Urteil des BVerwG vom 07.07.2009

BVerwG: flughafen, rechtfertigung, beweisantrag, rüge, vergleich, nacht, lärmschutz, lokal, zahl, kritik

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 72.08
OVG 20 D 13/06.AK
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. August 2008
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließ-
lich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwer-
deverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen recht-
fertigen nicht die Zulassung der Revision. Die Rechtssache hat nicht die grund-
sätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
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1.1 Die Frage,
ob bei der Ermittlung des Bedarfs … allein auf die sog.
Slot-Anmeldungen abgestellt werden darf (Beschwerde-
begründung S. 3 - 8),
entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
Ob aus der Anzahl der Slot-Anmeldungen und dem Umstand, dass in der Ver-
gangenheit Anfragen um eine Zeitnischenzuteilung für den Flughafen in den
Betriebszeiten zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr zurückgewiesen worden sind,
auf ein bestehendes, jedenfalls aber ohne Weiteres generierbares Interesse an
Luftverkehrsleistungen im Einzugsbereich eines voll koordinierten Flughafens
geschlossen werden kann (UA S. 36), hängt von den tatrichterlich zu würdi-
genden Umständen des Einzelfalls ab (Beschluss vom 1. April 2009 - BVerwG
4 B 61.08 - juris Rn. 12). Die Klägerin, die vor allem geltend macht, es bestehe
bei einem Abstellen auf Slot-Anmeldungen die Möglichkeit der Manipulation,
zeigt denn auch keinen rechtlichen Klärungsbedarf auf, sondern wendet sich
gegen die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass das Nachfragever-
halten der Luftverkehrsunternehmen auf Rentabilitätserwägungen beruht (UA
S. 36) und auch daher kein Anlass bestand, an der Geeignetheit der Methode
zur Ermittlung des Bedarfs zu zweifeln und ein Prognosegutachten einzuholen.
Mit dem Vorwurf, diese Einschätzung sei angesichts des mit den vorgelegten
Unterlagen belegten Slot-Missbrauchs nicht mehr nachvollziehbar und wider-
sprüchlich, wird keine Grundsatzfrage dargelegt, sondern nach Art einer Beru-
fungsbegründung die Tatsachenwürdigung durch das Oberverwaltungsgericht
kritisiert.
Abgesehen davon stellt das Oberverwaltungsgericht nicht - wie in der Frage
vorausgesetzt - „allein“ auf die Anzahl der Slot-Anmeldungen ab, sondern hält
sie jedenfalls in Verbindung mit der Betrachtung der allgemeinen Entwicklung
im Luftverkehr für aussagekräftig für das Gewicht der Nachfrageinteressen (UA
S. 36 f.). Dabei hat das Oberverwaltungsgericht insbesondere den auf den kon-
kreten Einzelfall zugeschnittenen Umstand berücksichtigt, dass der Flughafen
der Beigeladenen im Verhältnis zu anderen internationalen Flughäfen bisher
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nur ganz unterproportional in der Lage war, mit der allgemeinen Luftverkehrs-
entwicklung Schritt zu halten (UA S. 33), was nicht etwa auf eine regionale
Nachfrageschwäche oder eine sonst fehlende Attraktivität, sondern auf die gel-
tenden betrieblichen Beschränkungen zurückzuführen sei (UA S. 34, 72). Da-
rüber hinaus spreche für die Validität der Annahmen des Beklagten, dass es im
Jahr 2006 erstmals seit 20 Jahren wieder deutliche Zuwachsraten im Passa-
gierbereich gegeben habe. An diese Feststellungen und ihre tatrichterliche
Würdigung wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2
VwGO gebunden.
1.2 Die Frage,
ob dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der
Bevölkerung, § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, hinreichend
Rechnung getragen wird, wenn der Übergang von der Ta-
ges- in die Nachtzeit für große dicht besiedelte Bereiche
... durch eine deutlich spürbare Mehrbelastung gegenüber
der Tagzeit geprägt ist (Beschwerdebegründung
S. 9 - 13),
beruht auf einem Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht nicht festge-
stellt hat.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts führen die
Landungen in der ersten Nachtrandstunde nicht zu einem Belastungsszenario,
das über dem der letzten Tagesstunde liegt. Da auch hier schon Landungen
das Verkehrsgeschehen dominierten, stehe nicht zu erwarten, dass die erste
Nachtstunde für Anwohner im jeweiligen Anflugsektor regelmäßig zur lautesten
Stunde unter Übertreffen des realen Tagesgeschehens werde. Es gehe um
einen räumlich umfassenden Vergleich von Verkehrsspitzen; diese sollten nicht
in der Nachtzeit liegen. Daher schade es auch nicht, dass die erste Nachtstun-
de etwa für einzelne Grundstücke im Anflugsektor belastender sein könne als
die letzte Tagesstunde (UA S. 120). Mit einem Koordinierungseckwert von 33
planbaren Landungen habe der Beklagte noch gerade die besondere Interes-
senlage beim Übergang von der letzten Tagesstunde zur ersten Nachtstunde,
d.h. vom „normalen“ Tagesgeschehen zur Nachtruhe respektiert (UA S. 121).
Eine „deutlich spürbare Mehrbelastung gegenüber der Tagzeit“ hat das Ober-
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verwaltungsgericht danach gerade nicht festgestellt. Die Klägerin räumt selbst
ein, dass die Einschätzung, der Beklagte habe noch gerade die besondere Inte-
ressenlage beim Übergang von der letzten Tagesstunde zur ersten Nachtstun-
de respektiert, dann zutreffend ist, wenn man die Flughafenumgebung insge-
samt in den Blick nimmt (Beschwerdebegründung S. 12). Sie hält das Abstellen
auf die Flughafenumgebung zwar für verfehlt. Das genügt indes nicht; darauf
bezogene Rügen hat sie nicht erhoben.
1.3 Mit der Frage,
ob sich die Rechtfertigung von Nachtflug in den sog.
Nachtrandzeiten ... auch auf den konkreten Umfang der
Erweiterung des Flugbewegungskontingents, also auf die
Anzahl der in der relevanten Nachtzeit zu rechtfertigenden
Flüge beziehen muss (Beschwerdebegründung
S. 14 - 17),
möchte die Klägerin ihre Auffassung bestätigt sehen, dass bei Erhöhung eines
Flugbewegungskontingents jeder zusätzliche Flug in den sog. Nachtrandzeiten
der Rechtfertigung bedarf und es daher - wie mit der Aufklärungsrüge geltend
gemacht (Beschwerdebegründung S. 21 - 25) und mit Schriftsatz vom 8. Mai
2009 ergänzend erläutert wird - des Nachweises bedarf, dass gerade diejenige
Anzahl an Flügen, um die das Flugbewegungskontingent ausgedehnt werden
soll, nicht mehr in den Tagesstunden abgewickelt werden kann. Dass diese
Auffassung nicht zutrifft, ergibt sich ohne Weiteres auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Senats.
Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, hat der Senat seine Rechtsprechung
zur gerichtlichen Überprüfung von Flugbetriebszeiten in Richtung auf eine stär-
ker bedarfsspezifische Abwägungskontrolle präzisiert und weitere Gewich-
tungsvorgaben zur Bewältigung des Konflikts zwischen Nachtflugbetrieb und
nächtlichem Lärmschutz der Anwohner aufgestellt (Urteile vom 16. März 2006
- BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 280 bis 288 - Flughafen Berlin-
Schönefeld, vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95
Rn. 67 bis 74 - Flughafen Leipzig/Halle I, vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A
3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 39 - Flughafen Leipzig/Halle II und vom
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16. Oktober 2008 - BVerwG 4 C 5.07 -
stimmt> juris Rn. 51 - Flughafen Niederrhein). Danach besitzt der Lärmschutz
in den Nachtrandstunden (22:00 Uhr bis 24:00 Uhr, 5:00 Uhr bis 6:00 Uhr) nicht
dasselbe hohe Gewicht wie der Lärmschutz in der Nachtkernzeit. Die Nacht-
randstunden dürfen dem Flugverkehr geöffnet werden, wenn plausibel nach-
gewiesen wird, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes
Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesrandstunden abgewi-
ckelt werden kann. Ein pauschaler Hinweis auf einen nicht näher dargelegten
Verkehrsbedarf würde den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht gerecht
werden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 287). Ob Nachtflugbewegungen
„ohne Not“ (Urteil vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261,
272 f.) auf die Nacht verteilt werden, ist - entgegen der Auffassung der Kläge-
rin - nicht für jeden einzelnen Flug zu prüfen. Wie auch die in der Rechtspre-
chung des Senats angeführten Beispiele zeigen, geht es um die Gewichtung
eines nach allgemeinen Kriterien bestimmten Verkehrsbedarfs (Urteil vom
24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 61). Maßgeblich ist allein, ob für die - im vorliegenden
Fall über die Anzahl der zugewiesenen Slots bestimmte - betriebliche Erweite-
rung ein verlässlich prognostizierter aktueller oder künftiger Bedarf besteht und
dieser Bedarf einem Verkehrssegment entspricht, das im Sinne der in der
Rechtsprechung angeführten Beispiele die sachliche Rechtfertigung für eine
Nutzung der Nachtrandstunde in sich trägt. Diese Grundsätze hat das Ober-
verwaltungsgericht bei der Überprüfung der Erhöhung der Zahl der zulässigen
Landungen in der ersten Nachtrandstunde zugrunde gelegt (UA S. 81 f.) und
auf der Grundlage der vorgelegten Gutachten festgestellt, dass es für den Flug-
hafen Düsseldorf typische Marktsegmente für Spätverbindungen gibt, die die
- über die Anzahl der Slots begrenzte - Nachfrage für die erste Nachtstunde
rechtfertigen (UA S. 83 f., 93). Die Auffassung der Klägerin, eine „flugbewe-
gungsgenaue“ Ermittlung des Bedarfs sei „geradezu Kern-Bestandteil“ der Ab-
wägung, weil eine sachgerechte Abwägung ohne diese Feststellung gar nicht
möglich sei, scheint dagegen auf der Annahme zu beruhen, die Begrenzung
der Anzahl der Flüge durch Festlegung eines Flugbewegungskontingents weise
Besonderheiten auf und unterscheide sich von Lärmschutzkonzepten, die keine
solche Begrenzung zugunsten der Lärmbetroffenen enthalten. Die Festlegung
eines Flugbewegungskontingents setzt indes lediglich eine Grenze für den Fall,
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dass - wie hier (UA S. 38) - der für die Nachtrandstunde prognostizierte Bedarf,
für den sich sachliche Gründe anführen lassen, größer ist als die genehmigte
Anzahl der Landemöglichkeiten. Dass in der Vergangenheit ein bestimmtes
Lärmschutzkonzept auf der Grundlage flugbewegungsbeschränkender Rege-
lungen umgesetzt worden ist, bedeutet nicht, dass Änderungen im Rahmen
dieses Konzepts einem „gesteigerten“ Rechtfertigungsbedarf im Sinne eines
der Klägerin vorschwebenden Einzelfallnachweises unterliegen.
1.4 Auch die zwei Unterfragen zur Relevanz von Messungen (Beschwerdebe-
gründung S. 17 - 18) führen nicht zur Zulassung der Revision.
Die erste Unterfrage stellt sich nicht, weil das Oberverwaltungsgericht nicht von
einer deutlichen Unterschätzung der Lärmbelastung ausgegangen ist. Die hier-
gegen erhobene Aufklärungsrüge bleibt - wie unter 3.2 ausgeführt wird - erfolg-
los. Im Übrigen zielt die Frage ungeachtet der allgemein gehaltenen Umschrei-
bung nur auf eine Kritik an der auf den Umständen des konkreten Einzelfalls
beruhenden Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass die bei den
Messungen festgestellten Abweichungen - bis auf im Fall der Messstelle 14 -
gering sind, so dass kein Anlass bestand, an der Aussagekraft der Berechnun-
gen zu zweifeln. Dass Messergebnisse Anlass sein können, Lärmberechnun-
gen zu überprüfen, hat das Oberverwaltungsgericht gesehen (UA S. 40). Inso-
fern ist der in der Frage enthaltene Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht sei
von einer fehlenden Relevanz der Messungen ausgegangen, verfehlt. Sollte die
Klägerin mit „Relevanz der Messungen“ meinen, die festgestellten Abweichun-
gen seien „relevant“, so handelt es sich wiederum nur um eine in das Gewand
der Grundsatzrüge eingekleidete Kritik an der tatrichterlichen Würdigung der
Messergebnisse (insbes. UA S. 58 f.). Auch die zweite Unterfrage reduziert
sich auf den Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht sei von einer fehlenden Re-
levanz der Messungen ausgegangen.
2. Die Divergenzrüge genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen
gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
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Mit ihrer Divergenzrüge (Beschwerdebegründung S. 19 - 20) greift die Klägerin
ihre als Grundsatzrüge (siehe oben 1.3) erhobenen Einwände auf. Die Klägerin
erkennt selbst, dass das Oberverwaltungsgericht - wie dargelegt - seiner Ent-
scheidung die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwi-
ckelten Grundsätze zur Rechtfertigung der Nutzung der Nachtrandstunden
zugrunde gelegt hat (Beschwerdebegründung S. 19). Der Sache nach be-
schränkt sich die Beschwerde darauf, die Subsumtion des Oberverwaltungsge-
richts unter den Begriff des plausiblen Nachweises als fehlerhaft anzugreifen,
mithin einen Rechtsanwendungsfehler geltend zu machen.
3. Als Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügt die Klägerin unter
Bezugnahme auf Beweisanträge, die die Kläger des Parallelverfahrens
BVerwG 4 B 71.08 hilfsweise in der mündlichen Verhandlung vom 25. August
2008 gestellt haben, eine Verletzung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung.
Auch diese Rügen führen nicht zur Zulassung der Revision.
3.1 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Nutzung der ersten
Nachtrandstunde einen allgemeinen Bedarfsnachweis genügen lassen und
nicht geklärt, wie viele Flüge nicht innerhalb der Tagesstunden abgewickelt
werden können (Beschwerdebegründung S. 21 - 25), beruht - wie die Grund-
satzrüge unter 1.3 - auf der Annahme, dass bei Erhöhung eines Flugbewe-
gungskontingents jeder zusätzliche Flug in den sog. Nachtrandzeiten der
Rechtfertigung bedarf. Wie die Klägerin selbst ausführt, kommt es für die Fra-
ge, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, auf den materiellrechtlichen Standpunkt
der angegriffenen Entscheidung an. Nach Auffassung des Oberverwaltungsge-
richts ist für einen plausiblen Nachweis maßgeblich, ob ein bestimmter Ver-
kehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend inner-
halb der Tagesrandstunden abgewickelt werden kann. Entscheidend sei eine
Gesamtbetrachtung der Parameter (UA S. 87). Die Klägerin zeigt nicht auf,
dass es auf der Grundlage dieser Auffassung der behaupteten Aufklärung be-
durft hätte; sie wiederholt vielmehr nur ihre im Rahmen der Grundsatzrüge er-
hobenen Einwände nun eingekleidet als Verfahrensrüge.
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Soweit die Klägerin die vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten und als
methodisch verwertbar angesehenen Gutachten angreift und zur Begründung
ausführt, dass darin nur Überlegungen zur allgemeinen Bedarfsermittlung an-
gestellt worden seien (Beschwerdebegründung S. 22), trifft dieser Vorwurf nicht
zu. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts enthalten die auf unterschiedliche Analysemethoden ge-
stützten Gutachten speziell auf die Verkehrsentwicklung für die erste Nacht-
stunde bezogene Feststellungen und Schlussfolgerungen (UA S. 86 - 88).
Dass die Gutachten ihrerseits auf einer fehlerhaften Tatsachengrundlage beru-
hen, legt die Klägerin nicht dar.
Soweit die Klägerin auf den Beweisantrag zu 2 verweist (Beschwerdebegrün-
dung S. 23), beachtet sie nicht, dass das Oberverwaltungsgericht die unter
Beweis gestellten Behauptungen nicht in Frage gestellt, sie aber für nicht aus-
sagekräftig hinsichtlich der aktuellen Nachfragesituation angesehen hat (UA
S. 34). Welche Schlussfolgerungen aus einem statistisch signifikanten Trend
zu ziehen sind, ist keine Frage des Verfahrensrechts.
Die Rüge zum Beweisantrag zu 3 (Beschwerdebegründung S. 24) greift nicht,
weil das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich der Ge-
schäftsführer der Beigeladenen so geäußert hat wie im Protokoll der Sitzung
festgehalten ist (UA S. 36). Auch in diesem Fall zielen die Einwände der Kläge-
rin nur darauf, die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, aus Slot-
Anmeldungen könne auf das Nachfrageinteresse geschlossen werden, als
falsch anzugreifen.
3.2 Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht sei der Frage nicht nachgegangen,
wie hoch die Fluglärmbelastung tatsächlich sei, und zu deren Begründung auf
die Beweisanträge zu 1, 11, 12 und 13 Bezug genommen wird (Beschwerde-
begründung S. 25 - 32), bleibt erfolglos.
Mit dem Einwand, ein Vergleich zwischen den berechneten und gemessenen
Werten zeige, dass mit den zugrunde gelegten Berechnungen die Fluglärmbe-
lastung grob unterschätzt worden sei, werden methodische Mängel des Be-
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rechnungsverfahrens anhand der AzB99, die Anlass für eine weitere Sachver-
haltsaufklärung gegeben hätten, nicht aufgezeigt. Methodische Mängel eines
Gutachtens lassen sich nicht mit einem Verweis auf Messergebnisse bzw.
Lärmparameter begründen, die einem andersartigen Ansatz folgen, als die der
Entscheidung zugrunde gelegten gutachterlichen Berechnungen. Es bedarf
vielmehr der Darlegung, dass das Gutachten in sich, d.h. unter Zugrundele-
gung des dortigen methodischen Ansatzes widersprüchlich ist, oder dass sich
aus dem Gutachten selbst Zweifel an der Sachkunde oder Unabhängigkeit des
Gutachters ergeben oder dass es sich um besonders schwierige Fachfragen
handelt, die ein spezielles, bei den bisherigen Gutachtern nicht vorausgesetz-
tes Fachwissen erfordern (Beschluss vom 14. Mai 2008 - BVerwG 4 B 45.07 -
juris Rn. 17). Solche Mängel werden nicht aufgezeigt.
Dass das Berechnungsverfahren nach der AzB99 für Genehmigungen, Plan-
feststellungen oder Plangenehmigungen, die - wie hier - bis zum 6. Juni 2007,
also vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Flug-
lärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 1. Juni 2007 (BGBl I S. 986), erteilt
worden sind, eine geeignete Methode zur Erfassung der Lärmbelastung dar-
stellt (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116
Rn. 345 f.; Beschluss vom 14. Mai 2008 - BVerwG 4 B 43.07 - Rn. 4), stellt die
Klägerin - ungeachtet ihrer missverständlich formulierten Einwände (Beschwer-
debegründung S. 27) - nicht in Frage. Dass das Berechnungsverfahren auch
Schwächen aufweist (UA S. 44, 45, 114 f., 126) und Messergebnisse Anlass
sein können zu überprüfen, ob die Berechnung Mängel aufweist (UA S. 40), hat
das Oberverwaltungsgericht gesehen (vgl. auch die gerichtlichen Hinweise mit
Verfügung vom 3. April 2007 - GA Bl. 319). Es hat sich mit den Abweichungen
der Messungen insbesondere an der Messstelle 14 (UA S. 44, 58 f., 63, 114)
wie auch an anderen Messstellen (UA S. 58 ff, 61, 116 f.) auseinandergesetzt
und festgestellt, dass die Abweichungen - abgesehen von den Besonderheiten
an der Messstelle 14 - gering und ohne Aussagewert (MP 13 - UA S. 58) bzw.
in ihren tatsächlichen Auswirkungen marginal seien (MP 1, 2 und 4 - UA
S. 58 f.) bzw. keine gewichtige Diskrepanz bestehe, die den Schluss auf ein
Versagen der Berechnungen erlaube (MP 11 - UA S. 62). Soweit die Klägerin
die Feststellungen zur Messstelle 13 angreift (Beschwerdebegründung S. 27),
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scheint sie auszublenden, dass sich die erhöhten Werte daraus ergeben, dass
der Messpunkt 13 im März 2004 verlegt worden ist, was bei den lärmtechni-
schen Berechnungen noch nicht berücksichtigt worden war (UA S. 58, 59 f.).
Die Überschreitungen an der Messstelle 13 hat das Oberverwaltungsgericht mit
Blick auf die Vergleichsberechnungen für den neuen Messstellenstandort ge-
würdigt und diesbezüglich methodische Fehler der Berechnungen angesichts
der relativen Aussagekraft von Messungen und Berechnungen verneint (UA
S. 59), mithin auch in diesem Fall - anders als an der Messstelle 14 - eine sig-
nifikante Abweichung verneint. Mit ihren Angriffen, die mit dem in Bezug ge-
nommenen Schriftsatz vom 8. Mai 2009 im Verfahren BVerwG 4 B 71.08 ver-
tieft werden, beschränkt sich die Klägerin letztlich nur darauf, aus den Messun-
gen andere Schlussfolgerungen zu ziehen und zu behaupten, es handele sich
um signifikante Abweichungen. Der behauptete Aufklärungsmangel wird damit
nicht aufgezeigt.
Soweit die Klägerin die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts als unzutref-
fend angreift, dass für die Nacht - auch was die Dimensionierung der Kurven
angeht - von einer Überschätzung des Lärmgeschehens auszugehen sei (Be-
schwerdebegründung S. 27), nimmt sie offensichtlich die Begründung, dass die
bisherigen Betrachtungen von einer höheren Zahl zulässiger Bewegungen und
lauterem Fluggerät ausgingen (UA S. 55) und die Dimensionierung der Nacht-
schutzzonen nach der ursprünglichen Fassung des angefochtenen Bescheids
erfolgt ist (UA S. 45), nicht zur Kenntnis.
Mit den Darlegungen der Klägerin, die in den Vorwurf münden, die Ausführun-
gen des Oberverwaltungsgerichts, dass kein Anlass für Modifikationen etwa in
Form eines allgemeinen Aufschlages bestanden habe (UA S. 44, 128), seien
unverständlich (Beschwerdebegründung S. 28), wird ebenfalls kein Umstand
aufgezeigt, der dem Gericht Anlass gegeben hätte, die Methodik und damit die
Aussagekraft der Berechnungen in Frage zu stellen. Nach den Feststellungen
des Oberverwaltungsgerichts erklären sich die Abweichungen hinsichtlich der
Messstelle 14 mit lokal begrenzten, flugverfahrensbedingten Einflussfaktoren;
andere Einflussfaktoren würden nach den plausiblen Ausführungen des Sach-
verständigen ausscheiden. Dabei handele es sich um bekannte Phänomene,
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die aus fachwissenschaftlicher Sicht keine pauschale Beaufschlagung rechtfer-
tigten (UA S. 44). Abgesehen davon, dass die Klägerin auf Abweichungen - im
Südwesten des Flughafens - verweist (Beschwerdebegründung S. 28), die das
Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat, fehlt es an der Darlegung, dass
lokal begrenzte Besonderheiten aus fachwissenschaftlicher Sicht Anlass zur
Überprüfung der Tauglichkeit der gewählten Berechnungsmethode hätten sein
müssen.
3.3 Die Rügen, mit denen die Klägerin Aufklärungsmängel wegen Fehler hin-
sichtlich der Eingabedaten und der Lärmberechnungen geltend macht (Be-
schwerdebegründung S. 32 - 37), genügen ebenfalls nicht den Darlegungsan-
forderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Rüge, entsprechend dem Beweisantrag zu 10 habe aufgeklärt werden
müssen, dass keines der zugrunde gelegten Datenerfassungssysteme (DES)
und Fluglärmberechnungen von einer Vollauslastung von 131 000 Flugbewe-
gungen ausgehe (Beschwerdebegründung S. 32 - 33), beschränkt sich auf die
Behauptung, die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts seien falsch. Das
Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sowohl das DES 2002 als auch
das DES 2005 von der genannten Zahl der Flugbewegungen und damit von
einer Vollauslastung ausgehen (UA S. 47 f.) und in Auseinandersetzung mit
den Einwänden der Klägerin dargelegt, dass sich der von ihnen geltend ge-
machte „Verlust“ nur ergebe, wenn die Daten aus unterschiedlichen DES ent-
nommen würden. Es gehe also nicht um das Problem der Erfassung des voll-
ständigen Flugverkehrs in den jeweiligen DES, deren Eingabedaten sachge-
recht abgeleitet seien (UA S. 49), sondern um die Frage nach einer relevanten
Verkennung der Belastung über Tage (UA S. 48). Vor diesem Hintergrund ge-
nügt es nicht, die Sachverhaltsfeststellungen und -würdigung als „falsch“ an-
zugreifen. Es hätte vielmehr der Darlegung bedurft, dass es dem Oberverwal-
tungsgericht an Sachkunde fehlte, um beurteilen zu können, ob die DES sowie
die darauf beruhenden Fluglärmberechnungen von einer Vollauslastung aus-
gehen.
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Das gilt auch soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf den Beweisantrag
zu 7 geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe auf der Grundlage der
fehlerbehafteten DES die besondere Lärmbelastung in der ersten Nachtstunde
verkannt (Beschwerdebegründung S. 33 - 34). Auch hier hätte es der Darle-
gung bedurft, dass es dem Oberverwaltungsgericht an Sachkunde fehlte, um
beurteilen zu können, ob - wie das Gericht dargelegt hat - die Ausgangsdaten
für die Berechnung auf der Basis der nunmehr zugelassenen 33 Bewegungen
unter Berücksichtigung des Anteils der sonstigen nicht koordinierten Flüge
plausibel aus dem DES 2005 abgeleitet sind (UA S. 56). Soweit es um einen
Vergleich der Berechnungsergebnisse für einzelne Grundstücke unter Einstel-
lung von 30, 33 und 36 Slots geht (UA S. 94), weist das Oberverwaltungsge-
richt im Übrigen zu Recht darauf hin, dass es keiner besonderen Sachkunde
bedarf, um die vorgelegten Berechnungen zu erfassen (UA S. 57). Auch hierzu
verhält sich die Beschwerde nicht.
Mit der auf die Beweisanträge zu 8 und 9 gestützten Rüge macht die Klägerin
unter Berufung auf Messergebnisse geltend, es habe geklärt werden müssen,
ob in anderen als den sechs verkehrsreichsten Monaten eine höhere nächtliche
Fluglärmbelastung auftrete (Beschwerdebegründung S. 34 - 37). Auch diese
Einwände zielen darauf, eine Fehlerhaftigkeit der Eingabedaten zu belegen und
damit die lärmmedizinische Bewertung wegen falscher Grundlagen als metho-
denfehlerhaft anzugreifen. Das Oberverwaltungsgericht stellt indes nicht in Fra-
ge, dass es einzelne herausgegriffene Wintermonate gibt, die im konkreten
Vergleich mit einzelnen Monaten, die zu den verkehrsreichsten Monaten zäh-
len, nachts eine höhere Anzahl von Flugbewegungen aufweisen (UA S. 42). Es
stehe jedoch nicht zu erwarten, dass die Gesamtzahl der in den sechs ver-
kehrsreichsten Monaten nachts verkehrenden Flugzeuge unter der während
der übrigen Monate liege.
Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Lärmgeschehen
insgesamt, also auch für die Nacht, auf der Grundlage des Bezugszeitraums
der sechs verkehrsreichsten Monate zutreffend erfasst werde. Die Methodik sei
anerkannt; sie werde auch aus lärmmedizinischer Sicht nicht in Frage gestellt
(UA S. 42). Die bloße Behauptung, der nächtliche Fluglärm müsse lärmmedizi-
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nisch nach einer anderen Methode, nämlich unter Zugrundelegung der Monate
mit der höchsten nächtlichen Fluglärmbelastung bewertet werden (Beweisan-
trag Nr. 9), musste das Oberverwaltungsgericht nicht zur Einholung eines Sach-
verständigengutachtens veranlassen; die Behauptung ist nicht geeignet, die
Angemessenheit der den lärmmedizinischen Gutachten zugrunde liegenden
Methode in Frage zu stellen.
4. Auch die Verfahrensrügen, mit denen die Klägerin Verstöße gegen Denkge-
setze in der Sachverhaltswürdigung geltend macht (Beschwerdebegründung
S. 37 - 39), bleiben ohne Erfolg.
4.1 Bei dem Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Auswertung der
Messergebnisse gegen Denkgesetze verstoßen (Beschwerdebegründung
S. 37), argumentiert die Klägerin nicht auf der Grundlage der tatsächlichen
Feststellungen. Sie beachtet nicht, dass nach den Feststellungen des Ober-
verwaltungsgerichts nur an der Messstelle 14 eine signifikante Abweichung vor-
liegt. Sie scheint zu meinen, die festgestellten Abweichungen an anderen
Messstellen seien ebenfalls ein aussagekräftiger Beleg dafür, dass die Lärmbe-
lastung durch die Berechnungen unterschätzt worden sei. Sind die Abweichun-
gen indes - wie das Oberverwaltungsgericht dargelegt hat (UA S. 58 ff.) - mar-
ginal, fehlt es an den von der Klägerin behaupteten - mit Schriftsatz vom 8. Mai
2009 „rechnerisch“ unterlegten - Besonderheiten hinsichtlich der fünf Messstel-
len. Ob eine Abweichung als signifikant oder marginal anzusehen ist, beurteilt
sich nicht nach Grundsätzen der Logik. Der Vorwurf der Klägerin reduziert sich
auf die Behauptung, es handele sich um signifikante Abweichungen.
4.2 Soweit die Klägerin die Feststellung, dass für die Nacht - auch was die Di-
mensionierung der Kurven angeht - von einer Überschätzung des Lärmge-
schehens auszugehen sei (UA S. 55), als logisch nicht mehr vertretbar angreift
(Beschwerdebegründung S. 38), scheint sie - wie bereits im Zusammenhang
mit der Aufklärungsrüge dargelegt (oben 3.2) - nicht zu erkennen, dass das
Oberverwaltungsgericht damit auf die Berechnung der Lärmauswirkungen im
Fall der ursprünglich genehmigten 36 Flugbewegungen im Unterschied zu den
nunmehr genehmigten 33 Flugbewegungen verweist (UA S. 56). Vor diesem
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Hintergrund geht der Vorwurf, die Annahme des Oberverwaltungsgerichts sei
logisch nicht vertretbar, ins Leere.
4.3 Bei dem geltend gemachten Verstoß gegen Denkgesetze, der damit be-
gründet wird, es sei logisch ausgeschlossen, dass eine pauschale Beaufschla-
gung in dem betroffenen Bereich zu höheren Belastungen andernorts führe
(Beschwerdebegründung S. 38 - 39), scheint die Klägerin - wie der Zusatz „in
dem betroffenen Bereich“ deutlich macht - zu meinen, die Wirkung einer Be-
aufschlagung sei lokal begrenzt, während das Oberverwaltungsgericht davon
ausgeht, dass sich ein Aufschlag auch in nicht betroffenen Bereichen auswir-
ken würde (UA S. 44, 115). Ob diese Annahme richtig ist, beurteilt sich nicht
nach Grundsätzen der Logik, sondern folgt aus der angewandten Berech-
nungsmethode. Abgesehen davon fehlt es an der Darlegung der Entschei-
dungserheblichkeit, weil das Oberverwaltungsgericht - wie bereits ausgeführt
(oben 3.2) - das Fehlen eines Aufschlags nicht zum Anlass nehmen musste, an
der methodischen Tauglichkeit des Berechnungsverfahrens zu zweifeln.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
Dr. Bumke
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