Urteil des BVerwG vom 29.01.2013

BVerwG: verordnung, reform, squeeze out, kommission, anbau, betriebsinhaber, agrarpolitik, eugh, landwirtschaft, weide

BVerwG 3 B 31.12
Rechtsquellen:
VO (EG) Nr. 795/2004 Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a
Stichworte:
Landwirtschaft; Beihilfe; Reform; gemeinsame Agrarpolitik; Betriebsprämie; Zahlungsansprüche;
Wert; Zuweisung; Ackerland; Ackergras; Wechselgrünland; Dauergrünland; Beihilfeantrag;
Anmeldung; anmelden; Codierung; Nutzungscode; Code; Vermutung; widerleglich;
unwiderleglich; allgemeiner Gleichheitssatz; Ungleichbehandlung; Rechtfertigung;
Verwaltungsaufwand; Verwaltungsvereinfachung; Verwaltungspraktikabilität; auslaufendes
Recht; Übergangsrecht.
Leitsatz:
Die Regelung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004, nach der die von
einem Betriebsinhaber in seinem Beihilfeantrag für 2003 als Dauergrünland angemeldeten
Flächen als im Jahr 2003 als Dauergrünland genutzte Flächen gelten, enthält eine
unwiderlegliche Vermutung.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 31.12
VG Oldenburg - 15.09.2010 - AZ: VG 12 A 1457/08
Niedersächsisches OVG - 16.03.2012 - AZ: OVG 10 LB 28/11
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. März 2012 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 233,06 €
festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungsansprüche des Klägers im Rahmen der
einheitlichen Betriebsprämienregelung mit dem Wert für Ackerland oder mit dem Wert von
Dauergrünland festzusetzen sind.
2 Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte für den Kläger 5,98 Zahlungsansprüche für
Ackerland fest. Mit Änderungsbescheid vom 21. April 2008 wurde diese Festsetzung
aufgehoben; stattdessen wurden 4,48 Zahlungsansprüche für Ackerland mit dem Wert von
255,12 €/ha und 1,50 Zahlungsansprüche für Dauergrünland mit dem Wert von 99,75 €/ha
zugewiesen. Im Rahmen einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass für eine Fläche von
1,50 ha lediglich ein Grünlandzahlungsanspruch bestehe.
3 Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das
Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Die 1,50 ha große
Fläche sei für das Antragsjahr 2003 als Dauergrünland angegeben worden und gelte daher für
die Bestimmung der Zahlungsansprüche als Dauergrünland.
II
4 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
5 1. Die aufgeworfene Frage,
ob es sich bei Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 um eine
unwiderlegliche Vermutung (Fiktion) handelt oder ob ein Antragsteller in Deutschland die
rechtliche Möglichkeit hat, die Vermutung zu widerlegen,
betrifft auslaufendes Recht, ohne dass Umstände hinreichend dargelegt oder sonst ersichtlich
sind, deretwegen ihr dennoch grundsätzliche Bedeutung zukommen würde.
6 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen, die sich
auf auslaufendes, ausgelaufenes oder nur übergangsweise geltendes Recht beziehen,
regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine
richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Eine Revisionszulassung wegen
solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den
Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für
einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung und dies
substantiiert dargelegt ist (Beschlüsse vom 24. Oktober 1994 - BVerwG 9 B 83.94 - DVBl 1995,
568, vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr.
9, vom 8. März 2000 - BVerwG 2 B 64.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21, vom
17. Mai 2004 - BVerwG 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 und vom 15.
Dezember 2005 - BVerwG 6 B 70.05 - juris Rn. 6, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.
7 Die Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 1)
wurde von der Verordnung (EG) Nr. 1120/2009 der Kommission vom 29. Oktober 2009 (ABl Nr. L
316 S. 1) abgelöst und gilt nur noch für Beihilfeanträge, die sich auf Prämienzeiträume vor dem
1. Januar 2010 beziehen (Art. 52 VO Nr. 1120/2009). Darüber hinaus handelte es sich bei
der Bestimmung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 im
Zusammenhang mit Art. 61 VO (EG) Nr. 1782/2003 um Übergangsrecht, das die Umstellung auf
die mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik 2003 eingeführte einheitliche Betriebsprämie
betraf. Denn die Zuweisung von Zahlungsansprüchen an Betriebsinhaber im Sinne von Art. 33
Abs. 1 Buchst. a und b VO (EG) Nr. 1782/2003 und Betriebsinhaber, die Zahlungsansprüche aus
der nationalen Reserve erhalten, setzte mit Ausnahme von Fällen höherer Gewalt oder
außergewöhnlicher Umstände voraus, dass die einheitliche Betriebsprämie bis zum 15. Mai
2005 beantragt wurde (Art. 34 Abs. 3 und Art. 156 Abs. 2 Buchst. d VO Nr. 1782/2003).
Soweit jenseits dessen - etwa für Neueinsteiger und in den Fällen der Art. 18 - 23 VO (EG) Nr.
795/2004 - die Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve in Betracht
kam, folgte dies eigenen Regelungen. Die Verordnung (EG) Nr. 1120/2009 enthält auch keine
Nachfolgeregelung, bei der sich die als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage in gleicher Weise
stellen könnte. Zwar gestattet es die Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom 19. Januar
2009 (ABl Nr. L 30 S. 16) für neue Mitgliedstaaten und die Mitgliedstaaten, die die
Betriebsprämie - anders als Deutschland - zunächst nach dem Standardmodell eingeführt
haben, die Betriebsprämie regional anzuwenden. Damit ist parallel zu der aufgehobenen
Bestimmung des Art. 61 VO (EG) Nr. 1782/2003 die Befugnis verbunden, abhängig von der
Flächennutzung unterschiedlich wertige Zahlungsansprüche festzusetzen (Art. 49 und 61
Nr. 73/2009). Eine Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 gleichende
Vorschrift wurde in den Durchführungsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1120/2009
jedoch nicht vorgesehen.
8 Soweit der Kläger im Übrigen darauf verweist, im Rahmen der Frage bestehe Gelegenheit,
Grundsätze dazu aufzustellen, unter welchen Voraussetzungen der nationale Gesetzgeber nach
nationalem Recht - insbesondere nach nationalem Verfassungsrecht - verpflichtet sei, von im
europäischen Recht vorgesehenen Ausnahmeregelungen Gebrauch zu machen, ist damit weder
die grundsätzliche Bedeutung der Frage noch eine selbständig klärungsbedürftige und
klärungsfähige Frage hinreichend dargelegt.
9 2. Aber selbst wenn die Beantwortung der Frage noch für eine unübersehbare Zahl von Fällen
bedeutsam werden könnte, kommt eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung nicht in Betracht.
10 a) Die Beantwortung der Frage, ob Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004
in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1974/2004 der Kommission vom 29. Oktober 2004 (ABl
Nr. L 345, S. 85) eine (richtig:) unwiderlegliche Vermutung enthält, bedarf nicht der Durchführung
eines Revisionsverfahrens, denn sie lässt sich unzweifelhaft und ohne Weiteres mit Hilfe der
üblichen Regeln der Gesetzesauslegung beantworten (vgl. dazu Beschluss vom 24. August
1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13;
EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81, C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982, I-3415 Rn. 12 ff.).
11 Für die Zuweisung von Zahlungsansprüchen auf der Grundlage von Art. 61 der Verordnung
(EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) sieht Art. 32 Abs. 4
Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 vor, dass die von einem Betriebsinhaber in seinem
Beihilfeantrag für das Jahr 2003 als Dauergrünland gemeldeten Flächen als im Jahr 2003 als
Dauergrünland genutzte Flächen „gelten“.
12 Bereits die gewöhnliche Wortbedeutung der deutschen Sprachfassung deutet darauf hin,
dass die Kommission mit dieser Durchführungsbestimmung das Tatbestandsmerkmal der
Nutzung als Dauergrünland für das Jahr 2003 im Interesse der Praktikabilität weiter konkretisiert
und vom Nachweis der tatsächlichen Nutzung als Dauergrünland im Sinne der allgemeinen
Definition des Art. 2 Buchst. e VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 der
Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18) gelöst hat. Im Englischen wird die
Formulierung „shall be“ verwandt, im Französischen heißt es „sont considérées“. Im Falle einer
widerleglichen Vermutung dürfte im Englischen üblicherweise die Wendung „shall be presumed“
benutzt werden, im Französischen das Wort „presumer“, während „considerer“ für eine
zwingende Schlussfolgerung sprechen soll (so zu einer vergleichbaren Auslegungsfrage der
Übernahmerichtlinie ausführlich: Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemäß §§
39a, 39b WpÜG, 2008, S. 77 ff.). Allerdings schließt die deutsche Sprachfassung die Annahme
einer widerleglichen Vermutung auch nicht von vornherein aus (vgl. Urteil vom 26. April 1967 -
BVerwG 8 C 66.66 - BVerwGE 26, 352 = Buchholz 412.3 §§ 1, 2 BVFG Nr. 6 und allgemein zum
deutschen Recht Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl. 2011, § 292 Rn. 5).
Insoweit verbleibende Zweifel sind jedoch aus systematischen und teleologischen Gründen
ausgeräumt.
13 Mit der Einfügung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 in die Verordnung (EG) Nr. 795/2004
durch Art. 1 Nr. 17 VO (EG) Nr. 1974/2004 hat die Kommission nicht nur bestimmt, dass 2003 als
Dauergrünland gemeldete Flächen als Dauergrünland gelten, sondern zugleich für nicht
gemeldete Flächen geregelt, dass diese als Dauergrünland gelten, es sei denn, es kann der
Nachweis geführt werden, dass diese Flächen im Jahr 2003 nicht als Dauergrünland genutzt
wurden. Der unmittelbare Zusammenhang dieser beiden Regelungen drängt den
Umkehrschluss auf, dass anders als für nicht gemeldete Flächen im Falle der Meldung als
Dauergrünland nach Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 keine
Möglichkeit eines Gegenbeweises bestehen soll. Dafür spricht auch die hierauf bezogene
Ermächtigung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004. Nach ihr können die
Mitgliedstaaten abweichend von Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004
regeln, dass die Flächen im Jahr 2003 als Dauergrünland gelten, die in diesem und den
vorausgehenden fünf Jahren für den Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen
angemeldet wurden. Wäre - entsprechend dem insoweit gleichen Wortlaut - hier wie dort von
einer widerleglichen Vermutung auszugehen, so käme es nach der allgemeinen Definition von
Dauergrünland im Zweifel nach beiden Alternativen gleichermaßen auf den Nachweis an, dass
die Flächen im Jahr 2003 zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wurden
und mindestens fünf Jahre nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs
waren (Art. 2 Buchst. e VO Nr. 795/2004 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 VO Nr. 796/2004). Das
würde die praktische Bedeutung der Option deutlich begrenzen und spricht für die Annahme,
dass die in der Ermächtigung vorgesehene Regelungsalternative gegebenenfalls die einzige
Möglichkeit ist, abweichend von der Regelung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG)
Nr. 795/2004 Dauergrünland festzustellen.
14 Dem entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung. Mit dem Rückgriff auf die Nutzung als
Dauergrünland im Zeitpunkt der Antragstellung 2003 gewährleistete Art. 61 VO (EG) Nr.
1782/2003, dass Nutzungsänderungen nicht vorausschauend zur Erlangung höherwertigerer
Zahlungsansprüche vorgenommen werden konnten, was dem Dauergrünlanderhaltungsgebot
des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 widersprochen und die Ausgangssituation der Reform
verfälscht hätte. Hieraus, aber auch aus der allgemeinen Definition von Dauergrünland, die
einen längeren Nutzungszeitraum verlangt, ergibt sich, dass sich die Eigenschaft einer Fläche
als Dauergrünland im Verfahren zur (ersten) Festsetzung der Zahlungsansprüche mit dem
Inkrafttreten der Betriebsprämienregelung im Jahr 2005 nicht (mehr) unmittelbar und ohne
Weiteres feststellen ließ. Hinzu kommt, dass die Zahlungsansprüche zur Gewährleistung
zeitnaher Zahlungen kurzfristig, nämlich bis zum 15. August 2005, spätestens aber bis zum 31.
Dezember 2005, endgültig festzusetzen waren (Art. 12 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr.
795/2004 in der Fassung der Verordnung Nr. 1974/2004, Art. 156 Abs. 2 Buchst. d VO
Nr. 1782/2003). Im Rahmen des von Deutschland zur Einführung der einheitlichen
Betriebsprämie gewählten Kombinationsmodells setzte zudem die Berechnung des Werts der
individuellen Zahlungsansprüche die Feststellung der Gesamtzahl der als Dauergrünland zu
berücksichtigenden Flächen voraus (Art. 61 und 59 Abs. 1 und 3 VO Nr. 1782/2003, § 5
Abs. 1 und 3 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes (BetrPrämDurchfG). Vor diesem
besonderen Hintergrund dient Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 dazu,
die notwendigen Voraussetzungen für die praktische Durchführung der Reform zu schaffen
(Erwägungsgrund 9 VO Nr. 1974/2004). Mit diesem Ziel wäre eine Auslegung nicht
vereinbar, die zu einer widerleglichen Vermutung führen würde. Die Verwaltung hätte in der
Umstellungsphase durch individuelle Einwendungen zusätzlichen Prüfaufwand, was ersichtlich
nicht im Sinne der gewollten Verwaltungsvereinfachung wäre. Aus demselben Grund ist es
abzulehnen, mit verschiedenen Verwaltungsgerichten danach zu differenzieren, ob die
tatsächliche Nutzung der Behörde anderweitig bekannt oder ein Gegenbeweis ohne
Verzögerung durch präsente Beweismittel möglich ist. Vor allem aber findet sich hierfür im
einschlägigen Verordnungsrecht kein Anhalt.
15 Zu einer anderen Auslegung gibt auch der allgemeine Gleichheitssatz keinen Anlass, der für
die Landwirtschaft in Art. 40 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV und dessen Vorgängerregelungen eine
eigene Ausprägung gefunden hat. Indem die Zuweisung unterschiedlich wertiger
Zahlungsansprüche abhängig von der angemeldeten Nutzung erfolgt, werden im Ansatz keine
Sachverhalte unterschiedlich behandelt, die unter Berücksichtigung des Ziels und Zwecks der
Betriebsprämien vergleichbar sind.
16 Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik 2003 wird das bisherige System der
Direktzahlungen durch eine einheitliche Betriebsprämie abgelöst und zugleich die Koppelung
der Direktzahlungen an die Produktion weitgehend abgeschafft, um eine stärker am Markt
orientierte und nachhaltigere Landwirtschaft zu fördern (vgl. Erwägungsgrund 24 VO Nr.
1782/2003). Das von Deutschland gewählte Kombinationsmodell will dabei eine abrupte
Umverteilung des Prämienvolumens vermeiden und zugleich sicherstellen, dass allein historisch
begründete Referenzzahlungen nicht dauerhaft maßgebend bleiben (BT-Drucks 15/2553 S. 18,
22, 24; vgl. zu den Einzelheiten des Kombinationsmodells BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober
2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1, <2 - 9>). Mit der Differenzierung des Wertes von
Zahlungsansprüchen auf der Grundlage der Nutzung von Flächen, die 2003 als Dauergrünland
oder als sonstige förderfähige Flächen (Ackerflächen) genutzt wurden (Art. 61 VO Nr.
1782/2003), wird den unterschiedlichen Beihilfen des bisherigen Beihilfesystems Rechnung
getragen, die typischerweise mit einer bestimmten Flächennutzung einhergingen. Im Falle der
Nutzung als Dauergrünland waren dies insbesondere Rinderprämien, bei Ackerland Prämien für
den Anbau bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Der unterschiedliche, von der Art der
Flächennutzung abhängige Wert der Zahlungsansprüche soll übergangsweise, bis zur
Angleichung der Zahlungsansprüche an den einheitlichen regionalen Zielwert, ausgleichen,
dass die mit der Nutzung von Dauergrünland typischerweise verbundene Tierhaltung und die
diesbezüglichen Prämien im Kombinationsmodell weitgehend im betriebsindividuellen Betrag
berücksichtigt werden, der gegebenenfalls den flächenbezogenen Betrag und damit den Wert
des Zahlungsanspruchs erhöht (BT-Drucks 15/2553 S. 24).
17 Entgegen den Ausführungen des Klägers trifft es nicht zu, dass die Anmeldung von
Dauergrünland im Beihilfeantrag 2003 mangels Definition des Begriffs Dauergrünland von
rechtlichen Wertungen völlig unabhängig und zufällig ist. Jenseits des dem Begriff
innewohnenden Wortsinns und dessen Bedeutung in der landwirtschaftlichen Fachsprache
lagen den Flächenanmeldungen des Jahres 2003 die Stützungsregelungen für Erzeuger
bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen zu Grunde. Diese definierten Dauergrünland als
nicht in die Fruchtfolge einbezogene, dauernd (für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren)
grasbestandene Flächen (zuletzt Anhang I Nr. 1 VO Nr. 2316/1999). Darüber hinaus
enthält das Gemeinschaftsrecht in der Entscheidung der Kommission vom 24. November 1999
(2000/115/EG - ABl Nr. L 38 S. 1, 16) für statistische Zwecke eine mit der allgemeine Definition
des Art. 2 Buchst. e VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 sachgleiche
Definition von Dauergrünland. Auch wenn eine gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b VO (EG) Nr.
2419/2001 im Beihilfeantrag angegebene gegenwärtige Nutzung als Dauergrünland als solche
für die Berechnung der Flächenprämien ohne Bedeutung war (vgl. Art. 2 Abs. 1 VO Nr.
2316/1999 i.V.m. Art. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 1251/1999) und für Dauergrünland selbst keine
Flächenzahlungen gewährt wurden, kann der Anmeldung als Dauergrünland daher eine
Aussagekraft über die Nutzung der Fläche nicht abgesprochen werden.
18 Allerdings ist es richtig, dass mit der Anknüpfung an die Anmeldung im Jahr 2003 Unschärfen
verbunden sind. Das gilt zum einen für den im Jahr 2003 nach den Stützungsregelungen
geltenden Dauergrünlandbegriff, der mit der Begrenzung auf grasbestandene Flächen etwas
enger ist, als die allgemeine Dauergrünlanddefinition, die andere Grünfutterpflanzen als Gras
einbezieht. Das gilt zum anderen aber auch für die tatsächliche Richtigkeit der Angaben, die
etwa aufgrund der vom Land Rheinland-Pfalz im Gesetzgebungsverfahren erfolglos geltend
gemachten „z.T. doch erheblich unterschiedliche‚ Codierungsgewohnheiten“ (BR-Drucks
728/2/04) oder wegen sonstiger Fehler unzutreffend sein kann. Die damit einhergehende
Ungleichbehandlung ist jedoch durch die zur Durchführung der Reform notwendige
Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt.
19 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Ungleichbehandlung
gerechtfertigt, wenn diese auf objektiven Kriterien beruht und im Zusammenhang mit dem Ziel,
das mit der Regelung verfolgt wird, angemessen ist (EuGH, Urteile vom 16. Dezember 2008 -
Rs. C-127/07, Sociéte Arcelor Atlantique et Lorraine u.a. - Slg. 2008, I-9895 Rn. 47 m.w.N. und
vom 25. Oktober 1978 - Rs. 125/77, Koninklijke Scholten-Honig u.a. - Slg. 1978, III-1991 Rn.
25/27). Der Gerichtshof anerkennt, dass beim Umbau komplexer Systeme trotz einer damit
verbundenen Ungleichbehandlung ein schrittweises Vorgehen gerechtfertigt sein kann und
gesteht dem europäischen Normgeber eine Beurteilungsbefugnis zu, die erst dann überschritten
ist, wenn sie zu Ergebnissen führt, die offenkundig weniger angemessen als die Ergebnisse
einer ebenfalls geeigneten Alternative sind. Er berücksichtigt auch, dass ein erhöhter
Verwaltungsaufwand das Funktionieren des Systems beeinträchtigen kann (EuGH, Urteile vom
16. Dezember 2008, a.a.O. Rn. 57 - 59, 65 und vom 27. November 1997 - Rs. C-356/95, Witt -
Slg. 1997, I-6603 Rn. 39).
20 Vor diesem Hintergrund kann nicht ernstlich bezweifelt werden, dass die mit Art. 32 Abs. 4
Unterabs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 795/2004 getroffene Regelung gerechtfertigt ist, weil sie eine
erhebliche administrative Erleichterung darstellt, die die praktische Durchführung der Reform
gewährleistet. Dies wird auch nicht durch die den Mitgliedstaaten optional zur Verfügung
stehende Möglichkeit des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 in Frage gestellt,
denn diese Alternative war mit Blick auf den durch die Erhebung der Antragsangaben von 6
Jahren verbundenen deutlich höheren Verwaltungsaufwand nicht offenkundig angemessener.
21 b) Mit der in seiner Frage enthaltenen zweiten Antwortalternative zielt der Kläger darüber
hinaus auf die den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, für die Bestimmung von Dauergrünland
nicht auf die Anmeldung im Jahr 2003, sondern auf die Angaben in den Beihilfeanträgen der
Jahre 1998 bis 2003 abzustellen (Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 795/2004). Er ist der
Auffassung, der nationale Gesetzgeber hätte entgegen seiner Entscheidung von dieser
Möglichkeit aus Gründen der Gleichbehandlung Gebrauch machen müssen, und möchte diese
optionale Regelung daher unmittelbar angewandt wissen. Mit seinen Darlegungen hierzu hat der
Kläger eine (weitere) Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan (vgl. dazu
Beschluss vom 10. September 1999 - BVerwG 11 B 22.99 - juris Rn. 7).
22 Nach seinem weiteren Vorbringen führt die Regelung des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a
VO (EG) Nr. 795/2004 im Falle von Wechselgrünland zu einer Differenzierung ohne sachlichen
Grund, weil es vom Zufall abhänge, ob eine so genutzte Fläche im maßgeblichen Jahr gerade
zum Anbau einer Ackerfrucht oder als Weide genutzt worden sei. Mit diesem Ansatz übergeht
der Kläger jedoch, dass Wechselgrünland weder im einen noch im anderen Fall als
Dauergrünland anzumelden war. Dauergrünland stellt nach seiner Wortbedeutung und der im
Jahr 2003 geltenden unionsrechtlichen Begriffsbestimmungen auf eine über mehrere (fünf) Jahre
gleichbleibende Nutzung ab, weshalb die aktuelle Nutzung eines Anbaujahres nicht
entscheidend ist. Wechselgrünland, bei dem im Unterschied zu Dauergrünland in längeren
Zyklen aber gleichwohl regelmäßig der Anbau von Ackergras und Ackerfrucht wechselt, ist
daher nicht etwa in der Phase des Anbaus von Ackergras Dauergrünland, sondern durchgängig
Ackerland. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den für die Flächenanmeldung
vorgegebenen Nutzungscodes. Denn nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen
Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 14) trifft es nicht zu, dass der Kläger
Wechselgrünland als Dauergrünland codieren musste. Das bestätigt im Übrigen auch der
Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis 2003, in dem der Kläger zwei Flächen zunächst (später
korrigiert in den Code für Silomais als Getreide) mit dem Code 418 für „Ackergras“ versehen
hatte, während er die umstrittene Fläche mit dem Dauergrünlandcode 453 als Weide gemeldet
hat. Für diese erklärte der Kläger in seinem Festsetzungsantrag 2005, dass die Flächen „in den
vergangenen Jahren immer wechselseitig mit Ackerfrucht bzw. Ackergras bestellt worden“ seien.
Weshalb er die streitige Fläche dann nicht auch als Ackergras hätte anmelden können, ist nicht
nachvollziehbar.
23 Soweit der Kläger darüber hinaus auf uneinheitliche Codierungsgewohnheiten verwiesen
hat, ergibt sich hieraus nichts anderes. Auch für den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG ist anerkannt, dass es für die Rechtfertigung einer differenzierenden Regelung bei den in
Rede stehenden Beihilfen ausreicht, wenn sie auf sachbezogenen, nach Art und Gewicht
vertretbaren Gründen beruht. Eine Regelung, die aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an
einen Lebenssachverhalt anknüpft, der mit dem materiell in den Blick genommenen
Differenzierungsmerkmal typischerweise verbunden ist, kann diesen Anforderungen genügen,
solange sie sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung des
jeweiligen Lebenssachverhalts stützt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 a.a.O. S. 23,
29). Eine solche fehlerhafte Würdigung ist weder in Bezug auf die Aussagekraft der Angaben
des Beihilfeantrags für das Jahr 2003 noch hinsichtlich der Verwaltungsvereinfachung, die mit
der geltenden Regelung gegenüber der optional möglichen Alternative einhergeht, erkennbar.
Vor dem Hintergrund der komplexen Umstellungsmechanismen, die bei der praktischen
Umsetzung der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik 2003 zu bedenken sind, ist die
gesetzgeberische Entscheidung, von der Option des Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EG) Nr.
795/2004 keinen Gebrauch zu machen, vielmehr hinreichend sachbezogen und vertretbar.
24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §
47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Rothfuß