Urteil des BVerwG vom 12.02.1992

BVerwG (beschwerde, bundesverwaltungsgericht, amtshandlung, höhe, grenze, leistung, zuteilung, zug, gegenstand, verwaltung)

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 22.09
OVG 12 B 13.08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 5. März 2009 wird zurückgewie-
sen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwer-
deverfahren auf 70 068 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Gebühren in Höhe von
70 268,75 € im Nachgang zur Zuteilung von 2 088 750 Emissionsberechtigun-
gen für ihr Unternehmen der zementklinker- und kalkherstellenden Industrie
(Zuteilungsperiode 2005 - 2007). Der angegriffene Bescheid ist gestützt auf die
Emissionshandelskostenverordnung 2007 (EHKostV 2007), zu deren Erlass
§ 22 Satz 3 TEHG 2004 und § 23 Satz 3 ZuG 2007 ermächtigen. Nach Auffas-
sung der Klägerin sind die Nr. 1.1 bis 1.4 des Gebührenverzeichnisses von der
gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt.
Der gegen einen Teilbetrag in Höhe von 70 068,75 € gerichtete Widerspruch
blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage
stattgegeben. Die Emissionshandelskostenverordnung sei mit ihrem Anhang
von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckt. Gebühren könnten nur für
Amtshandlungen, nicht aber für sämtliche Tätigkeiten der Behörde erhoben
werden. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung
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zurückgewiesen. Die vom Verordnungsgeber vorgenommene Kalkulation sei
auf eine vollständige Refinanzierung der Tätigkeit der Deutschen Emissions-
handelsstelle (DEHSt) ausgerichtet und decke auch nachfolgende Amtshand-
lungen ab. Die hiermit verbundene nichtsteuerliche Finanzierung sämtlicher
Tätigkeiten durch Gebühren überschreite den vom Gesetzgeber in den Er-
mächtigungsgrundlagen vorgegebenen Rahmen der Finanzierungsverantwort-
lichkeit der Gebührenschuldner.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.
II
Die Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Revision ist nicht wegen
der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulas-
sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
„wo die Grenze zwischen einem ‚amtshandlungsfreien
Behördenhandeln’ einerseits und einer Amtshandlung an-
derseits verläuft, wenn die Amtshandlung verschiedene
behördliche Vorarbeiten zwingend voraussetzt“,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie sich bereits an-
hand der einschlägigen Rechtsprechung beantworten lässt und sich so in
einem Revisionsverfahren auch nicht stellen würde.
Der Begriff der Amtshandlung ist sowohl gesetzlich definiert (§ 1 Abs. 1
VwKostG) als auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. Ur-
teil vom 19. September 2001 - BVerwG 6 C 13.00 - BVerwGE 115, 125
<128 f.>; BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 - BVerfGE
108, 1 <19 ff., 25 f.>).
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Auch die Frage nach der Grenze zwischen bloßem Behördenhandeln und
Amtshandlung ist für die Streitsache ohne Bedeutung. Nach allgemeiner
Rechtsauffassung versteht man unter einer Gebühr eine öffentliche Abgabe,
die eine Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme oder Leistung der
Verwaltung darstellt (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 -
BVerfGE 85, 337 <346>; BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - BVerwG 6 C
5.02 - NVwZ 2003, 1385 <1386>). Ersichtlich knüpfen hieran die gesetzlichen
Ermächtigungen in § 22 Satz 1 TEHG 2004 und § 23 Satz 1 ZuG 2007 an, wo-
nach nur für Amtshandlungen - und nicht lediglich für allgemeines Verwal-
tungshandeln - kostendeckende Gebühren erhoben werden. Dass es sich bei
der Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen um Amtshandlungen
handelt, wird von den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage gestellt.
Nach der - angesichts des eindeutigen Wortlauts zutreffenden - Auslegung der
beiden Ermächtigungsnormen durch das Oberverwaltungsgericht haben diese
(nur) Verwaltungsgebühren zum Gegenstand und heben (spezialgesetzlich) für
die Gebührenbemessung auf das Kostendeckungsprinzip ab (vgl. § 3 Satz 2
VwKostG). Dieses besagt, dass sich die Gebühr allein nach dem Aufwand für
die gebührenpflichtige Leistung bemisst und diesen nicht überschreiten darf.
Nach dieser gesetzlichen Regelung können damit weder sonstige Verwaltungs-
aufwendungen noch weitere, in der Zuteilungsperiode noch anfallende Amts-
handlungen (gleichsam vorweg) abgegolten werden. Das Oberverwaltungsge-
richt hat den Inhalt der Ermächtigungen insbesondere zu Recht nicht dahinge-
hend verstanden, dass angesichts der allgemeinen Formulierung des Gebüh-
rentatbestands in den Ermächtigungen es dem Verordnungsgeber überlassen
bleibe, ausgehend vom Äquivalenzprinzip weitere Differenzierungen zu treffen
(vgl. Urteil vom 19. September 2001 a.a.O.). Weitere Zweifelsfragen, die einer
revisionsgerichtlichen Vertiefung bedürfen, sind weder dargelegt worden noch
sonst ersichtlich.
2. Die Grundsatzrevision ist auch nicht bezüglich der Frage zuzulassen,
ob die abgabenrechtliche Pauschalierungs- und Typisie-
rungsbefugnis dem Verordnungsgeber auch bei der Höhe
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der kalkulierten Gesamteinnahmen eine Fehlertoleranz
einräumt,
weil - wie die Beschwerde selbst einräumt - das Oberverwaltungsgericht Tatsa-
chen, die vorliegen müssten, damit die Frage in einem Revisionsverfahren ent-
scheidungserheblich wäre, nicht festgestellt hat. Die Revision kann nicht wegen
grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Vorinstanz sich zu
Sach- und Rechtsfragen nicht geäußert hat und lediglich die Möglichkeit be-
steht, dass diese nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sach-
aufklärung thematisiert und damit auch entscheidungserheblich werden können
(Beschluss vom 6. Juni 2006 - BVerwG 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2
Ziff. 1 VwGO Nr. 35 m.w.N.). Im Übrigen stellt sich diese Frage von vornherein
nicht, wenn es schon - wie hier - an einer ausreichenden gesetzlichen Ermäch-
tigungsgrundlage für die Gebührenerhebung fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Sailer
Guttenberger
Schipper
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