2011 gewährt wurde. Mit
Schreiben vom 24. Juni 2011 hat er nochmals eine Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2011
beantragt.
5 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die
Gerichtsakte des Verfahrens BVerwG 1 WB 3.11, die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: … - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis
D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
6 Für sämtliche mit dem Schriftsatz vom 28. April 2011 zusätzlich gestellten Anträge ist der
Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen
Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht M.
zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter (vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4
= NVwZ-RR 2009, 541).
7 1. Der Antragsteller hat für die von ihm beantragte nochmalige Fristverlängerung keine triftigen
Gründe angeführt. Er hatte auf das Schreiben des Gerichts vom 11. Mai 2011 mit der bis zum
24. Juni 2011 verlängerten Frist mehr als einen Monat lang ausreichende Gelegenheit, zur Frage
der Verweisung Stellung zu nehmen. Soweit es dem Antragsteller um weiteren Sachvortrag
geht, ist ihm die Möglichkeit hierzu durch die Verweisung nicht genommen oder verkürzt; der
Antragsteller ist nicht gehindert, sich weiterhin zur Sache im Verfahren vor dem - für die
Sachentscheidung zuständigen - Verwaltungsgericht zu äußern. Soweit der Antragsteller
darüber hinaus die Durchführung eines Erörterungstermins und einer mündlichen Verhandlung
wünscht, sind diese für die Entscheidung über die Verweisung nicht vorgeschrieben und auch im
Übrigen nicht sachdienlich (vgl. § 18 Abs. 2 Satz 3 WBO). Im Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht findet nach § 101 VwGO eine mündliche Verhandlung statt.
8 2. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-
rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht
durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der
Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für Klagen der Soldaten aus dem
Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist.
Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der
Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten
eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des
Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte
haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem
Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen
Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - m.w.N.
). Für Rechtsstreitigkeiten, die das
Statusverhältnis eines Soldaten betreffen, ist hingegen allein die Zuständigkeit der allgemeinen
Verwaltungsgerichte gegeben (stRspr, vgl. Beschluss vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 -
m.w.N.).
9 Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche
Angelegenheit vor. Soweit der Antragsteller seine (rückwirkende) Beförderung erstrebt, handelt
es sich um eine Statusangelegenheit, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Der
Anspruch des Soldaten auf Geldbezüge ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 SG; die Bestimmung
des § 30 SG ist ausdrücklich von der Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte in § 17
Abs. 1 Satz 1 WBO ausgenommen, so dass es insoweit bei der Zuständigkeit der
Verwaltungsgerichte gemäß § 82 Abs. 1 SG verbleibt.
10 3. Ist demnach der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, war das Verfahren
nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das zuständige Gericht des Verwaltungsrechtswegs zu
verweisen.
11 Nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des (bayerischen) Gesetzes
zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (i.d.F. der Bek. vom 20. Juni 1992
S. 162>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2007 ) ist sachlich und
örtlich zuständig das Verwaltungsgericht M. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß
§ 15 Abs. 1 Satz 2 BBesG sein Standort; die Legaldefinition des dienstlichen Wohnsitzes in § 15
BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4 VwGO maßgeblich (vgl. Beschlüsse vom 15. Mai
2003 a.a.O. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Golze
Dr. Frentz
Dr. Langer