Urteil des BVerwG vom 13.05.2008

BVerwG: bestimmtheit von normen, amtshandlung, gebühr, behörde, kontrolle, bestimmtheitsgrundsatz, ermessen, rechtsstaatsprinzip, rechtsgrundlage, kostenpflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 63.07
VGH 23 BV 07.835
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 2. August 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdever-
fahren wird auf 80 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet.
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Die Beschwerde vermag eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die zur
Zulassung der Revision führen könnte, nicht aufzuzeigen (1.). Der Rechtssache
kommt auch nicht die grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO),
die ihr von der Beschwerde beigemessen wird (2.).
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1. Die Beschwerde kann mit ihrer Divergenzrüge nicht durchdringen. Das Urteil
der Vorinstanz weicht nicht i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den - in der Be-
schwerdebegründung zitierten - Entscheidungen des Bundesverwaltungs-
gerichts ab. Denn dies würde voraussetzen, dass die Beschwerde einen die
Entscheidung der Vorinstanz tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, der
von einem ebensolchen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
abweicht. Das ist der Beschwerde nicht gelungen (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO).
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a) Die Beschwerde beruft sich darauf, das Bundesverwaltungsgericht habe dem
Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz bzw.
dem Gebot der Normenklarheit speziell für das Gebührenrecht Anforderungen
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entnommen, von denen die Vorinstanz abgewichen sei. So zitiert die Be-
schwerde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2006
- BVerwG 10 C 9.05 - BVerwGE 126, 222) mit der Aussage, dass der Gebüh-
renpflichtige erkennen können müsse, für welche öffentliche Leistung die Ge-
bühr erhoben werde und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührener-
hebung verfolge. Die willkürfreie Handhabung eines Gebührentatbestandes sei
danach durch nachträgliche Auslegung nur dann gewährleistet, wenn ein Ge-
bührenschuldner mit seiner Heranziehung rechnen musste, weil dies in Anwen-
dung juristischer Methoden ein vertretbares Auslegungsergebnis darstelle
(a.a.O. Rn. 30). Demgegenüber habe die Vorinstanz angenommen, dass es zur
Gebührenerhebung für die hier in Rede stehenden Überwachungsmaßnahmen
keines Gebührentatbestandes im Kostenverzeichnis bedürfe, die Gebühr viel-
mehr auf einen allgemeinen Auffangtatbestand gestützt werden könne. Mit die-
sem Vortrag wird - auch unter Berücksichtigung des weiteren Beschwerdevor-
bringens - eine Abweichung von der zuvor zitierten Aussage des Bundesverwal-
tungsgerichts nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Beschwerde räumt selbst ein, dass sich die Vorinstanz in ihrem Urteil nicht
zu den Anforderungen äußert, die unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit
und Normenklarheit an Gebührentatbestände zu stellen sind. Es mag jedoch
unterstellt werden, dass dem Urteil dennoch - wie die Beschwerde annimmt - „in
schlüssiger Weise“ ein Rechtsgrundsatz des von ihr bezeichneten Inhalts
zugrunde liegt. Denn die Vorinstanz hätte sich damit immer noch nicht in einen
Widerspruch zu der Aussage begeben, mit der die Beschwerde das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2006 (a.a.O. Rn. 30) zitiert. Es trifft
nämlich nicht zu, dass die Vorinstanz darüber hinaus - wie die Beschwerde
rügt - davon ausgegangen ist, unter Anwendung juristischer Auslegungsmetho-
den brauche für den Gebührenschuldner die Kostenpflicht nicht erkennbar zu
sein. Eine dahingehende Aussage ist dem angefochtenen Urteil nicht zu ent-
nehmen.
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Die Vorinstanz stellt zunächst darauf ab, dass der Begriff der „Amtshandlung“,
so wie er in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 Satz 3 des Kostengesetzes
vom 20. Februar 1998 - BayGVBl S. 43 - (BayKG) normiert ist, einer Auslegung
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unter Anwendung juristischer Methoden zugänglich ist. Diese Auslegung führt
nach Auffassung der Vorinstanz bei der behördlichen Verbleibkontrolle im Zuge
des privilegierten Nachweisverfahrens, die bis zum 31. Januar 2007 auf der
Grundlage des § 43 Abs. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom
27. September 1994 - BGBl I S. 2705 - (KrW-/AbfG a.F.) und des § 11 der
Nachweisverordnung vom 17. Juni 2002 - BGBl I S. 2374 - (NachwV a.F.)
zwecks Überwachung der inländischen Verbringung (vgl. § 1 Abs. 4 NachwV
a.F.) gefährlicher Abfälle gehandhabt worden ist, zu dem Ergebnis, dass eine
Gebührenpflicht ausgelöst worden ist, weil vom Gebührenschuldner jeweils
veranlasste Amtshandlungen des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz
(LfU) stattgefunden haben (UA S. 7 ff.). Dieses in Anwendung von Landesrecht
gewonnene Auslegungsergebnis ist für das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1
VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindend. Es wird von der Beschwerde ohne Erfolg mit
dem Hinweis kritisiert, die Vorinstanz hätte zur Annahme, es seien gebühren-
pflichtige Amtshandlungen des LfU erfolgt, nicht kommen dürfen, wenn sie be-
rücksichtigt hätte, dass der Gebührenschuldner keine Möglichkeit gehabt habe,
„im Vorfeld zu erkennen, ob und in welchem Umfang er eine kostenpflichtige
Amtshandlung auslöst“, weil „die Kontrolle der Nachweiserklärungen und des
Entsorgungsvorgangs ausschließlich verwaltungsintern stattfindet“. Die Vorin-
stanz ist nämlich - ebenfalls in Anwendung von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Art. 6
Abs. 1 Satz 3 BayKG - zu der weiteren Aussage gelangt, eine behördliche Tä-
tigkeit müsse, um als Amtshandlung zu gelten, nach außen gegenüber dem als
Gebührenschuldner in Anspruch zu Nehmenden unmittelbar in Erscheinung
treten (UA S. 7). Die für das Vorliegen einer Amtshandlung danach zu fordern-
de Außenwirkung liege hier aber bereits in der Kenntnis des Gebührenschuld-
ners, dass ein obligatorisches Nachweisverfahren vorgeschrieben sei, mit dem
eine ständige Kontrolle des Entsorgungsvorgangs durch die zuständige Behör-
de sichergestellt werde, so dass - wie dem Gebührenschuldner bewusst sein
müsse - sich die Tätigkeit des LfU nicht auf den formalen Akt der Entgegen-
nahme der Einzelentsorgungsnachweise beschränken könne (UA S. 9). Soweit
die Vorinstanz auch diese Aussagen dem landesrechtlichen Begriff der Amts-
handlung entnommen hat, können sie vom Revisionsgericht nicht überprüft
werden. Der Vorinstanz kann dann aber - entgegen der Ansicht der Beschwer-
de - keine Aussage des Inhalts zugeschrieben werden, für den Gebühren-
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schuldner brauche die Gebührenpflicht im Vorfeld des Nachweisverfahrens
nicht erkennbar zu sein. Die Vorinstanz geht vielmehr im Gegenteil davon aus,
dass der in § 43 Abs. 1 KrW-/AbfG a.F. genannte Personenkreis vernünftiger-
weise damit rechnen muss, dass im Nachweisverfahren eine behördliche Kon-
trolltätigkeit stattfindet, die - was dann ebenfalls erkennbar ist - gebührenpflich-
tig sein kann.
Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang die Rüge, die rechtlichen Ausfüh-
rungen der Vorinstanz zum Regelungsgehalt der Nachweisverordnung seien
falsch; es bestehe nämlich keine Pflicht der Behörde zur Kontrolle der ihr über-
sandten Nachweiserklärungen. Mit dieser Argumentation wird der Vorinstanz
eine - vermeintlich (unten 2. b) - fehlerhafte Auslegung und Anwendung des
§ 43 Abs. 1 KrW-/AbfG a.F. und des § 11 NachwV a.F. vorgehalten, nicht aber
eine Abweichung von Rechtssätzen die das Bundesverwaltungsgericht in sei-
nem Urteil vom 12. Juli 2006 (a.a.O. Rn. 30) zum Bestimmtheitsgrundsatz bzw.
zum Gebot der Normenklarheit im Bereich der Gebührenerhebung formuliert
hat.
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b) Ohne Erfolg versucht die Beschwerde eine Divergenz zu Aussagen in dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 1990 - BVerwG 8 C
73.88 - (BVerwGE 85, 300) aufzuzeigen. Zitiert wird die dortige Urteilspassage
(S. 304), wonach ein Betroffener wegen einer Überwachungsmaßnahme um
dieser Maßnahme selbst willen nur in Anspruch genommen werden könne,
wenn der Anlass der Überwachungsmaßnahme, und zwar dieser Anlass gerade
auch in seinen Kostenfolgen, aus sich abgrenzbar sei gegen die Vielzahl von
Überwachungs-, Kontroll- und Prüfungsmaßnahmen, zu denen sich der Staat
veranlasst sehe. Ohne eine Abgrenzung unter dem Blickwinkel der hinreichen-
den Bestimmtheit gesetzlicher Grundlagen fehle ein Maßstab, der die Voraus-
sicht gestatte, in welchen Fällen eine Kostenabwälzung zulässig und in welchen
Fällen sie unzulässig sei. Erst mit Hinzutreten eines Maßstabs entfalle die Mög-
lichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handha-
bung.
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Diese Rechtssätze, an die der - von der Beschwerde ebenfalls zitierte - Be-
schluss vom 21. August 1998 - BVerwG 8 B 115.98 - (Buchholz 401.8 Verwal-
tungsgebühren Nr. 33 S. 2 f.) anknüpft, stehen nicht im Widerspruch zu ab-
strakten Rechtsätzen, die dem angefochtenen Urteil zu entnehmen sind. Zur
Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die vorstehenden Ausfüh-
rungen verwiesen werden (oben 1. a).
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2. Auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Klägerin vom 26. März
2008 kommt der Rechtssache auch nicht i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grund-
sätzliche Bedeutung zu.
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a) Die Beschwerde hält zunächst die Frage für klärungsbedürftig,
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„ob im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das dar-
aus folgende Prinzip der Normenklarheit und der Be-
stimmtheit von Normen eine Gebühr für eine für den Be-
troffenen nach Inhalt und Umfang nicht erkennbare Über-
wachungsmaßnahme auf der Grundlage eines allgemei-
nen Auffangtatbestands erhoben werden darf, der lediglich
vorschreibt, dass für ‚Amtshandlungen’ eine Gebühr erho-
ben wird, und ob es sogar ausreicht, wenn sich erst aus
dem im Nachhinein erlassenen Gebührenbescheid ergibt,
dass und in welcher Höhe eine behördliche Tätigkeit eine
Gebührenschuld ausgelöst hat, oder ob bei einer entspre-
chenden Überwachungsmaßnahme die Gebührenerhe-
bung einen Gebührentatbestand in einem Gesetz oder in
einem auf gesetzlicher Grundlage erlassenen Kostenver-
zeichnis erfordert, durch den die konkret vorgenommene
Amtshandlung so beschrieben wird, dass der Gebühren-
schuldner im Vorfeld eindeutig erkennen kann, dass er mit
einer Heranziehung für die konkrete Überwachungsmaß-
nahme rechnen muss“.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie lässt sich ohne
Weiteres an Hand der Vorgaben in der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.
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In Ermangelung eines allgemeinen bundesrechtlichen Gebührenbegriffs sind
die Grenzen der gesetzgeberischen Befugnis, Amtshandlungen einer Gebüh-
renpflicht zu unterwerfen, nicht eng zu ziehen. Der Gebührengesetzgeber ver-
fügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs-
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und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leis-
tungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und
Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hi-
nausgehenden Zwecke er verfolgen will (Urteil vom 19. September 2001
- BVerwG 6 C 13.00 - BVerwGE 115, 125 <129> wie zuvor BVerfG, Beschluss
vom 12. Oktober 1994 - 1 BvL 19/90 - BVerfGE 91, 207 <223>). Das aus dem
Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Bestimmtheitsgebot hindert
den Gebührengesetzgeber nicht grundsätzlich, individuell zurechenbare öffent-
liche Leistungen, die sich keiner gesonderten Tarifstelle eines Gebührenver-
zeichnisses zuordnen lassen, in einem Auffangtatbestand mit einer Gebühr zu
belegen. So hat der Senat in seinem Urteil vom 12. Juli 2006 (a.a.O. Rn. 28 ff.),
auf dessen Aussagen sich die Beschwerde beruft, die dort anzuwendende Ta-
rifziffer, die einen derartigen Auffangtatbestand für Amtshandlungen im Rahmen
der altlastenrechtlichen Überwachung normierte, zwar als Rechtsgrundlage der
streitigen Gebührenerhebung beanstandet. Dafür war aber ausschließlich die
Erwägung maßgebend, dass es unter dem speziellen Gesichtspunkt der Nor-
menklarheit nicht hinnehmbar ist, wenn das nicht revisible Landesrecht zwar auf
der Ebene „bloßer Gespräche“ gebührenfreie Behördenkontakte anerkennt,
gleichzeitig aber andere Behördenkontakte, die ebenfalls als Gespräche statt-
fanden, bereits als Amtshandlungen einstuft und damit einer Gebührenpflicht
unterwirft, ohne die beiden Bereiche so voneinander abzugrenzen, dass für den
Gebührenschuldner in Anwendung juristischer Auslegungsmethoden noch hin-
reichend voraussehbar ist, ob der jeweilige Behördenkontakt gebührenfrei bleibt
oder nicht (a.a.O. Rn. 35).
Der Auffangtatbestand des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayKG ist in der Auslegung, die
er durch die Vorinstanz erfahren hat, unter dem genannten Aspekt der Normen-
klarheit nicht zu beanstanden. Die Beschwerde kritisiert das Fehlen einer Tarif-
stelle, die ausdrücklich besagt, dass die Überprüfungen, der die beim LfU ein-
gelieferten Nachweiserklärungen unterzogen werden, gebührenpflichtig sind.
Aus dem Fehlen einer derartigen Tarifstelle versucht sie im Umkehrschluss
herzuleiten, dass der Auffangtatbestand des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayKG zu un-
bestimmt und nicht als Rechtsgrundlage geeignet sei, um das abfallrechtliche
Nachweisverfahren in diesem Stadium mit einer Gebühr zu belegen. Der Sache
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nach läuft dies auf die Forderung hinaus, der Gebührengesetzgeber habe den
Katalog der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen abschließend zu ge-
stalten. Hierfür gibt der rechtsstaatliche Bestimmtheitsgrundsatz aber nichts
her. Die Beschwerde beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die
Auslegung des in Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayKG verwendeten Begriffs der „Amts-
handlung“ rechtliche Zweifelsfragen aufwirft und die hierzu von der Vorinstanz
entwickelte Auffassung angreifbar sei. Dieser Argumentation ist nicht zu folgen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat es bereits abgelehnt, aus dem Bestimmt-
heitsgrundsatz eine Vorgabe an den Gebührengesetzgeber abzuleiten, die be-
sagt, dass der Gebührentatbestand den Gebührenschuldner in die Lage verset-
zen muss, „ohne spezielle Rechtskenntnisse … zu erkennen, aus welchem
Grund und unter welchen Voraussetzungen er abgabenpflichtig ist“ (so aber
VGH Mannheim, Urteil vom 22. März 2001 - 2 S 2043/00 - NVwZ 2002, 211
<213>). Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung des Gebührenrechts neh-
me ihr noch nicht die verfassungsrechtlich gebotene Bestimmtheit (vgl. Urteil
vom 1. Dezember 2005 - BVerwG 10 C 4.04 - Buchholz 401.84 Benutzungsge-
bühren Nr. 100 Rn. 49 unter Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 14. März
1967 - 1 BvR 334/61 - BVerfGE 21, 209 <215>, vom 18. Mai 1988 - 2 BvR
579/84 - BVerfGE 78, 205 <212> und vom 9. November 1988 - 1 BvR 243/86 -
BVerfGE 79, 106 <120>). Der Bestimmtheitsgrundsatz verlange vom Normge-
ber lediglich, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Ei-
genart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Norm-
zweck möglich sei. Es sei dann Sache der Verwaltungsbehörden und der Ver-
waltungsgerichte, die bei der Gesetzesauslegung verbleibenden Zweifelsfragen
mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu beantworten (Urteil vom
1. Dezember 2005 a.a.O. Rn. 49 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 17. No-
vember 1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 <263>; Beschluss vom 9. August
1995 - 1 BvR 2263/94 - BVerfGE 93, 213 <238> und vom 18. Mai 2004 - 2 BvR
2374/99 - BVerfGE 110, 370 <396 f.>). Soweit die Beantwortung der Ausle-
gungsfragen „spezielle Rechtskenntnisse“ voraussetze, schließe dies nicht aus,
dass nicht zuletzt durch die sich entwickelnde Spruchpraxis der Verwaltungsge-
richte für die Gebührenschuldner eine ausreichende Vorhersehbarkeit und da-
mit Rechtssicherheit geschaffen und eine willkürliche Handhabung der behördli-
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chen Gebührenerhebung verhindert werde (Urteil vom 1. Dezember 2005
a.a.O. Rn. 50). Daran hält der Senat fest.
Hiervon ausgehend muss sich die Beschwerde entgegenhalten lassen, dass in
dem angefochtenen Urteil die beim LfU stattfindende Überprüfung eingelieferter
Nachweiserklärungen - für das Revisionsgericht bindend - als Amtshandlung
des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayKG eingestuft worden ist, ohne dass gegen die Vor-
instanz der Vorwurf zu erheben wäre, sie habe gegen anerkannte juristische
Auslegungsregeln verstoßen. Die Beschwerde kann hiergegen nicht mit Erfolg
einwenden, für den Gebührenschuldner sei die Kostenpflicht im Vorfeld des
Nachweisverfahrens nicht erkennbar gewesen, weil die Überprüfung verwal-
tungsintern ablaufe. In Anwendung juristischer Methoden stellt es ein vertretba-
res Auslegungsergebnis dar, wenn die Vorinstanz demgegenüber den Rechts-
standpunkt einnimmt, die nach Landesrecht für eine Amtshandlung zu fordern-
de Außenwirkung liege hier bereits in der Kenntnis des Gebührenschuldners,
dass für die abfallrechtliche Verbleibkontrolle ein obligatorisches Nachweisver-
fahren vorgeschrieben sei (oben 1. a).
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b) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Ausle-
gung und Anwendung des § 43 Abs. 1 KrW-/AbfG a.F. und des § 11 NachwV
a.F. rügt und es als klärungsbedürftige Frage bezeichnet,
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„ob eine Gebühr für eine Überwachungsmaßnahme unter
Beachtung des Rechtsstaatsprinzips und des daraus fol-
genden Grundsatzes der Bestimmtheit der Norm auf der
Grundlage eines allgemeinen Gebührentatbestands erho-
ben werden kann, obwohl die Behörde zur Vornahme der
zugrundeliegenden Überwachungsmaßnahme rechtlich
nicht verpflichtet war und auch hinsichtlich des Umfangs
ihrer Überwachungsmaßnahmen über ein Ermessen ver-
fügte und für den Gebührenschuldner zudem nicht er-
kennbar ist, ob und in welchem Maße die Behörde über-
wachend tätig wurde“,
rechtfertigt dies die Zulassung der Revision ebenso nicht.
Dieser Fragestellung ist - soweit hierauf eine Antwort nicht bereits der vorste-
henden Erörterung zu entnehmen ist (oben 2. a) - grundsätzliche Bedeutung
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teilweise schon deswegen nicht beizumessen, weil die Beschwerde kein Argu-
ment dafür anführt, warum sie die Auslegung von § 43 Abs. 1 KrW-/AbfG a.F.
und § 11 NachwV a.F., die von der Vorinstanz vertreten wird, in Zweifel zieht
und eine rechtliche Verpflichtung zur Kontrolle der Nachweiserklärungen ab-
lehnt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Wie der in § 43 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG
a.F. enthaltene Verweis auf § 42 Abs. 1 KrW-/AbfG a.F. verdeutlicht, sind die
Belege der zuständigen Behörde „zur Prüfung vorzulegen“ (vgl. Fluck, Kreis-
laufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Bd. 2, Grundwerk 1995, § 43
KrW-/AbfG Rn. 27). Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass diese Prü-
fung dazu dient, die Erfüllung der den Anlagenbetreibern, Einsammlern und Be-
förderern bei der Abfallverbringung obliegenden Pflichten sicherzustellen, und
daher „nicht in einem bloßen formalen Akt der Entgegennahme des Einzelent-
sorgungsnachweises bestehen kann, sondern in einer Überwachung des ge-
samten Entsorgungsvorgangs“ (UA S. 9).
Soweit die Beschwerde sich zusätzlich dagegen wendet, dass die Vorinstanz
sowohl das „Ob“ wie auch das „Wie“ der Überwachung dem Ermessen der Be-
hörde überlassen habe, ist nicht nachvollziehbar, wie sich daraus ein rechtlicher
Klärungsbedarf ergeben soll. Das angefochtene Urteil besagt ausdrücklich,
dass „lediglich die Intensität der Kontrolle im Einzelnen … dem pflichtgemäßen
Ermessen der handelnden Behörde unter Beachtung der bundesgesetzlichen
Anforderungen überlassen“ sei (UA S. 9). Wie der Kontext dieser Aussage bes-
tätigt, hat die Vorinstanz ein behördliches Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der
Kontrolle damit gerade abgelehnt. Die Beschwerde - die dies nicht übersehen
haben dürfte - hebt im Weiteren allerdings darauf ab, der Gebührenschuldner
habe, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, einen Überwachungsvorgang auszu-
lösen, an dem er darüber hinaus nicht beteiligt gewesen sei, die behördlichen
Tätigkeiten „nicht erkennen“ können. An anderer Stelle heißt es, dem Gebüh-
renschuldner werde erst bei seiner Heranziehung mitgeteilt, dass und in wel-
chem Umfang „angeblich“ eine Kontrolltätigkeit stattgefunden habe. Es ist somit
nicht auszuschließen, dass die von der Beschwerde geäußerten Zweifel sich in
Wirklichkeit darauf beziehen, ob und wie im Streitfall eine behördliche Kontroll-
tätigkeit ausgeübt worden ist. Sollte dies zutreffen, ist der Beschwerde entge-
genzuhalten, dass diese Frage in einem Revisionsverfahren mangels einer
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diesbezüglichen Verfahrensrüge (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht geklärt
werden könnte.
Grundsätzliche Bedeutung kann im Übrigen nur solchen Rechtsfragen zukom-
men, die sich in einem Revisionsverfahren voraussichtlich stellen würden. Dar-
an fehlt es, wenn die Vorinstanz Tatsachen, die vorliegen müssten, damit sich
die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angesprochene Rechtsfrage in einem
Revisionsverfahren stellen würde, nicht festgestellt hat (vgl. etwa Beschluss
vom 30. Juni 1992 - BVerwG 5 B 99.92 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 309
S. 43). So liegt der vorliegende Fall. Denn die Vorinstanz hat zum einen - für
den Senat bindend (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) - festgestellt, dass hier eine be-
hördliche Kontrolltätigkeit stattgefunden hat. Zur Intensität der Kontrollen hat die
Vorinstanz dagegen keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, weil sie an-
gesichts der geringen Gebührenhöhe keine Anhaltspunkte dafür gesehen hat,
die Angemessenheit der Gebührenbemessung zu bezweifeln, zumal die Kläge-
rin dazu substantiiert nichts vorgetragen hatte (UA S. 10). Was die von der Be-
schwerde in diesem Zusammenhang erneut thematisierte Erkennbarkeit der
Kontrolltätigkeit angeht, sieht der Senat darin eine Rechtsfrage, die dem nicht
revisiblen Landesrecht zuzuordnen ist (oben 1. a).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfest-
setzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
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Dr. Storost Vallendar Prof. Dr. Rubel