Urteil des BVerwG vom 13.03.2017

BVerwG: recht auf leben, kreuzung, körperliche unversehrtheit, klagebefugnis, anteil, rüge, kontrolle, neubau, vorwirkung, eigentum

Rechtsquellen:
FStrG
§ 1 Abs. 1, § 5 Abs. 4, § 17 Abs. 6c Satz 1
FStrAbG
§ 1 Abs. 2
EKrG
§ 2 Abs. 1
GG
Art. 2 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1 und 3, Art. 19 Abs. 4
VwVfG
§ 74 Abs. 2 Satz 2 und 3
Stichworte:
Bundesstraße; Ortsdurchfahrt; weiträumiger Verkehr; Planrechtfertigung; ge-
setzliche Bedarfsfeststellung; Bedarfsplan; Kreuzung; Bahnübergang; Bahn-
überführung; Drittschutz; Schutznorm; grundrechtliche Schutzpflicht; mittelbar
Betroffener; Abwägung; Saldierung; Abwägungskontrolle; fremde Belange; Al-
ternativenprüfung.
Leitsätze:
1. Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung für das Vor-
haben, ein Teilstück einer Bundesstraße zu verlegen, wird nicht ohne Weiteres
dadurch in Frage gestellt, dass der Anteil des weiträumigen Verkehrs an der
Gesamtbelastung des verlegten Teilstücks gering sein wird; dies gilt insbeson-
dere bei einer Trassenführung in innerstädtischen oder stadtnahen Lagen.
2. § 2 Abs. 1 EKrG entfaltet drittschützende Wirkung zugunsten des künftigen
Benutzers einer neu herzustellenden Kreuzung zwischen einer Bundesstraße
und einer Bahnstrecke auch dann nicht, wenn dieser aufgrund einer engen
räumlichen Beziehung in gesteigertem Maß auf die Benutzung der Kreuzung
angewiesen sein wird.
3. Abwägungsfehler zu Lasten fremder (öffentlicher oder privater) Belange sind
auf die Klage eines nur mittelbar Planbetroffenen bei der gerichtlichen Abwä-
gungskontrolle auch nicht saldierend in der Weise zu berücksichtigen, dass sie
das Gewicht der für die Planung streitenden Belange relativieren.
Beschluss des 9. Senats vom 16. Januar 2007 - BVerwG 9 B 14.06
I. OVG Bremen vom 28.03.2006 - Az.: OVG 1 D 333/05 –
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
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BESCHLUSS
BVerwG 9 B 14.06
OVG 1 D 333/05
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Januar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
der Freien Hansestadt Bremen vom 28. März 2006 wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung
der erstinstanzlichen Festsetzung für beide Rechtszüge
auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestütz-
te Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Beschwerde nach § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von Entscheidungen
des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne
dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in
Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragen-
den abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat
(stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 -
Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde rügt eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von
dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 1992 (BVerwG 4 C
9.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88); während das Oberverwaltungsgericht
den Anspruch eines nur mittelbar von einer Planung Betroffenen auf die ord-
nungsgemäße Abwägung seiner eigenen Belange beschränkt sehe und ihm die
Möglichkeit abspreche, gegen das Vorhaben streitende Belange relativierend
bzw. saldierend gegenüber den für das Vorhaben sprechenden Belangen zur
Geltung zu bringen, sei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die
Zulässigkeit einer solchen Saldierung zu entnehmen. Das Bundesverwaltungs-
gericht hat jedoch in dem zitierten Urteil den ihm zugeschriebenen Rechtssatz
weder ausdrücklich noch sinngemäß aufgestellt. Die Entscheidung stellt klar,
dass der nur mittelbar Betroffene, auch soweit ihm kein Abwehrrecht gegen das
Vorhaben zur Seite steht, einen Anspruch auf Berücksichtigung seiner privaten
Interessen in der Abwägung hat. Der von der Beschwerde angesprochene Sal-
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dierungsgedanke hat demgegenüber keinen Eingang in die Urteilsgründe ge-
funden.
2. Die Beschwerde kann auch nicht mit der Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) Erfolg haben. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur,
wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch
fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung gewesen ist, deren noch ausste-
hende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur
Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwick-
lung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961
- BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>). Auch das trifft hier nicht zu.
a) Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die folgende Frage auf:
„Ist ein die Planrechtfertigung als Bundesstraße begrün-
dender Bedarf für den Neubau zur Verlegung eines inner-
städtischen Teilstücks einer Bundesstraße schon dann er-
füllt, wenn der weiträumige Verkehrsanteil auf dem Teil-
stück minimal (hier: unter 1000 Kfz/Tag) ist?“
In dieser Allgemeinheit würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren nicht
stellen. Die Verlegung der B 74 auf dem planfestgestellten Teilstück als zwei-
streifige Straße ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen (Anlage zum
Fernstraßenausbaugesetz - FStrAbG - i.d.F. des 5. Gesetzes zur Änderung des
Fernstraßenausbaugesetzes vom 4. Oktober 2004, BGBl I S. 2574) als Maß-
nahme des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1
FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenommenen Bau- und Aus-
bauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG und sind damit gemes-
sen hieran vernünftigerweise geboten. Die Feststellung des Bedarfs ist gemäß
§ 1 Abs. 2 Satz 2 FStrAbG für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich.
Diese Bindungswirkung erstreckt sich - wie auch der Kläger in der Beschwer-
debegründung einräumt - auf die gerichtliche Kontrolle von Planfeststellungs-
beschlüssen (stRspr; vgl. etwa Urteile vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 -
BVerwGE 98, 339 <345> und vom 26. Oktober 2005 - BVerwG 9 A 33.04 - UA
Rn. 22). Die gesetzgeberische Entscheidung ist allein an den Vorgaben des
Verfassungsrechts zu messen (Urteile vom 8. Juni 1995 a.a.O. S. 347 und vom
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22. Januar 2004 - BVerwG 4 A 32.02 - BVerwGE 120, 87 <100>). Nur in die-
sem Zusammenhang kann sich die Frage stellen, ob ein geringer Anteil des
weiträumigen Verkehrs an der Gesamtbelastung des zu verlegenden Straßen-
stücks die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung berührt.
Auch hierzu besteht jedoch kein Klärungsbedarf, weil die Frage, soweit sie ei-
ner generalisierenden Beantwortung zugänglich ist, durch die Rechtsprechung
hinreichend geklärt ist. Das Oberverwaltungsgericht hat die danach für die Prü-
fung maßgeblichen Grundsätze in dem angefochtenen Urteil zutreffend wieder-
gegeben. Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf die Frage, ob der Ge-
setzgeber mit der Bedarfsfeststellung die Grenzen seines gesetzgeberischen
Ermessens überschritten hat. Davon ist nur auszugehen, wenn die Feststellung
des Bedarfs evident unsachlich ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Juni
1998 - 1 BvR 650/97 u.a. - NVwZ 1998, 1060; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober
2005 a.a.O. Rn. 22), wenn es also für das Vorhaben offenkundig keinerlei Be-
darf gibt, der die Annahmen des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (Urteil vom
19. Mai 1998 - BVerwG 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 S. 247
m.w.N.). Bei dem Bedarf muss es sich, wie die Bezugnahme des § 1 Abs. 2
Satz 1 FStrAbG auf § 1 Abs. 1 FStrG zeigt, um einen solchen handeln, der auf
die den weiträumigen Verkehr betreffenden Zielsetzungen der letztgenannten
Bestimmung ausgerichtet ist. Das schließt indes nicht die Bündelung mit ande-
ren, lokal oder regional ausgerichteten Zielen aus (vgl. Urteil vom 17. Mai 2002
- BVerwG 4 A 28.01 - BVerwGE 116, 254 <260 f.>). Verfehlt und vom gesetz-
geberischen Ermessen nicht mehr gedeckt wäre eine Bedarfsfeststellung erst
dann, wenn es für sie im Hinblick auf den weiträumigen Verkehr keinerlei nach-
vollziehbaren Bedarf gäbe. Dass der prognostizierte Anteil des weiträumigen
Verkehrs auf einer geplanten Bundesstraße stark hinter dem lokalen Verkehrs-
anteil zurückbleibt, ist für Planungsabschnitte in innerstädtischen oder stadtna-
hen Lagen nicht untypisch und besagt nichts über eine evident unsachliche Be-
darfsfeststellung. Dies folgt schon aus der zweiten Alternative des § 1 Abs. 1
Satz 1 FStrG, die nicht auf das tatsächliche weiträumig ausgerichtete Ver-
kehrsaufkommen und seinen Anteil an der Gesamtbelastung der Straße, son-
dern auf die der Straße zugedachte Verkehrsfunktion abstellt. Aus diesem
Grund sind generalisierende Angaben darüber, ab welcher absoluten oder rela-
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tiven Größenordnung ein weiträumig ausgerichtetes Verkehrsaufkommen als
sachliche Rechtfertigung für den Bau oder die Verlegung eines Straßenab-
schnitts anzuerkennen ist, nicht möglich. Solchen Angaben stände außerdem
entgegen, dass die Verkehrsanteile von Abschnitt zu Abschnitt schwanken
können, die Bedarfsbeurteilung für die einzelnen Abschnitte aber nicht losge-
löst von der Verkehrsfunktion der Straße als ganzer erfolgen kann.
Diese Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht seiner Prüfung zugrunde
gelegt. Ob es sie zutreffend angewandt hat - woran nach Auffassung des Se-
nats keine begründeten Zweifel bestehen -, ist eine Frage des Einzelfalls, die
der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung verleiht.
Im Zusammenhang mit der vorgenannten Frage will die Beschwerde außerdem
die Frage geklärt wissen:
„Ist ein die Planrechtfertigung als Bundesstraße begrün-
dender Bedarf für den Neubau zur Verlegung eines inner-
städtischen Teilstücks einer Bundesstraße auch dann er-
füllt, wenn das neue Teilstück so ausgestaltet wird, dass
es den rechtlichen Charakter einer Ortsdurchfahrt hat?“
Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie tat-
sächliche Umstände voraussetzt, die das Oberverwaltungsgericht nicht festge-
stellt hat. Zur Qualifizierung des Teilstücks einer Bundesstraße als Ortsdurch-
fahrt reicht es nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG nicht aus, dass der betreffende
Straßenabschnitt der mehrfachen Verknüpfung des Ortsstraßennetzes dient.
Weitere notwendige Voraussetzung ist die Führung des Straßenteils durch die
geschlossene Ortslage. Tatsächliche Feststellungen, aufgrund deren diese
Voraussetzung bejaht werden könnte, hat die Vorinstanz nicht getroffen. Au-
ßerdem ist nicht dargetan, warum die Einordnung als Ortsdurchfahrt die Ver-
bindlichkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung in Frage stellen sollte.
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b) Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache auch nicht bezogen auf die
Auslegung des § 2 Abs. 1 EKrG, dem zufolge neue Kreuzungen von Eisenbah-
nen mit Straßen, die zur Aufnahme allgemeinen Kraftfahrzeugverkehrs geeig-
net und bestimmt sind, als Überführungen herzustellen sind. Die Beschwerde
wirft dazu die Rechtsfrage auf:
„Handelt es sich bei § 2 Abs. 1 EKrG um eine drittschüt-
zende Vorschrift zu Gunsten der künftigen Benutzer der
Kreuzung?“
Diese Frage vermag die Revisionszulassung nicht zu rechtfertigen, weil sie be-
reits geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 19. März
1997 (BVerwG 11 B 102.96 - Buchholz 407.2 § 2 EKrG Nr. 1) unter Rückgriff
auf frühere Rechtsprechung zum Schutznormcharakter gesetzlicher Vorschrif-
ten die drittschützende Wirkung des § 2 Abs. 1 EKrG verneint. Die Bestimmung
diene dem Ziel, im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs hö-
hengleiche Bahnübergänge bei der Anlegung neuer Kreuzungen von vornher-
ein zu vermeiden; die Pflicht zum Bau von Überführungen knüpfe also nicht an
ein konkretes Sicherheitsdefizit eines Bahnübergangs und an besondere Ge-
fahren für einen bestimmten Personenkreis an, sondern bezwecke im öffentli-
chen Interesse eine generelle Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in Fällen,
in denen ohnehin eine neue Kreuzung gebaut werde. Die Beschwerdebegrün-
dung gibt keinen Anlass, diese Auslegung in Frage zu stellen und der Klärung
in einem Revisionsverfahren zuzuführen. Namentlich trifft es nicht zu, dass
- wie von der Beschwerde geltend gemacht - das dargestellte Verständnis des
§ 2 Abs. 1 EKrG in Widerspruch zum Beschluss des Bundesverwaltungsge-
richts vom 3. Juli 1986 (BVerwG 7 B 141.85 - Buchholz 442.151 § 45 StVO
Nr. 17) stünde, in dem § 45 Abs. 1 StVO insoweit drittschützende Wirkung zu-
erkannt worden ist, als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne dieser
Norm das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG)
und das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) als Schutzgüter umfasst. § 45 Abs. 1
StVO unterscheidet sich grundlegend von § 2 Abs. 1 EKrG dadurch, dass er an
eine konkrete Gefahrenlage anknüpft und insofern eine Schutzfunktion zuguns-
ten der Grundrechte Betroffener wahrnimmt. § 2 Abs. 1 EKrG beruht demge-
genüber auf dem Gedanken vorsorgender Risikovermeidung. Die Verpflichtung
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zur planfreien Kreuzungsgestaltung kann deshalb nicht als Ausformung grund-
rechtlicher Schutzpflichten verstanden werden. Dies gilt umso mehr, als das
Eisenbahnkreuzungsgesetz in erster Linie dem Zweck dient, die Rechte und
Pflichten der an einer Eisenbahnkreuzung Beteiligten gegeneinander abzu-
grenzen und zu regeln (vgl. Marschall/Schweinsberg, Eisenbahnkreuzungsge-
setz, 5. Aufl. 2000, § 3 EKrG Rn. 1.4).
Ein Klärungsbedarf besteht ebenso wenig für die folgende Frage, die auf einen
im Vergleich zur vorbehandelten Fragestellung engeren Personenkreis abstellt
und speziell die Klagebefugnis thematisiert:
„Handelt es sich bei § 2 Abs. 1 EKrG um eine drittschüt-
zende Vorschrift, die jedenfalls denjenigen Personen eine
Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO vermittelt,
die als Eigentümer und Bewohner eines im Quell- und
Zielbereich der neuen Straße und der Eisenbahnlinie ge-
legenen Grundstücks in gesteigertem Maß auf die Benut-
zung der Kreuzung angewiesen sind?“
Auf diese Frage lässt sich eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht
stützen, weil die Frage sich so in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht
stellen würde. Die Vorinstanz hat die Klagebefugnis des Klägers unabhängig
von der Auslegung des § 2 Abs. 1 EKrG zugrunde gelegt; die Auslegung dieser
Vorschrift hat Bedeutung daher ausschließlich im Rahmen der Sachprüfung
unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses einer Verletzung eigener Rechte
(§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Sollte die Beschwerde auch unabhängig von dem Aspekt der Klagebefugnis
eine Klärung der drittschützenden Wirkung des § 2 Abs. 1 EKrG für den mit der
Frage eingegrenzten Personenkreis erreichen wollen, erübrigt sich insoweit
ebenfalls die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Überlegungen, die
zur Verneinung des Drittschutzes der Norm führen, beruhen nicht auf dem Feh-
len einer engen räumlichen Beziehung zwischen Kreuzung und Planbetroffe-
nem. Sie gelten deshalb auch für solche Betroffene, die in gesteigertem Maße
auf die Benutzung der Kreuzung angewiesen sind.
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c) Die Beschwerde wirft weiterhin die folgende Rechtsfrage auf:
„Ist bei einem Kläger, der nicht enteignungsbetroffen ist,
dem Anspruch auf gerechte Abwägung seiner Belange in
einer gerichtlich nicht zu beanstandenden Weise Genüge
getan, wenn nur die für das Vorhaben sprechenden öf-
fentlichen Belange seinen eigenen Belangen gegenüber-
gestellt werden, ohne dass eine Saldierung mit gegen das
Vorhaben sprechenden öffentlichen Belangen stattfindet?“
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie ohne Weite-
res anhand des Gesetzes und bereits vorliegender Rechtsprechung beantwor-
tet werden kann.
In ständiger Rechtsprechung vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffas-
sung, dass der nur mittelbar von einem Planvorhaben Betroffene lediglich eine
eingeschränkte gerichtliche Überprüfung der planerischen Abwägung verlangen
kann (grundlegend Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 -
BVerwGE 48, 56 <65 ff.>). Das aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot
folgende Recht auf gerechte Abwägung bezieht sich auf die eigenen Belange
des Betroffenen. Dieser hat einen Anspruch auf ordnungsgemäße Abwägung
seiner Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen; er hat indes keinen
Anspruch darauf, dass die Planung insgesamt und in jeder Hinsicht auf einer
fehlerfreien Abwägung beruht. Dementsprechend kann er eine gerichtliche Ab-
wägungskontrolle lediglich hinsichtlich seiner eigenen Belange und - wegen der
insoweit bestehenden Wechselbeziehung (vgl. Urteile vom 14. Februar 1975
a.a.O. S. 66 und vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125,
116 <205>) - der ihnen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Be-
lange verlangen. Ob andere gegen das Vorhaben sprechende Belange ord-
nungsgemäß berücksichtigt worden sind, ist demgegenüber angesichts der
grundsätzlichen Ausrichtung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auf
den Schutz subjektiv-rechtlicher Rechtspositionen (§ 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1
Satz 1 VwGO) nicht Gegenstand der gerichtlichen Abwägungskontrolle. Eine
gewisse Ausdehnung mag die Kontrolle lediglich in der Weise erfahren, dass
gleichgerichtete Interessen wie z.B. die Lärmschutzbelange benachbarter An-
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lieger, die sinnvollerweise nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen
eines Klägers gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind.
Eine Ausnahme vom Grundsatz dergestalt eingeschränkter gerichtlicher Abwä-
gungskontrolle gilt allein für den durch die Planung unmittelbar in seinem Ei-
gentumsrecht Betroffenen
.
lungsbeschluss nur dann mit enteignender Vorwirkung zugegriffen werden,
wenn dies zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist (Art. 14 Abs. 3 GG). Da
rechtswidriges Handeln dem Gemeinwohl nicht zu dienen vermag, braucht der
unmittelbar betroffene Eigentümer nur eine in jeder Hinsicht rechtmäßige Ent-
eignung hinzunehmen und kann dementsprechend eine gerichtliche Vollprü-
fung des mit enteignender Vorwirkung ausgestatteten Planfeststellungsbe-
schlusses verlangen (vgl. Urteil vom 18. März 1983 - BVerwG 4 C 80.79 -
BVerwGE 67, 74 <76 f.>).
Gegenüber dieser Rechtsprechung kann - wie das Bundesverwaltungsgericht
bereits in seinem Urteil vom 14. Februar 1975 (a.a.O. S. 67 f.) ausgeführt hat -
nicht eingewendet werden, sie lasse den Abwägungsanspruch des mittelbar
Betroffenen leer laufen. Zum einen trifft es nicht zu, dass sich öffentliche Be-
lange wegen ihrer Ausrichtung auf das Gemeinwohl stets und in jedem Pla-
nungsdetail gegenüber nachteilig berührten privaten Belangen durchsetzen.
Zum anderen gewährleisten die Schutz- und Ausgleichsregelungen des § 74
Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG, dass im Widerstreit mit den für das Vorhaben spre-
chenden Belangen die privaten Belange eines Betroffenen nicht uneinge-
schränkt zurückgesetzt werden können.
Hiervon ausgehend ist im Rahmen der auf Veranlassung eines mittelbar Betrof-
fenen stattfindenden gerichtlichen Abwägungskontrolle kein Raum für die von
der Beschwerde geforderte Saldierung. In der Sache wäre es kein wesentlicher
Unterschied, ob der Betroffene Abwägungsfehler, die gegen das Vorhaben
sprechende fremde Belange betreffen, in gleicher Weise wie Abwägungsfehler
hinsichtlich seiner eigenen nachteilig betroffenen Belange gegen das Vorhaben
ins Feld führen könnte oder ob die erstgenannten Abwägungsfehler dergestalt
zu berücksichtigen wären, dass sie das Gewicht der für das Vorhaben streiten-
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den Belange relativierten. Mit der Saldierung würde daher dem Betroffenen
gleichsam durch die Hintertür ein Anspruch auf eine volle Abwägungskontrolle
gewährt. Dies wäre mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen
zum Kontrollumfang unvereinbar.
d) Der Beschwerde kann ferner nicht gefolgt werden, soweit sie der folgenden
Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst:
„Kann der Rechtsfehler, dass eine nach materiellem
Recht strikt zu beachtende Variante nicht in der Abwä-
gung berücksichtigt worden ist, deswegen unbeachtlich
sein, weil nicht die konkrete Möglichkeit bestanden habe,
dass die Abwägung im Sinne dieser Variante ausgefallen
wäre?“
Die Frage ist schon nicht klärungsfähig, da die Vorinstanz nicht über sie ent-
schieden hat. Das Oberverwaltungsgericht hat sich im Rahmen seiner Kontrolle
der behördlichen Alternativenprüfung auf entsprechende Rüge des Klägers mit
einer Troglösung „südlich der Eisenbahnlinie“ befasst (UA S. 29 f.). Dass diese
Alternative mit einer planfreien Kreuzung der Eisenbahnstrecke verbunden wä-
re, ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich. Dementsprechend kann auch nicht
davon ausgegangen werden, dass sie nach § 2 Abs. 1 EKrG „strikt zu beach-
ten“ und ihre Ablehnung aus wirtschaftlichen Gründen deshalb fehlerhaft war.
Soweit das angefochtene Urteil (UA S. 29) eine weiterreichende, die Bahnstre-
cke querende Troglösung anspricht, die in der Tat mit einer Bahnüberführung
verbunden wäre, handelt es sich um Ausführungen, die begründen sollen, wa-
rum sich die nähere Untersuchung einer „kleinen“ Troglösung südlich der
Bahnstrecke nicht aufdrängte, nicht aber um eine selbständige Überprüfung der
abwägenden Berücksichtigung dieser Alternative. Zu einer solchen Überprü-
fung bestand auch kein Anlass; denn der Kläger hatte ausweislich der Wieder-
gabe seiner Klagebegründung im Urteilstatbestand die weitergehende Troglö-
sung nicht zum Gegenstand seiner Rüge gemacht.
Unabhängig davon wäre die aufgeworfene Frage auch nicht klärungsbedürftig,
weil die vorinstanzlichen Überlegungen zur Erheblichkeit eines Abwägungsfeh-
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lers wegen unterbliebener Prüfung der „kleinen“ Troglösung eine bloße Hilfser-
wägung darstellen.
3. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen ebenfalls nicht
durch.
Dass das Oberverwaltungsgericht weder dem Beweisantrag des Klägers zum
überregionalen Verkehrsanteil stattgegeben noch eine Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Be-
darfsfeststellung für das streitige Vorhaben eingeholt hat, begründet keinen
Verfahrensfehler. Wie zu verfahren war, bestimmt sich nach dem Rechtsstand-
punkt des Oberverwaltungsgerichts. Danach kam es weder auf die unter Be-
weis gestellte Frage an noch bestanden durchgreifende Bedenken gegen die
Verfassungsmäßigkeit der Bedarfsfeststellung.
Das Oberverwaltungsgericht hat auch keine überzogenen Anforderungen an
die Sachprüfung bei der Beurteilung der Klagebefugnis gestellt; dies schon
deshalb nicht, weil es die Klagebefugnis des Klägers unabhängig von der Aus-
legung des § 2 Abs. 1 EKrG sowie des Verständnisses des subjektiv-recht-
lichen Gehalts des planungsrechtlichen Abwägungsgebots und des Bedeu-
tungsgehalts des § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG bejaht hat.
Ebenso wenig kann die Rüge Erfolg haben, das Oberverwaltungsgericht habe
§ 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG fehlerhaft angewandt und dadurch gegen Art. 19
Abs. 4 GG verstoßen. Zum einen trifft § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG keine Rege-
lung des gerichtlichen Verfahrens, die unter dem Gesichtspunkt der Rechts-
schutzgarantie Bedeutung gewinnen könnte, zum zweiten greifen die Einwände
der Beschwerde gegen die Anwendung dieser Bestimmung - wie aus den obi-
gen Ausführungen (unter 2.d) zu der betreffenden Grundsatzrüge folgt - nicht
durch und zum dritten würde es, da das Oberverwaltungsgericht sich auf § 17
Abs. 6c Satz 1 FStrG nur mit einer Hilfserwägung bezogen hat, an dem Beru-
henserfordernis des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO fehlen.
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Wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen (unter 2.d) ergibt, treffen die
tatsächlichen Voraussetzungen, aus denen die Beschwerde einen Verstoß ge-
gen Denkgesetze ableitet, nicht zu. Die betreffende Rüge kann im Übrigen
auch deshalb nicht auf einen Verfahrensfehler führen, weil sie sich nicht auf die
Sachverhaltsermittlung, sondern auf die rechtliche Prüfung bezieht, ob ein - oh-
nehin nur im Rahmen einer Hilfserwägung unterstellter - Abwägungsfehler zu
einem Aufhebungsanspruch führt; sie hat damit keinen prozessrechtlichen Ein-
schlag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über
den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 und 3
GKG. Die Festsetzung des Streitwertes auf einen Betrag von 15 000 € ent-
spricht der ständigen Praxis des Senats in Verfahren dieser Art; sie berücksich-
tigt in erforderlichem, aber auch hinreichendem Maße das Interesse des Klä-
gers an der Abwehr der mit dem planfestgestellten Vorhaben verbundenen mit-
telbaren Beeinträchtigung seiner Belange.
Dr. Storost Dr. Nolte Domgörgen
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