Urteil des BVerwG vom 01.10.2003

BVerwG: richteramt, unternehmen, dienstleistung, zustellung, rechtsmittelbelehrung, hochschule, weisung, aufsichtsbehörde, beiladung, beamtenverhältnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 66.03 (künftig: 2 C 11.04)
VGH 1 UE 2127/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. März 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:
Die DB Regio AG wird beigeladen.
Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen Beschluss
vom 1. Oktober 2003 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens
folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 24 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die DB Regio AG ist gemäß § 65 Abs. 2, § 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu dem Verfah-
ren beizuladen, weil die Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis - nämlich
die Verpflichtung der Kläger zur Grobreinigung der von ihnen geführten Züge - der
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Beklagten und ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ergibt sich bereits
daraus, dass die streitige Weisung nicht von der Beklagten, sondern von der Beige-
ladenen erteilt worden ist. Stellt das Gericht fest, dass die fragliche Verpflichtung
nicht besteht oder rechtswidrig festgesetzt worden ist, so wirkt diese Entscheidung
rechtlich unmittelbar auch gegenüber der Beigeladenen.
Zwar trifft es zu, dass die Kläger ungeachtet ihrer Zuweisung zur Beigeladenen Be-
amte der Beklagten geblieben sind. Mit der Zuweisung an die Beigeladene haben die
Kläger ihren Status als Beamte nicht verloren. Gemäß Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG
können Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz "unter Wahrung ihrer
Rechtsstellung" und der Verantwortung des Dienstherrn einer privatrechtlich organi-
sierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden (vgl. auch
§ 12 Abs. 4 DBGrG). Damit ist eine verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen
worden, Beamte bei einem privatrechtlich verfassten Unternehmen zu beschäftigen.
Mit der Zuweisung an dieses Unternehmen bleibt der Status der Beamten unverän-
dert (vgl. Urteile vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274
<276> und vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 3.02 - Buchholz 11 Art. 143 a GG
Nr. 4). Anlässlich der Zuweisung ist kein zusätzliches Arbeitsverhältnis begründet
worden. Die Kläger haben keinen Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen abgeschlos-
sen, wie er z.B. bei Ausübung einer Nebentätigkeit oder im Falle einer Beurlaubung
durch den öffentlichen Dienstherrn zur Begründung eines weiteren Rechtsverhältnis-
ses in Betracht kommt (vgl. BAG, Urteil vom 27. Juni 2001 - 5 AZR 424/99 - PersR
2002, 133 = AP Nr. 20 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis; Urteil vom
27. Februar 2003 - a.a.O.). Deshalb bleibt für Streitigkeiten zwischen dem Beamten
und dem Tochterunternehmen, dem er zur Dienstleistung zugewiesen ist, der Ver-
waltungsrechtsweg und nicht der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben (vgl.
BAG, Beschluss vom 24. Oktober 1997 - 10 AZB 28/97 - NVwZ 1998, 1108).
Dies ändert aber nichts daran, dass der Beamte seine beamtenrechtlich geschuldete
Dienstleistungspflicht dem Tochterunternehmen gegenüber zu erfüllen hat und des-
sen dienstlichen Weisungen unterliegt (§ 12 Abs. 4 Satz 2 DBGrG; vgl. auch § 1
DBAGZustV). Aus der Rechtsprechung des Senats kann nicht gefolgert werden,
dass die aus der Deutschen Bahn AG gemäß §§ 3, 25 Satz 1 DBGrG zu bildenden
Bereiche für die ihnen zugewiesenen Beamten rechtlich nicht relevant sind. Zwar
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bleibt das zwischen dem Beamten und der Beklagten bestehende Band so eng, dass
nach wie vor von einem ungeteilten Dienst- und Treueverhältnis auszugehen ist. Der
Bund bleibt Dienstherr der Beamten und als Dienstherr alleiniger Träger der Rechte
und Pflichten, die durch das Beamtenverhältnis begründet werden (Urteil vom
11. Februar 1999 - a.a.O.). Deshalb haben die Kläger zutreffend ihre Klage gegen
die Beklagte und nicht gegen die Beigeladene gerichtet. Damit ist aber nichts über
die Beteiligung des Tochterunternehmens im gerichtlichen Verfahren gesagt. Sofern
das Tochterunternehmen in eigenem Namen gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 DBGrG das
dienstrechtliche Weisungsrecht auszuüben hat, entstehen rechtliche Beziehungen
auch zwischen dem Beamten und dem Tochterunternehmen, denen das Verwal-
tungsgericht gemäß § 65 Abs. 2 VwGO durch Beiladung Rechnung zu tragen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der bisher nicht beigeladenen DB Regio
AG erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zulässig ist. Zulässig ist jedenfalls die
Beschwerde der Beklagten. Wie sie mit Recht geltend macht, kommt der Sache
grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Das Revisi-
onsverfahren kann zu einer weiteren Klärung der Frage beitragen, welche Beschäfti-
gung eines der Deutschen Bahn AG zugewiesenen Beamten amtsangemessen ist.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen
BVerwG 2 C 11.04 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch die Beschwerde-
führerin bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu be-
gründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1,
04107 Leipzig, einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begrün-
dung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder
einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmen-
gesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Ju-
ristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch
Beamte oder Angestellte mit der Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen
im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte und Angestellte mit
Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen
kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertre-
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ten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er
einen Antrag stellt.
Albers Groepper Dr. Bayer