Urteil des BVerfG vom 29.05.2006

BVerfG: verfassungsbeschwerde, prozessstandschaft, verbandsklage, beschwerdebefugnis, verbraucher, lebensversicherung, versicherungsnehmer, rechtsschutz, zugang, agb

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1080/01 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des B... e.V.,
vertreten durch den Vorstand,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwältin Dr. Astrid Wallrabenstein,
Prälat-Diehl-Straße 17, 64285 Darmstadt -
gegen
a)
das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00 -,
b)
das Endurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 29. Februar 2000 -
3 U 3127/99 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und den Richter Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I
S. 1473) am 29. Mai 2006 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
1
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Abweisung einer unter anderem gegen die Verwendung einer
bestimmten Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Lebensversicherung gerichteten
Verbandsklage.
A.
I.
2
Der Beschwerdeführer und Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein gemeinnütziger Verbraucherschutzverein auf dem
Gebiet des Versicherungswesens. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) ist eine deutsche
Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft.
3
Der Beschwerdeführer erhob gemäß § 13 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz, im Folgenden: AGBG a.F.) in der Rolle als Verband Unterlassungsklage gegen
die Beklagte hinsichtlich mehrerer Regelungen ihrer Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende
Lebensversicherung (im Folgenden: ALB), unter anderem § 17 Abs. 1 bis 4 ALB. Diese Regelung befasst sich mit der
Überschussbeteiligung der Versicherten im Bereich der Lebensversicherung.
4
Die Klage blieb vor dem Landgericht insgesamt ohne Erfolg (LG Nürnberg-Fürth, VersR 1999, S. 1092 ff.). Die
Berufung wurde durch das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen (OLG Nürnberg, VersR 2000,
S. 713 ff.). Im Revisionsverfahren schränkte der Beschwerdeführer seinen Klageantrag ein. Hinsichtlich des § 17 der
Allgemeinen Vertragsbedingungen konzentrierte er das Unterlassungsbegehren auf dessen Absätze 1 und 2 sowie die
Sätze 2 und 3 von Absatz 3 und Satz 3 von Absatz 4.
5
Zur Begründung seiner Revision brachte der Beschwerdeführer vor, die angegriffenen Regelungen gäben keinen
Aufschluss über die Grundlagen der Überschussermittlung. Die Überschussmasse werde nicht nachprüfbar und
manipulationsfrei festgelegt und der Versicherungsnehmer könne einen bestimmten, jährlich nachprüfbaren Anspruch
nicht feststellen. Die Klausel verstoße daher gegen § 9 AGBG a.F.
6
Die Revision, die hinsichtlich anderer von der Beklagten verwendeter Klauseln erfolgreich war, blieb hinsichtlich der
vom Beschwerdeführer angegriffenen Klauseln aus § 17 ALB ohne Erfolg (vgl. BGHZ 147, 354 <369 ff.>).
II.
7
Die Verfassungsbeschwerde rügt eine Verletzung von Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Satz 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG
8
1. a) Der Beschwerdeführer legt dar, er sei auf Grund seines Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der behaupteten Verletzung von
Verfassungsrecht durch die Fachgerichte befugt. Ein Recht auf Verbandsklage lasse sich aus der Grundrechtsnorm
zwar nicht herleiten. Da jedoch die einfachrechtlichen Maßstäbe für die gerichtliche Geltendmachung des im Wege der
Verbandsklage nach § 13 AGBG a.F. erhobenen Unterlassungsanspruchs identisch seien mit denen, die die Gerichte
im Rahmen eines Individualprozesses über die Wirkung allgemeiner Geschäftsbedingungen anzulegen hätten, müsse
dem Beschwerdeführer die Rüge der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die fachgerichtliche Auslegung
und Anwendung des einfachen Rechts ebenso möglich sein wie dem Individualkläger. Aus Art. 9 Abs. 1 GG folge in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ein Anspruch auf Gewährleistung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Gegebenenfalls
ergebe sich das Gleiche aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
9
b) Weiter vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er dürfe über die als verletzt gerügten eigenen Grundrechte
hinaus auch die Grundrechte seiner Mitglieder sowie der sonstigen Verbraucher geltend machen. Dies ergebe sich aus
den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen (Verweis auf BVerfGE 77, 263 <268 ff.>). Ähnlich wie
im dort entschiedenen Fall könnten die Rechte der Verbraucher vorliegend nur auf dem Weg über eine Verbandsklage
durchgesetzt werden. Wollte man dem Verband die Verfassungsbeschwerde unter Berufung auf Grundrechte der
Verbraucher versagen, wäre die verfassungsgerichtliche Kontrolle von gerichtlichen Entscheidungen in diesem
Bereich faktisch ausgeschlossen.
10
2. Zur Begründetheit führt der Beschwerdeführer unter anderem aus, der Bundesgerichtshof habe dadurch, dass er
eine rechtliche Überprüfung der Wirkungen der Grundrechte auf die vertragliche Inhaltskontrolle nicht vorgenommen
habe, das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers nicht in Erwägung gezogen und so gegen das Recht aus
Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Darüber hinaus macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf den
gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof
geltend. Aus dem Gebiet des Gemeinschaftsrechts seien mehrere Fragen entscheidungserheblich gewesen, zu denen
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vorliege.
III.
11
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, die Beklagte sowie
der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Stellung genommen.
B.
12
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
13
Annahmegründe im Sinne des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Auch ist die Annahme nicht zur Durchsetzung der als verletzt
gerügten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat;
sie ist überwiegend unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
14
Die Verfassungsbeschwerde ist nur zum Teil zulässig.
15
1. Zulässig sind die Rügen der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Insoweit bezieht
sich die Verfassungsbeschwerde auf eigene grundrechtsgleiche Rechte des Beschwerdeführers.
16
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt ist.
Der Beschwerdeführer kann als Verbraucherschutzverein mit der an die Erfolglosigkeit seiner Verbandsklage
anknüpfenden Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Grundrechten Dritter, hier die der Versicherungsnehmer,
nicht rügen.
17
a) Die grundgesetzliche Garantie effektiven Rechtsschutzes umfasst den Zugang zu den Gerichten, die Prüfung des
Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren sowie die verbindliche gerichtliche Entscheidung (vgl. BVerfGE 107,
395 <401>). Sie gewährleistet Rechtsschutz vor den Fachgerichten, nicht aber den Zugang zum
Bundesverfassungsgericht. Obwohl die Verfassungsbeschwerde dem individuellen Rechtsschutz dient und ein echter
Rechtsbehelf ist, gehört sie nicht zum Rechtsweg (vgl. BVerfGE 79, 365 <367>). Der Zugang zum
Bundesverfassungsgericht richtet sich verfassungsrechtlich vielmehr ausschließlich nach Art. 93 GG, hier Art. 93
Abs. 1 Nr. 4a GG.
18
Hinsichtlich der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte der Versicherungsnehmer aus Art. 2
Abs. 1 GG (Privatautonomie) sowie Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgarantie) ist der Beschwerdeführer nicht
beschwerdebefugt, weil er insoweit entgegen Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG nicht in einem "seiner"
Grundrechte verletzt ist. Voraussetzung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist, dass der Beschwerdeführer
von dem gerügten Eingriff selbst betroffen ist. Dies ist hier nicht der Fall und wird von dem Beschwerdeführer auch
nicht behauptet.
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b) Der Beschwerdeführer ist auch nicht befugt, die angebliche Verletzung der Grundrechte der Versicherten
stellvertretend für diese zu rügen. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde in gewillkürter Prozessstandschaft,
also zur Geltendmachung der Grundrechte Dritter, ist grundsätzlich unzulässig. Eine der in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts anerkannten Ausnahmesituationen liegt hier nicht vor.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Prozessstandschaft im
Verfassungsbeschwerdeverfahren ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 19, 323 <329>; 25, 256 <263>; 44, 353 <366 f.>;
56, 296 <297>; 72, 122 <131>; BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 14. März 2001 -
1 BvR 1651/94 -, NJW 2002, S. 357 f.; 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 18. Dezember 2002 -
2 BvR 367/02 -, NZS 2003, S. 205 f.). Insbesondere sind Verfassungsbeschwerden unzulässig, soweit sie von
Organisationen in Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder eingelegt werden (vgl. BVerfGE 2, 292 <294>; 11, 30
<35>; 13, 54 <89 f.>; 21, 207 <208 f.>; BVerfGK 3, 277 <282>). Dies gilt auch, wenn einer Organisation die
Interessenvertretung ihrer Mitglieder durch Gesetz zugewiesen ist (vgl. BVerfGE 10, 134 <136>). Auch der
Satzungszweck einer Vereinigung kann diese nicht zur Wahrnehmung der Grundrechte Dritter im Rahmen einer
Verfassungsbeschwerde legitimieren (vgl. BVerfGE 16, 147 <158>). Ebenso wenig führt eine im fachgerichtlichen
Verfahren zulässige Prozessstandschaft zur Beschwerdebefugnis im Verfassungsbeschwerdeverfahren (vgl. BVerfGE
31, 275 <280>).
21
bb) Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen anerkannt. Ein
solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
22
(1) In Betracht kommen allenfalls die im Beschluss vom 4. November 1987 benannten Grundsätze, auf die der
Beschwerdeführer sich auch beruft. In diesem Fall, in dem eine Verwertungsgesellschaft die ihr vom Gesetzgeber zur
Wahrnehmung zugewiesenen Vergütungsansprüche von Künstlern geltend gemacht hatte, hat das
Bundesverfassungsgericht eine Prozessstandschaft hinsichtlich der Rechte der selbst zur Durchsetzung ihrer
Vergütungsansprüche nicht berechtigten Urheber im Verfassungsbeschwerdeverfahren anerkannt, weil man
andernfalls zu dem unbilligen Ergebnis käme, dass Urteile der Zivilgerichte überhaupt nicht mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnten (vgl. BVerfGE 77, 263 <269 f.>; vgl. aber auch BVerfGE 79, 1
<19>).
23
(2) Eine vergleichbare Situation besteht vorliegend nicht.
24
Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Prozessstandschaft im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist die Frage
maßgeblich, ob der einzelne Versicherte durch den Ausschluss der Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers
hinsichtlich der Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde zum Schutz seiner eigenen Rechte schutzlos gestellt wird.
Das ist vorliegend nicht der Fall. Die fehlende Möglichkeit des Beschwerdeführers, im Interesse der Versicherten
Verfassungsbeschwerde zu erheben, beeinträchtigt nicht das Recht des einzelnen Versicherten, selbst
Verfassungsbeschwerde einzulegen, soweit er sich in Grundrechten verletzt sieht.
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(a) Es ist zwar zuzugeben, dass die Effektivität des Rechtsschutzes für die Versicherten im bisherigen Recht der
Kapitallebensversicherung auf Grenzen stößt; dies hat das Bundesverfassungsgericht veranlasst, ein
gesetzgeberisches Unterlassen festzustellen und den Gesetzgeber zu neuen Regelungen im Hinblick auf die
Überschussbeteiligung zu verpflichten (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. Juli 2005 - 1 BvR 80/95 -, NJW
2005, S. 2376 ff.). Es ist den Versicherten jedoch auch nach der bisherigen Rechtslage nicht verwehrt, in einem
Zivilrechtsstreit die Unwirksamkeit der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung geltend
zu machen. Nach Erschöpfung des Rechtswegs können sie selbst Verfassungsbeschwerde erheben, wenn sie sich
durch die Auslegung und Anwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen durch Fachgerichte in ihren Grundrechten
verletzt sehen. Einer Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers bedarf es zur Durchsetzung des
Grundrechtsschutzes der Versicherten daher nicht. Auch ein klageabweisendes Urteil gegen den Beschwerdeführer
oder einen anderen Verbraucherschutzverband hindert den einzelnen Versicherten nicht, sich im Zivilprozess auf die
Unwirksamkeit der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berufen (vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, 61. Aufl., § 21
AGBG Rn. 1; vgl. für das heute geltende Recht: Bassenge, in: Palandt, BGB, 65. Aufl., § 11 UKlaG, Rn. 1).
26
(b) Zu einer Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers hinsichtlich der Rechte der Versicherten führt auch nicht
der Umstand, dass die einzelnen Versicherten nicht nach § 13 Abs. 1 AGBG a.F (vgl. jetzt § 2 UKlaG) einen
Unterlassungsanspruch gegen den Verwender geltend machen können, da die Ansprüche auf Unterlassung und
Widerruf gemäß § 13 Abs. 2 AGBG a.F. (vgl. jetzt § 3 UKlaG) den im Gesetz bezeichneten Stellen, also
insbesondere auch Verbraucherschutzverbänden wie dem Beklagten, vorbehalten sind. Die klagenden Verbände
nehmen insoweit die Interessen aller betroffenen Verbraucher wahr, nicht die individuellen Interessen eines Einzelnen.
Dass die Verbände, wie der Beschwerdeführer darlegt, durch ein Unterlassungsurteil auch vorbeugend Rechtsschutz
erlangen können, den die Versicherten selbst so nicht gerichtlich durchsetzen können, ändert nichts daran, dass die
Verbände insoweit nicht zur Durchsetzung der subjektiven Rechte der einzelnen Versicherten tätig werden.
27
(c) Die Beschwerdebefugnis folgt vorliegend auch nicht daraus, dass den Verbraucherschutzverbänden nach § 13
Abs. 2 AGBG a.F. (vgl. jetzt § 3 UKlaG) ein eigener materiellrechtlicher Anspruch auf Unterlassung zusteht (vgl.
Greger, NJW 2000, S. 2457 <2458 und 2462 f.>), über den die einzelnen Versicherten nicht verfügen. Dieser
Anspruch ist den Verbänden einfachrechtlich im öffentlichen Interesse des Verbraucherschutzes eingeräumt worden
(vgl. dazu etwa Schmidt, NJW 2002, S. 25 <28, 30>; Schaumburg, DB 2002, S. 723 <723>). Ihm entspricht keine
grundrechtliche Position des Versicherten, die der Beschwerdeführer in Prozessstandschaft vor dem
Bundesverfassungsgericht wahrnehmen könnte.
II.
28
Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie nicht begründet.
29
1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen nicht das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers. Die
Gehörsverletzung sieht der Beschwerdeführer darin begründet, dass die Gerichte seine Ausführungen zu den
verfassungsrechtlichen Maßstäben an die Auslegung und Anwendung des AGB-Gesetzes nicht nur in den Gründen
nicht angesprochen, sondern ersichtlich nicht erwogen hätten.
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Daran ist richtig, dass der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht in den angegriffenen Entscheidungen auf
verfassungsrechtliche Aspekte nicht eingegangen sind. Eine im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu rügende
Gehörsverletzung kann darin nur insoweit liegen, als die Gerichte nicht auf behauptete Verstöße gegen Grundrechte
eingegangen sind, die eigene Rechte des Beschwerdeführers betreffen. Der Beschwerdeführer hatte zu etwaigen
Verstößen gegen ihm als eigene zustehende Grundrechte allerdings nichts vorgetragen. Vor dem Landgericht hatte er
die vermeintlichen verfassungsrechtlichen Probleme nur im Hinblick auf Grundrechte der Versicherten, und das auch
nur ganz am Rande, angesprochen; in seinen Schriftsätzen im Berufungs- und im Revisionsrechtszug werden
verfassungsrechtliche Aspekte nicht einmal erwähnt.
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2. Auch das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter ist nicht verletzt.
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Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 177 EWGV - jetzt Art. 234 EGV - verletzt die Garantie des
gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage
trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit einer zweifelhaften
gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, wenn es in seiner Entscheidung bewusst von der
Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht oder wenn das
Gericht trotz Fehlens oder nicht abschließender Aussagen einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu
entscheidungserheblichen Fragen seinen Beurteilungsspielraum in unvertretbarer Weise überschreitet, etwa indem es
seine Entscheidung auf eine europarechtliche Auffassung stützt, obwohl mögliche Gegenauffassungen eindeutig
vorzuziehen sind (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 ff.>).
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Keine dieser Fallgestaltungen liegt hier vor. Es ist schon nicht zu erkennen, dass der Bundesgerichtshof eine
europarechtliche Frage für entscheidungserheblich gehalten hat, da die Entscheidung zu Europarecht keine Aussagen
trifft. Dass der Bundesgerichtshof von einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewichen sei, behauptet
auch der Beschwerdeführer nicht. Da die angegriffene Entscheidung nicht auf europarechtlichen Erwägungen beruht,
kann auch nicht festgestellt werden, dass der Bundesgerichtshof seine Auffassung auf eine europarechtliche
Auffassung gestützt hätte, der eine andere eindeutig vorzuziehen wäre.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem