Urteil des BVerwG vom 17.12.2007

BVerwG (beurteilungsspielraum, benutzung, reisekosten, aufgaben, interesse, bundesverwaltungsgericht, erfüllung, halten, erforderlichkeit, beschwerde)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 6 PB 4.08
OVG 1 A 3407/06.PVB
In der Personalvertretungssache
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hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. April 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn, Büge und Vormeier
beschlossen:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzu-
lassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Fach-
senats für Bundespersonalvertretungssachen des Ober-
verwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 17. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbe-
schwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG
i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.
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Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2
ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene
Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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Der Beteiligte zu 2 will geklärt wissen, ob dem Personalratsmitglied bei der Ent-
scheidung über die Benutzung eines privaten PKW zur Teilnahme an Personal-
ratssitzungen gemäß § 44 Abs. 1 BPersVG i.V.m. § 5 Abs. 2 BRKG Ermes-
sens- oder Beurteilungsspielraum zusteht. Diese Frage lässt sich anhand be-
reits vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig beantworten, so dass es zu
ihrer Klärung nicht erst der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens
bedarf.
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Die Kostentragung der Dienststelle nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG kommt
zunächst nur in Betracht, wenn die verursachende Maßnahme sich im Rahmen
der den Personalvertretungen zugewiesenen Aufgaben hält. Diese Vorausset-
zung unterliegt der objektiven Nachprüfung. Sodann hat die Personalvertretung
das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das Entstehen von Kosten muss für die
Erfüllung ihrer Aufgaben überhaupt notwendig im Sinne von erforderlich und
vertretbar sein. Dies ist nicht rückblickend allein nach objektiven Maßstäben zu
beurteilen; es genügt, wenn die Personalvertretung die Aufwendungen bei
pflichtgemäßer Beurteilung der Sachlage für erforderlich und vertretbar halten
durfte (vgl. Beschluss vom 9. Oktober 1991 - BVerwG 6 P 1.90 - BVerwGE 89,
93 <104 f.> = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 25 S. 48 f. m.w.N.; ebenso zur
Erforderlichkeit von Schulungen: Beschluss vom 14. Juni 2006 - BVerwG 6 P
13.05 - BVerwGE 126, 122 = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 35 Rn. 12
m.w.N.). Hinsichtlich der Art und Weise, wie der Personalrat oder das in Be-
tracht kommende Mitglied eine ihm obliegende Aufgabe wahrnehmen will, ins-
besondere, ob er zu ihrer Erfüllung eine Reise für erforderlich halten durfte, be-
steht ein gewisser, wenn auch begrenzter Beurteilungsspielraum. Dieser er-
streckt sich auf die Ausführung der Reise, also insbesondere auf die Frage, ob
nicht auf andere, kostensparendere Weise die Aufgaben des Personalrats hät-
ten erfüllt werden können (vgl. Beschluss vom 21. Juli 1982 - BVerwG 6 P
30.79 - Buchholz 238.3 A § 44 BPersVG Nr. 6 S. 4).
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Daraus ergibt sich, dass der Personalrat wie auch das einzelne Personalrats-
mitglied hinsichtlich seiner kostenverursachenden Tätigkeit, die sich im gesetz-
lichen Aufgabenkreis bewegt, einen von strikter Rechtskontrolle entbundenen
Beurteilungsspielraum hat, der sich auf die durch Personalratstätigkeit entstan-
denen Reisekosten erstreckt. Dieser Beurteilungsspielraum entfällt nicht des-
halb, weil § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG hinsichtlich der Reisekostenvergütungen
das Bundesreisekostengesetz für anwendbar erklärt. Diese spezielle Regelung
in § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG ist ein Unterfall der Grundregel in § 44 Abs. 1
Satz 1 BPersVG (vgl. Beschlüsse vom 26. Februar 2003 - BVerwG 6 P 9.02 -
BVerwGE 118, 1 <2 f.> = Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 31 S. 2 sowie vom
27. Januar 2004 - BVerwG 6 P 9.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 33
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S. 14). Schon deswegen wäre es systemwidrig, Reisekosten des Personalrats-
mitgliedes grundsätzlich anders zu behandeln als alle anderen durch Personal-
ratstätigkeit ausgelösten Kosten. Dies bedeutet nicht, dass das Personalrats-
mitglied sich über die reisekostenrechtlichen Bestimmungen hinwegsetzen
kann. Vielmehr sind diese gesetzlichen Vorgaben zu beachten, soweit sie un-
geachtet der Eigenart der Personalratstätigkeit Verbindlichkeit beanspruchen
dürfen. Dort jedoch, wo die anzuwendenden reisekostenrechtlichen Bestim-
mungen unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die offen sind für Wertungen
und Abwägungen gegenläufiger Gesichtspunkte, ist die Zuerkennung eines Be-
urteilungsspielraums in gleicher Weise gerechtfertigt wie in den anderen Fällen
kostenverursachender Tätigkeit, die sich nach den allgemeinen Kriterien der
Erforderlichkeit, Vertretbarkeit und Verhältnismäßigkeit beurteilen.
Eine nach § 8 BPersVG unzulässige Privilegierung des Personalratsmitgliedes
liegt daran nicht. Die reisekostenrechtlichen Bestimmungen sind auf die Reisen
von Personalratsmitgliedern wegen der Eigenart der Personalratstätigkeit nur
entsprechend anwendbar. Die Unabhängigkeit der Personalratsfunktion und die
damit verbundene Autonomie in der Geschäftsführung rechtfertigt es, die Ein-
haltung der reisekostenrechtlichen Bestimmungen durch das Personalratsmit-
glied am Maßstab „pflichtgemäßer Würdigung der Umstände“ zu beurteilen (vgl.
Beschlüsse vom 18. Juni 1991 - BVerwG 6 P 3.90 - Buchholz 250 § 44
BPersVG Nr. 23 S. 37 und vom 21. Mai 2007 - BVerwG 6 P 5.06 - Buch-
holz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 18.).
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Demnach steht dem Personalratsmitglied hinsichtlich der Frage, ob an der Be-
nutzung eines Kraftwagens ein erhebliches dienstliches Interesse besteht (§ 5
Abs. 2 BRKG), ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist begrenzt, weil das Per-
sonalratsmitglied die Wertung des Gesetzgebers, wonach die Benutzung eines
Kraftwagens im Verhältnis zur Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel
- aus haushaltsrechtlichen wie aus ökologischen Gründen - besonders rechtfer-
tigungsbedürftig ist, zu beachten hat. Es hat daher in pflichtgemäßer Würdigung
die für und gegen die Benutzung des Kraftwagens sprechenden Umstände ab-
zuwägen. Nur wenn das Ergebnis vertretbar ist, wird es der Überprüfung durch
Dienststelle und Gericht standhalten. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu-
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treffend erkannt. Seine sorgfältige einzelfallbezogene Würdigung wirft keine
Fragen auf, die im Interesse der Rechtsfortbildung oder Rechtseinheit der Klä-
rung im Rechtsbeschwerdeverfahren bedürfen.
Zur Bemerkung in der Beschwerdebegründung: „Allein im Kommandobereich
des Beteiligten zu 2 gibt es mehr als 200 Personalräte (einschließlich Stufen-
vertretungen) mit weit mehr als 1 600 Mitgliedern.“ sei der Vollständigkeit halber
auf Folgendes hingewiesen: Im Kommandobereich des Beteiligten zu 2 gibt es
nur eine Stufenvertretung, nämlich den Beteiligten zu 1 (§ 53 Abs. 2 SBG i.V.m.
§ 1 Nr. 1 der Verordnung vom 8. Februar 1991, BGBl I S. 424, zuletzt geändert
durch Verordnung vom 28. August 2001, BGBl I S. 2289). Für die örtlichen Per-
sonalräte stellen sich die mit Reisekosten verbundenen Fragen in anderer Wei-
se als für die Stufenvertretungen, bei denen wiederum zwischen freigestellten
und nicht freigestellten Mitgliedern zu unterscheiden ist (vgl. dazu im Einzelnen:
Beschluss vom 21. Mai 2007 a.a.O. Rn. 14 und 19 ff.).
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Dr. Hahn Büge Vormeier